Ausführungen des Präsidenten der Republik Kuba, Fidel Castro Ruz, zur jetzigen internationalen Lage, zur Wirtschaftskrise, zur weltweiten Krise und zu den Aspekten der Beeinträchtigung Kubas, vorgetragen im kubanischen Fernsehen am 2. November 2001
Anläßlich der Einweihung der Schule für Sozialfürsorger in Santiago de Cuba am 24. Oktober hatte ich gesagt, daß man in den kommenden Tagen etwas zur Situation der Weltwirtschaft sowie darüber sagen müsse, welche Auswirkungen diese auf unser Land haben könnte, das sich - je nach Stand der Überwindung der Spezialperiode - mit der Umsetzung eines noch nie dagewesenen Entwicklungsprogramms im sozialen Bereich befaßte. Nun wollte ich jene Darlegungen nicht weiter ausdehnen.
Zur Schilderung der jetzigen Situation kann, ganz kurz zusammengefaßt, gesagt werden: Mitte der neunziger Jahre, als die neoliberale Globalisierung unseren gesamten Planeten erfaßte, erzielten die Vereinigten Staaten als absolute Herren der internationalen Geldinstitute und auf der Grundlage ihrer immensen politischen, militärischen und technologischen Stärke die spektakulärste Akkumulation von Reichtum und Macht, die es je in der Geschichte gegeben hat.
Doch die Welt und die kapitalistische Gesellschaft traten in eine vollkommen neue Etappe ein. Nur ein unbedeutender Teil der Wirtschaftstätigkeit war mit der Weltproduktion und dem Welthandel verbunden. Täglich wurden Spekulationsgeschäfte zu den Währungen und anderen Wertpapieren in Höhe von drei Billionen Dollar abgewickelt. An den Börsen der Vereinigten Staaten schnellten die Aktienpreise wie Schaum nach oben, häufig ohne jegliche Relation zu den Gewinnen der Unternehmen. Es entstanden wahre Mythen: Es werde bereits keine Krise mehr ausgelöst; das System könne sich selbst regulieren; es habe die entsprechenden Mechanismen für ein ununterbrochenes Wachstum geschaffen. Die imaginäre Wertschöpfung ging so weit, daß es Aktien gab, bei denen 1000 Dollar investiert worden waren und ihr Wert sich in nur acht Jahren um das 800fache erhöht hatte. Es war wie ein immenser Ballon, der bis ins Unendliche aufgeblasen wurde.
So wie das virtuelle Vermögen entstand, wurde es investiert, ausgegeben, verschwendet. Die Erfahrungen aus der Geschichte wurden völlig ignoriert. In nur hundert Jahren hatte sich die Weltbevölkerung vervierfacht. Milliarden Menschen waren von jenem Vermögen absolut ausgeschlossen. Sie waren Rohstofflieferanten und Quelle billiger Arbeitskräfte, doch sie selbst hatten nicht teil am Konsum, noch konnten sie Konsumenten sein. Sie stellten keinen Markt dar, nicht das fast unendlich große Meer, in das der immense Strom von Produkten floß, die von einer bevorrechteten und kleinen Gruppe von Industrieländern in wilder Konkurrenz erzeugt wurden mit Anlagen, die immer produktiver wurden und immer weniger Arbeitsplätze schufen.
Eine einfache Beobachtung war ausreichend um zu begreifen, daß jene Situation nicht zu halten war.
Allem Anschein nach wurde niemand gewahr, daß jeglicher augenscheinlich belanglose Zwischenfall in der Wirtschaft einer Region der Welt das gesamte Gerüst der Weltwirtschaft erschüttern konnte.
Die Architekten, Experten und Verwalter der neuen Weltwirtschaftsordnung, die Ökonomen und Politiker - in dem Maße, wie sich ihre Phantasie auflöst - können es kaum fassen, daß ihnen die Lenkung der Ereignisse aus den Händen geglitten ist. Es sind andere Kräfte, die die Entscheidungen treffen: die großen und immer mächtigeren und eigenständigen transnationalen Unternehmen und die hartnäckigen Realitäten, auf echte Veränderungen in der Welt hoffend.
Im Juli 1997 bricht die erste große Krise der globalisierten neoliberalen Welt aus. Die Tiger gab es nicht mehr. Japan hat sich noch nicht wieder erholen können und die Welt hat noch mit den Folgen zu kämpfen
Im August 1998 kommt es zur sogenannten Rußlandkrise, die, obwohl der Anteil des Landes am BIP der Welt mit seinen knapp zwei Prozent unbedeutend ist, die Wertpapierbörsen der Vereinigten Staaten erschütterte und in einer Frage von Stunden um Hunderte von Prozentpunkten herunterfuhr.
Nur fünf Monate später tritt im Januar 1999 Brasilien in die Krise.
Die G-7, der IWF und die Weltbank mußten eingehende Bemühungen realisieren um zu vermeiden, daß die Krise auf ganz Südamerika übergreift, den Wertpapierbörsen der Vereinigten Staaten einen vernichtenden Schlag versetzend.
Diesmal kam es zum Unvermeidlichen: Die Krise setze - anfangs fast unmerklich - in den Vereinigten Staaten ein. Seit Mitte des Jahres 2000 waren in der anhaltenden Verminderung des Entwicklungstempos der Industrieproduktion die ersten Anzeichen zu beobachten.
Im März jenes Jahres hatte der Nasdaq-Index, der sogenannten Spitzenproduktion, bereits zu sinken begonnen.
Gleichermaßen zeigt sich eine enorme Steigerung des Defizits der Handelsbilanz, von 264,9 Milliarden im Jahr 1999 auf 368,4 Milliarden im Jahr 2000.
Im zweiten Quartal 2000 betrug das Wachstum des BIP 5,7 Prozent; im dritten Quartal waren es lediglich 1,3 Prozent.
Seit Oktober 2000 setzte eine Verringerung der Industrieproduktion ein.
Ungeachtet dessen waren Ende 2000 die Meinungen zu den Perspektiven und Prognosen der Weltwirtschaft noch recht optimistisch. Die Realität sollte sich recht bald und unverhohlen als gegenteilig erweisen.
Seit Anfang des Jahres 2001 sahen sich der IWF, die Weltbank, die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Europäische Kommission sowie private Institutionen gezwungen, ihre Wachstumsprognosen für das Jahr 2001 in den verschiedenen Regionen nach unten zu korrigieren.
Der IWF hatte im Mai ein globales Wachstum von 3,2 Prozent für das Jahr 2001 eingeschätzt. Für die Vereinigten Staaten betrug dieses in jenem Monat 1,5 Prozent und für Euroland waren es 2,4 Prozent. Japan erlebte seine vierte Rezession in zehn Jahren und vorausgesagt wurde eine Abnahme bis zu unter 0,5 Prozent in diesem Jahr.
Der geschäftsführende Direktor des IWF, Horst Köhler, sagte in einer Rede vor dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) am 16. Juli 2001 in Genf: "Das Wirtschaftswachstum hat überall auf der Welt im Tempo nachgelassen. Für die fortgeschrittenen Wirtschaften (die entwickelten und reichen Länder) kann dies unbequem sein, doch eine echte Quelle von Schwierigkeiten wird es für viele Länder mit emerging und developing markets (die armen und unterentwickelten Länder) sein sowie ein Schritt zurück im Kampf gegen die Armut."
In den meisten Ländern Südostasiens, ausgenommen China, und in den lateinamerikanischen Ländern sank die Produktion. Laut Angaben der Weltbank soll der Anstieg in Südostasien, das sich nach seinem beeindruckenden Sturz im Jahr 1997 zu erholen begann, von 7,6 Prozent im vergangenen auf 4,5 Prozent in diesem Jahr betragen und Lateinamerika um zwei Prozent, also um die Hälfte des Vorjahres, wachsen.
Auch andere Institutionen stellen Prognosen. Die Zeitschrift The Economist schätzte im April das globale Wachstum für 2001 mit nur 2,7 Prozent ein gegenüber 4,6 Prozent des Vorjahres und die Steigerung des Welthandels mit 3,5 Prozent gegenüber den im Jahr 2000 erzielten 13,4 Prozent.
Für die Eurozone gab die OECD in ihrem Anfang Mai 2001 veröffentlichten Halbjahresbericht ein Wachstum von 2,6 Prozent an, also 0,5 Prozentpunkte weniger als ursprünglich angenommen.
Am 10. September, also einen Tag vor den Ereignissen in New York und Washington, überprüfte der IWF das Wachstumsverhalten der Weltwirtschaft, der Vereinigten Staaten, Europas und Japans:
Weltwirtschaft (Wachstum in Prozent)
Herbst 2000 4,2
März 2001 3,4
Frühjahr 2001 3,2
September 2001 2,7
Es zeigt sich eine fortschreitende Verringerung von 4,2 auf 2,7 in weniger als einem Jahr.
Vereinigte Staaten von Amerika
Herbst 2000 3,2
März 2001 1,7
Frühjahr 2001 1,5
September 2001 1,5
Hier zeigt sich dasselbe, von 3,2 auf 1,5 im gleichen Zeitraum.
Japan
Herbst 2000 1,8
März 2001 1,0
Frühjahr 2001 0,6
September 2001 0,2
Die Zahlen sprechen für sich.
Eurozone
Herbst 2000 3,4
März 2001 2,7
Frühjahr 2001 2,4
September 2001 1,9
Bei den drei großen Zentren der Weltwirtschaft ist ausnahmslos und zeitgleich in weniger als einem Jahr eine Verlangsamung des Wachstumstempos auf weniger als die Hälfte zu beobachten. Im speziellen Fall Japans fiel dieses fast auf Null.
Situation des Arbeitsmarktes
Ende 2000 betrug die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten nur 3,9 Prozent. Wie verhielt sie sich nun 2001?
Arbeitslosenquote (in Prozent)
Februar 4,2
März 4,3
April 4,5
Mai 4,4
Juni 4,5
Juli 4,5
August 4,9
Obwohl noch keine offiziellen Angaben vorliegen, wird berechnet, daß die Arbeitslosenquote bereits 5,1 Prozent erreicht. Dieser Umfang ist in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren nicht mehr registriert worden.
Heute, am 2. November, nachdem das vorliegende Material bereits geschrieben war, wurde die offizielle Angabe veröffentlicht, und zwar beläuft sie sich auf 5,4 Prozent. In nur einem Monat wurden 415 000 Arbeitsplätze gestrichen, die höchste Nettoreduzierung seit Mai 1982, also seit 21 Jahren.
Die Entwicklung der Arbeitslosenquote ist ein glaubwürdiger Beweis der Verschlechterung jener Volkswirtschaft noch vor dem Terroristenangriff.
Als wichtiger Punkt aus den letzten fünfzig Jahren sollte in Betracht gezogen werden, daß, wenn die Arbeitslosenquote 5,1 Prozent erreichte, dieses zusammenfiel mit dem Einsetzen einer Rezession.
Ausgelastete Kapazitäten (in Prozent) in der Industrie der Vereinigten Staaten im Jahr 2001:
Februar 79,2
März 78,7
April 78,4
Mai 78,0
Juni 77,1
Juli 77,0
August 76,4
Im August sank die Industrieproduktion um 0,6 Prozentpunkte gegenüber den Ergebnissen des Monats Juli. In den letzten zwölf Monaten war sie um annähernd fünf Prozent geschrumpft. Den August mit einbezogen, waren es bereits elf aufeinanderfolgende Monate der Schrumpfung.
Die im August registrierte Zahl liegt recht nahe am niedrigsten Stand seit 1983.
Im August 2001 kam es zu einem Haushaltsdefizit von 80 Milliarden Dollar.
Im gleichen Monat wurde unter den demokratischen Kongreßmitgliedern laut, die Vorhersagen deuteten darauf hin, daß die Regierung einen Teil des Fonds für soziale Sicherheit zur Finanzierung der laufenden Kosten benutzen müssen.
Während des zweiten Quartals 2001 schrumpften die US-amerikanischen Importe um 13,9 Milliarden Dollar, und der niedrige Stand dieser Aktivität in der übrigen Welt bewirkte ein Sinken der Exporte von 9,1 Milliarden Dollar.
Der Wert der Aktien der Hauptindizes der Börse sank im Jahr 2001 wie folgt:
Dow Jones 18,06 %
Nasdaq 66,42 %
Standard & Poor's (S&P) 28,48 %
Das bedeutet einen Verlust in Billionenhöhe in weniger als einem Jahr.
Die Federal Reserve hat im Jahr 2001 den Zinssatz neunmal gesenkt. Der Zweck dabei war, den Preis des Geldes zu verbilligen und das Vertrauen des Verbrauchers zu stützen, um damit dann die Wirtschaftstätigkeit anzukurbeln. Diese frenetische Häufigkeit ist Ausdruck von Verzweiflung.
Europa
Die Industrieproduktion der Eurozone zeigt im ersten Halbjahr 2001 eine kontinuierliche Senkung. Diese Verringerung zwingt die Unternehmen zur Reduzierung ihres Personals, was wiederum verbrauchsreduzierend wirkt. So ergibt sich ein depressionsartiger Teufelskreis.
Investitionen und Verbrauch nahmen ab, und es verstärkte sich der Rezessionstrend.
Der europäische Währungskommissar erklärte, die Volkswirtschaft Europas werde dieses Jahr lediglich um 1,5 Prozent wachsen; und die sechs namhaftesten Wirtschaftsinstitute Deutschlands reduzierten das Wachstum dieses Landes auf 0,7 Prozent in diesem und auf 1,3 Prozent im kommenden Jahr. Sie avisierten, die deutsche Volkswirtschaft stehe am Rande einer Rezession, was sich stark negativ auf Europa auswirkt, denn Deutschland gilt als seine "Lokomotive der Wirtschaft".
Japan
Das Bruttoinlandsprodukt des ersten Quartals 2001 verringerte sich in Japan stärker als erwartet, zeigte einen Fall von 0,2 Prozent gegenüber den erwarteten 0,1 Prozent. Im zweiten Quartal schrumpfte es um zusätzliche 0,8 Prozent.
Die Industrieproduktion startete im März eine Talfahrt, die im August bereits bei 11,7 Prozent angelangt war. Dieses Phänomen von sechs aufeinanderfolgenden Monaten Rückgang in der Industrieproduktion war in der japanischen Volkswirtschaft seit dem Zeitraum von Dezember 1991 bis Mai 1992 nicht mehr aufgetreten. Es versetzt die Industrieproduktion auf den niedrigsten Stand der letzten sieben Jahre. Japanischen Analysten zufolge bedeutet dies eine schlimmere als die Finanzkrise von 1997/98.
Der Handelsbilanzüberschuß Japans war im Juli dieses Jahres um 48 Prozent gesunken.
Zu ihrem Schutz antworten die Unternehmen mit Kürzungen der Stellenpläne. Dadurch ist die Arbeitslosenquote gestiegen, die im August dieses Jahres das historische Maximum von fünf Prozent erreichte, etwas noch nie Dagewesenes in Japan.
Lateinamerika
Im August informierte die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ein voraussichtliches Wachstum der Region in diesem Jahr von nur zwei Prozent, gerade einmal die Hälfte des Vorjahresanstiegs (vier Prozent). Damit berichtigte sie ihre im Mai eingeschätzte Angabe von einer Steigerung des BIP von 2,7 bis drei Prozent.
Den Erklärungen zufolge ist dieses auf eine weltweite Schwächung und die Instabilität einiger Schlüsselländer der Region zurückzuführen: Peru und Uruguay verzeichnen ein Nullwachstum. Brasilien war von einem Mangel an Energieversorgung betroffen, der seinen Produktionsbetrieb schwer beeinträchtigte und eine Währungsabwertung in diesem Jahr von etwa 40 Prozent bewirkte. Chile bremste seinen Wiederaufschwung. In Mexiko ist ein schwaches Wirtschaftswachstum von 0,13 Prozent dieses Jahr und von 1,74 Prozent für 2002 abzusehen. Die Regierung hatte ursprünglich für 2001 ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 4,5 % vorgesehen, dieses jedoch mehrfach nach unten korrigiert aufgrund der Abnahme des Wachstumstempos der Weltwirtschaft, speziell des der Vereinigten Staaten.
Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika schätzt ein, daß die Arbeitslosigkeit in der Region mindestens 8,5 Prozent betragen wird.
Einige reden heute seelenruhig von der "durch die Terroristenakte, die sich am 11. September in den Vereinigten Staaten ereigneten, und den am 7. Oktober gegen Afghanistan ausgelösten Krieg verursachte Krise der Weltwirtschaft". Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage. Meine vorangegangenen Ausführungen sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür. Die Krise gab es bereits und war nicht mehr aufzuhalten.
Wöchentlich erhalte ich ein Bulletin mit den wichtigsten Meldungen zur wirtschaftlichen Lage. Es stammt aus den angesehensten und vertrauenswürdigsten öffentlichen Quellen oder enthält wortgetreue Erklärungen von Experten und politischen Führungspersönlichkeiten. Mir kam speziell das Bulletin ins Gedächtnis, das ich am 8. September 2001 erhielt, also genau drei Tage vor der großen Tragödie in New York. Viele Jahre lang hatte ich keine schlimmeren Meldungen über die Perspektiven der Weltwirtschaft in nur einem einzigen Bulletin gelesen.
Der Sorgfalt halber las ich ein zweites Mal. Von den Informationen wählte ich einige aus, in denen es wortgetreu heißt:
"Hitachi Ltd., der größte Hersteller elektronischer Produkte Japans, gab eine Reduzierung von 14 700 Arbeitsplätzen für dieses Jahr bekannt - das sind vier Prozent seines Stellenplanes - und ist vorbereitet aus einen Verlust von mehr als einer Milliarde Dollar aufgrund des Einbruchs im Technologiebereich."
"Die rivalisierenden japanischen Halbleiterfirmen Toshiba Corp, NEC Corp und Fujitsu Ltd. kündigten ebenfalls eine voraussichtliche Reduzierung Tausender Arbeitsplätze an." (CNN, 31.8.2001)
"Der Präsident der Staatsreserve der Vereinigten Staaten, bei gleichzeitigem Einbruch der Aktienmärkte bereite die Erhöhung der Wohnungspreise der Zentralbank Schwierigkeiten für eine Voraussage der Situation der Wirtschaft des Landes. Diese Divergenz könne, so er, für das Wirtschaftswachstum des Landes bedeutsame Folgen haben." (The Wall Street Journal, 31.8.2001)
"In ihrem letzten Bericht hat die US-amerikanische Staatsreserve die Geldinstitute des Landes darauf hingewiesen, ihre Systeme der Risikokontrolle nicht nachhaltig genug verstärkt zu haben, so wie es angesichts des Leerlaufes der Weltwirtschaft hätte sein müssen." (spanische Zeitung Cinco Días, 3.9.2001)
"Gestern gab die Europäische Kommission das für dieses Jahr vorgesehene Wirtschaftswachstum der Eurozone mit weniger als 2,5 Prozent bekannt. So anerkannte es der Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, Peter Solbes, demzufolge Brüssel sogar noch "einige Zweifel" hinsichtlich dieser Zahl hege. Die vergangene Woche vom Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) verkündete Senkung der Zinssätze um ¼ Prozentpunkt war bereits von der expliziten Anerkennung eines Rechenfehlers begleitet. "Was wir unterschätzt haben, ist die lange Dauer und das Ernsthafte des Konjunkturrückgangs in den Vereinigten Staaten", sagte Duisenberg. "Es sei mir erlaubt zu sagen, daß wir sowie die oberen Organe der Vereinigten Staaten die Dauer und Intensität der Abschwächung zu optimistisch eingeschätzt haben", sagte er und dachte dabei an die Äußerungen des Staatssekretärs des Schatzamtes, Paul O'Neill."
"Diese schlichte Einschätzung der EZB, die nun wohl etwas verspätet kommt, nachdem das Wirtschaftswachstum der Eurozone im Januar mit 3,2 Prozent eingeschätzt worden war, dann fortwährend reduziert wurde und in diesen Tagen bei zwei Prozent angelegt ist." (spanische Zeitung Cinco Días, 3.9.2001)
"Der Präsident der Vereinigten Staaten verlieh seiner Besorgnis angesichts der andauernden Schwächung der US-amerikanischen Wirtschaftstätigkeit sowie deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Ausdruck. "Ich bin mir der Probleme bewußt, vor denen die von der Wirtschaftskrise betroffenen Arbeiterfamilien stehen, doch ich bin überzeugt, daß die Wirtschaft die Talfahrt wieder aufholt", bekräftigte er vor einem Treffen von Gewerkschaftsgruppen."
"Mit einer sich am Rande der Rezession befindlichen Wirtschaft versuchte der Präsident die US-amerikanischen Arbeiter zu überzeugen, er kenne ihre Lage und es werde etwas zu deren Lösung getan. Die Angelegenheit ist eine komplizierte, denn ein Nachlassen des Vertrauen der Verbraucher, der Abstieg der Finanzmärkte und das laue Wirtschaftswachstum der großen Weltmacht haben dazu geführt, daß in der Agenda des Präsidenten die wirtschaftlichen Angelegenheiten überwiegen." (spanische Zeitung Expansión, 4.9.2001)
Man beachte, Präsident Bush, der in diesen Themen nicht sehr bewandert ist, leistet seine Erklärung eine Woche vor dem 11. September.
"Laut Angaben zum Bruttoinlandsprodukt des ersten Halbjahres verzeichnet Lateinamerika faktisch eine Stagnation des Wachstums."
"Die Jahresabschlußbilanz 2001 werde einen weiteren Fall des Pro-Kopf-BIP der Region ausweisen, versichert Banco Bilbao Vizcaya Argentaria in seinem letzten Bericht über Lateinamerika. Die Einrichtung reduzierte ihre Wachstumsvoraussage für diese Länder von ursprünglich 3,9 aus ein Prozent; ein ungenügender Stand, um das Bevölkerungswachstum auszugleichen."
"Die Ursachen für diesen verstärkten Pessimismus sind in der weltweiten Schwächung zu suchen, die die Schätzungen von Anfang des Jahres übersteigt."
"Das schwache Wachstum der Hauptvolkswirtschaften findet seinen Niederschlag in einer starken Abnahme der Auslandsnachfrage und infolgedessen auch der Exporte Lateinamerikas."
"Am härtesten hat diese Folgen die mexikanische Wirtschaft zu spüren bekommen aufgrund des hohen Abhängigkeitsgrades ihrer Industrie von den Vereinigten Staaten. Dadurch wird ihr diesjähriges Wachstum nur 0,2 Prozent betragen gegenüber den im Jahr 2000 erzielten 6,9 Prozent." (spanische Zeitung Cinco Días, 4.9.2001)
"Bis zum Zeitpunkt beträgt die Anzahl der informierten Entlassungen bereits mehr als eine Million, obwohl die Kürzungen im August Unterbrechungen erfuhren. Insgesamt wollten die US-amerikanischen Firmen in jenem Monat 140 019 Arbeitsplätze streichen. Das sind 32 Prozent weniger als im Juli, doch mehr als das Doppelte der Kürzungen im August 2000. So wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres insgesamt 1,12 Millionen Entlassungen vorgenommen. Das sind bereits 83 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2000. Am meisten geschädigt hierbei bleibt weiterhin der Bereich der Telekommunikationen mit 19 Prozent abgeschaffter Arbeitsplätze bis zum heutigen Datum." (spanische Zeitung Cinco Días, 5.9.2001)
"Zu den ernsten Haushaltsschwierigkeiten von Deutschland, Italien und - etwas schwächer - Spaniens gesellen sich die Schwierigkeiten Frankreichs, dessen Kassendefizit in den ersten fünf Monaten des Jahres 16 Prozent angestiegen ist." (spanische Tageszeitung Expansión, 5.9.2001)
"Der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller gab bekannt, daß das BIP-Wachstum des deutschen Riesen dieses Jahr keine 1,5 Prozent erreichen wird. Bis zum Zeitpunkt hatte er lediglich verlauten lassen, das Wachstum bewege sich "unter zwei Prozent". Die Erklärungen Müllers werden für all jene eine neue kalte Dusche sein, die auf eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft gesetzt hatten." (spanische Zeitung Cinco Días, 5.9.2001)
"Zwar hat die Industrie der Vereinigten Staaten positive Zeichen eine Wiederbelebung zu senden begonnen, doch nun ist es der Bereich der Dienstleistungen, der die Erwartungen unter eine neue kalte Dusche stellt. Die Dienstleistungen unterlagen im August einer erneuten Schrumpfung, wie aus Angaben des Verbandes der Einkaufsbeauftragen hervorgeht. Ihr monatlicher Aktivitätsindex fiel von 48,9 Prozentpunkten im Juli auf 45,5 Prozentpunkte im August, womit es bereits einen zweiten Folgemonat unter fünfzig Prozentpunkten gibt, die als Markstein zwischen Rezession und Wachstum gelten. Im August kam es zu einer starken Abnahme neuer Bestellungen, war auf eine starke Schädigung der Aktivität in den nächsten Monaten hinweist. Diese Angabe überstieg bei weitem die Prognosen der Analysten, die mit einer minimalen Abnahme bis auf 48 Prozentpunkte gerechnet hatten." (spanische Zeitung Cinco Días, 6.9.2001)
"Gemäß Angaben des Internationalen Währungsfonds werden zwischen fünf Billionen und eine Trillion Dollars alljährlich durch die Banken aus unlauteren Aktivitäten gewaschen, deren Beträge zwischen 1,5 und 4,5 Prozent des Welt-BIP liegen." (spanische Zeitung El País, 6.9.2001)
"Die Zentralbank des Vereinigten Königreiches reduzierte kürzlich ihre eigene Wachstumsvoraussage des Bruttoinlandsproduktes für das Jahr 2001 auf zwei Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit der Rezession Anfang der neunziger Jahre." (spanische Zeitung Cinco Días , 6.9.2001)
"Die Agentur Moody's (spezialisiert in Risikoanalysen und weltweit führend in diesem Bereich) wies gestern auf die Möglichkeit einer Senkung der Qualifikation japanischer Schatzanweisungen hin."
"Heute wird das Bruttoinlandsprodukte des zweiten Quartals dieses Jahres bekanntgegeben. Vorausberechnungen der Analysten zielen auf eine Schrumpfung von 0,9 bis ein Prozent. Sollte das eintreten, dann bedeutete dies faktisch den Eintritt in die Rezession, nachdem das BIP in den Monaten von Januar bis März 0,2 Prozent geschrumpft ist. Diese Angabe stellt die Zukunft der zweitstärksten Wirtschaft der Welt infrage; in einem Umfeld verstärkten Konjunkturrückganges aufgrund der Verlangsamung des Wachstums der Vereinigten Staaten." (spanische Zeitung Cinco Días, 7.9.2001)
Wie man sehen kann, ist die Wirtschaftskrise keine Folge der Angriffe vom 11. September noch des Krieges gegen Afghanistan. So etwas könnte man nur aus Unkenntnis oder im Interesse des Verbergens der eigentlichen Ursachen behaupten. Die Krise ist die Folge des donnernden und unumkehrbaren Scheiterns einer der Welt aufgezwungenen ökonomischen und politischen Anschauung, des Neoliberalismus und der neoliberalen Globalisierung.
Terroristische Akte und Krieg erzeugen die Krise nicht, sondern machen sie noch viel schwerer. Was auf beschleunigte Weise heranreifte, bricht abrupt und ungelegen aus. Die Menschheit steht heute vor drei außerordentlich ernsten und sich untereinander potenzierenden Problemen: Terrorismus, Krieg und Wirtschaftskrise.
Die Wirtschaftskrise bedeutet daneben die Zuspitzung von sehr transzendenten Problemen, deren Lösung noch in weiter Ferne steht: Armut, Hunger und Krankheiten, denen Jahr um Jahr Abermillionen Menschen auf der Welt zum Opfer fallen; Analphabetentum, Mangel an geistiger Entwicklung, Beschäftigungslosigkeit, Ausbeutung von Millionen Kindern durch Arbeit und Prostitution; Drogenhandel und -konsum, wobei Dollarbeträge in elfstelliger Höhe bewegt werden; Geldwäsche; Trinkwassermangel; Mangel an Wohnungen, Krankenhäusern, Kommunikationen, Schulen und Bildungseinrichtungen. Beeinträchtigt werden die Grundrechte aller Menschen.
Ganz besonders negativ wird sich die Krise auf den Kampf um eine nachhaltige Entwicklung auswirken, um die Erhaltung der Umwelt und den Schutz der Natur gegen die erbarmungslose Zerstörung, der sie ausgesetzt ist und die die Verschmutzung von Wasser und Luft verursacht, die Zerstörung der Ozonschicht, das Waldsterben, die Wüstenbildung und das Aussterben von Pflanzen und Tieren. Wie ist es nur möglich, daß nichts dergleichen in Betracht gezogen wird?
Nationen, ja sogar ganze Regionen mancher Kontinente können einfach verschwinden, wenn so gefürchtete Plagen wie das AIDS-Virus nicht mit aller Dringlichkeit vom Menschen bekämpft und besiegt werden; wenn nicht entschlossen gegen Terrorismus, Krieg und Wirtschaftskrise gekämpft wird. Wenn es einen Zeitpunkt gibt, der ein Kooperieren aller Länder dringlicher denn je erfordert, dann ist dieser Zeitpunkt jetzt gekommen.
Zwar muß vor Abschluß meiner Darlegungen noch einmal auf dieses Thema zurückkommen, möchte aber jetzt erst einmal ausführen, welche Auswirkungen die heutige Weltlage und die Wirtschaftskrise auf unser Land haben und mit aller Sicherheit auch künftig haben werden.
Von der Wirtschaftskrise waren bereits einige unserer Haupteinnahmequellen in konvertierbaren Devisen betroffen.
Hier die unmittelbaren und direkten Folgen: Der Zuckerpreis sank auf dem Weltmarkt von neun auf 6,53 Centavos pro Pfund. Der Preis des Nickels - ein weiterer jener Posten, dessen Produktion gestiegen war bei Verringerung der Kosten und des Brennstoffverbrauchs - fiel von 8,640 auf 4,715 Dollar pro Tonne. Die Verkäufe von Tabakwaren, die ebenfalls zu unseren wichtigsten Exportposten gehören, haben auf sämtlichen Märkten eine Abnahme zu verzeichnen. Auch die Exporte anderer Güter und Leistungen haben Einschränkungen erfahren.
Direkte Folgen des Terroranschlages und des ausgelösten Krieges
Trotz der Krise, in die die Weltwirtschaft geraten war, sowie der durch die Brennstoffkosten verursachten Flugpreiserhöhung betrug das Touristenaufkommen per 31. August insgesamt 1 304 597 Besucher. Das bedeutete eine Steigerung von 8,7 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres mit 1 200 076 Besuchern.
Die Anzahl der in Einrichtungen des Tourismus beherbergten Gäste erhöhte sich um 11,3 Prozent.
Im September verringerte sich in nur 20 Tagen die Besucherzahl um 9,9 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des vergangenen Jahres. Für Oktober rechnet man mit einer Verringerung um 14 Prozent. Am stärksten betroffen werden die beiden bedeutendsten Zentren, Varadero und die Hauptstadt Havanna, sein.
Das Erreichen des gestellten Zieles von zwei Millionen Touristen war möglich gewesen. Die erste Million war bereits im ersten Halbjahr drei Wochen früher als im vergangenen Jahr erzielt worden. Nun wird das voraussichtliche Wachstum nur drei bis sechs Prozent betragen.
Für die anderen Karibikstaaten war der Schlag nach dem 11. September noch viel härter, denn diese waren viel mehr vom US-amerikanischen Tourismus abhängig.
Die genannten sowie andere außerhalb von Terrorismus und Krieg stehende Ursachen führten zu zusätzlichen Beeinträchtigungen:
Die Reduzierung der Deviseneinnahmen bewirkt eine Einschränkung der Kreditgewährung.
Es gibt finanzielle Verpflichtungen, die auch bei Reduzierung der Deviseneinnahmen beglichen werden müssen.
Geldwechselstellen (CADECAS)
Das Einsetzen der Bombardements zeigte eine sofortige Wirkung an den Geldwechselstellen. Zum besseren Verständnis muß ich erklären, daß unsere Währung, der kubanische Peso, in der schwersten Zeit der Spezialperiode eine Abwertung bis auf 150 Pesos pro Dollar erfuhr. Entsprechende Maßnahmen und die Gründung der CADECAS ermöglichten seine Aufwertung bis auf zwanzig Pesos pro Dollar. Das ist von bedeutendem Nutzen für die Bevölkerung. Damit wurde ihr Geld erneut aufgewertet und die Bürger konnten von den Devisenshops Gebrauch machen.
Mehr als fünf Jahre lang konnte unser Land trotz Blockade und Wirtschaftskrieg - und das findet nicht seinesgleichen auf der Welt - den Wert seiner Währung mit minimalen Schwankungen in die eine oder die andere Richtung stabil halten. Die Bank erzielte stets eine kleine Differenz zu ihren Gunsten, denn die Banken erhielten mehr Umtauschangebote Dollar in Peso als Angebote von Pesos in unseren konvertierbaren Peso. Die erzielte Differenz wurde ausschließlich auf den in Devisen zu entrichtenden Erwerb von Rohstoffen für die Herstellung von Produkten benutzt, die an die Bevölkerung gegen Pesos verkauft werden, von Brot über Markenbier bis hin zu vielen anderen Produkten. Die sich erholenden Fonds in Landeswährung dienten ihrerseits zur Wahrung der Stabilität der Peso-Dollar-Relation.
Nun wendete sich das Blatt: Das Dollarangebot nahm ab und es stieg der Kauf von konvertierbaren Pesos. In zwanzig aufeinanderfolgenden Tagen, ausgenommen drei, zahlte die Bank mehr Dollar aus als sie erhielt. Der Passivsaldo erreichte fast vier Millionen Dollar.
In den CADECAS wird nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage verfahren; es kann gar nicht anders sein. Als Folge davon war eine Abwertung des Peso zu verzeichnen. Es gab Zeiten, in denen der Wechselkurs in mehreren Provinzen 28 Pesos pro konvertierbaren Peso betrug. Vor drei Tagen stabilisierte er sich wieder bei etwa 26 pro konvertierbaren Peso. Dieser ist dem Dollar gleichwertig und bei Beantragung durch seinen Inhaber unmittelbar in Dollar transferierbar.
Unter diesen Umständen ging der Peso 18,18 Prozent seines Wertes verlustig. Es ist dies eine Situation, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Zum jetzigen Zeitpunkt darf das Land bei seinen Ressourcen in konvertierbarer Währung kein Risiko eingehen. Es ist unsere Pflicht, die Bürger zu informieren, damit sie jederzeit die ihnen am vernünftigsten erscheinende Entscheidung treffen. Wenn sie sich durch eine Abwertung des Peso unter Druck gesetzt fühlen, sollten sie sich nicht von Ratschlägen der Spekulanten noch von Angst leiten lassen.
Man darf nicht vergessen, daß die Revolution unter so schweren Bedingungen wie denen des Jahres 1994 in der Lage war, eine Reduzierung des Umtauschkurses von 150 bis auf 20 Pesos pro Dollar einzuleiten, der dann viele Jahre lang beibehalten wurde. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, befristete Spareinlagen in Pesos zu tätigen. Dafür werden jährlich 7,5 Prozent Zinsen gezahlt; das ist das Dreifache der Zinsen für Dollareinlagen und 50 Prozent mehr als für den konvertierbaren Peso.
Letztendlich wird die Revolution auch aus dieser Schlacht gegen die Folgen der Weltwirtschaftskrise, wie schwer diese auch sein mag, siegreich hervorgehen und ihre Währung wird unter allen Umständen wieder aufgewertet werden.
Mit all ihrer moralischen Autorität garantiert die Revolution den Bürgern:
1. Die CADECAS werden nicht geschlossen.
2. Sämtliche Einlagen, sei es in kubanischen Pesos, in konvertierbaren Pesos oder in Dollars, werden absolut respektiert.
3. Die gegen Devisen verkaufenden Läden, von denen alle Bürger Gebrauch machen können - den Umfang bestimmt ihr Einkommen in der einen oder der anderen Währung - werden nicht geschlossen.
4. Die Agrarmärkte bleiben bestehen.
5. Der Wert des kubanischen Peso wird entschieden verteidigt. Der offizielle Preis der Güter und Leistungen für die Bevölkerung, sowohl der rationierten als auch nicht rationierten Produkte, wird um keinen einzigen Centavo erhöht. Im Rahmen dieser Politik dürfen sich lediglich die Preise der Agrarmärkte verändern, und das aus ganz offensichtlichen Gründen, denn sie richten sich nach Angebot und Nachfrage; die Preise der Parallelmärkte, die sich am Preisverhalten auf den Agrarmärkten orientieren und in Abhängigkeit unserer Ressourcen immer darunter liegen sollten; ebenfalls veränderlich sind, wie sie es seit jeher waren, die Preise in den Devisenshops.
6. Der Preis der 700 000 chinesischen Fernsehgeräte, die gegen Landeswährung an die Bevölkerung verkauft werden, basiert auf dem Umtauschkurs von 20 Pesos pro Dollar, so wie entschieden wurde. Die Bezahlung erfolgt in zu vereinbarenden Raten ohne jegliche Zinserhebung.
Nicht vergebens haben wir zehn Jahre Spezialperiode hinter uns.
Natürlich ist heute das Hauptanliegen unseres Volkes und unseres Planeten überhaupt die Wahrung des Friedens, ohne den die Welt an einen tödlichen Abgrund geriete; und für diesen Frieden werden wir uns mit Mut, Ehre und Würde einsetzen, so wie wir es immer getan haben.
Die Wirtschaftskrise werden wir siegreich angehen. Kein Opfer, nicht einmal das des eigenen Lebens, schüchtert uns ein. Das ist wohlbekannt. Viele Jahre hindurch haben wir sämtliche Opfer ertragen. Jene, die meinten, die Revolution werde sich nur Wochen halten können, bewundern heute unsere heroische Fähigkeit, durchzuhalten und voranzuschreiten.
Die großartigen Leistungen könnten lange Seiten füllen. Hier sollen nur einige genannt werden:
Vor der Spezialperiode betrug die Investitionsnutzung 80 Centavo pro investiertem Peso, fiel 1994 auf 50 Centavos und beträgt heute 91 Centavos. Für die Konstruktion eines Hotelzimmers wurden 1994 annähernd 12 Tage benötigt. Im Jahr 2000 hatte sich diese Zeit auf 2,2 Tage reduziert.
In den letzten fünf Jahren hielt sich das Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wohingegen es 1993 33,5 Prozent betrug.
Die Arbeitsproduktivität verzeichnet eine Steigerung von 19 Prozent. Auf diesen Faktor sind faktisch 75 Prozent des Wirtschaftswachstums zurückzuführen.
Der Tourismus erhöht seine Einnahmen um das Achtfache und das Besucheraufkommen um das Fünffache bei einer Erhöhung der Beherbergungskapazität um nur das Dreifache und der Beschäftigten um das Doppelte.
In der Erdölproduktion, die zu Beginn der Spezialperiode 500 000 Tonnen betrug, werden bereits 3,6 Millionen Tonnen (Erdöl und Gas) erzielt. In diesem Bereich werden wir mit Investitionen nicht zögern. Im kommenden Jahr soll die Vier-Millionen-Grenze überschritten werden. Für jede in der Stromerzeugung und anderen Industrien eingesetzte Tonne kubanisches Erdöl und Gas spart das Land 60 Prozent seines Preises in konvertierbaren Devisen.
Neben Erdöl und Erdgas zeigen Heute, im Vergleich zu 1989, gleiche oder wesentlich höhere Ergebnisse: Tourismus, Produktionen für den Devisenbinnenmarkt, Stromerzeugung, Produktion von Nickel, Hackfrüchten und Gemüse, Zitrusfrüchten, Medikamenten, Exportzigarren u.a. Dazu kommen die Ergebnisse in Volksbildung, Gesundheitswesen, Kultur, Sport und Wissenschaften.
Der tägliche Kalorienverbrauch stieg von 1948 im Jahr 1994 auf 2578 kcal. pro Kopf im vergangenen Jahr. Im gleichen Zeitraum stieg der Proteinverbrauch von 47,7 auf 68,3 Gramm.
1994 betrug der Durchschnittslohn 185 Pesos.; Ende dieses Jahres werden es 242 Pesos sein. Das Durchschnittseinkommen - hier sind Anreizeinkommen und andere Deputatzuwendungen inbegriffen - wird 373 Pesos erreichen.
82 Prozent der Beschäftigten des aus dem Staatshaushalt finanzierten Bereiches - es sind insgesamt 1.091.200 - erhielten Gehaltserhöhung.
73,3 Prozent der Beschäftigten im Unternehmenssektor – insgesamt 1.322.000 - werden nach Leistung bezahlt.
Mehr als 1,2 Millionen Beschäftigte erhalten einen Anreiz in konvertierbaren Pesos oder gleichwertigen Leistungen.
Die Agrarmärkte haben seit ihrer Einrichtung im Jahr 1994 ihre Preise um 84 Prozent gesenkt.
Die Preiserhöhung auf den bereits flächendeckend existierenden staatlichen Agrarmärkten mit billigeren Durchschnittspreisen pro Gewichtseinheit verlief verhalten.
Die Beschäftigungslosenquote, die in den schlechtesten Jahren der Spezialperiode auf acht Prozent kletterte, betrug im Jahr 2000 5,4 Prozent. Die regionalen Unterschiede sind Gegenstand einer besonderen Behandlung.
Im Jahr 1994 gab es an 344 Tagen Stromausfälle, also fast täglich. 1,2 Millionen MWh konnten wegen Leistungsdefizit nicht erbracht werden. Im vergangenen Jahr waren es 77 Tage mit 64 000 MWh, die nicht geleistet wurden.
Der Verbrauch der Haushalte hat sich in den letzten vier Jahren um 16 Prozent erhöht. Wäre das Sparprogramm nicht umgesetzt worden, hätten es 25 Prozent werden können.
Es ist ein umfassenderer Umweltschutz mit Verringerung der Belastung in den unterschiedlichen Medien (Boden, Wasser, Luft) zu verzeichnen. Das Wirtschaftswachstum erfolgt nicht auf Kosten der Schädigung der Umwelt, sondern im Rahmen ihrer Erhaltung und Verbesserung. Das steht in Übereinstimmung mit einer nachhaltigen Entwicklung.
Die Trinkwasserversorgung erreicht 94 Prozent der Bevölkerung gegenüber ehemals 82 Prozent. Die Konstruktion von Wasserversorgungssystemen in 2.454 Landgemeinden kommt 1,2 Millionen Menschen zugute. Faktisch das gesamte Wasser des Landes wird gechlort.
In Umsetzung befindet sich ein Programm der Gasversorgung. Dadurch wurden bis Ende 1998 insgesamt 268.209 Familien mit mehr als einer Million Menschen begünstigt, die nun nicht mehr mit Kerosin kochen, sondern mit Gas.
Ein Programm der Telefonie wird verwirklicht. Es begann 1999 und bis zum Zeitpunkt wurden die Anschlüsse um 146.750 erweitert.
Sämtliche öffentlichen Telefone wurden gegen Digitalapparate ausgewechselt. 1999 gab es 11.860 öffentliche Telefone; Ende 2000 waren es 18.000 und dieses Jahr werden weitere 4.700 installiert.
In den letzten fünf Jahren wurden etwa 320.000 Wohnungen für mehr als 1,2 Millionen Menschen gebaut.
Die Leistungen der sozialen Sicherheit und der Schutz der verletzlichsten Sektoren der Bevölkerung wurde gewährleistet.
In diesen zehn Jahren Spezialperiode wurde mehr als 17 Millionen Pesos an Renten und Pensionen gezahlt.
Es ist nicht erforderlich, von der Schlacht der Ideen und von dem enormen sozialen Projekt zu sprechen, das Sie kennen und das und zu einem viel gerechteren und perfekteren Sozialismus führt und uns dem Ziel nähert, das Volk mit der weltweit besten Erziehung und Bildung zu werden. Lediglich soll gesagt werden, daß das Projekt 70 Programme und Hunderte von Aufgaben enthält, von denen mehrere der bedeutendsten bereits erfüllt sind.
Einige Zukunftsträume werden noch warten müssen, doch sie werden ebenfalls umgesetzt werden.
Die wichtigsten Investitionen sind bereits getätigt und waren minimal. Die Hauptrolle hat das immense Humankapital unseres Volkes gespielt und wird sie auch weiterhin spielen.
Politisch sind wir heute vereinter und stärker denn je.
Wir sind viel besser auf diese Situation vorbereitet.
Unsere soziale Gerechtigkeit macht es möglich, daß allen Bürgern Schutz zuteil wird.
Unsere politischen und Massenorganisationen, unser Staats- und Regierungsapparat zeigen eine bessere Organisation.
Die Arbeitsweise unserer Unternehmen wird verbessert. Wir haben gelernt, mit wenig Mitteln, doch mit mehr Wirksamkeit und mehr Disziplin zu produzieren.
Wir wissen, wie es jenen in der Welt ergingen ist, die sich vom Sozialismus abwandten und nach neoliberalen Rezepturen verfuhren.
Wir haben ein Volk, das mit jedem Tag gebildeter, bewußter und in jeder Hinsicht besser ausgebildet ist.
Am Anfang der Spezialperiode hatte unsere sozialistische Ideologie einen furchtbaren Schlag erlitten. Heute erleidet die Ideologie des Gegners diesen Schlag mit seiner tiefen Wirtschafts- und ideologischen Krise.
Ich sagte bereits, daß ich vor dem Schluß noch einmal auf das Thema Terrorismus, Krieg und Weltwirtschaftskrise zurückkommen würde.
Zwar ist unsere Position bekannt, doch scheint es mir angebracht, daran zu erinnern, daß wir noch am selben 11. September wenige Stunden nach den Ereignissen, nachdem wir unsere Verurteilung dieses brutalen Anschlags und unsere ehrliche und selbstlose Solidarität mit dem Volk der Vereinigten Staaten bekundeten - denn wir haben um keinerlei Gegenleistung gebeten und erwarten nichts dafür - unsere Überzeugung zum Ausdruck brachten, an der wir bis heute mit mehr Kraft und Gewißheit denn je festhalten: "Keines der heutigen Probleme der Welt kann durch Anwendung von Gewalt gelöst werden. (...) Die internationale Gemeinschaft muß ein weltweites Bewußtsein gegen den Terrorismus schaffen. (...) Nur die kluge Politik der Suche nach der Kraft von Konsensus und Weltöffentlichkeit kann das Problem mit der Wurzel ausrotten. (...) Diese so ungewöhnliche Tat könnte dazu dienen, den weltweiten Kampf gegen den Terrorismus zu entfachen. (...) Die Welt wird nicht zu retten sein, wenn sie nicht den Weg des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit geht."
In San Antonio de los Baños äußerte ich eine Woche später im Namen unseres Volkes: "Was auch kommen mag (d.h. ob Krieg oder nicht), wir werden niemals zulassen, daß unser Territorium für Terroranschläge gegen das Volk der Vereinigten Staaten benutzt wird."
Noch etwas fügte ich hinzu: "Wir werden alles, was in unserer Macht steht, tun, um gegen das Volk gerichtete Aktionen dieser Art zu vermeiden. Heute bekunden wir ihm unsere Solidarität mit unserem Aufruf zur ruhigen Überlegung und zum Frieden. Irgendwann wird man uns recht geben."
Eine Woche später, anläßlich der am 29. September in Ciego de Avila stattfindenden Offenen Tribüne der Revolution, bestand ich weiterhin auf unserem Standpunkt: "Es sollte sich jedoch keiner der Illusion hingeben, die Völker wie auch viele ehrenhafte politische Führer werden nicht reagieren, sobald die Kriegshandlungen Realität und ihre Schreckbilder bekannt werden. Sie werden es dann sein, die den Raum der traurigen und beeindruckenden Bilder der New Yorker Ereignisse einnehmen, deren Vergessen einen nicht wiedergutzumachenden Schaden im Gefühl der Solidarität mit dem US-amerikanischen Volk anrichten würde; dieses Gefühl ist heute ein Hauptfaktor zur Beseitigung des Terrorismusphänomens ohne die Notwendigkeit von Kriegen mit nicht vorhersehbaren Folgen und ohne den Tod von unzählbaren unschuldigen Menschen.
"Die ersten Opfer sind bereits zu sehen: Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Krieg; Bilder von Kindern mit leichenhaftem Aussehen, die die Welt bewegen werden und deren Kennenlernen durch nichts vermieden werden kann."
Die Ereignisse, zu denen es kommen wird, werden uns immer mehr recht geben.
Im Leitartikel der Zeitung Granma, des offiziellen Organs unserer Partei, vom 8. Oktober, der wenige Stunden nach Kriegsbeginn veröffentlicht wurde, heißt es: "Es ist kein Krieg gegen den Terrorismus; (...) es ist ein Krieg, dessen militärische Operationen es viel komplizierter und schwerer machen, ihn auszurotten. Ein Heilmittel, das schlimmer ist als die Krankheit."
"Jetzt wird es Meldungen regnen über Bomben, Raketen, Luftangriffe, das Aufrollen von Panzern mit Truppen von den Invasoren verbündeten Ethnien, Luftlandetruppen und Vormarsch von Elitetruppen der angreifenden Länder; von in mehr oder weniger kurzer Zeit eingenommenen Städten einschließlich der Hauptstadt; Fernsehdokumentationen soweit es die Zensur erlaubt oder sie dieser entrinnen. Die Gefechte werden gegen die Einwohner des Landes geführt werden und nicht gegen die Terroristen. Es gibt keine Bataillone oder Armeen von Terroristen. Es ist diese eine düstere Methode, eine unheilvolle Auffassung von Kampf, ein Gespenst."
Nach 26 Tagen anhaltender Bombenabwürfe können alle, die Tag für Tag die Ereignisse verfolgt haben, feststellen, daß bis jetzt alles so gekommen ist, wie wir es vorausgesehen hatten.
Der Krieg hatte mit Unerbittlichkeit begonnen. Wir wußten, daß es schwerlich anders kommen würde, ja es war faktisch unmöglich. Doch wir ließen uns deshalb weder vorher noch danach entmutigen, noch kamen wir von unseren Positionen ab.
Weiterhin bestanden wir mit Nachdruck darauf, daß der Kampf gegen den Terrorismus und gegen den Krieg geführt werden mußte. Niemals beseelte uns der Geist des Revanchismus oder der Rachsucht gegenüber den Vereinigten Staaten. Mit Betrübnis stellte ich Überlegungen an zu dem Fehler, den sie nach meinem Dafürhalten begangen, äußerte jedoch kein Wort der Beschimpfung oder persönlichen Beleidigung. Oftmals habe ich all jenen gesagt, die an diesem großen Kampf der Ideen teilnehmen: Es muß niemand persönlich verletzt werden. Es sind die Tatsachen zu nennen, Adjektive zu vermeiden, kühle Überlegungen anzustellen, Argumente anzuführen. Das wird unsere moralische Autorität bewahren und keiner wird dann berechtigt sein, die Stärke und die Ehrlichkeit unserer Positionen infrage zu stellen.
Heute befürchte ich, daß, wenn es die Möglichkeit gegeben hat, den Terrorismus ohne Krieg durch einmütige Kooperation und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auszurotten, die zu wirklich effizienten Maßnahmen und der Bildung eines tiefen moralischen Bewußtseins gegen den Terrorismus führt, diese Möglichkeit mit jedem Tag in weitere Ferne rückt.
Das Schlimmste wäre, es stellte sich der Punkt ein, an dem eine Lösungsfindung auf jenem Wege schon nicht mehr möglich ist, denn mit wachsender Klarheit sehe ich, wie absurd und unmöglich eine durch Krieg angestrebte Lösung ist. Ich versuche zu erraten, was sich die politischen und militärischen Strategen der Vereinigten Staaten dabei dachten. Vielleicht meinten sie, mit dem kolossalen Truppenaufgebot den Willen der Taliban zu beugen; vielleicht hegte man die Hoffnung der vernichtende Erstschlag erreiche dieses Ziel. Alle Welt kennt die Berechnungen der NATO im Krieg gegen Jugoslawien; der Gedanke war, das Ziel in fünf Tagen erreicht zu haben, und vergangen waren fast 80 Tage, ohne daß sie es erreicht hatten. Ebenso ist bekannt, daß trotz des außerordentlichen Aufgebots an Technik und Mitteln die serbische Armee faktisch intakt blieb. Nicht gering war der Druck durch die Gesandten Rußlands und Finnlands zur "Überredung" des Gegners auf diplomatischem Wege, als die Stunde gekommen war, Bodengefechte auszutragen, etwas, woran viele Mitglieder der Koalition recht wenig Gefallen fanden.
Die Meinung, das Ziel der Vereinigten Staaten bestünde in der Suche nach Erdöl in Afghanistan, teile ich nicht. Ich bringe es eher mit einem geostrategischen Konzept in Zusammenhang. Niemand begeht einen derartigen Fehler mit dem Ziel der Erdölsuche; weniger noch ein Land, das jedes Erdöl der Welt haben kann, das es begehrt, sogar das russische Erdöl und Gas. Dazu braucht es nur zu investieren, zu kaufen und zu bezahlen. Angesichts ihrer Vorrechte können sie dieses sogar mittels Scheinen der Staatsreserve auf dreißig Jahre erwerben. So haben sie im Verlauf von mehr als achtzig Jahren im Wert von mehr als 5,6 Billionen Dollar gekauft.
Die militärische Aktion in Afghanistan ist voller Gefahren. Es ist eine äußerst konfliktreiche Region, in der zwei große Länder mehrere Kriege geführt haben. Zwischen ihnen existieren tiefe nationale und religiöse Gegensätze. Die Bewohner des umstrittenen Territoriums sind mehrheitlich Mohammedaner. Sind die Gemüter einmal erbittert, kann niemand versichern, daß es nicht zu einem Krieg kommt. Beide Seiten besitzen Nuklearwaffen. Dieses Risiko ist ebenso groß wie jenes, daß der Krieg die Regierung Pakistans destabilisiert. Es wird in eine äußerst komplizierte Position versetzt. Von daher kommen die Taliban, gehören zum gleichen Volksstamm der Pashtun mit einer Anzahl Pakistaner von nicht weniger als zehn Millionen. Ich benutze hier die niedrigste der Zahlenangaben. Auch teilen sie mit fanatischer Inbrunst denselben Glauben.
Die US-amerikanischen Militärs pflegen Kenner ihres Faches zu sein. Ich habe einige kennengelernt, die nach ihrer Pensionierung Kuba in der Eigenschaft von Akademikern besuchten. Sie schreiben Bücher, erzählen Geschichten und stellen politische Analysen an. So befremdete mich keinesfalls eine Information in der Zeitschrift The New Yorker vom 29. Oktober, wonach es einen Gefahrenplan gab, um sich in den Besitz der Sprengköpfe Pakistans zu bringen, sollte eine radikale Gruppe die Regierung jenes Landes übernehmen.
Es ist vollkommen unmöglich, daß die US-amerikanischen Strategen dieses real existierende Risiko nicht einprogrammiert hätten. Jede Bombe, die über Afghanistan fällt, jedes Bild von toten, schrecklich verwundeten oder sterbenden Kindern erhöht dieses Risiko nur noch mehr. Was ich mir nicht vorstellen kann, ist die Reaktion derer, die für den Schutz jener Waffen vor jener möglichen Aktion verantwortlich zeichnen, die bereits ebenso publik ist wie die Chronik eines angekündigten Todes von Gabriel García Márquez.
Mir ist nicht bekannt, was die US-amerikanischen Nachrichtendienste recht wohl wissen werden, nämlich wo diese Sprengköpfe aufbewahrt werden, wie sie aufbewahrt und wie sie geschützt sind. Ich versuche, mir vorzustellen - und das ist nicht einfach - wie wohl eine Aktion dieser Art mit Elitetruppen verlaufen würde. Vielleicht wird es jemand eines Tages erzählen. Noch komplizierter wird es für mich, mir das politische Bild nach einer Aktion dieser Art vorzustellen; der Kampf würde dann gegen mehr als 100 Millionen zusätzliche Mohammedaner geführt. Die US-Regierung hat die Meldung über diesen Gefahrenplan verneint. Das war zu erwarten. Sie hatte keine andere Alternative.
Die logischste Frage, die ich mir stellen kann, ist, ob die mit den Vereinigten Staaten befreundeten Regierungsoberhäupter mit langjähriger Amts- und politischer Erfahrung diese genannten potentiellen Gefahren nicht sahen, warum sie sie nicht gewarnt, nicht davon abgebracht haben. Es ist erwiesen, daß die Vereinigten Staaten von ihren Freunden gefürchtet, aber nicht geschätzt werden.
Es ist immer schwierig, zu diesen Themen Mutmaßungen aufzustellen. Doch über etwas kann ich absolut sicher sein: Es genügt wenn 20 000 oder 30 000 Mann intelligente Methoden eines irregulären Krieges benutzen - die gleichen, die die Vereinigten Staaten einsetzen wollen - und dieser Kampf kann zwanzig Jahre andauern. Es ist absolut unmöglich, die afghanischen Gegner in einem irregulären Krieg mit Bomben und Missilen, welchen Kalibers oder welcher Stärke jene Waffen auch sein mögen, auf einem Gelände wie dem jenes Landes zu reduzieren.
Den schwierigsten psychologischen Moment haben sie bereits hinter sich. Sie haben alles verloren: die Familie, das Eigentum, die Gebäude. Sie haben absolut nichts mehr zu verlieren. Keine Logik weist darauf hin, daß sie die Waffen niederlegen, auch nicht nach der Beseitigung ihrer Hauptführer. Der Einsatz taktischer Nuklearwaffen, wie ihn einige empfehlen, wäre eine hundertfache Multiplikation des Fehlers, führe zu unwiderstehlicher Kritik und allgemeiner Isolierung. Daher habe ich nie geglaubt, derartige Taktiken könnten, auch nicht im heißesten Zorn, ernsthaft durch den Kopf derer gegangen sein, die an der Spitze jenes Landes stehen.
Es sind Überlegungen, die ich ausspreche. Ich glaube, man verhält sich solidarisch mit dem US-amerikanischen Volk, das bei einer abscheulichen Aggression Tausender unschuldiger Menschenleben verlustig ging - darunter Jungen und Mädchen, Jugendliche und Senioren, Männer und Frauen - wenn man offen sagt, was man denkt. Diese Opfer von Menschenleben sollen nicht umsonst gewesen sein. Sie sollen dazu dienen, viele Leben zu retten und sie sollen beweisen, daß Denken und Bewußtsein mehr vermögen als Terror und Tod.
Wir denken nicht, daß ein Verbrechen, wo es auch begangen wird, unbestraft bleiben darf. Mir stehen keine Beweise zur Seite, um irgendwen anzuklagen. Doch wären die Schuldigen jene, die die Regierung der Vereinigten Staaten zu bestrafen und zu eliminieren trachtet, so darf niemand auch nur den geringsten Zweifel hegen, daß die Art und Weise, wie sie vorgehen, Altare hervorbringen, an denen Millionen Männer und Frauen jene wie Heilige verehren, in denen sie (die Vereinigten Staaten) die Mörder sehen.
Lohnwerter wäre ein Riesenaltar für den Frieden, an dem die Menschheit all jenen Ehre zollt, die zu unschuldigen Opfern des Terrors und der blinden Gewalt wurden, sei es ein US-amerikanisches oder ein afghanisches Kind. Das sagt ein Gegner der Politik der Vereinigten Staaten, der meint, eine Vorstellung von Geschichte, Psychologie und Gerechtigkeit des Menschen zu haben, nicht ein Gegner.
An diesem Punkt angelangt, bliebe die Behandlung eines letzten Themas.
Absolut unbegreiflich ist, wie mit dem Anthrax-Problem umgegangen wird. Eine wahre Panik wurde ausgelöst. Die Vorräte an Medikamenten gegen diesen Bazillus gehen aus. Viele Personen kaufen Masken und Apparate aller Art, von denen einige Tausende von Dollars kosten.
Die Extravaganzen können mehr Schaden anrichten als die Krankheit selbst. Wenn eine Krankheit auftaucht, welche auch immer die Ursache sein mag, so ist es das Wichtigste, die Bevölkerung zu warnen und zu informieren, worin sie besteht und welche Maßnahmen zu ihrer Vorbeugung getroffen werden sollen, die Krankheit zu diagnostizieren und zu bekämpfen.
Krankheiten werden von einem Land ins andere auf natürlichen Wegen übertragen. Das kann über Personen, Tiere, Pflanzen, Nahrungsmittel, Insekten, Handelsware und auf tausend anderen Wegen geschehen, ohne daß sie jemand in Laboratorien zu produzieren braucht. So ist es seit jeher gewesen. Die vielen sanitären Vorschriften haben wohl ihren Grund. Das durch den Milzbrandbazillus entstandene Chaos und die psychologische Reaktion verwandeln die US-amerikanische Gesellschaft in eine Geisel derer, die ihr auf diesem Wege Schaden zuzufügen gedenken und im voraus wissen, daß sie damit Furcht und Schrecken verbreiten.
Bei zahlreichen Gelegenheiten mußte unser Land neue Krankheiten bekämpfen, die dem Menschen, den Kulturen und dem Vieh schaden, wobei viele vorsätzlich eingeführt worden waren. Nicht zum Vergnügen verfügt das Land über 67.128 Ärzte und Tausende von Technikern auf den Gebieten der Tier- und Pflanzengesundheit. Unsere Bevölkerung weiß sich sofort zu helfen.
Zur Bekämpfung dieser sowie jeder anderen Krankheit auch besitzt kein Land der Welt mehr Forschungszentren, Laboratorien und Medikamente als die Vereinigten Staaten; oder die Fähigkeit, diese zu produzieren oder zu erwerben.
Angesichts realer oder vorstellbarer gegenwärtiger oder künftiger Risiken gibt es keine andere Alternative als die der Erziehung der Bevölkerung mit dem Ziel der Risikobekämpfung.
Wir Kubaner sind so verfahren.
Die Ursachen, die zur Panik führten, sollten analysiert werden. Es kann nicht behauptet werden, daß die Vereinigten Staaten von Terroraktrisiken ausgeschlossen sind; daran besteht kein Zweifel. Doch ich glaube nicht, daß unter den heutigen Umständen allgemeiner Vorsicht und Wachsamkeit sowie der getroffenen Maßnahmen keine interne oder externe Gruppe eine koordinierte Aktion, lange bis ins Detail durchorganisiert, synchron und präzise verlaufend wie die des 11. September, organisieren kann. Meines Erachtens kann das größere Risiko aus Aktionen von Einzelpersonen oder sehr kleinen Gruppen im Land selbst oder von außen erwartet werden, die Schäden in kleinerem oder größerem Umfang verursachen können. Keiner darf unterschätzt werden. Doch ebenso wichtig oder wichtiger noch als die vorbeugenden Maßnahmen gegen diese Risiken ist die psychologische Entwaffnung der potentiellen Akteure: In dieser Palette befinden sich jene, die aus politischem Extremismus, Rachedurst und Haß tun wollen bis hin zu einer nicht zu unterschätzenden Anzahl von frustrierten, geistig gestörten unbesonnenen oder wahnsinnigen Individuen, die sich angezogen fühlen von dem Spektakulären oder dem Wunsch, Akteure aufsehenerregender Taten zu sein, in deren Händen es liegt, das Volk der Vereinigten Staaten um den Verstand zu bringen aufgrund des Schadens, den die Briefe mit oder ohne Anthrax anrichten. Man tue alles, um die Panik, die Extravaganzen und das Chaos zu stoppen, und die Gefahr wird abnehmen.
Auch nach Kuba gelangen oder zirkulieren im Land Briefe und Karten mit Pülverchen und seltsamen Dingen. Vom 15. bis 31. Oktober wurden 116 dieser Sendungen sichergestellt. Davon kamen 72 aus dem Ausland: 36 aus den Vereinigten Staaten, 8 aus Großbritannien, 3 aus Kanada, 2 aus der Tschechoslowakischen Republik, 2 aus Spanien, 2 aus Holland, 1 aus Dänemark, 1 aus Mexiko, 1 aus Australien, 1 aus Brasilien, 1 aus Deutschland, 1 aus Chile und 1 aus den Arabischen Emiraten. Davon waren 25 an mich gerichtet. Ich danke den Absendern für ihre Liebenswürdigkeit. Unsere Laboranten entwickeln sich zu wahren Experten. Von diesen Briefen stammen 31 aus dem Inland; bei mehreren war die Absicht ein dummer Scherz; 5 wurden von Kuba ins Ausland geschickt: zwei in die Vereinigten Staaten, einer nach Pakistan, einer nach Italien und einer nach Costa Rica. Bei acht dieser Postsendungen konnte die Herkunft nicht festgestellt werden. In keinem der 116 Briefe - ausgenommen 24, die sich noch im Prüfungsprozeß befinden - wurden biologische Erreger festgestellt. Kein einziger Beschäftigter der Postämter, des Palastes der Revolution und der Labors ist kontaminiert worden. Wir fühlen uns kerngesund. Es kam keine Sensationshascherei auf, weder Skandal, noch Alarm noch Panik. Niemand hat Medikamente gehortet oder Gasmasken gekauft. Ich erwähne diese Episode lediglich, um meine Äußerung hinsichtlich des Unbegreiflichen der Geschehnisse um den Anthrax in den Vereinigten Staaten zu veranschaulichen. Hätte sich die Einführung eines Bazillus herausgestellt, wäre es auch dann nicht zu Panik gekommen. Was jedoch mit aller Sicherheit sehr schwierig wäre, ist, daß ein Brief mit krankheitserregendem Virus oder Bakterien zur Absendung ins Ausland das Land verläßt. Es befriedigt uns zu wissen, daß zwei in die Vereinigten Staaten adressierten Briefe ihren Empfänger nicht erreichten, ebenso drei weitere nach anderen Ländern. So wird unsere Zusammenarbeit in jeglicher Hinsicht mit allen Völkern der Welt verlaufen. Sowohl unsere Ärzte und anderen Fachkräfte als auch unsere Techniker, unsere Forschungszentren und unsere bescheidene Erfahrung werden in den Dienst der Bekämpfung des biologischen Terrorismus und anderer Formen des Terrors gestellt.
Auch wenn erwiesen ist, daß die Vereinigten Staaten von ihren Freunden zwar gefürchtet, doch nicht geschätzt werden, so fürchtet Kuba die immense Macht jenes Landes nicht im geringsten, doch ist in der Lage, sein Volk zu schätzen.
Vielen Dank
CUBA LIBRE 1-2002