Die kleinen CubanerInnen und ihr dritter Pionierkongress vom 9.-13- Juli 2001

Die Eroberung der Zukunft ...

Ein Freitag im Juli. Der Bahnhof in Santiago de Cuba ist voll von aufgeregten Kindern mit mindestens ebenso aufgeregten Eltern. Die kleinen Pioniere – Mädchen und Jungen – sollen nämlich ganz allein verreisen. Für viele ist es das erste Mal, dass sie von ihren Eltern getrennt sein werden und das erste Mal, dass sie ihre Hauptstadt kennen lernen.

Bis die Kleinen endlich im Zug sitzen, sind einige Tränen geflossen. Aber als die nächste Station, Bayamo, sich nähert, ist der Abschiedsschmerz schon längst vergessen und die nächste Gruppe wird mit großem Hallo begrüßt. Als der Zug in Santa Clara einfährt, ist es dunkle Nacht und viele schlafen tief und fest. Andere sind so aufgedreht, dass sie kaum zur Ruhe kommen. Als die jüngsten Passagiere des Landes schließlich Havanna erreichen, werden sie von den Pionieren aus dem Westen der Insel und aus Havanna bereits erwartet. Insgesamt waren es 1.200 Pioniere, die ausgewählt wurden, die 1.500.000 Mitglieder der Organisation zu vertreten.

Der Samstag war damit ausgefüllt Havanna kennen zu lernen, für cubanische Kinder, die vom Land kommen, ein unbeschreibliches Erlebnis. Die Kleinen kriegen sich vor Begeisterung kaum ein, wenn sie zum ersten Mal den Malecón sehen oder das Martí Denkmal, das sie bis jetzt nur vom Fernsehen her kannten.

Am Sonntag Morgen ging es früh los zum Palacio de las Convenciones, dem riesigen Kongresszentrum Havannas. Da, wo schon Staatschefs Lateinamerikas zum Ibero-Amerikanischen Gipfel und der Gipfel der Blockfreien tagten, sitzen jetzt die Kleinen mit Zahnlücken und Zahnspangen. Die Kinder arbeiten in Kommissionen zu bestimmten Themen. Für uns war es ein ungewohntes Bild so viele Kinder mit solchem Ernst diskutieren zu sehen, während daneben Generäle und Minister saßen und eifrig mitschrieben oder sich Notizen machten.

Die Pioniere machten sich z.B. Gedanken, wie die Qualität des Lernens verbessert werden könnte. Sie sahen ihre Verantwortung darin unwillige KlassenkameradInnen dazu zu bewegen, sich mit dem Stoff auseinander zu setzen, in dessen Vorbereitung der Lehrer oder die Lehrerin soviel Mühe investiert haben. Auf der anderen Seite wird von den LehrerInnen auch erwartet, ihren Unterricht gut vorzubereiten. Den "casa de los estudios" wurde besonders viel Zeit gewidmet. Darunter versteht man offensichtlich Privathäuser, wo sich die Schüler treffen um Aufgaben zu erledigen, Probleme gemeinsam zu überdenken und sich gegenseitig zum Lesen anzuregen. Übereinstimmend war man der Meinung, dass diese "casas" wichtig seien, aber keinesfalls das individuelle Lernen ersetzen könnten.

Eine Arbeitsgruppe auf einem Pionierkongress wurden alle Beiträge in die Gehörlosensprache übersetzt und das erst Mal kamen auch die Gehörlosen zu Wort, wovon sie ausgiebig Gebrauch machten. Sie hatten konkrete Vorschläge wie man sie einfacher in die Sekundarstufe integrieren könnte und sie machten deutlich wie sehr sie doch einen größeren Kontakt zu den Hörenden wünschen und brauchen um erfolgreich studieren zu können.

Alle Kinder und Jugendlichen erwarteten nichts sehnsüchtiger, als dass Fidel kommen sollte um mit ihnen zu reden. Und das tat er dann auch.

Er erzählte, dass noch in diesem Jahr jeder Klassenraum ein Fernsehgerät bekäme und das audiovisuelle Programm perfektioniert und an die verschiedenen Altersstufen angepasst würde.

Computer sollten bereits in die Grundschulen, auch an die an den entlegensten Orten. Dafür würden Grundschul- und Sekundarlehrkräfte in Computerunterweisungen ausgebildet.

Außerdem würde die Zahl der SchülerInnen pro Klasse auf 20 gesenkt, um so den einzelnen besser fördern zu können.

Als er ihnen dann vorschlug nicht erst in 5 Jahren ihren nächsten Kongress abzuhalten, sondern bereits im nächsten Jahr, um den Fortgang der Projekte besser auswerten zu können, da war die Begeisterung groß.

Die Kleinen riefen den Spruch Fidel, Fidel que tiene Fidel, que los americanos no pueden con el (Was hat Fidel, dass die Amerikaner ihn nicht kleinkriegen).

Da antwortete Fidel den versammelten Kindern, dass er ihnen jetzt das Geheimnis verraten würde und sagte: "Ich habe euch".

Das hat viele Kinder so ergriffen, dass sie in Tränen ausbrachen.

Der Kongress fand, wie fast alle wichtigen Ereignisse derzeit in Cuba, seinen krönenden Abschluss auf der "Tribuna Antiimperialista" vor der US-Interessenvertretung.

Dort wurde zunächst die Erklärung der Pioniere verlesen und dann spielte die Kindertheatergruppe "La Colmenita", das Stück vom Kapitän Plim, der zusammen mit den großen und kleinen BewohnerInnen der Isla de los Cocos einen großen Schatz vor bösen Eindringlingen verteidigt, die ihn rauben wollen. Selbstverständlich sind die BewohnerInnen der Insel erfolgreich (Übereinstimmungen mit wirklichen Begebenheiten sind rein zufällig, aber sicher erwünscht.)

Danach ist ganz Havanna ein großes Fest für die Kleinen. An 24 verschiedenen Orten feiern alle Kinder der Stadt und die Delegierten mit Clowns, Luftballons, Saft und Kuchen und abends spielt die berühmte Gruppe Moncada in einem Baseballstadium nur für die Kinder.

Ein Ausschnitt aus der Proklamation der cubanischen Pioniere:

Wir möchte nicht, dass es Bomben gibt, damit es keine Kriege gibt. Wir möchten nicht, dass es Reiche gibt, weil wir nicht möchten, dass es Arme gibt.

Uns gefällt es, jeden Tag etwas Neues zu lernen, zu singen, zu tanzen und zu spielen und die Sicherheit zu haben in einem Land zu leben, in dem es nichts Wichtigeres gibt als ein Kind.

CUBA LIBRE
Renate Fausten

CUBA LIBRE 4-2001