Unter Diesem Titel ist zur Freude vieler politisch Interessierter und cubanischer Solidaritätsgruppen jetzt endlich eine deutsche Version des italienischen Videos von Roberto Massari erschienen. Sie hätte eigentlich schon zur internationalen Che-Konferenz Ende September in Berlin vorliegen sollen.
Nachdem Buchverlage, Zeitungen, Zeitschriften, ja selbst Fernsehsender aller Couleur zum dreißigsten Jahrestag der Ermordung des Ernesto Che Guevara de las Serna den Markt mit ihren mehr oder – meist – minder guten Produkten überschwemmt hatten, war das auch dringendst nötig! Umso besser, wenn, das lange währte, auch endlich gut wurde, dank der vereinten Bemühungen des AKI (Arbeitskreis Internationalismus) in Karlsruhe und der Medienwerkstatt in Freiburg. Ergebnis ist nämlich ein fast ausnahmslos deutsch synchronisierter Film. Zuschauer und – innen können sich also uneingeschränkt auf Bild und Botschaft konzentrieren, statt deutschen Untertiteln im sich bewegenden Bild nachjagen zu müssen. (Schade nur, daß der Abspann im Gegensatz zur Kassettenhülle nicht alle, die viel Zeit und Geduld in das Gelingen der Synchronisation gesteckt haben, aufführt).
Ganz besonders wohltuend hebt sich dieses Video von der Masse der saisonbedingten Produktionen dadurch ab, daß es nicht versucht, dem Zuschauer das Che-Bild Massaris oder des AKI unterzuschieben. Und noch weniger, Che für heutige eigene politische Strategien und Ziele zu instrumentalisieren, ihn ungefragt und unwidersprochen – Tote können sich nicht mehr wehren – in einen Kronzeugen gegen das heutige Cuba und Fidel umzuwandeln, wie es die Biographie von Paco Ignacio Taibo tut.
Massari läßt Che Guevara, der wahrhaftig genug gesprochen und geschrieben hat, durch Rückgriff auf cubanisches Archiv- und Wochenschaumaterial, Ablichtung von Redemanuskripten, Zeitungsartikeln u.ä. Ausführlich selbst sprechen: über den Guerillakrieg, über Voraussetzungen wirklicher wirtschaftlicher Unabhängigkeit, über die Notwendigkeit der Herausbildung eines neuen Menschen, über materielle und moralische anreize bei der Industrialisierung, über "freiwillige" - d.h. Unbezahlte – Arbeit, über die Aufhebung der Entfremdung des Menschen, über die Voraussetzung nicht entfremdeter Kultur und vieles mehr. Eine umfassende Begegnung mit Ches Denken und Wirken also. Massari enthält sich wertender Kommentare, beschränkt sich ganz auf knappe Überleitungen. Er traut dem Zuschauer also genügend Urteilsvermögen zu, um sich selbst eine Meinung zu bilden.
Das hat allerdings seinen Preis: Che für Anfänger" ist dieses Video nicht. Es setzt eine gewisse Kenntnis der Entwicklung der cubanischen Revolution voraus und geizt geradezu mit Jahreszahlen, einordnenden Fakten und Ortsangaben. Z.b. erläutert kein Satz, daß es sich bei den einer Militärparade ähnelnden Bildfolgen um den siegreichen Einzug der Guerilla aus der Sierra Maestra in Havanna handelt, und wann der stattfand. Die und etwa die Invasion in der Schweinebucht oder die Raketenkrise zu erwähnen, wäre für Gliederung und Verständnis wichtiger gewesen, als das eine oder andere Datum einer Rede. Schließlich handelte und reflektierte Che in Cuba unter sehr konkreten politischen Umständen, was sich in dem Video leicht etwas ins Zeit- und Geschichtslose verflüchtigt.
Massari war sich dessen offenbar bewußt, denn dem Video liegt ein zweiseitiger chronologischer Abriß des Lebens und Wirkens von Che Guevara bei, den vorab zu lesen, bzw. bei Veranstaltungen zu verteilen, empfohlen wird. Er ist sehr informativ und konzentriert, ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, aber eben nur ein Hilfsmittel … (Im Video ist darüber hinaus ein kleiner (Sprech?)Fehler unterlaufen: Che hielt seine Rede in Algier vor dem 2. wirtschaftlichen Seminar der afro-asiatischen Solidarität nicht am 24. Februar 1964 sondern 1965.)
Das anderthalbstündige (nicht wie auf der Kassettenhülle angegeben 105-minütige) Video gliedert sich in 7 Teile: Kindheit und Jugend; Unterwegs in Südamerika; Von Mexiko nach Havanna; Industrieminister; Botschafter der Revolution; Der Mensch: andere Länder der Erde.
Ein für die spätere Entwicklung wichtiger Aspekt von Ches Wirken bleibt unbeleuchtet: daß er nämlich der Architekt der Beziehungen Cubas zur Sowjetunion war, Aber etwas schaffen, heißt immer auswählen und Prioritäten setzen. Vielleicht sind Kindheit und Jugend plus lateinamerikanische Reisen mit einem Fünftel des Filmes etwas zu breit geraten, zumal auch nicht ganz klar wird, daß Guatemala und Mexiko für Che nicht mehr nur Stationen seiner Reise, sondern Stationen politischen Engagements waren. Vielleicht hätte der Zuschauer mehr davon, wenn die Liebe zum Detail, die Ches Reisen durch Lateinamerika auf einer Karte rot nachzeichnet, den ungleich gewichtigeren Reisen Guevaras als "Botschafter der Revolution" zugute gekommen wären. Aber letzten Endes sind dies Nebensächlichkeiten.
Nicht nebensächlich ist jedoch das sehr eindrucksvolle, wenn auch für mich nicht ganz vollständige ende des Filmes. Dem Zuschauer werden die ebenso unerträglichen sie sattsam bekannten Details von Verwundung und Erschießung erspart, und damit das Mitwirken an Entstehung und Weiterverbreitung einer Märtyrerlegende. Rot-schwarz und unbeweglich erscheint für einige Sekunden das Schwarzweißfoto des stehenden, verhafteten, noch nicht für die Medien frisierten Che, dann nur sein Kopf als Ausschnitt aus dem berühmten Foto, auf dem er dem ermordeten Marat des Gemäldes von David ähnlich sieht. Hier wäre der Film eigentlich zu Ende.
Es folgen jedoch nacheinander die verschiedensten Abwandlungen des wohl bekanntesten aller Guevara-Fotos von Korda. Vermutlich soll dadurch suggeriert werden, daß Ernesto "Che" Guevara de la Serna in mannigfaltiger Weise weiterhin präsent ist. An dieser Stelle aber hätte ich mir etwas anderes gewünscht, nämlich den Hinweis, daß Ausbeutung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit sowohl hier als auch gegenüber dem Trikont, gegen die Guevara als Revolutionär kämpfte, in den 30 Jahren seit seiner Ermordung nicht etwa überwunden wurden, sondern sich verschärft haben. Woraus sich ergibt, daß, wer Guevara ehren will, den Kampf fortführen muß, wenn auch mit anderen Mitteln.
Ernesto Che Guevara.
Mensch, Genosse, Freund …
Videofilm über das Leben und Werk des Che Guevaras, von Robert Massari
Vertrieb: Medienwerkstatt e.V. Freiburg, Konradstr. 20, 79100 Freiburg
CUBA LIBRE 2-1998