Krieg der Worte

"Cuba Sí", die Zeitschrift der britischen Solidaritätsgesellschaft "Cuba Solidarity Campaign" veröffentlichte im Herbst 1999 einen Bericht des britischen Bibliothekars John Pateman, der schildert, wie er eine mit Geldern aus Washington finanzierte "Menschenrechtskampagne" im Spektrum der Bibliotheken enttarnte.

Am 15. Juni 1999 stellte eine Organisation, die sich "Freunde der cubanischen Bibliotheken" nennt, eine Pressemitteilung ins Internet, in der bekannt gemacht wurde, in Cuba seien "unabhängige Bibliothekare" verhaftet und ihre "Bibliotheken" beschlagnahmt worden.


Diese selbsternannten "Freunde" behaupten, sie seien eine "unabhängige, unparteiische und nicht-gewinnorientierte Organisation, die die intellektuelle Freiheit und Cubas unabhängige Bücherei-Bewegung" unterstütze.

Eine Überprüfung der beiden Gründer, Jorge Sanguinetty und Robert Kent, ergibt ein ganz anderes Bild: Jorge Sanguinatty lebt in Miami. Er war in Cuba in führender Stellung im Ministerium für Nationale Investitionsplanung tätig, bevor er 1967 das Land verlies. Außerdem ist er Zeitungskolumnist und Kommentator bei "Radio Martí", dem US-Propagandasender gegen die cubanische Regierung.

Robert Kent ist ein Bibliothekar, der in New York lebt. Viermal hat er Bücher und Propagandaschriften für zwei konterrevolutionäre Organisationen nach Cuba gebracht, für "Freedom House" (Freiheitshaus) und "Center fpr a free Cuba" (Zentrum für ein freies Cuba). Beide Organisationen sind Gründungen der US-amerikanischen Agentur für Internationale Entwicklung (Agency for International Development). Drei der vier Reisen Kents nach Cuba wurden von dieser Organisation finanziert. "Freiheitshaus" ist eine gegen Fidel Castro gerichtete Organisation, die mit $ 500.000,-- aus Regierungsmitteln finanziert wurde. Das "Zentrum für ein freies Cuba" erhielt $ 400.000,--. Diese Gelder sind Teil einer Gesamtsumme von $ 3,1 Millionen, die die US-Regierung 1999 ausgegeben hat, um Organisationen zu finanzieren, deren Ziel es ist, die cubanische Regierung zu stürzen. Diese Mittel stehen aufgrund des "Cuba Democracy Act" - besser bekannt als Toricelli-Gesetz von 1992 zur Verfügung. Sie werden zum einen Teil zur Verschärfung der Blockade gegen Cuba verwendet, zum anderen Teil zur Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen in Cuba, einschließlich "Dissidenten" und der erwähnten "unabhängigen Bibliothekare".

In ihrem Internet-Beitrag weist Ann Sparanese, eine Bibliothekarin aus New Jersey darauf hin, dass "keine dieser sog. Büchereien eine Bücherei sei und keiner der angeblich unterdrückten Bibliothekare jemals ausgebildeter Bibliothekar war oder ist. In Wirklichkeit sind sie professionelle Dissidenten. Es gibt viele Besucher aus den USA, die nur nach Cuba reisen, um Dissidenten zu entdecken und Robert Kent, der sich selbst als >keinen Freund der cubanischen Regierung< bezeichnet, gehört zu dieser Art Besucher."

Die "Freunde" beziehen die meisten ihrer Informationen von CUBANET, dem Hauptunterstützer der "unabhängigen Büchereien in Cuba". CUBANET sitzt in Coral Cables, Florida und wird von verschiedenen ultrarechten US-Organisationen finanziert, u.a. von dem "National Republican Institute" (Nationales Republikanisches Institut) – eine Gründung Ronald Reagans – außerdem von privaten Spendern, die zum Teil Mitglieder der Fundación Nacional Cubana-Americana (cubanisch-amerikanische Nationalstiftung) sind, der militantesten exilcubanischen Organisation.

Anscheinend haben die "Freunde" weder in Cuba noch in USA besonders viele Sympathisanten. Ralph Papakhian, Musikbibliothekar an der Universität Indiana, kommentiert im Internet, es "sei Pech für Mr. Kent, dass die Wege der terroristischen Aktionen der CIA und der USAID mittlerweile auf Cuba allgemein bekannt seien."

Auch andere Bibliothekare in USA äußern sich skeptisch über die Ziele der "Freunde". Kritisiert wird, dass sie sich weder für die Aufhebung der Blockade engagieren noch mit dem Amerikanischen Büchereiverband (American Library Association) Kontakt aufnehmen. Der Amerikanische Büchereiverband setzt sich für die Aufhebung der Blockade ein und steht mit cubanischen Bibliotheken in Verbindung. Die "Freunde" behaupten, in der Frage der Blockade neutral zu sein. Doch Jorge Sanguinetty ist ein vehementer Befürworter der Blockade, was leicht nachprüfbar ist, wenn man sich die unter seinem Namen bestehende Website anschaut. Außerdem hielt er vor einiger Zeit im Zentrum für Strategische und Internationale Studien (Center for Strategic an International Studies) eine Rede, in der er sich leidenschaftlich gegen die Aufhebung der Blockade aussprach.

Solidaritätsgruppe gegründet

Der Verfasser des vorliegenden Artikels John Pateman, ist nicht nur Bibliothekar, sondern auch Vorsitzender der CSC-Gruppe Bexley und Bromley. Er gründete am 1. Juli 1999 eine Solidaritätsgruppe "Cuban Library Support Group" mit folgenden Zielen:

- Unterstützung von cubanischen Büchereien
- BibliothekarInnen, Bücherei- und InformationsarbeiterInnen und
- des cubanischen Büchereiverbandes (ASCUBI)

In der Zwischenzeit geht die Debatte zwischen den "Freunden" und den "Unterstützern der cubanischen Büchereien im Internet weiter. Die überwiegende Zahl der Beiträge begrüßt die Initiative der britischen Soli-Gruppe "Cuban Libraries Support Group".
ohnpateman@merton.gov.uk

Übersetzt u. gekürzt: Inge Knoeckel, München


Krieg um die Köpfe


Nach den verfolgten Schriftstellern in Cuba jetzt also auch noch unterdrückte Bibliothekare!

Dabei spielen in unserer schönen virtuellen Welt Bücher und Büchereien angeblich nur noch eine marginale Rolle. Jedoch der US-Regierung und den militanten exilcubanischen Cliquen in Miami scheint offensichtlich jeder Bereich der cubanischen Gesellschaft als Angriffsziel geeignet.

Angesichts der Sympathiegewinne, die Cuba und Fidel Castro in letzter Zeit auf der internationalen Bühne erringen konnten, wirkt die geschilderte Internet-Ente wie ein Nadelstich in die Haut eines Elefanten. Aber auch Nadelstiche tun ihre Wirkung, wenn sie nur geschickt plaziert und häufig genug wiederholt werden.

Die "Freunde" behaupten, die "intellektuelle Freiheit" in Cuba unterstützen zu wollen. Damit unterstellen sie, dass es in Cuba keine intellektuelle Freiheit gibt und attackieren indirekt aber bewußt das cubanische Bildungssystem.

Nun beeindruckt aber gerade das Bildungssystem viele Menschen in aller Welt, die ansonsten dem sozialistischen Cuba eher skeptisch gegenüber stehen. Deshalb ist dieser Angriff eine besondere Perfidie und eine Beleidigung aller, die in Cuba das allgemeine, öffentliche und kostenlose Bildungssystem aufrechterhalten, trotz der bekannten enormen ökonomischen Schwierigkeiten. Im 42. Jahr der Revolution genießt das ganze cubanische Volk Bildungsmöglichkeiten, die die USA nach 200 Jahren nur einem Bruchteil ihrer BürgerInnen, nämlich die Wohlhabenden, bieten.

Es wäre wünschenswert und nützlich, wenn sich die Mitglieder der FG – vor allem >Leute vom Fach< aber nicht nur – in die Internetdiskussion einklinken würden. Vielleicht gelingt es sogar, in der einen oder anderen örtlichen Gruppe eine ähnliche Initiative wie in Großbritannien auf die Beine zu stellen.

CUBA LIBRE Inge Knoeckel, München

CUBA LIBRE 2-2000