In der Haut eines Anderen

Als die von den USA gesponsorten "unabhängigen" Journalisten, Bibliothekare, Ärzte, Menschenrechtler, Soziologen und was sonst noch so bei der US-Interessenvertretung in Lohn und Brot stand, aufflogen und vor Gericht gestellt wurden, waren die diversen Anklagepunkte bereits aufgelistet und wohl formuliert. Schnell sickerte durch, dass einige, die das Vertrauen der höchsten US-Stellen besaßen und in der Interessenvertretung ein- und ausgingen, U-Boote waren, was die Beweisführung der Anklage sicher unheimlich erleichterte. Welche Einzelschicksale sich aber hinter diesen eingeschleusten Agenten verbergen, kann man sich als Außenstehender nicht so recht vorstellen.

Nehmen wir zum Beispiel den Agenten Ernesto.

Ernesto, ein Arzt, wurde gefragt, ob er bereit sei, sich in die sogenannte "Liberale Partei" einschleusen zu lassen. Diese Partei hat es sich zur Aufgabe gesetzt, Botschaften zu besuchen, um die Länder davon abzubringen, wirtschaftliche Beziehungen zu Cuba aufzunehmen. Damit dieser plötzliche Stimmungswechsel glaubhaft werden konnte, musste ein Szenario erfunden werden. Das ergab sich, als sein einziger Bruder und die Mutter das Land verließen. Von da an verwandelte er sich in eine aggressive, mit allem unzufriedene und ewig nörgelnde Person, die gegen alles und jedes protestierte.

Er wirkte glaubhaft und er wurde Präsident des Colegio Medico. Aber dieser Verein bestand, auch wenn der Name beeindruckend klingt, aus ganzen 10 Leuten. Offiziell wurde aber eine Mitgliederzahl von 800 verbreitet. Durch diese Lügen erweckt man den Eindruck einer großen Bewegung, vor allem aber wird die Organisation dann mit mehr Geld bedacht. Ernesto bekam 100$ imMonat von der Elena Mederos Stiftung, der MiamiMedical Teams Foundation und zwar dafür, dass er irgendwelche angeblichen Menschrechtsverletzungen meldete. Die MiamiMedical Teams Foundation wird von der AID subventioniert. Sie ist eine terroristische Organisation; z. B. planten zwei ihrer Mitglieder in der Dominkanischen Republik einen Anschlag gegen Fidel Castro.

Er bekam den Auftrag, in dem Hospital, in dem er arbeitete, Leute zu rekrutieren. Er sollte ihnen sagen, sie bekämen fast kein Geld, müssten immer Wache schieben usw. Diese "Überzeugungsarbeit" übernahmen James Cason, der Chef der US-Interessenvertretung in Havanna und Zuniga, zweiter Sekretär und Chef der sogenannten humanitären Abteilung auch selbst. Sie fuhren das Land auf und ab, immer auf der Suche nach neuen Söldnern für ihre Zwecke. Dabei erzählte Zuniga ihm einmal, dass sie beiMayarí auf einen Arzt in den Bergen getroffen seien, der sagte, er brauche nichts von ihnen, weder Geld, noch Medikamente noch sonst was. Ernesto dachte damals: "Das ist ein Cubaner, ein Revolutionär, so wie ich." Dann arbeitete er noch in einem andern Projekt der SINA mit, das über eine spanische Stiftung lief und den schönen Namen "die Familie aufwecken" (despertando la familia) hat. Er sollte Kinder suchen, die sich für spektakuläre chirurgische Operationen eignen. Die würden dann in Spanien operiert, mit entsprechender propagandistischer Show und dem Ziel, das cubanische Gesundheitssystem zu diskreditieren, anschließend nach Cuba zurückgebracht, wo man sich dann um die weniger spektakuläre Reha kümmern muss. Kinder mit Deformierungen und Behinderungen wurden nicht akzeptiert (die kommen propagandistisch nicht so gut). Auch die Bitte um teure Medikamente der neueren Generation wurden immer abgelehnt.

1996 begann Ernesto mit seiner Arbeit als Agent. Im Jahre 2000 stand seine Ehe vor dem Zusammenbruch. Das Paar durchlebte eine schmerzhafte Situation, die Distanz zwischen den Beiden, das ewige Versteckspiel wurden für seine Frau unerträglich. Man hatte nichts mehr, über das man gemeinsam reden konnte, sie glaubte, er hätte eine Andere. Ernesto ging zu seinem Offizier und man beschloss, seine Frau einzuweihen. So wurde die Agentin Gabriela geboren.

Die Enttarnung von Ernesto und seiner Frau wird die Leute in Washington ganz schön irritiert haben, denn die beiden waren es, die den Bericht mit den angeblichen Menschenrechtsverletzungen, den die USA der UNO vorlegen, ausgearbeitet haben. Wie so etwas anzufertigen war, das lernte man in der SINA.

Dort gab es Kurse für "Dissidenten" und dort wurden Videos verteilt. Eines davon heißt: "Eine größere Macht". Darin wird zu zivilem Ungehorsam aufgerufen, gezeigt, wie man Bomben baut, Sabotage plant, Streiks veranstaltet und Aktionen durchzieht, die die Polizei und das Militär auf den Plan rufen sollen.

Jetzt, da seine Identität preisgegeben wurde, kann er nicht mehr weiter die finsteren Pläne der SINA beobachten. Als nächstes steht dort die Bildung von "unabhängigen" Arztpraxen und Apotheken auf dem Programm. Da ist die Planung schon weit fortgeschritten und dabei kann man die Situation des Mangels ausnutzen, die im Land herrscht.

Gabriela erinnert sich, dass es schwierig war, die Kinder zu erziehen. Die Kinder betrachteten sie als Fremde, als seltsame Wesen. Sie weiß, dass sie sich fragten: Warum, Mami, warum? Die Familie ist das Schwierigste bei dieser Arbeit, obwohl sie nie ein Treffen im Hause hatten und auch dort nicht die Plakate malten. Ihr Vater, jetzt pensioniert, arbeitete früher im Innenministerium und beobachte misstrauisch jeden ihrer Schritte. Er wusste natürlich, dass da etwas nicht stimmen konnte. Gabriela war unheimlich glücklich, als ihre Eltern die Wahrheit erfuhren und sie ihnen sagen konnte, dass sie nie eine Verräterin gewesen ist. Im Viertel flossen Tränen, als man erfuhr, wer Ernesto und Gabriela wirklich waren. Diese Umarmungen überall, diese heftigen Emotionen hatten die beiden nicht erwartet. Die Leute machten ihnen Platz, als ob sie Könige wären. Ernesto erzählt ihnen, wie peinlich es ihm war, mit vollen Taschen an ihnen vorbeizulaufen oder die Freiwilligenarbeit abzulehnen. Oder den Kindern zu erklären, warum sie nicht zur Tribuna Antiimperalista marschieren würden, so wie die andern Eltern auch.

Seine Chefin ist überglücklich, dass sie sich in Ernesto geirrt hat. Es tut ihr heute Leid, weil sie schreckliche Dinge zu ihm gesagt hat. Aber sie hatte so darunter gelitten, als sie glaubte, er ginge verloren, er, den sie einmal als vorbildlichen Arzt kennen gelernt hatte. Jetzt ist sie stolz und sieht ihr Krankenhaus geehrt durch Ernesto, der eigentlich der Doktor Pedro Luis Véliz Martínez ist und der damals den Decknamen Ernesto gewählt hat - dreimal dürfen Sie raten warum.

CUBA LIBRE RF

CUBA LIBRE 2-2020