Liebe Freundinnen und Freunde Kubas,
wir möchten uns für die bisher erwiesene Solidarität mit dem leidgeprüften kubanischen Volk bedanken und uns mit der dringenden Bitte um verstärkte und kontinuierliche Solidarität mit Kuba an Euch wenden. Seid noch solidarischer! Laßt dieses aufrechte Volk nicht im Regen stehen! Spendet regelmäßig für unsere eigenen Solidaritätsinitiativen! Solidarität verbindet und läßt in uns Hoffnung entstehen.
Das sozialistische Projekt in Kuba ist – infolge massiven Drucks von außen, zusammengebrochener Handelsbeziehungen mit dem ehemaligen RGW und gesellschaftlicher Fehlentwicklungen – in Gefahr, nicht zu überleben. Ein kleines, mutiges Volk ist dem Hunger als Mittel politischer Erpressung ausgeliefert. Dieser verheerende Ausnahmezustand ist gleichbedeutend mit einer doppelten und umfassenden Blockade der Insel. Trotzdem weigert sich das kubanische Volk aufzugeben, es unternimmt enorme Anstrengungen, um in nationaler Würde seine eigenständige Revolution und die sozialen Errungenschaften zu verteidigen.
Viele unserer Bürger erfahren heute schmerzlich soziale Ungerechtigkeit. Der Kontrast zwischen oben und unten wird immer sichtbarer, die Armen werden ärmer und die Reichen reicher. Vor allem in den entwickelten Konsumgesellschaften wird dies immer mehr zur Realität. Kuba ist demgegenüber ein Land der "Dritten Welt" in dem die Armut gerecht geteilt wird. Wenn die imperialistischen USA ihre kriminellen und völkerrechtlichen Pläne, Kuba zu erwürgen, aufgeben würden, bestünde die berechtigte Hoffnung auf größere Souveränität und die bessere Entwicklung einer sozial gerechten Gesellschaft.
Wir haben uns schon kurz nach dem Entstehen der PDS zur internationalistischen Solidarität mit dem kubanischen Volk bekannt und sie in unserer Programmatik verankert. Die Arbeitsgemeinschaft "Cuba Sí" begann mit schnellem Erfolg die Kampagnen "Milch für Kubas Kinder" und "Kuba muß überleben!" So leisten wir konkrete solidarische Hilfe da, wo es am notwendigsten erscheint. Die bisherigen Ergebnisse unserer Kuba-Solidarität stimmen uns optimistisch: Wir haben Spenden von rund einer halben Million Mark für Milchpulver und zusätzlich wertvolle Solidaritätsgüter gesammelt, die 15 Schiffscontainer füllen.
Für eine ausreichende Selbstversorgung der kubanischen Bevölkerung mit Frischmilch ist die Entwicklung einer effektiven Land- und Viehwirtschaft von existenzieller Bedeutung. Die Abhängigkeit von großen Mengen Import-Milchpulver, das heute selbstverständlich nur gegen wertvolle Devisen erhältlich ist, hat für Kuba langfristig volkswirtschaftlich negative Auswirkungen. Deshalb ist die künftige Gestaltung unserer Solidaritäts-Kampagne "Milch für Kubas Kinder" wirklich nur sinnvoll, wenn parallel dazu bei uns eine Umorientierung auf konkrete Unterstützung der Frischmilch-Produktion auf Kuba stattfindet. Die klimatischen Bedingungen und die Voraussetzungen für eine verträgliche Land- und Viehwirtschaft sind in Kuba äußerst günstig.
Die zuständigen landwirtschaftlichen Institutionen Kubas haben sich in diesem Sinne an uns gewandt. Wir denken, daß es entwicklungspolitisch wichtig und richtig ist, wenn wir die Selbstversorgung Kubas mit Frischmilch fördern und gleichzeitig eine wissenschaftliche und praktische Zusammenarbeit auf diesem Gebiet unterstützen.
Unserer Meinung nach können wie eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Ländern der "Dritten Welt" - hier direkt mit Kuba – nur so gestalten, daß diese Länder ihre politische wie ökonomische Selbständigkeit erlangen bzw. erhalten, so daß eine sozial gerechte Entwicklung ermöglicht werden kann. Deshalb soll in Kuba gemeinsam mit den kubanischen PartnerInnen ein Pilotprojekt in der Land- und Viehwirtschaft zur Steigerung der Frischmilch-Produktion initiiert und realisiert werden, das im Ergebnis praktische und wissenschaftliche Rückschlüsse für die gesamte Rinderproduktion der Land- und Viehwirtschaft zuläßt. Dieses Projekt wird wird das "Institut für Tierproduktion" der Technischen Universität Berlin vor Ort in Kuba gemeinsam mit den kubanischen SpezialistInnen über einen Zeitraum von vorerst zwei Jahren betreuen.
Dafür muß die Finanzierung gesichert sein, die dann mit Spendengeldern der Solidaritäts-Kampagne "Milch für Kubas Kinder" realisiert werden muß. Wir möchten also ab September 1992 das Spendenaufkommen für "Milch für Kubas Kinder" zu mindestens einem Drittel zum Kauf von Milchpulver und bis zu zwei Dritteln zur Finanzierung des Pilot-Projekts verwenden.
Wir denken, daß dies der richtige Weg für unsere zukünftige Solidaritätsarbeit ist, die solidarische Verbundenheit zwischen den Menschen bei uns und in Kuba stärker fördert und eine höhere Qualität unserer Solidaritäts- und Internationalismuspolitik bedeutet. Unser aller Einsatz und unsere Kreativität sind gefordert!
Lassen wir uns deshalb weiterhin leiten durch Che's poetische Worte: "Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker! - seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!"
Gregor Gysi, Bundesvorsitzender der PDS
Ulrich Bojé, Cuba Sí / Koordinierungsrat
CUBA LIBRE 3-1992