Welche Gedanken sich die Weltbank ein Instrument des globalisierten Marktes zu Cuba so macht ...
Weltbankpräsident James Wolfensohn lobte die Regierung von Fidel Castro wegen deren "großartiger Arbeit" für das soziale Wohl des kubanischen Volkes. Seine Bemerkungen folgten auf die Veröffentlichung der Herausgabe der "Weltentwicklungsindikatoren" (World Developement Indicators - WDI) für das Jahr 2001. Darin zeigte sich, dass Cuba praktisch alle anderen armen Länder in der Gesundheits- und Bildungsstatistik übertraf.
"Cuba hat eine großartige Arbeit in den Bereichen Bildung und Gesundheit geleistet," sagte Wolfensohn den Reportern am Ende des jährlichen Frühjahrstreffens zwischen der Weltbank und dem Weltwährungsfonds (IMF). "Es hat eine gute Arbeit geleistet und ich kann das ohne Verlegenheit zugeben."
Seine Bemerkungen spiegeln eine gestiegene Wertschätzung seiner Bank für Cubas Sozialleistungen wider. Trotz der Erkenntnis, dass Havannas Wirtschaftspolitik im Grunde die Antithese zum "Washington Consensus" der neoliberalen Orthodoxie verkörpert, welcher die Ratschläge der Bank und ihre kontrovers diskutierten Strukturänderungsprogramme (SAPS) nahezu während der gesamten letzten 20 Jahre dominiert hat.
Indes gehen manche der höheren Führungsrepräsentanten der Bank so weit, anzudeuten, dass andere Entwicklungsländer einen sehr scharfen Blick auf Cubas Leistungen werfen sollten. "In mancher Hinsicht ist das beinahe ein Anti-Modell", meinte Eric Swanson, der Programm-Manager der Entwicklungsdatengruppe der Bank, der die WDI zusammengestellt hatte, einen Band von fast 400 Seiten mit Dutzenden von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Indikatoren.
In der Tat, Cuba ist in vielerlei Hinsicht der lebende Beweis dafür, dass die Grundregel der Bank, ökonomisches Wachstum als die Vorbedingung zur Verbesserung des Lebens der Armen anzusehen, übertrieben ist, wenn nicht gänzlich falsch.
Die Bank besteht seit einem Jahrzehnt darauf, dass es ihre Hauptmission wäre, das Leben der Armen zu verbessern. Auίer Nordkorea ist Cuba das einzige Entwicklungsland, das seit 1960 niemals von der Bank auch nur die kleinste Unterstützung bekommen hat, weder Ratschläge noch Hilfe.
Es ist nicht einmal Mitglied, was auch bedeutet, dass die Manager der Bank in offiziellen Geschäften nicht auf die Insel reisen dürfen.
Die Inselwirtschaft erlitt verheerende Verluste in der Produktion nachdem die gerechten Handelsbeziehungen mit den RGW-Staaten Osteuropas 1990 plötzlich gekappt wurden. Besonders die Lieferungen von Erdöl konnten immer nicht nicht völlig ausgeglichen werden. Das jährliche Wirtschaftswachstum, teilweise auf einer steigenden Tourismusindustrie und begrenzten ausländischen Investitionen basiert, war bisher zögerlich aber stetig zunehmend.
Hinzu kommt, dass die Wirtschaftspolitik Cubas für die Bank im Allgemeinen ein Gräul ist. Die Regierung kontrolliert so gut wie die gesamte Wirtschaft und erlaubt privaten Unternehmen nur einen gewissen, klar begrenzten Bewegungsspielraum. Sie subventioniert großzügig so gut wie alle Grundnahrungsmittel und Waren zur täglichen Versorgung der Bevölkerung. Die cubanische Währung ist mit keiner anderen frei konvertierbar. Die staatlichen Ökonomen behalten eine feste Kontrolle über alle ausländischen Investitionen und das Parlament ändert auch gelegentlich abrupt und aus wirtschaftspolitischen Gründen gesetzliche Regelungen, wenn es angezeigt scheint.
Aber gleichzeitig hat Cuba seine Position in Bezug auf Sozialleistungen nicht nur beibehalten, sagt die WDI, sondern sogar verbessert.
Es hat die Säuglingssterblichkeit von elf pro 1.000 Geburten im Jahr 1990 auf sieben im Jahr 1999 reduziert, womit es sich deutlich unterhalb der westlichen Industrieländer einreiht. Jetzt liegt sie sogar bei sechs, sagte Jo Ritzen, der Vizepräsident der Bank für Entwicklungspolitik, der vor einigen Monaten Cuba privat besucht hat, um sich ein eigenes Bild zu machen.
Im Vergleich dazu lag die Säuglingssterblichkeitsrate in Argentinien bei 18 im Jahr 1999, die Chiles kam auf zehn, und Costa Rica lag bei zwölf. Für die gesamte Lateinamerika- und Karibik-Region war 1999 der Durchschnitt bei etwa 30! Auch die Sterblichkeitsrate für Kinder unter 5 Jahren ist im letzten Jahrzehnt in Cuba von 13 auf acht pro Tausend gesunken. Diese Zahl ist 50 Prozent niedriger als die Rate in Chile, dem Land Lateinamerikas, das Cubas Leistung am nächsten kommt. Für die Region insgesamt stand 1999 der Durchschnitt bei 38%. "Sechs pro tausend bei der Säuglingssterblichkeit das gleiche Niveau wie in Spanien es ist einfach unglaublich," sagte Ritzen, ein früherer Bildungsminister in den Niederlanden. "Man sieht das, und merkt also, dass Cuba auf dem Gebiet der menschlichen Entwicklung außerordentlich viel geleistet hat."
Auf Ritzens eigenem Gebiet enthält die Statistik im Grunde die gleiche Geschichte. Die Einschulung für Mädchen, wie Jungen erreichte 1997 schon 100 Prozent, eine Verbesserung von 92 Prozent im Jahre 1997. Das war so hoch wie in den am meisten entwickelten Ländern. Höher sogar, als die Rate in den USA und weit über den 80 90 Prozent-Raten liegend, die die am besten entwickelten Länder in Lateinamerika erreicht haben.
"Auch beim Bildungsstand steht Cuba mit der hoch entwickelten Welt der Industrienationen auf einer Stufe und viel höher als etwa Argentinien, Brasilien oder Chile."
In mancher Hinsicht ist das kein Wunder. Öffentliche Ausgaben für Bildung in Cuba erreichen etwa 6,7 Prozent des Buttonationaleinkommens, also zwei mal so viel wie in anderen Ländern Lateinamerikas oder der Karibik und sogar Spanien.
Es gab 1997 in Cuba eine Lehrkraft für 12 Grundschüler, ein Proporz, der mit Schweden vergleichbar ist und viel besser als in irgend einem anderen Entwicklungsland. Der Durchschnitt in Lateinamerika und Ostasien war zwei Mal so hoch mit eins zu 25. Die Analphabetenrate für Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren liegt in Lateinamerika und der Karibik bei sieben Prozent. In Cuba dagegen steht sie bei Null. In Lateinamerika, wo der Durchschnitt sieben Prozent ist, kann sich nur Uruguay, mit einem Prozent Jugendanalphabetismus, dieser Leitung annähern.
"Cuba hat es geschafft, das Analphabetentum innerhalb von zehn Jahren von 40 Prozent auf Null zu reduzieren, sagte ritzen. Wenn Cuba demonstriert, dass dies möglich ist, verschiebt dies die last des Beweises auf jene, die sagen, es sei nicht möglich."
Auf ähnliche Art gab Cuba während der 90er Jahre 9,1 Prozent seines Bruttoinlandproduktes (GDP) für Gesundheitsfürsorge aus, was etwa so viel war wie in Kanada. Sein Verhältnis von 5,3 ÄrztInnen pro 1.000 Menschen war das höchste der Welt. Eine Frage, die diese Statistik natürlich aufwirft ist, ob die Erfahrung Cubas wiederholt werden kann. Die Antwort, die man hier gibt, lautet wahrscheinlich nicht.
"Was dahinter steckt ist ein unglaubliches Engagement", meint Wayne Smith, Chef der US-Interessensektion in Havanna in den späten 70er Jahren und frühen 80er Jahren, der seitdem sehr oft zu der Insel gereist ist. "ÄrztInnen in Cuba könnten mehr verdienen, wenn sie Taxi fahren oder in Hotels arbeiten würden, doch sie tun das nicht. Sie sind einfach sehr engagiert," sagte er.
Ritzen war auch der Meinung, dass die kubanische Erfahrung wahrscheinlich nicht en Gros in einem anderen armen Land übernommen werden kann, bestand aber dennoch darauf, dass Entwicklungsländer durch Besuche auf der Insel sehr viel lernen können.
"Ist die Erfahrung Cubas in anderen Ländern nützlich? Die Antwort ist offensichtlich: Ja. Und man muss hoffen, dass politische Barrieren nicht den Gebrauch der cubanischen Erfahrungen in anderen Ländern verhindern." "Hierin bin ich ziemlich optimistisch, denn ich sehe, dass viele Entwicklungsländer die cubanische Erfahrung sehr wohl in Betracht ziehen."
"Doch wird die cubanische Erfahrung wohl nicht wiederholbar sein", fuhr er fort, "denn die Fähigkeit, so viel soziale Unterstützung zu bieten und aufrecht zu erhalten ist auf lange Sicht nicht einfach".
"Es ist nicht so sehr, dass die Wirtschaft zusammenbrechen könnte und unfähig wäre, ein solches System aufrechtzuerhalten. Die Gefahr liegt vielmehr in einer Umstellung, die den Menschen mehr Freiheit erlauben würde, ihren Wünschen nach einem höheren Lebensstandard nach zu gehen, nachdem Castro von der Szene gegangen sein wird." Ein solcher Wandel, so meint Ritzen, kann gegen das jetzt existierende soziale Netz wirken.
"Es ist ein System, das einerseits auf sozialen Gebieten äußerst produktiv ist, aber andererseits den Menschen nicht die Gelegenheit für mehr Wohlstand bietet."
Quelle:
Jim Lobe Inter Press Service Finance
CUBA LIBRE 3-2001