Wahlen in Nicaragua
Daniel Ortega - "Bremsklotz der Frente"; so wie Knut Henkel in der Jungle World wurde die Wahlniederlage der Sandinisten Anfang November allgemein kommentiert. Das ist sicher nicht ganz falsch, aber nicht im Sinne, wie es die meisten Journalisten meinen.
Ortega ist sicher nicht daran gescheitert, dass er noch zu stark in der Tradition des Klassenkampfes und des Sandinismus agierte und gar mit den "schlimmen Jahren des Sandinismus" in Verbindung gebracht wurde, wie es so oft heißt. Schließlich ging es dem großen Teil der nicaraguanischen Bevölkerung selbst in den Hochzeiten des Contra-Krieges und der US-Blockade besser als heute. Es gab ein vorbildliches Gesundheitswesen und eine Schulbildung, die sogar vor der UNO Anerkennung fand. Wenn Ortega ein Bremsklotz ist, dann durch seine Politik in der Opposition. Die Bereicherung führender sandinistischer Funktionäre nach der Wahlniederlage von 1990 leitete den Prozess schon ein. Auf einmal gehörten die Commandantes, die so wie so überwiegend aus den wohlhabenden Familien des Landes kommen, selber zu den Besitzenden. An Unruhe dachten sie nicht mehr, sondern an eine Loyale Opposition mit der Hoffnung, durch Wahlen wieder an die Macht zu kommen.
Dazu musste natürlich erst einmal das Verhältnis zu den USA normalisiert werden Auch in dieser Hinsicht gab sich Ortega viel Mühe. Sogar die Sandinisten-Hymne mit deutlich antiimeprialistischer Stoßrichtung wurde entsorgt. Sie passte nicht mehr in die neue Zeit. Dabei sind die Herrschenden in den USA auch im Jahr 2001 genau jene Yankees geblieben, die sie zwischen 1979 und 1990 waren. Sie dachten gar nicht daran, mit dem gemäßigten Ortega in Kontakt zu treten. Gerade nach den Anschlägen vom 11. September wurde noch einmal aufgezählt, wen Ortega zu seinen Gesprächspartner zählt.
Da ist Fidel an erster Stelle. So stark hat sich der Sandinistenchef doch noch nicht verbogen, dass er zu dieser Freundschaft nicht mehr stehen würde. Schließlich weiß er noch von der solidarischen Hilfe, die die cubanische Regierung dem sandinistischen Nicaragua zu Teil werden ließ. Die nicaraguanische Rechte, einschließlich des Klerus und der Wirtschaft, erklärte ganz offen, ein Wahlsieg der Sandinisten würde das Land zurück in die 80er Jahre mit Contrakrieg und US-Feindschaft beamen. Der US-Botschafter im Land beteiligte sich an dieser Kampagne nach Kräften.
Ins Visier war also nicht der neue angepasste Ortega sondern der revolutionäre Commandante geraten. Nur merkwürdig, dass genau diese Vergangenheit auch die meisten Kommentatoren Ortega vorwerfen. Mit Enrique Bolaños wurde ein schwerreicher Neoliberaler und US-Freund gewählt, der bisher völlig im Schatten des ultrarechten Somozafreundes Arnoldo Alemán gestanden hat. Alemán hat seine Präsidentschaft vor allem zur hemmungslosen persönlichen Bereicherung genutzt. Er bastelt schon an einem Comeback. Denn nach nicarguanischem Recht ist eine unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten nicht möglich. Allerdings kann er sich nach einer Pause wieder zur Wahl stellen.
Doch ob Alemán oder Bolaños, immer sind die Contras an der Macht, die mit US-Hilfe den Sandinisten und der nicaraguanischen Bevölkerung das Leben zur Hölle gemacht hatten. Wie die Islamistenkrieger gegen die linke Regierung von Afghanistan, so bombten die nicaraguanischen Contras mit US-Unterstützung, Schulen und Gesundheitsstationen nieder, ermordeten Lehrer, Ärzte und Bauern, die ihr von der der Regierung verteiltes Land bebauten.
Wie sich die Wahlniederlage von Ortega auf die zukünftige Politik der Sandinisten auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Zu befürchten ist, dass eine noch weitere Anpassung die Folge sein wird. Die sogenannten Dissidenten innerhalb und außerhalb der Frente, die hier so gerne als Alternative zu Ortega herangezogen werden, stehen überwiegend für diesen Kurs der vollständigen Anpassung.
Peter Nowak
CUBA LIBRE 1-2002