Frei machen – Eigenständige EU-Außenpolitik käme Kuba zugute

Ende Juni findet in Berlin unter der Schirmherrschaft der PDS und der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament eine Konferenz über die »Europäisch-Kubanischen Perspektiven« statt.

Solche Initiativen sind heutzutage in besonderer Weise willkommen. Denn die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der karibischen »Insel der Rebellen« befinden sich zur Zeit tatsächlich in einer Sackgasse. Es liegt an den Teilnehmern des Kongresses, einen Beitrag dazu zu leisten, aus dieser Sachgasse herauszufinden.

Fast genau auf den Tag vor fünf Jahren, am 7. Mai 1996, erklärte die Europäische Union, sie sehe keinerlei Möglichkeiten für Projekte im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Kuba, weil die gewünschten ökonomischen und politischen Reformen auf der Insel ausgeblieben sind. Zufälligerweise war das genau in der Zeit, als der neue spanische Regierungschef Jose Maria Aznar von der konservativen Volkspartei, der über privilegierte Beziehungen zur extremistischen Führung der Gemeinde in Florida verfügt – den damaligen US-Vizepräsidenten Al Gore als Staatsgast empfing. Dieser teilte Aznar die Absicht der US-Regierung mit, eine neue Offensive gegen das Regime Fidel Castros starten zu wollen. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern Spanien und Kuba kühlten sich merklich ab, und am 14. November desselben Jahres präsentierte Spanien im Rahmen der 15 EU-Staaten das Projekt einer »Gemeinsamen Position« gegenüber Kuba. Der von Spanien eingebrachte Vorschlag war von einer außerordentlichen Härte gekennzeichnet.

Der Europäische Rat, der zuvor das US-amerikanische Helms-Burton-Gesetz einstimmig abgelehnt hatte, zögerte. Der Text, der schließlich am 12. Dezember 1996 angenommen wurde, war (dazu trug in besonderer Weise eine Intervention Frankreichs bei) sichtlich gemäßigter als der spanische Vorschlag. Dennoch enthielt auch dieser Text eine Liste von Bedingungen, die wenig Spielraum für einen politischen Dialog zwischen zwei Partnern ließen, die sich das Ziel der Annäherung und der Verständigung auf gemeinsame Standpunkte gesetzt hatten. Von einer Halbjahresbilanz zur nächsten stellte sich heraus, dass die eingeklagten »Veränderungen« nicht realisiert wurden und dass damit die »Gemeinsame Position« Schiffbruch erlitt.

Seither ist eine positive Entwicklung blockiert, wir stecken in der Sackgasse. In dieser Situation baute Großbritannien, gefolgt von einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten darüber hinaus eine Reihe von Hindernissen auf, die einen Beitritt Kubas zur »Vereinbarung von Cotonou«, dem Nachfolgedokument zum Lomé-Abkommen verhindern sollten. Die Vereinbarung bindet die mehr als 70 Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums, der AKP-Staaten, an die Europäische Union. Diese Situation war auch deshalb zunehmend absurd, weil zur gleichen Zeit die Zahl der EU-Staaten, die auf bilateraler Ebene Beziehungen mit Kuba aufnahmen, kontinuierlich wuchs.

Alle diese einzelnen EU-Länder verstießen dabei auf die eine und andere Art und Weise gegen den Geist dieser »Gemeinsamen Position« der EU. Warum all diese gekünstelte Aufregung? Weil sich Kuba nicht in ausreichendem Umfang der »Marktwirtschaft« annäherte? Das wäre ein nicht akzeptables Argument. Oder deshalb, weil es auf Kuba offene Menschenrechtsfragen gibt? Richtig, diese Probleme existieren. Und es ist unter Freunden absolut notwendig, über solche Themen ohne ein einziges Tabu zu sprechen – um fortschritte zu machen. Übrigens ist genau ein solcher Dialog in der »Vereinbarung von Cotonou«, die Ende Juni vergangenen Jahres unterzeichnet wurde, vorgesehen.

Nach meiner Erkenntnis war es jedoch nicht dieses Thema, das ein Scheitern der Verhandlungen verursachte. Die Gespräche wurden weit früher abgebrochen. Sie scheiterten, nachdem Kuba schlicht und einfach verlangte, mit all den Ländern gleich behandelt zu werden, mit denen die »Gruppe der Fünfzehn« entsprechende Abkommen geschlossen hatten: Kuba verlangte, dass es keinerlei Vorbedingungen geben dürfe. Offensichtlich wurde diese Position von vielen Ländern des Südens, die entsprechende Vereinbarungen mit der EU trafen, geteilt. Darüber hinaus beschlossen die AKP-Staaten, die kubanische Regierung offiziell in ihren Kreis einzuladen, obgleich Kuba nicht offizieller Unterzeichner dieser »Vereinbarung von Cotonou« ist. Hierbei handelt es sich um einen einzigartigen Vorgang. Die lateinamerikanischen Partner der Europäischen Union unterstrichen auf diese Weise erneut, dass es nicht nachvollziehbar und geradezu anormal sei, wenn Kuba als einziges Land der Region nicht in den Genuss der Vereinbarung gelangen würde.

Indem Europa auf dieser harten Position verharrte, enttäuschte es seine Verbündeten im Süden, während es gleichzeitig Washington erfreute. Bei dieser EU-Haltung handelt es sich um eine Botschaft, die jenseits des Atlantiks nur als ein Zeichen von Schwäche und des Fehlens einer unabhängigen Strategie interpretiert werden kann. Die europäischen Staaten können nur verlieren, wenn sie sich den Vereinigten Staaten des Mr. Bush anbiedern.

Rufen wir uns nochmals das Ereignis mit hohem symbolischen Wert ins Gedächtnis, zu dem es am 3. Mai 2001 kam: Zur allgemeinen Überraschung und zur Verblüffung der US-amerikanischen Diplomaten verloren die USA ihren Sitz in der UN-Kommission für Menschenrechte, den sie seit 1947 innehatten. Diese Abstimmung sagt viel darüber aus, was die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch das starke Anwachsen von Ressentiments gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika nennt.

Die Arroganz der Macht stößt immer mehr Länder ab. In diesem Zusammenhang muss die Europäische Union ihre Haltung gegenüber Kuba neu bewerten. Die notwendige Wende aber kann nur von der europäischen Bevölkerung kommen. Was wir Politikerinnen und Politiker beisteuern können, sind schlichte Bezeugungen zugunsten Kubas zugunsten der Eröffnung eines freien, offen, verantwortlichen und ernsthaften Dialogs zwischen unseren kubanischen Freunden und all denjenigen, die davon ausgehen, dass sich Europa in dieser Debatte an einer Wegkreuzung befindet: Der Geist der Beherrschung in den internationalen Beziehungen muss beendet werden. Das ist bereits ein ausreichender Grund um von der Europäischen Union zu fordern, dass sie ihren Bannfluch gegenüber Kuba, der aus einer andren Zeit stammt, zurücknimmt. In diesem Sinne werde ich mit großer Freude an der Berliner Konferenz vom 23. auf den 24. Juni teilnehmen. Francis Wurtz

In der Kongress-Beilage der Zeitung Junge Welt vom 16.05.01 berichtet Francis Wurtz, Vorsitzender der Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke im Europäischen Parlament über den Stand der Beziehungen zwischen der EU und Kuba und das eigentliche Ziel der Konferenz.


CUBA LIBRE
Aus dem Französischen: Winfried Wolf
Wir danken der Jungen Welt für den Abdruck

CUBA LIBRE 3-2001