Interview von Harald Neuber mit Marco Mertz ("Pyro") der Berliner Gruppe "Mellow Mark". Im Rahmen der XIII. Internationalen Buchmesse in Havanna spielte die Combo auf mehreren Konzerten Reggae und HipHop.
Was hat Sie nach Kuba verschlagen?
Wir haben den Leiter der Künstlerdelegation, Gert Gampe, im vergangenen Sommer in Berlin kennengelernt. Er hatte uns damals auf ein Konzert bei der PDS eingeladen, wahrscheinlich weil unsere Texte politisch sind. Er hat uns dann auch nach Kuba eingeladen.
Würden Sie sich denn als politische Musiker bezeichnen?
Nein. Wir machen Musik in erster Linie um der Musik und nicht der Politik willen. Nach den Titeln "Revolution" und "Weltweit" hat unser Frontmann Mark Mellow einige kritische Reaktionen bekommen. Die Revolution zu fordern, sei etwas oberflächlich, hieß es. Was Mark aber meinte, war eine Revolution der Herzen, in dem Sinne, dass die Leute bei sich selber mit Veränderungen anfangen sollen.
Was uns vor allem auf den Nerv geht, ist die verbreitete Haltung, sich als Opfer zu begreifen. Die Leute setzen sich schlechtgelaunt mit einer Bierdose in die Ecke, um sich darüber zu beklagen, wie scheisse die Regierung ist. Wir wollen mit unseren Texten dagegen zum Handeln motivieren.
Mit Veränderungen bei sich selbst zu beginnen, erinnert an die Idee des "Neuen Menschen" von Che Guevara. Haben Sie mit Kubanern über diese Ideen gesprochen?
Natürlich war die Sprachbarriere hoch, Beeindruckend bei unseren Kontakten fand ich aber die Zufriedenheit der Leute. Wir hatten vorher gedacht, dass die Menschen hier in einem größeren Konflikt mit dem Staat stehen würden. Tatsache ist jedoch, dass sie um die Probleme wissen, aber auch offen darüber reden. Ich war zuletzt in Ghana unterwegs, nach gängigen Kriterien ein demokratisches Land, das der westlichen Welt politisch und medial offensteht. Dort waren die Menschen viel unzufriedener mit ihrer Lebenssituation als hier in Kuba.
Vom politischen Standpunkt aus hat sich Ihr negatives Kuba-Bild also nicht bestätigt?
Alle Künstler, mit denen wir gesprochen haben, sind offen mit dem Thema Zensur umgegangen. Sie meinten, dass sie schreiben könnten, was sie wollen. In keinem Gespräch wurde uns ein anderer Eindruck vermittelt.
Wollen Sie wieder nach Kuba kommen?
Auf jeden Fall.
Junge Welt, 17.02.2004
CUBA LIBRE 2-2004