Genau 40 Jahre ist es her, dass die neue revolutionäre Regierung 1961 mit einem ersten Schritt
hin zur Bildungsrevolution ein ehrgeiziges Vorhaben verwirklichte: Alle KubanerInnen sollten in
einer Alfabetisierungskampagne lesen und schreiben lernen können. Da die Zahl der Analfabeten enorm
war, nahm diese Kampagne demnach auch die Züge einer das ganze Land erfassenden kulturellen
Revolution an, in der Menschen einander kennenlernten, die sich unter den Umständen des
vorrevolutionären Kubas niemals wahrgenommen, geschweige denn ihre Lebenssituation erfahren
hätten. Schüler und Bauern, Lehrer und Arbeiter, Hausfrauen und Tagelöhner, Angestellte und
Arbeitslose, Dörfler aus dem Hinterland und Städter aus der Metropole kamen beim Lesen und Lernen
zusammen, nahmen Anteil an ihren gegenseitigen Schicksalen und gestalteten eine Revolution. Zur
Vorbereitung der Kampagne wurde eine "Nationale Kommission für Alfabetisierung und Elementarbildung"
eingerichtet, die zunächst einmal damit konfrontiert war, die Ausgangssituation zu klären.
Unbekannt war die genaue Zahl der Analfabeten, da die letzte vergleichbare Erhebung 1953 stattgefunden
hatte.
Damals waren 11% der städtischen und über 41% der ländlichen Bevölkerung Analfabeten.
Auszuwählen war die beste Methode des ABC-Unterrichts, wozu eigens ein Kongress von 1300 Lehrern
einberufen wurde. Und völlig offen war zunächst, wer überhaupt diese immense Aufgabe lösen könnte:
ein Heer von Analfabeten zu unterrichten, das in die Hunderttausende ging - später kannte man die
Zahl, es waren eine Million und fünfundvierzigtausenddreihundertneunundzwanzig, davon 979 207
Erwachsene. Offensichtlich waren die kubanischen Lehrer, 36000 an der Zahl - mit der Aufgabe
hoffnungslos überfordert, zumal sie ja auch weiterhin den regulären Unterricht zu geben hatten.
Die Kommission kam zu dem einfachen Schluss, jeden Kubaner, der schreiben und lesen konnte, als
potentiellen ABC-Lehrer anzusehen. Also wurden kurzerhand zwei Komponenten, ein Lernheft für den
Analfabeten- diese Fibel trug den Titel "Venceremos" und einem Leitfaden zur Anleitung des
Alfabetisierers mit dem Titel "Alfabeticemos". Zum Jahresende 1961 wurde die Kampagne erfolgreich
abgeschlossen. Am 22.Dezember fand auf dem Platz der Revolution in Havanna eine festliche
Abschlusskundgebung statt, auf der Kuba zum vom Analfabetentum befreiten Land erklärt wurde. Mit
dem Erfolg der Alfabetisierungskampagne war ein erster Schritt getan, das Bildungswesen Kubas von
Grund auf neu zu gestalten. Aufbauprogramme folgten, in denen das Bildungsniveau der Bevölkerung
systematisch angehoben wurde, neue Schulformen entstanden, in denen die Verbindung von Lernen und
Alltagspraxis, die sich in der Kampagne auf ungeahnte Weise bewährt hatte, zum leitenden
pädagogischen Prinzip wurde. Mit der Alfabetisierungskampagne war zweifelos die Grundlage gelegt
für die Faszination, die das kubanische Bildungswesen bis in die Gegenwart hinein ausstrahlt.
CUBA LIBRE 2-2001