In Havanna fand die größte Buchmesse Mittelamerikas statt

Buch-Festival

Mit über 300 neuen Titeln und Ausstellern ist die kubanische Buchmesse die bedeutendste ihrer Art im mittelamerikanischen Raum.

Am vergangenen Dienstag ist sie mit einem großen Knall zu ende gegangen. Die diesjährige neunte Messe wurde erstmals nicht in den kühlen Räumen eines modernen Ausstellungszentrums untergebracht, sondern in den Gemäuern, der »Cabaña« gefeiert, einer riesigen Festung aus dem 18. Jahrhundert, die malerisch über der Bucht von Havanna auf einem Felsvorsprung thront. Von hier wird täglich um neun Uhr abends eine Kanone Richtung Meer abgefeuert – eine Tradition aus Kolonialzeiten, als der Schuss die Schließung der Stadttore signalisierte. Am vergangenen Dienstag beendete der Schuss zugleich die von jetzt ab jährlich stattfindende Buchmesse. Mehr als 25.000 BesucherInnen drängten sich täglich zwischen den 250 Jahre alten Steinwänden der Festung, insgesamt kamen 200.000. Die meisten gelangten per Fahrrad oder Extra-Bus durch den Autotunnel unter dem Hafen von Havanna dorthin.

Peter Weidhaas, seit 25 Jahren Chef der weltweit größten Buchmesse in Frankfurt am Main, war als Gast in Havanna. Sein Resümee: Es gebe hier zwar Dinge zu verbessern, aber das geschehe in der weiteren Entwicklung wie von allein. Im Vergleich mit der Frankfurter Buchmesse, an der 1999 insgesamt 9.800 Aussteller aus 107 Ländern beteiligt waren, ist die kubanische mit 900 Verlagen aus 31 Ländern eindeutig unterlegen; das Wichtige aber, so meint der ehemalige Verleger, ist, dass die Verleger ihre Geschäfte in Frankfurt an ziemlich ungemütlichen Orten machen, während die Messe in Kuba ein wahres Buch-Festival sei. So gab es neben 300 Buchvorstellungen auf Verfilmungen einiger Titel zu sehen, ergänzten Ausstellungen, Theateraufführungen, Musik-, und Tanzveranstaltungen die Messe.

Auf Grund der enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach 1989 war die Produktion von Büchern und Zeitschriften im Jahr 1993 auf das Niveau von 1959 zurückgefallen. Davon hat sich das Land erholt und 1999 erstmals wieder eine Rekordzahl an Veröffentlichungen erreicht. Insgesamt wurden zu dieser Buchmesse von 20 verschiedenen Verlagen und den Verlagsinstituten der 14 kubanischen Provinzen 200 neue Titel vorgestellt. Erstmals standen den Provinzen Computersysteme zur Verfügung – der Präsident des kubanischen Buchinstituts ICL, Omar Gonzalez Jimenez, wertete dies stolz als wahre Informations- und Verlagsrevolution. Trotzdem räumten die Veranstalter ein, dass die Distribution der Bücher noch nicht ausreichend sei. Ursache dafür ist die schwere ökonomische Situation des Landes. Demnach ist zumindest sichergestellt, dass neben dem stark beschränkten Buchhandel vor allem die landesweit 379 öffentlichen, kostenfreien Bibliotheken mindestens ein Exemplar erhalten.

Der Verkauf der Bücher auf der Messe erfolgte in begrenzter Anzahl in der Nationalwährung, dem kubanischen Peso, z.T. Geschah dies auch bei ausländischen Verlagen; überwiegend wurden die Geschäfte jedoch in US-Dollar abgewickelt. Zum ersten Mal erhielten auch kubanische Autoren einen Anteil an den damit verbundenen Einnahmen. Insgesamt wurden auf der neunten kubanischen Buchmesse Bücher im Wert von 60.000 Dollar verkauft, die Hälfte davon waren landeseigene Editionen.

Für die kubanischen Verlage war neben den Deviseneinnahmen die Kooperation mit ausländischen Partnern wichtig. So wurden mit der spanischen Grupo Z, die auch Bücher im Internet vertreibt, und mit dem Verlag der Cambridge-University Abkommen unterzeichnet.

Nachdem in diesem Jahr die Buchmesse dem kubanischen Schriftsteller Cintio Vitier gewidmet war, der gerade den dritten Band seiner Werksausgabe vorstellte, und Italien, sein langzeitiger Aufenthaltsort, als Schwerpunktland geladen war, soll im nächsten Jahr Spanien diese Ehre zuteil werden.

Bis dahin hat sich der Chef der Buchmesse, Omar Gonzalez, vorgenommen, Rezeption und Kritik von Literatur in Kuba voranzubringen. Beides ist nach seinen eigenen Worten in den letzten Jahren zurückgegangen. Diese Fähigkeit wird ganz sicher, getreu dem Motto der Messe »leer es creer« (»Lesen ist Wachsen«), bis zum Februar 2001 erheblich wachsen.

CUBA LIBRE Rainer Schultz, Havanna
Junge Welt, 22.02.00

CUBA LIBRE 2-2000