Der Fall Jesus Diaz -

der kurze Mythos vom linken Dissidenten

Es sind knapp 2 Jahre her, da entbrannte ein heftiger Streit in der damals schon zusammengeschmolzenen Lateinamerika-Solidaritätsbewegung. Auslöser war ein Streitgespräch zwischen dem uruguayischen Schriftsteller Eduardo Galeano und Jesus Diaz, daß die Schweizer 'Wochenzeitung' veranstaltete. Damals beschwor Diaz das baldige Ende der kubanischen Revolution und bezeichnete Galeano als Illusionisten, weil der weiter an deren Idealen festhielt.

Wie es weiterging, hier nur noch mal in Stichworten: Der kubanische Kultusminister Armando Hart schrieb an Diaz einen sehr persönlichen Brief, der in den biblischen Worten gipfelte: »Du hast Dich für ein Linsengericht verkauft, Jesus. Du müßtest eigentlich Judas heißen.«

Prompt sah sich Diaz in Lebensgefahr, wenn er nach Kuba zurückkehren würde und ließ sich als kubanischer Dissident in Berlin nieder. Nicht nur die FAZ widmete Diaz eine ganze Kulturseite. Die linksalternativen Lateinamerika-Nachrichten zogen Parallelen zum Todesurteil gegen Salman Rushdie und verglichen Castro mit Khomeini.

Der LN-Autor Bert Hoffmann beschimpfte Galeano als rückratlosen Opportunisten, weil der erklärte, daß er das Gespräch mit Diaz abgebrochen hatte und auch nicht mehr mit ihm zu diskutieren gedenke. Galeano dazu: »Ein lebendiger Dialog setzt den Widerspruch voraus. Aber damit der Dialog fruchtbar sein kann, muß er von beiden Seiten mit Respekt geführt werden. Wenn Beschimpfungen Argumente ersetzen, verliert er seinen Sinn.« Außerdem stufte Galeano den Brief des kubanischen Kultusministers an Diaz als bedauerlich ein, verwahrte sich aber gegen die Aufregung, die von interessierter Seite hervorgerufen wurde. Nicht zuletzt von Diaz selbst, der ihn zu einem Todesurteil umlog.

Fortan war Diaz der Shooting-Star derer, die immer die kritische Solidarität im Mund führten, dabei aber die Kritik groß schrieben, die Solidarität dabei ganz vergaßen. Die Brüder Hoffmann (beide LN-Redakteure) waren die ständigen Übersetzer von Diaz-Texten, die dann im Freitag, der taz, der WOZ etc. auftauchten. Anders als durch Diaz Brille nahmen die die kubanischen Probleme nicht mehr wahr. Selbst die Cuba Libre blieb von der Diskussion nicht unberührt. Überall gab es Leute, die von Diaz das Bild eines kritischen Freundes der kubanischen Revolution zeichneten, der von den Betonköpfen aus Havanna mundtot gemacht werden sollte.

Der Inhalt von Diaz-Texten und Interviews paßte sich immer den Hardlinern aus Miami an, was von seinen Anhängern gerne übersehen wurde.

Zum Beweis einige Zeilen Originalton Jesus Diaz aus der taz vom 7.8.94: Bert Hoffmann interviewte ihn zur aktuellen Situation nach den Unruhen in Havanna. Auf die Frage des friedlichen Wandels auf Kuba kam die offene Antwort: »Was heißt hier friedlich, wenn jegliche Opposition auf brutale Weise unterdrückt wird? Man kann doch gar nicht mehr von einem friedlichen Wandel reden ...« Eine unverhohlene Rechtfertigung für einen gewaltsamen Umsturzversuch.

Aber die Schuld für das Blutbad ist schon vorsorglich abgeladen: »Fidel Castro wird vor nichts zurückschrecken. Und die internationale Linke merkt das immer noch nicht, sondern unterstützt ihn weiterhin, spricht von Dialog und nimmt eine konziliante Haltung ein. Was kann es mit einer kriminellen Regierung wie dieser für einen Dialog geben?« … Dafür muß sich Diaz schon die extremste Rechte von Miami als Bündnispartner ausgesucht haben. Die scheut sich ja bekanntlich nicht dialogbereite Kreise in den eigenen Reihen mit Bomben zum Schweigen zu bringen.

Castros Forderung an die USA, die Blockade sofort aufzuheben, bezeichnet Diaz als »die anti-nationalste Haltung, die man sich vorstellen kann«.

Als Hoffmann offensichtlich selbst etwas erschrocken über die Tiraden des eigenen Lieblingsdissidenten zaghaft einwirft, daß sich doch die USA in Bezug auf das Embargo bewegen müsse, schon um Castro die Argumente für seine Politik zu nehmen, kommt Diaz noch mal so richtig in Fahrt: »Was sie hören wollen, werde ich nicht sagen, denn das interessiert mich nicht! Was sie hören wollen, die die elendige Haltung der internationalen Linken. 'Die USA sind schuld'. ...«

Es ist doch lehrreich, die Wandlungen dieses 'kritischen Freundes der kubanischen Revolution' zu sehen. Oder waren es am Ende nur die Wunschträume unserer alternativen KritikerInnen, die natürlich die einen Hardliner aus Miami hofiert hätten. Es wird auch spannend sein, weiter zu beobachten, ob diese Kreise Diaz auch jetzt weiter unterstützen, nachdem er sich ganz offen auf die Linie der Miami-Boys begeben hat. Aus der jüngeren deutschen Geschichte gibt es leider Befürchtungen, da sie meisten mitgehen, so wie auch die meisten Biermann-FreundInnen ihrem Idol treu blieben, der in den 70ern als Bänkelsänger einer besseren DDR anfing und mittlerweile ganz weit rechts gelandet ist.

CUBA LIBRE Peter Nowak

CUBA LIBRE 3-1994