Die Bundesrepublik nimmt erstmals offizielle bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba auf. Noch in diesem Jahr stellt das Entwicklungsministerium eine erste Tranche von 3 Millionen DM für die Startphase eines Umweltschutzprojektes bereit.
Mit der Neuausrichtung gegenüber Kuba sei die deutsche Entwicklungszusammenarbeit jetzt auf der gleichen Linie wie die der europäischen Partnerländer, die sich bereits auf Kuba entwicklungspolitisch engagieren, zum Beispiel Frankreich, Spanien und Italien, oder auch Kanada. "Wir brechen mit der Doppelmoral der früheren Bundesregierungen die zwar mit Ländern wie China zusammengearbeitet hat, Kuba aber immer außen vor ließ", sagte Wieczorek-Zeul.
Die Entscheidung für ein erstes bilaterales deutsch-kubanisches Entwicklungsprojekt ist nach Aussage der Ministerin sorgfältig vorbereitet worden. Zwei Mal waren Experten und Expertinnen des Entwicklungsministeriums, der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in den letzten Monaten auf der Insel. Wieczorek-Zeul: "Ihrer gemeinsamen Empfehlung, die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Projekt zur Wüstenbekämpfung in den beiden östlichen Provinzen Granma und Las Tunas zu starten, sind wir gefolgt." Die Gesamtlaufzeit des Projekts werde 10-12 Jahre betragen. Insgesamt rechnet das Ministerium dafür mit einem deutschen Finanzierungsanteil von voraussichtlich 11 Millionen DM.
Mit dem Projekt unterstützt Deutschland den kubanischen Aktionsplan gegen Wüstenausbreitung und Dürre, zum einen durch fachliche Beratung auf nationaler Ebene, zum anderen durch Hilfe bei der regionalen Umsetzung des Aktionsplanes. So sind im Wassereinzugsgebiet des größten kubanischen Flusses, des Rio Cauto, konkrete Pilotmaßnahmen gegen Versalzung, Bodenerosion und zum Schutz der Ufer geplant.
An dem Entwicklungsprojekt werden sich auch verschiedene kubanische Nichtregierungsorganisationen und nicht organisierte Bauern beteiligen, wovon sich die Ministerin verspricht, durch Entwicklungszusammenarbeit zu einem "demokratischen Wandel" beitragen zu können. In seinem Ansatz "Wandel durch Entwicklungszusammenarbeit" werde Deutschland auch von oppositionellen Gruppen auf Kuba unterstützt. Bei Kontakten im Vorfeld der Entscheidung hätten diese bestätigt, dass auch sie sich von der Aufnahme der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit längerfristig positive gesellschaftliche und politische Impulse erhoffen.
Mit dieser Einschätzung liegt sie trotz dieses begrüßenswerten ersten Schrittes in Richtung Entwicklungszusammenarbeit aber nicht weit entfernt von der reaktionären Haltung der Unionsparteien. Deren ehemaliger parlamentarischer Staatssekretär und heutige entwicklungspolitische Sprecher der Unionsparteien, Klaus-Jürgen Hedrich zeigt sich da sehr eindeutig: nachdem er auf einen Antrag der PSD im Parlament (Mai 89) über die Aufnahme entwicklungspolitischer Zusammenarbeit mit Kuba schon dazu aufgerufen hatte, "alle Möglichkeiten, die sich uns eröffnen", zu nutzen, "auf Kuba systemzersetzend zu wirken", bemängelt er heute ein "totalitäres Einparteiensystem, Menschenrechtsverletzungen, von Castro bewusst in Kauf genommene Armut und Not der Bevölkerung" etc.
Während diverse europäische Staaten und Zusammenhänge sich längst im Austausch mit der kubanischen Gesellschaft befinden, wird durch derlei erstarrte US-Hörigkeit die sonst so hochgelobte Globalisierung auf den Kopf gestellt, wenn zivile Projekte negiert und der Versuch des weltweiten Zusammengehens gerade bei ökologischen Problematiken auseinander dividiert werden. Der Schritt der Frau Ministerin in den "pragmatischen Realismus" ist ein erster. Doch es geht um mehr: Um die Thematisierung der kulturellen und ökonomischen Beziehungen zwischen Deutschland und Kuba. Und es sollte eine alte Forderung wiederbelebt werden, deren Verwirklichung sich NGOs und Solidaritätsorganisationen auf die Fahnen geschrieben haben: Die Streichung der Altschulden Kubas an die DDR (bei 2 Mrd. DM versteht sich die BRD gerne als Rechtsnachfolgerin) sowie eine weitergehende Entschuldung Kubas.
Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba hat diese Initiative aufgegriffen und in Schreiben gegenüber den zuständigen Bundesministerien erläutert und eingefordert. Eine zufriedenstellende Reaktion auf diese Initiative wird aber wohl erst mit stärkerem flankierenden Druck von verschiedenen Seiten realistischer.
Bernhard Ostermeier
Quellen: BMZ, Cuba Sí Revista 1-2000
CUBA LIBRE 2-2000