Ein freier Mann und nicht ein Verräter der Brigade

Ein Brief zeigt die Intoleranz der Miami Mafia selbst gegen ihre eigenen Mitstreiter.
25. April 01, Miami Herald, von Mario Cabello.


Lieber Mario, liebe Isabel,

Ich weiß, ihr seid traurig, verwirrt und vielleicht enttäuscht über die Anklagen und Beschimpfungen, die von denjenigen gegen mich erhoben werden, die meinen Entschluss verurteilen, an der Schweinebucht-Konferenz teilzunehmen, die kürzlich in Cuba stattgefunden hat. Meine Kritiker haben sich mündlich geäußert und die Medien genutzt, um ihre Ablehnung meiner Handlungen weit zu verbreiten. Einige sind bis zu persönlichen Beleidigungen gegangen.

Die schmerzt, besonders wenn es von denjenigen kommt, die ich für meine Freunde gehalten hatte und mit denen ich viele Jahre meines Lebens geteilt habe. Gleichzeitig stellt man fest, wer zu den wirklichen Freunden zählt.

Kommentatoren von lokalen Radio-Stationen, die mich mit Beschuldigungen überschütteten, führten die bösartigsten Angriffe aus. Ihr Verhalten sollte einen überraschen, denn sie selbst verdienen ihren Lebensunterhalt auf der Basis unseres Rechts auf eine freie Meinungsäußerung. Aber ich bin nicht überrascht.

Seit Jahren haben sie ihren Lebensunterhalt dadurch verdient, dass sie den Hass geschürt haben, den sie unter ihren Hörern verbreiten. Sie sehen die Menschen mit anderen Ansichten als Bedrohung an für ihre Stellung in der Gesellschaft und ihren politischen Einfluss. So verunglimpfen sie jene, die ihre Vorhaben ablehnen, indem sie eine andeutungsweise Botschaft senden an vorgeblich Andersdenkende, dass ein Preis gezahlt werden muss, falls man es wagen sollte, eine andere Meinung zu vertreten. In Wirklichkeit fürchten sie eine Veränderung in Cuba, davon bin ich überzeugt, denn wenn es einen Wandel gäbe, so hätten sie nichts mehr zu hassen und würden ihr komfortables Leben aufgeben müssen.

Ich finde es ironisch, dass die Mehrheit dieser Radiokommentatoren, mit einigen Ausnahmen, niemals gekämpft oder ihr Leben riskiert haben für eine Sache der Freiheit. Weder in Cuba, noch an irgend einem anderen Ort in dieser Welt. Sie sind damit zufrieden, einen Krieg zu führen. Im Gegensatz zu diesen tapferen Soldaten der Radiofrequenzen habe ich mein Leben eingesetzt und hatte die beunruhigende Ehre für die Verteidigung der Freiheit Blut vergossen zu haben.

Verteidigung der Freiheit

1961 habe ich zu den Waffen gegriffen, um das Recht jedes Cubaners, frei zu sein, zu verteidigen. Ich dachte damals, es sei meine Pflicht meinem Vaterland gegenüber erfüllt zu haben. 40 Jahre sind vergangen und ich sehe meine Pflicht jetzt anders als damals. Heute ist die Mehrzahl der Cubaner unter einer Diktatur geboren. Während meiner Reise habe ich vor kurzem mit vielen von ihnen gesprochen. Sie wollen auch Veränderung und sie wollen ihr Leben verbessern. Sie wollen ebenfalls keine Veränderung, die mit vergossenem Blut bezahlt wird.

Auf beiden Seiten der Auseinandersetzung gibt es viele, die damit übereinstimmen. Viele von uns denken nicht, dass ein Blutvergießen in Cuba notwendig oder wünschenswert ist, um eine Veränderung zu erreichen. Obwohl ihr zu klein wart, um euch zu erinnern – die kommunistischen Diktaturen in Russland und anderen europäischen Ländern hörten friedlich oder mit geringem Blutvergießen auf zu existieren. Diese Ereignisse bewiesen, dass ein effektiver Wandel und ein friedlicher Übergang vom Kommunismus zur Demokratie auch in Cuba möglich sein kann. Viele von uns glauben, dass dies geschehen wird, wenn wir Cubaner unseren Hass und unsere Vorurteile zur Seite legen und uns zusammensetzen, um Punkte auf einer gemeinsamen Basis zu diskutieren.

Diese meine Ansichten bildeten die Basis für meinen Entschluss, an der Konferenz teil zu nehmen. Ich entschied, dass ich nur ein Mal im Leben die Gelegenheit haben würde, einen kleinen Teil dessen zu beanspruchen, war ich verwirkte als ich ging und ich entschloss mich, meine alten Feinde wieder zu sehen und sie mit den selben Ideen zu konfrontieren, für die wir in der Schweinebucht gekämpft hatten.

So fuhr ich los mit vier anderen Veteranen unserer Brigade. Bei der Konferenz sagten wir ihnen, dass wir keine Söldner seien, sondern Patrioten, die 1961 in der Schweinebucht ihr Leben für eine gerechte Sache eingesetzt hatten. Interessanterweise hat uns die Cubanische Regierung zum ersten Mal seit ihrem Sieg nicht als Söldner bezeichnet, während sie anerkannt haben, dass unsere Männer tapfer gekämpft haben und gestorben sind. Ich hätte das auch gerne von Vertretern der US-amerikanischen Regierung gehört, die damals an der Planung und Vorbereitung teilgenommen hatten.

Arthur Schlesinger z.B. ein Adjutant von Präsident Kennedy, berichtete, dass uns kurz vor der Invasion Allen Dulles der CIA-Chef zynisch als "verfügbares politisches Problem" bezeichnet hatte. Da ließ mich erkennen, was ich jahrelang vermutet hatte. Die Invasion war zum Scheitern verurteilt, bevor sie stattgefunden hatte.

Einige in der Brigade 2506 nennen mich einen Verräter für diese Überzeugung. Ihr Denken über diese Frage ist so überschattet von Hass und Vorurteil, dass sie das Leid und die Agonie vergessen, die wir zusammen vor 40 Jahren erlebt hatten.

Gerettete Freunde

Kürzlich hörte ich, dass Luis Lalondri seine Zustimmung zu meinem Ausschluss im Radio verkündet hat. Er und ich waren auf der Houston, einem Schiff, das beschädigt war und bei einem Luftangriff sank. Die Houston hatte nicht genügend Rettungsbote. Ich schwamm eine halbe Meile um die Küste zu erreichen. Luis und andere jedoch konnten nicht schwimmen und blieben auf der Houston. An der Küste angekommen fragte mein Kommandeur Montero Duque nach Freiwilligen, um unsere Männer, einige von ihnen verwundet, die auf der Houston geblieben waren, zu holen. Ich war erschöpft, weil ich von dem sinkenden Schiff her geschwommen war und anderen Brigadesoldaten geholfen hatte, die fast ertrunken wären. Die Idee in einem Ruderboot auf das offene Meer zurück zu fahren, preisgegeben den bombardierenden Flugzeugen, zu dem Schiff, von dem ich gerade weg geschwommen war, und das in Gefahr war, in Stücke gerissen zu werden, begeisterte mich nicht. Aber Montero überredete vier andere und mich, dass unsere Kameraden Hilfe brauchten. Also sprach ich ein schnelles Mariengebet und ruderte zusammen mit Varona, Marquett und anderen Brigadesoldaten zurück zu dem Schiff und brachte die verwundeten Männer und Luis selber zurück.

Dies geschah vor 40 Jahren. Aber heute nennt Luis, der selbe Mann, den ich sicher an die Küste gebracht hatte, mich einen Verräter. Was für ein trauriger Tag für alle Brigade-Mitglieder und für die gesamte Menschheit.

Ihr wisst, dass euer Großvater, mein Vater, ein Kommunist war. Als wir an der Schweinebucht landeten war er ein Milizoffizier. Er kam, um mich im Gefängnishospital zu besuchen. Wir hatten ein Wortgefecht. Die Männer der Miliz umrundeten mich und schickten sich an, mich zu schlagen. Ein Brigadesoldat namens Carreno und andere standen auf, um mir zu helfen und wegen Carrenos Mut, mir zur Seite zu stehen beruhigte sich die Situation. Der wachhabende Offizier sah was geschah und sagte mir, ich solle nicht so zu meinem Vater sprechen. Weil er eine Möglichkeit sah, die Brigade auseinander zu reißen, schlug mir der Offizier vor, das Gefängnishospital zu verlassen und mit zu kommen.

Diese Konfrontation war kurz nach meiner Festnahme geschehen, als ich eine Hinrichtung durch Erschießen befürchtete. Der Offizier dachte, ich würde sein Angebot daher vielleicht annehmen, Aber ich sagte ihm, dass ich meine Freunde nicht verlassen würde.

Seht wieder die Ironie. Jene Freunde, die zu verlassen ich mich weigerte, nennen mich heute Verräter und haben für meinen Ausschluss aus der Brigade gestimmt. Ich bin ein freier Mann, Ein freier Mann muss nicht die Gründe erklären, warum er als freier Mann denkt und handelt. Nur weil ihr meine Kinder seid und ich euch von ganzem Herzen liebe, gebe ich euch eine direkte Erklärung darüber, warum ich an der Konferenz in Cuba teilgenommen habe.

Andere respektieren
Ich hoffe, dass dieser Brief dazu beiträgt, jede Verwirrung, die ihr über meine Ansichten haben könntet, aufzuklären. Habt keinen Hass oder Groll gegen irgend jemand wegen dieser Sache, Kugeln töten den Körper. Hass und Groll töten die Seele. Ich möchte, dass ihr als gute Katholiken ohne Hass und Groll aufwachst.

Ich erwarte auch von euch, dass ihr eine Grundeinstellung des Respekts gegenüber den Ansichten anderer lernt, ungeachtet dessen, wie andersartig diese Ansichten sein mögen. Verwendet niemals beschimpfende Worte, wenn ihr anderer Meinung seid. Wenn die Menschen sich gegenseitig mit Respekt behandeln, ihre Kontroversen erklären und in einen bedeutungsvollen Dialog einbringen, und nicht in eine Schmähung, dann gibt es keinen Raum für eine Diktatur. Dann hätte ich euch auch nicht erklären müssen, dass das was ihr darüber gehört habt, dass ich ein Verräter sei. Alles erstunken und erlogen ist.

In Liebe Euer Dad

Mario Cabello, ein Veteran der Schweinebucht Invasoren, wurde aus der Schweinebucht-Vereinigung Miamis ausgeschlossen, die als Brigade 2506 bekannt ist, nachdem er an einer Konferenz in Cuba teilgenommen hatte. Diesen Brief hat er an seine Kinder geschrieben.

CUBA LIBRE
Übersetzung a.d. Engl. M. Schweinesbein

CUBA LIBRE 3-2001