Maya Roy über die Musik Cubas

Der musikalische Reichtum Cubas hinter den Klängen des Buena Vista Social Club – eine Nachbetrachtung zum Maya-Roy-Abend in München.

Der musikalische Reichtum Cubas hinter den Klängen des Buena Vista Social Club – eine Nachbetrachtung zum Maya-Roy-Abend in München.


Ende Oktober hatte die Münchner Gruppe der Freundschaftsgesellschaft die Chance die in Paris lebende Musikexpertin Maya Roy nach München einzuladen.

Sie war auf einer Lesereise zur Vorstellung ihres kürzlich auf deutsch erschienenen Buches "Buena Vista – die Musik Kubas" (siehe Rezension des Buches in der Cuba Libre 4/2000). Maya Roy beschäftigt sich bereits seit 1972 mit der cubanischen Musik, hat Cuba sehr oft bereist und auch längere Studienaufenthalte dort verbracht. Dadurch hebt sie sich von den vielen selbsternannten "Cuba- und Cuba Musik-Experten" ab, die in letzter Zeit wie die Pilze aus dem Boden schießen.

Das Buch und der Buena Vista Boom

Das Buch erschien bereits 1998 in Frankreich unter dem Titel "Musiques Cubaines" und wurde im Zeichen des Buena Vista Booms für die deutsche Ausgabe mit einem zwar nicht ganz zum Inhalt passenden, aber eben marketingmäßig "besseren" Titel ausgestattet und heißt nun "Buena Vista – Die Musik Kubas". Nicht gerade zur Freude der Autorin, wie sie deutlich verlauten ließ. Genauso wenig Freude bereitet ihr das Nachwort von Arno Frank Eser, das sie nicht autorisiert hat und auch meines Erachtens den Eindruck erweckt, als hätte der gute Mann das Buch vorher einfach nicht gelesen.

Auch mal interessant einen Einblick in diese Seite einer Buchproduktion zu bekommen. Aber nun genug der Kritik an Äußerlichkeiten, denn das Buch ist ein wahrer Schatz und so schwärmt Maya Roy: "die deutsche Übersetzung ist wirklich sehr gelungen".

Musik und Tanz

"Ich werde jetzt nicht das Buch vorlesen oder erzählen, denn das Buch könnt ihr euch ja kaufen", meinte Maya Roy schmunzelnd. Den Abend wollte sie vielmehr nutzen, um Tendenzen in der Geschichte der cubanischen Musik aufzuzeigen und einen Einblick in die aktuelle Musik Cubas zu geben. Das alles mit sorgfältig ausgewählten und kommentierten Musikbeispielen und zu unser aller Freude fand sich ganz spontan ein cubanisches Tanzpaar ein, das gerne bereit war die Tanzeinlagen zu den jeweiligen Musikstücken passend vorzustellen. Es war wirklich toll was die beiden aufs Parkett gelegt haben, von den unterschiedlichen Rumbaformen über den Danzon bis zum Casino, der seit vielen Jahren in Cuba getanzt wird. Da sind Profis am Werk – vielen Dank an Claudio und seine wundervolle Partnerin.

Musik – eine Chronik Cubas

Wenn man Musik nicht als Konsumprodukt sieht, sondern als Kommunikationsform, kann man die cubanische Musik durch viele Stilrichtungen und über die Geschichte hinweg als eine Chronik Cubas entdecken. Die Liedtexte transportieren Geschichten aus dem Alltag, berufliche Probleme,Neuigkeiten aus dem Viertel, über das Zusammenleben mit den Nachbarn und gesellschaftliche Entwicklungen.

In der Rumba, die ab dem ende der Sklaverei um 1860 vor allem in den Hafenstädten Havanna und Mantanzas entstand, werden heute noch in die Texte und Tänze Teile aus alten Rumbas eingeflochten und damit überliefert. Beispielsweise der Rerain "nana no sabe lavar, nana no sabe planchar ...".

Nana kann nicht waschen, nicht bügeln … erinnert an die ewige Nörgelei der weißen Herren an ihren Hausangestellten oder Haussklaven, denen sie wohl nie was recht machen konnten. Im Tanz kniet hier die Frau auf dem Boden und imitiert das Wäsche waschen.

Sehr viele Musikgruppen die in den letzten Jahren in Cuba Tanzmusik gemacht haben, greifen diese Tradition auf. Allen voran Los Van Van, deren Texte einen wunderbaren Einblick in die Höhen und tiefen in das Alltagsleben der Cubanerinnen in den letzten 30 Jahren geben. Von den Praktiken beim Obsteinkauf auf dem Bauernmarkt "si la toques te la llevas / wenn du sie anfasst musst du sie auch kaufen" bis über das plötzlich grassierende Heiratsfieber Anfang der 90er Jahre, in der schwierigsten Zeit der "Periodo especial", um an das staatliche Hochzeitsgeschenk, einige Kisten Bier, zu kommen - "la gente se casa para vender la cerveca ( die Leute heiraten um das Bier zu verkaufen".

Timba cubana und die jungen Soneros

Ein großes Anliegen von Maya Roy war herauszustellen, dass der Son auf Cuba immer präsent war, weitergelebt hat und weiter gespielt wurde und wird. Wie sagte sie so treffend und leidenschaftlich: "el Son nunca se fue de Cuba / der Son hat Cuba nie verlassen". Sie stellte uns die junge Gruppe Rompesaraguey aus Sancti Spiritus in Zentralcuba vor, die den Son weiterentwickeln und eigene Kompositionen spielen. Man muss keineswegs über 70 sein, um guten Son zu machen. Nur ist es nicht ganz einfach an Aufnahmen von Rompesaraguey zu kommen.

Eine Musikform, die heute Ausdrucksform des großen Teils der cubanischen Jugend ist, ist die Timba cubana. Entstanden Anfang der 90er Jahre, grenzt sie sich von der internationalen Salsa-Welle ab. Maya Roy erklärt: "Die Timba ist Ausdruck von 40 Jahren musikalischer Ausbildung auf hohem Niveau und einer Generation von Musikern die Tabus brechen will". Timba ist also eine seht komplexe Musik mit sehr viel Perkussionelementen aus der Rumba und interessanten und teilweise provozierenden Texten.

Als Beispiel nennt Maya Roy, die wegen ihres wunderbaren Bläsersatzes bekannte Band N.G. La Banda (übrigens N.G. Steht für Nueve Generación / New Generation). N.G. La Banda erregte beispielsweise Ender der 80er Jahre mit einem Lied über die Santeria großes Aufsehen. Als eine der ersten Bands hat sie dieses Thema, den afrocubanischen Glauben, öffentlich thematisiert und dadurch von vielen Teilen der Gesellschaft, insbesondere den jungen Schwarzen, große Anerkennung erhalten.

Wer also dem Vortrag von Maya Roy aufmerksam lauschte, konnte viel über den Reichtum und die Fülle der cubanischen Musik abseits vom Mainstream des Buena Vista Social Club für sich entdecken.

CUBA LIBRE SIGA

CUBA LIBRE 2-2001