Euro Fario ist Chefredakteur der venezolanischen KP-Zeitung Tribuna Publica und Mitglied im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Venezuelas. Er lebte von 1961 bis 1964 in Leipzig und wurde dort als Autoschlosser ausgebildet.
1. Wie steht die Kommunistische Partei Venezuelas zur Regierung Chavez?
E.F.: Wir sind Teil der breiten Regierungskoalition, die die Chavez-Regierung unterstützt. Das Bündnis umfasst insgesamt 5 Parteien. Die größte Fraktion stellt die Partei des Präsidenten, die sich Bewegung für die fünfte Republik nennt.
Dort gibt es ansonsten die unterschiedlichsten Positionen von weit links bis ganz rechts. Die zweitstärkste Gruppierung ist die Partei "Patria para Todos", die relativ stark in der venezolanischen Arbeiterbewegung verankert ist. Zu dieser Partei haben wir KommunistInnen ein gutes Verhältnis. Dann gibt es noch eine Partei namens "Podemos" - Bewegung für eine sozialistische Linke, die wir für opportunistisch halten und die Action Democratica, die sich von der venezolanischen Sozialdemokratie abgespalten hat.
2. Kann sich die KP in diesem Bündnis überhaupt eigenständig profilieren?
E.F.: Natürlich ist es oft nicht einfach, weil uns in der Koalition häufig antikommunistische und antimarxistische Vorurteile begegnen. Doch es ist gerade Präsident Chavez, der immer wieder betont, dass auch die KommunistInnen zu seiner Regierungskoalition gehören. Damit öffnet er uns immer wieder Türen und neutralisiert den Anti-Kommunismus der anderen Parteien. Wir sind Teil der Koalition, weil wir denken, dass zur Zeit nicht die Einführung des Sozialismus, sondern die Verteidigung der Bolivarischen Revolution in Venezuela auf der Tagesordnung steht. In diesem Ziel sind sich alle an der Koalition beteiligten Kräfte einig.
3. Kritiker meinen, dass die Bolivarische Revolution mehr eine Worthülse ist. Wie setzt sie sich in konkrete Politik um?
E.F.: Der Bezug auf Simon Bolivar hat in Venezuela das Thema der Souveränität des Landes, der Bodenreform und der sozialen Reformen wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Jahrzehntelang wurde Bolivar zwar an seinem Todestag in der Schule geehrt, aber er war eigentlich politisch tot. Außerdem sind die Gegensätze zwischen der Venezolanischen Regierung und dem US-Imperialismus enorm und werden sich in der nächsten Zeit noch weiter verschärfen. Das wurde schon auf außenpolitischem Gebiet deutlich.
4. Wie hat die KP Venezuelas die Erschütterungen nach dem Niedergang des nominal-sozialistischen Lagers 1989 verkraftet?
E.F.: Im Gegensatz zu vielen Kommunistischen Parteien in anderen lateinamerikanischen Ländern gab es nach 1989 keine Spaltungen und kaum Parteiaustritte. Natürlich gab es intensive Diskussionen, die bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Doch wir hatten unsere Parteispaltung schon 1970.
Damals haben sich einige Intellektuelle von unserer Partei abgespalten und die Bewegung für den Sozialismus (MAS) gegründet. Die MAS hat sich in der Folge auch noch weiter gespalten. Ein Teil unterstützt heute die Chavez-Regierung, der andere Flügel kämpft mit den Rechten gegen die Regierung.
5. Hat die KP Venezuelas in ihrer Geschichte schon vorher eine Regierung unterstützt?
E.F.: Unsere Partei hat eine wechselvolle Geschichte. Sie wurde 1931 gegründet und war bis 1945 illegal. Danach hat sie kurzzeitig die damalige venezolanische Regierung gestützt. Wie alle Kommunistischen Parteien Lateinamerikas unterstützte auch unsere Partei im Zuge der Anti-Hitler-Koalition die einheimischen Bourgeoisien. Das dauerte allerdings nur wenige Jahre.
Später waren wir wieder illegal und verlegten uns in den 60er Jahren sogar für einige Jahre auf den Guerillakampf. Erst 1968 wurde die Partei wieder legalisiert. Doch erst seit dem Regierungsantritt von Chavez haben wir größere Möglichkeiten der Agitation und können mit die Bevölkerung organisieren.
6. Welche Rolle spielt die ArbeiterInnenbewegung heute in Venezuela?
E.F.: Leider ist die ArbeiterInnenbewegung zur Zeit sehr gespalten, weil sie teilweise kein Klassenbewusstsein hat. Das zeigte sich bei einem Streik in der Ölindustrie vor einigen Monaten. Neben dem Management nahm auch ein Teil der ArbeiterInnen an der Aktion gegen die Regierung teil. Doch mehr als die Hälfte von ihnen verteidigte die Regierung und widersetzte sich dem politischen Streik.
Peter Nowak
CUBA LIBRE 2-2020