editorial

Wie geht es weiter mit Kuba? Diese Frage stellen sich viele FreundInnen dieses gesellschaftlichen Projekts, das bisher unbestritten als Alternative zu den neoliberalen kapitalistischen Varianten in der Dritten Welt angesehen wurde.

Das sozialistische Kuba sicherte allen auf der Insel Arbeit, Kultur und Einkommen sowie Zugang zu Bildung, Kultur und umfassender medizinischer Versorgung. Aber nicht nur im materiellen Bereich war die Lage in Kuba anders als in den anderen Ländern des Trikont, den nationale Würde, Souveränität, Internationalismus, Solidarität haben Bedeutung und Sinn nicht nur bei einzelnen Gruppen, sondern in der ganzen kubanischen Bevölkerung; sie prägten und prägen das politische Leben und sind sicherlich ein wesentlicher, wenn nicht gar der Grund dafür, daß in Kuba das sozialistische Gesellschaftssystem von einem nationalen Konsens getragen wird.

Mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers verlor Kuba innerhalb kürzester Zeit seine wichtigsten Handelspartner, also Abnehmer kubanischer Waren, Lieferanten von Lebensmitteln, Rohstoffen, Technologie, Kreditgeber bis hin zu Waffenlieferanten. So mußte Kuba einen Platz in der kapitalistischen Weltwirtschaft suchen und finden; eine andere Alternative gibt es nicht, eine Isolation nie ernsthaft diskutiert. Als wenn eine solche Aufgabe nicht schon allein riesig wäre: Hinzu kommt die Wirtschaftsblockade seitens der USA, die in den meisten Ländern der Welt die Vermarktung kubanischer Waren ver- bzw. behindert und damit ein entscheidendes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung ist, auch wenn sie nicht die Ursache aller wirtschaftlichen Probleme ist.

Die neue Situation ist gekennzeichnet durch eine drastische Reduzierung des Lebensstandards in allen Bereichen. Die "ökonomische Öffnung" erfordert zahlreiche Maßnahmen, die zu früheren Zeiten undenkbar waren, weil mit großen "sozialen Kosten", sprich Benachteiligung großer Bevölkerungsgruppen verbunden ist. Wie wird diese Dynamik die kubanische Realität prägen, wie wird sich dies auf das gesellschaftliche Bewußtsein der Bevölkerung auswirken? Daraus entwickeln sich für "Cuba Libre" zentrale Fragestellungen: Wie ist die Lebenssituation der kubanischen Bevölkerung, wie wird die kubanische Wirtschaftsstrategie weiterentwickelt, wie werden dadurch sozialistische Konzepte und Ideen weiterentwickelt bzw. zurückgenommen, welche neuen Aufgaben stellen sich der Soli-Bewegung. Kurz gesagt: Cuba Libre hat den Anspruch, ein möglichst realistisches Bild der Entwicklung in Kuba zu vermitteln.

Ein wichtiges Datum für die Soli-Bewegung: am 16. Oktober findet in Bonn eine zentrale Demo gegen die Blockade statt. Gerade heute dürfte eine solche Demonstration wichtiger denn je sein, denn einmal spürt die kubanische Bevölkerung, die Auswirkungen der Blockade mehr denn je, und zweitens gibt es zahlreiche Hinweise, daß in den großen Parteien und selbst in der Bundesregierung ein Umdenken einsetzt. Auch aus den USA mehren sich die Anzeichen, daß über eine neue Kuba-Politik mehr denn je nachgedacht und diskutiert wird. Jede Leserin, jeder Leser von Cuba Libre ist aufgerufen, sich an der Demo zu beteiligen und vor Ort für eine möglichst breite Beteiligung zu werben.

Ein großer Dank an die rund 1.600 Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba: Vom 1.1. bis zum 11.9. dieses Jahres wurde von ihnen gesammelt bzw. gespendet:

- DM 89.939,52 für Katastrophenhilfe
- DM 7.000,00 Waren für Katastrophenhilfe- DM 12.730,00 für das Projekt "Flickzeug" (Nahtmaterial für Krankenhäuser)
- DM 1.150,00 für die UNEAC (Papier für "Gaceta de Cuba")

Hinzu kommen der Erlös der zentralen "Fiesta Cubana '93" in Bielefeld in Höhe von DM 10.000,00, so daß allein auf zentraler Ebene über 120.000,00 gesammelt wurden. Hinzu kommen zahlreiche Sendungen von lokalen Gruppen der Freundschaftsgesellschaft, die wertmäßig nicht erfaßt werden. Die Bundesregierung hingegen hat als Katastrophenhilfe gerade DM 100.00 an Kuba übergeben.

Logo CUBA LIBRE Horst-Eckart Gross

CUBA LIBRE 3-1993