Der gewaltige Niedergang der Importmöglichkeiten der kubanischen Wirtschaft, die sich gezwungen sah, heute nur noch ein Viertel der Einfuhren zu tätigen, hat entscheidend zur Ausbreitung des Schwarztausches zwischen Dollar und Peso sowie zu einer beachtlichen Disproportion beim Tauschkurs zwischen beiden Währungen geführt.
Die Entwicklung des illegalen Tausches war voraussehbar, weil die kubanische Regierung angesichts des Wegfalls der traditionellen Handelsbeziehungen mit den ehemals sozialistischen Staaten in Europa und angesichts der Intensivierung der nordamerikanischen Blockade – die beiden grundlegenden Ursachen für die heutige Situation – nicht die konventionellen Rezepte der Marktwirtschaft, d.h. Die sogenannte Schocktherapie, angewandt hatte, nach der zugunsten des internen finanziellen Gleichgewichts die Preise drastisch angehoben werden und Massenentlassungen ebenso durchgeführt werden wie gewaltige Reduzierung der Ausgaben im sozialen Bereich.
Vor dem Zusammenbruch der UdSSR und der anderen europäischen sozialistischen Staaten hatte Kuba sich entwickelt auf der Grundlage einer einheitlichen Einkommensverteilung. Als es abrupt mit der neuen Situation konfrontiert wurde, wählte es eine Antischock-Politik. Die Einkommen der Bevölkerung wurden nominell ungefähr auf dem erreichten Niveau beibehalten, Bildung und Gesundheitswesen sind weiterhin kostenlos und die Grundnahrungsmittel werden durch den Staat in einem erheblichen Umfang subventioniert.
Das Ziel ist es, keinen Bürger seinem Schicksal zu überlassen. Dies führt jedoch zu einer zirkulierenden Geldmenge, die nicht gedeckt ist durch ein entsprechendes Warenangebot. In den letzten Monaten ist diese Disproportion immer größer geworden, was dazu geführt hat, daß auf dem Schwarzmarkt der Kurs des Dollars immer weiter steigt.
Dieser Fakt hat manchmal zur simplistischen Überlegung über die Kaufkraft des kubanischen Pesos geführt und zu wirklich absurden Antworten auf die Frage, was ein kubanischer Arbeiter 1993 verdient.
Ein peruanischer Freund, der kürzlich Kuba besuchte erzählte mir von einer Meldung einer internationalen Presseagentur, in der behauptet wurde, daß ein gutverdienender Kubaner ganze sieben Dollar monatlich verdient. Die Presseagentur hatte diese Berechnungen auf der Grundlage des Wechselkurses auf dem Schwarzmarkt angestellt und vergaß dabei eine Unmenge von Aspekten, die das reale Einkommen der kubanischen Bürger bestimmen.
Mein Freund hingegen interessiert an der tatsächlichen Situation analysierte zuerst unsere Libreta. Er stellt eine Liste einiger Produkte auf und notierte die Preise. Dann verglich er dies mit den Ausgaben in Dollar einer peruanischen Familie, um eben diese Produkte zu erwerben.
Auf seiner Liste standen Reis, Hülsenfrüchte, Speiseöl, Zucker, Kaffee, Eier, Fisch, Fleischprodukte, Bananen, Brot, Zitrusfrüchte und Kartoffeln. Eine peruanische Familie müßte für die gleiche Menge dieser Produkte monatlich 30 Dollar bezahlen, während sie in Kuba 23 Pesos kosten.
Im Falle einer fünfköpfigen Familie mit einem Kind unter sieben Jahren, was häufig der Fall ist, kostet dieser Warenkorb in Peru 152 Dollar während er in Kuba für 122 Pesos erhältlich ist. Die Differenz ist jetzt größer, denn ein Liter Milch kostet in Peru einen Dollar während in Kuba für Kinder bis zum Alter von sieben Jahren täglich ein Liter Milch für 15 Centavos garantiert ist.
Man beachte, daß im Bereich der durch die Libreta verteilten Waren die Kaufkraft eines Pesos höher ist als die eines Dollars in Peru, wobei die dortigen Preise weitgehend mit den durchschnittlichen Preisen in Lateinamerika übereinstimmen.
Hinzu kommen, daß die Mahlzeiten in den Kantinen am Arbeitsplatz der Kubaner extrem billig sind und daß für Hunderttausende von Schülern und eine gute Anzahl von Arbeitern sogar kostenlos ist.
In anderen grundlegenden Bereichen haben wir eine ähnliche Situation: Die von den Kubanern durchschnittlich privat verbrauchte Elektrizität kostet in Peru monatlich etwa zehn Dollar.
Für Wasser, so mein Freund, zahlt eine Familie im Zentrum von Lima monatlich nicht weniger als vier Dollar. Paradox ist es, daß die Ärmsten, die in den übervölkerten Slums ohne Wasserleitungen leben für weniger Wasser viel mehr zahlen müssen.
Und das Gesundheitswesen: In Kuba ist es kostenlos, andere Völker müssen teuer dafür bezahlen. Mein Freund berichtet, daß in Peru eine Untersuchung beim Augenarzt 30 Dollar kostet. Für ein EKG müssen 50 bis 60 Dollar bezahlt werden; für einen Arztbesuch müssen gute 30 Dollar hingeblättert werden, ein Hausbesuch kostet bereits 50 Dollar.
Eine Blut- und Urinuntersuchung kostet 60 Dollar. Eine Augenoperation kostet nicht weniger als 500 Dollar und wenn bei einer Geburt ein Arzt anwesend sein soll, dann müssen selbst bei einer normalen Geburt ohne Komplikationen zwischen 350 und 400 Dollar hingeblättert werden.
Bei dem Kauf von Medikamenten verhält es sich ähnlich. Mein Freund hat zu hohen Blutdruck und stellte fest, daß ein Kubaner mit dem gleichen Problem für ein Glas Nifedipina 3 Pesos zahlt, während er in seinem Land dafür 10 Dollar zahlen muß.
Nicht aufgezählt, was jede kubanische Familie durch das kostenlose Bildungswesen erhält oder von dem allgemeinen Zugang zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, deren Kosten zum größten Teil vom kubanischen Staat getragen werden. Bei der Ernährung wurden ferner nicht die zehntausende von Bürgern erwähnt, die auf ärztliches Rezept Milch, Fleisch und Gemüse erhalten. Es wurde ebenfalls verzichtet auf eine vollständige Auflistung aller Konsumartikel und Dienstleistungen, die den Kubanern zur Verfügung stehen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß wen wir alles zusammenzählen, in Dollar monatlich eine mindestens dreistellige Summe zusammenkäme, selbst unter den schwierigen Bedingungen des "período especial".
In Peru beispielsweise wie in anderen Ländern der Dritten Welt wird nicht von einem "período especial" gesprochen; das Leben dort wird dort alltäglich von dem abhängigen und unterentwickelten Kapitalismus geprägt. Dort beträgt der Mindestlohn monatlich 40 Dollar, der Durchschnittslohn liegt bei 100 Dollar, ein Universitätsprofessor erhält etwa 200 Dollar und der Verdienst eines Lehrers liegt zwischen 70 und 80 Dollar. Aber 20% der ökonomisch aktiven Bevölkerung ist arbeitslos und 70% wird als unterbeschäftigt eingestuft.
Es ist nicht Absicht dieses Kommentars, den heutigen Lebensstandard der Kubaner als beispielhaft darzustellen. Wir erleben die schlimmste Zeit und fühlen dies besonders schwer, weil wir bereits einen relativ hohen Lebensstandard erreicht hatten im Vergleich zu Staaten und Völkern mit ähnlicher Geschichte und Entwicklung. Dennoch haben wir versucht, eine objektive Einschätzung unserer realen Situation zu geben weil es jetzt nur so hagelt von falschen und verfälschenden Interpretationen unserer Lebensumstände wie jene, die behauptet, da´wir 7 Dollar im Monat verdienen.
Trabajadores, Wochenzeitung der CTC vom 31.5.1993
Übersetzung von Horst-Eckart Gross
CUBA LIBRE 3-1993