Am 25.10. starb ein Stück Zukunft. 2.000 US-Marines besetzten die kleine Karibikinsel Grenada. Die 1.200 Mann starke Armee des Inselstaates hatte keine Chance gegen die Übermacht des Aggressors. Trotzdem sah sich einen Tag später der US-Kriegsminister Weinberger zu der Erklärung gezwungen, es werde wegen des unvermutet heftigen Widerstands auf der Insel "einige Opfer mehr geben". Anschließend stellte er seine demagogischen Fähigkeiten mit dem Zusatz "Der Preis der Freiheit ist hoch" unter Beweis.
Markierung eines US-amerikanischen Straßenpostens auf dem Weg zum Internationalen Flughafen von Grenada
So blieb den Invasoren keine Alternative, als die Zahl der Ledernacken innerhalb weniger Tage auf 6.000 Mann zu erhöhen. Insgesamt waren nach Aussagen des Oberbefehlshabers der Invasionstruppen, Admiral Metcalf, 15.000 US-Militärangehörige an der Invasion beteiligt. Diese Truppen kamen nicht gleichzeitig im Einsatz, sondern es kämpfte immer nur ein Teil, während die restlichen Verbände auf den US-Kriegsschiffen ausruhen konnten. Um der US-Aggression einen überregionalen Anschein zu geben, nahmen die Peter Garcia US-Truppen 300 Polizisten aus den Karibikstaaten Antigua, Barbados, Dominica, Jamaika, St. Lucia und St. Vincent mit. Auf diesen Schwindel fiel kaum jemand herein, handelte es sich doch ausnahmslos um Staaten mit US-hörigen Regimes. Auf Barbados, Jamaika und St. Lucia gibt es außerdem US-Militärstützpunkte.
Für die Invasion selbst war die Teilnahme der sechs Karibikstaaten ziemlich bedeutungslos. Um so wichtiger war die Rolle, die ihnen Washington bei der Vorbereitung der Aggression zugedacht hatte. Erste Kontakte über Maßnahmen gegen die Revolution Grenadas wurden vom US-Botschafter auf Barbados, Milan Bish, bereits vor einigen Monaten mit den Staatsoberhäuptern der Region geknüpft. Wie die auf Barbados erscheinende Zeitung CARIBBEAN CONTACT enthüllte, hatte US-Botschafter Bish außerdem im August 1983 mehrere Gespräche zu diesem Thema mit einem ganz besonders interessanten Gesprächspartner geführt: mit dem Reagan-Freund und früheren Diktator Grenadas, Eric Gairy, der dazu eigens aus seinem Exil in den USA nach Barbados gekommen war.
Dann wurde es konkret. Am 15.10. traten US-Diplomaten an die Präsidenten der Karibikstaaten mit dem Vorschlag einer Invasion Grenadas heran. Das Motiv dazu sei angeblich die Rettung Maurice Bishops gewesen, der drei Tage zuvor seiner Funktionen in Partei und Regierung enthoben und unter Hausarrest gestellt worden war. Als ob die USA auf einmal ihr Herz für den Mann entdeckt hätten, den sie kurz vorher noch als "Marionette Castros" bezeichneten! Und dessen Anhänger sie nach der Invasion zu Hunderten einsperrten. Für die Gespräche der US-Diplomaten vom 15.10. gibt es einen unbedingt glaubwürdigen Zeugen: keinen geringeren als Thomas Adams, Ministerpräsident der Insel Barbados, die sich an der Invasion beteiligt hatte (s. "TIMES!" vom 28. 10.).
Einen Tag später, am 16.10., erhielten 16 US-Kriegsschiffe den Auftrag, in der Nähe der Insel Grenada zu kreuzen. Unter den Schiffen befand sich der Flugzeugträger "Independence!"mit 100 Kampfflugzeugen an Bord. Am 19.10. kam es zum tragischen Tod Maurice Bishops. Am darauffolgenden Tag traten die restlichen Karibikstaaten außer Grenada zu einer Sonderkonferenz zusammen. Am 24. 10. faßten die Mitgliedsstaaten der karibischen Wirtschaftsgemeinschaft CARICOM den Beschluß, die Mitgliedschaft Grenadas für unbestimmte Zeit auszusetzen. Gleichzeitig gaben sechs der Karibikstaaten dem Druck der USA nach und forderten Washington zum Einmarsch in Grenada auf - so, als sei das ihre eigene Initiative. Tage später wurde bekannt, daß angeblich am selben Tag auch der britische Generalgouverneur der Insel, Sir Paul Scoon, einen Brief mit einem Hilfegesuch zur Entsendung von Truppen an die anderen Karibikstaaten und die USA geschickt hätte. Als BBC-Reporter Scoon nach der Invasion fragten, warum er als Vertreter der britischen Krone die USA und nicht Großbritannien zur Hilfe gerufen hätte, antwortete er: "Ich dachte, die Amerikaner würden das viel schneller und viel entschlossener erledigen" (Frankfurter Rundschau, 5. 11. 1983).
Schaut man sich Scoons Vergangenheit an, so ist seine Zusammenarbeit mit der Reagan-Administration kaum verwunderlich. Der damalige Diktator Grenadas, Eric Gairy, hatte Scoon 1978 höchstpersönlich der britischen Krone als Generalgouverneur zur Bestätigung vorgeschlagen. Allerdings: Eine rechtliche Grundlage für sein Auftreten als Generalgouverneur hatte Scoon schon lange nicht mehr. Seine Rolle als Vertreter des britischen Königshauses basierte auf der alten Verfassung Grenadas von 1973, die mit der Revolution 1979 außer Kraft gesetzt worden war. Um weiter im Commonwealth verbleiben zu können, war Scoon seit 1979 lediglich als eine Art Gallionsfigur beibehalten worden. Mit der Machtübernahme durch den Militärrat am 23. 10. verlor er auch diese Funktion. Als Vorwand für seinen Hilferuf diente Scoon ebenfalls die Ermordung Maurice Bishops. Wie kam es zu dieser Tragödie? Noch am Morgen des 12. Oktober hatte Bishop die kubanische Botschaft in Grenadas Hauptstadt St. George’s über tiefgreifende Spaltungen im Zentralkomitee der New-Jewel-Bewegung informiert. Am Nachmittag desselben Tages wurde Bishop von seinen Posten als Parteivorsitzender und Ministerpräsident enthoben, da er sich geweigert hätte, kollektive Beschlüsse des Zentralkomitees als auch für sich verbindlich anzuerkennen.
Die Kubaner hielten sich aus diesen Auseinandersetzungen heraus, äußerten aber im nachhinein die Meinung, daß es sich weniger um grundsätzliche Fragen gehandelt hätte, als um persönliche Differenzen und unterschiedliche Ansichten zu Leitungsmethoden. Anscheinend gab es divergierende Vorstellungen auch über die Organisationsstruktur der New-Jewel-Bewegung. Einige Mitglieder des Zentralkomitees schätzten ein, daß der Charakter einer breiten Sammelbewegung nicht mehr den Erfordernissen der Weiterentwicklung des revolutionären Prozesses entsprach.
Am 15. 10. sah sich Fidel unter Berücksichtigung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Grenadas veranlaßt, schriftlich seine Besorgnis darüber auszudrücken, daß die Spaltung dem Ansehen der Revolution auf Grenada national und international schaden könnte. Am 16.10. teilte die Führung der New-Jewel-Bewegung der Bevölkerung Grenadas über Radio mit, daß Bishops Amtsenthebung auf seine Weigerung zurückzuführen sei, die kollektiven Entscheidungen des obersten Leitungsgremiums dieser Organisation anzuerkennen. Einen Tag später wurde die Öffentlichkeit darüber informiert, daß der Finanzminister Bernard Coard die Regierungsgeschäfte provisorisch übernommen hätte.
Diese Maßnahmen fanden in der Bevölkerung wenig Sympathien. Anhänger Bishops organisierten am 19.10. in mehreren Betrieben Solidaritätsstreiks und forderten die Freilassung des immer noch unter Hausarrest stehenden ehemaligen Ministerpräsidenten. An einer anschließenden spontanen Demonstration zum Haus Bishops beteiligten sich mehr als 5000 Menschen. Die Menge drang in sein Haus ein und trug den abgesetzten Führer der grenadischen Revolution unter stürmischem Beifall auf Schultern auf die Straße. Hier hielt Maurice Bishop seine letzte öffentliche Rede. Zu den Ereignissen der vorausgegangenen Tage sagte er: Der Konflikt sei "das Werk von Anarchisten und Militärs unter Führung von Bernard Coard". Dann marschierten die Demonstranten weiter zur Kaserne Fort Rupert, um die Soldaten auf die Seite Bishops zu bringen. In dieser Situation sahen die anderen Führer der New-Jewel-Bewegung nur noch die Möglichkeit, die Ereignisse mit Hilfe eines Militäreinsatzes unter Kontrolle zu bekommen. Vor der Kaserne fuhren Lastwagen mit schwerbewaffneten Soldaten auf. Es kam zu Auseinandersetzungen, die mit dem Gebrauch der Schußwaffe durch die Uniformierten endete. Unter den Demonstranten gab es mindestens 24 Tote und zahlreiche Verletzte. Verschiedene Personen, darunter auch Maurice Bishop, drei Minister und zwei Gewerkschaftsführer, wurden festgenommen und in die Kaserne Fort Rupert gebracht. Ein paar Stunden später erfährt die Weltöffentlichkeit die Nachricht vom Tod Bishops und der fünf anderen Revolutionsführer. Der genaue Hergang dieser Mordtat blieb im dunkeln. Für eine CIA-Mitschuld spricht vorerst nur, daß der Tod Bishops den USA wie gerufen kam. An dieser Stelle setzten Zeitschriften wie der "stern" an, um im trüben zu fischen. Der "undogmatische Sozialist" Bishop wurde das Opfer des "orthodoxen Marxisten" und "unpopulären Kadertyps" Coard. Womit wieder einmal klar ist, was Sozialisten erwartet, die sich mit Kommunisten einlassen. Die Antifriedensbewegung um Reagan und Kohl weiß den Wert solcher Beiträge sicher zu schätzen. Aber wie "orthodox" war Coard wirklich? Sein Rechtsanwaltsstudium hatte er an der von den Zionisten finanzierten Brandeis-Universität im US-Bundesstaat Massachusetts abgeschlossen. Einer seiner Dozenten war Herbert Marcuse. U. a. wurde behauptet, Coard sei ein Gegner privater Unternehmer gewesen, die in Grenada vor der Invasion immer noch 60 Prozent der gesamten Wirtschaft des Landes besaßen. Ein Blick in verschiedene Ausgaben der grenadischen Zeitung Free West Indian von 1982/83 zeigt ein anderes Bild. Coard lobte wiederholt die Initiativen und den Beitrag des Privatsektors (z. B. Ausgabe vom 26. 5. 1982). Nach der Ermordung Bishops übernahm am 20. 10. ein Militärrat unter Leitung des Oberkommandierenden der grenadischen Streitkräfte, General Hudson Austin, die Macht, die nach 14 Tagen an eine Zivilregierung zurückgehen sollte. Der vom "stern" als "profillos" bezeichnete General hatte im März 1979 die Erstürmung der Militärkaserne True Blue vorbereitet und geleitet. Mit diesem militärischen Sieg über die Truppen des Diktators Gairy begann die grenadische Revolution. Und es war die Revolutionäre . Volksarmee Grenadas unter dem Kommando des Generals Austin, die den US-Truppen fast zwei Wochen lang heldenhaften Widerstand entgegensetzte.
Schon einmal vorher - im November 1979 - mußten sich die Streitkräfte Grenadas gegen Aggressoren aus den USA zur Wehr setzen. Söldner grenadischer und exilkubanischer Herkunft unternahmen drei Landeversuche. 36 von ihnen wurden geschnappt. Sie waren von der CIA trainiert und auf US-Schiffen transportiert worden, ihre Waffen und Ausrüstung stammte aus US-Army-Beständen, und sie führten NATO-Handbücher mit sich. Im Juni 1980 unternahm eine Bande unter Anleitung des CIA-Agenten Stanley Cyrus einen Mordanschlag auf Maurice Bishop. Die Bombe unter der Rednertribüne ging jedoch vor der Zeit los, ermordete drei Zuhörer und verletzte über 100 weitere. Die Palette der US-Aggressionen gegen Grenada schließt auch Wirtschaftssabotage ein. Neben dem Export von Muskatnüssen und Bananen war der Tourismus die Haupteinnahmequelle der Insel. 1977 besuchten noch 86.400 Touristen das Land, das selber nur 110.000 Einwohner hat. 1980 erteilte Washingtons Außenministerium den US-Reiseunternehmen die Anweisung, die Flüge nach Grenada einzustellen. Die meisten von ihnen gehorchten. In Feriensiedlungen (Grande Anse) legten CIA-Kommandos systematisch Brände. Auch das Tourismusbüro der Hauptstadt ging in Flammen auf. Kurz nach der Machtübernahme durch die New-Jewel-Bewegung untersagte der damalige US-Botschafter in Grenada der neuen Regierung unter Androhung von Gegenmaßnahmen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kuba. Vergeblich. Als Vergeltung erwirkte Washington die Streichung verschiedener internationaler Kreditzusagen. 1981 übten die USA Druck auf die EG-Behörden aus, um die Gewährung einer Finanzhilfe für den Ausbau des neuen internationalen Flughafens zu verhindern. Diese Maßnahme blieb allerdings ohne Erfolg - die EG beteiligte sich doch.
1981 probten die US-Ledernacken den bewaffneten Überfall auf Grenada. Im Verlauf des Seemanövers "Ocean Venture 81" landeten US-amerikanische Verbände auf der puertorikanischen Insel Vieques, die zu diesem Zweck in "Amber" umgetauft wurde.
Neben reinen Gefechts- und Landeübungen gehörten zum Programm auch eine Geiselbefreiung und die Besetzung der Insel "bis zur Abhaltung freier Wahlen". Anschließend bestätigte US-Konteradmiral McKenzie, daß das Codewort "Amber" für Grenada stand. Was den USA so weh tat, waren die unbestreitbaren Erfolge der grenadischen Revolution. 1979 hatte die Insel noch eine Arbeitslosenrate von 49 Prozent gehabt, die bis Mitte des Jahres 1983 auf 12 Prozent gesenkt werden konnte. Erstmals in der Geschichte Grenadas konnten alle Kinder zur Schule gehen. Das Schulgeld wurde abgeschafft. Die Kinder erhielten gratis Schulbücher und täglich ein Glas Milch. Ebenso kostenlos wurde die Bevölkerung medizinisch versorgt. Im April dieses Jahres wurde ein für viele Karibikinseln beispielhaftes Sozialversicherungssystem eingeführt. Der demokratische Prozeß der grenadischen Revolution bezog immer mehr Menschen ein: Mehr als 20.000 Grenader diskutierten den Staatshaushalt für das Jahr 1983.
Natürlich war es für das kleine und wenig entwickelte Land Grenada unmöglich, diese Errungenschaften ganz aus eigener Kraft zu erreichen. Der Inselstaat mußte dazu bei einigen sozialistischen Ländern und OPEC-Staaten Kredite aufnehmen. Entgegen der Darstellung Washingtons hatte Grenada nicht von Anfang an die sozialistischen Länder um Hilfe ersucht. Als Grenada kurz nach der Revolution die USA um Unterstützung beim Wiederaufbau der vom Diktator Gairy zugrunde gerichteten Wirtschaft bat, verhöhnten die Vereinigten Staaten die Regierung Bishop mit dem Angebot von 5.000 US-Dollar! Daß Washington bereit ist, für das Land weitaus mehr auszugeben, wenn US-amerikanische Interessen das erfordern, wurde im Oktober 1983 deutlich: Jeder Tag der Besetzung Grenadas kostet die USA 10 Mill. US-Dollar. Für den friedlichen Aufbau des Landes waren dagegen nur ein paar tausend Dollar übrig. Und dann kreidet Washington Grenada die Hilfe aus sozialistischen Länder an! Ein besonders enges Verhältnis hatte Grenada zu Kuba. Da Kuba kein Land ist, das für Hilfe an andere Staaten größere Devisenmengen ausgeben kann, schickte Havanna Ärzte, Lehrer, Techniker, Facharbeiter und auch eine Handvoll Berater für die grenadischen Sicherheitskräfte. Alleine in den zwei Jahren 1980-81 wurde fast die Hälfte der Bevölkerung Grenadas kostenlos von kubanischen Ärzten untersucht bzw. behandelt.
Es waren auch diese Bindungen - und nicht nur die persönliche Freundschaft zwischen Fidel und Maurice Bishop -, die die Reaktion Kubas auf den Mord an Bishop so scharf werden ließen. Ich selbst habe in Kuba miterlebt, wie empört das Land auf diese Vorfälle reagierte. Aus den Kommentaren in Rundfunk und Fernsehen sprach ehrlich empfundene Trauer und absolutes Unverständnis für diesen sinnlosen Akt. Die Verurteilung aller unserer Gesprächspartner für die Schuldigen an der Ermordung Bishops war einhellig. Am 21. 10. ordnete die Regierung Kubas dreitägige Staatstrauer an.
In einer offiziellen Erklärung der Partei und Regierung Kubas hieß es am selben Tag: "Keine Doktrin, kein Prinzip und keine Position, die als revolutionär verkündet wurden und keine innere Spaltung rechtfertigen so scheußliche Vorkommnisse, wie die physische Beseitigung Bishops... Der Tod Bishops und seiner Kampfgefährten muß aufgeklärt werden; und wenn sie kaltblütig ermordet wurden, müssen die Schuldigen strengstens zur Verantwortung gezogen werden... Jetzt wird der Imperialismus versuchen, diese Tragödie und die von den Revolutionären Grenadas begangenen ernsten Fehler auszunutzen, um den revolutionären Prozeß in Grenada hinwegzufegen und die Insel erneut der Herrschaft des Imperialismus und Neokolonialismus zu unterwerfen..."
Nach dem Tod Bishops kühlten sich die Beziehungen zwischen Kuba und der neuen Führung Grenadas merklich ab. Die GRANMA vom 30. 10. spricht sogar von Spannungen zwischen beiden Regierungen. Trotzdem entschied die kubanische Regierung, daß die Ärzte, Bauarbeiter und die anderen Fachkräfte weiter in Grenada bleiben sollten. Am 22. 10. schickte Fidel eine offizielle Mitteilung an den kubanischen Botschafter auf Grenada. Dort heißt es: "Ich bin der Meinung, daß sich die Organisierung der unverzüglichen Evakuierung unseres Personals zu einem Zeitpunkt, wo sich nordamerikanische Kriegsschiffe nähern, als höchst demoralisierend und vor der Weltöffentlichkeit als unehrenhaft darstellen könnte... Ich verstehe, wie bitter es sowohl für Euch wie für uns hier ist, in Grenada nach den schweren Irrtümern der grenadischen Partei und den tragischen Ereignissen... Landsleute in Gefahr zu bringen... Es ist jetzt nicht die neue Regierung Grenadas, an die wir denken müssen, sondern Kuba, seine Ehre, sein Volk und seine Kampfmoral..." Am 27. 10. starben sechs Kubaner, die letzten, die noch Widerstand leisteten, im US-amerikanischen Geschützfeuer. Insgesamt wurden 24 von den Yankees ermordet, über 35 sind noch vermißt. Der Überfall auf Grenada ist kein "Ausrutscher". Bereits im Mai 1980 wurden in Santa Fe die Weichen für diese Politik durch eine ausgewählte Gruppe konservativer Politiker gestellt und im "Santa-Fe-Dokument" zusammengefaßt: "... Der Krieg und nicht der Frieden ist die Norm für die internationalen Beziehungen... Die UdSSR in Schranken zu halten, genügt nicht... Entspannung ist der Tod... Die USA müssen die Initiative ergreifen, oder untergehen... Die Karibik, Seeverkehrsgebiet und Erdölraffineriezentrum für die Vereinigten Staaten, ist dabei, sich in einem marxistisch-leninistischen See zu verwandeln... Die Interventionen der Vereinigten Staaten im Ausland sind nur durch die Sicherheitsinteressen unseres Landes zu rechtfertigen gewesen, und niemals durch irgend einer bestimmten Regierungsform, es sei denn, die Maßnahmen einer solchen Regierung seien als außerkontinentale Bedrohung der USA anzusehen..." Als Beispiel für Länder, die außerkontinentalen Mächten (also der UdSSR) "Vorschub leisten", wird neben Kuba und Nicaragua auch Grenada erwähnt.
In diesem Sinne schrieb die FAZ am 26.10.1983 in einem Ton, der fatal nach 3. Reich klingt: "...-Von den Eiterherden der Welt war die Ostkaribikinsel Grenada gewiß nicht die größte oder gefährlichste. Trotzdem ... wird gegen ihn die Doktor-Eisenbart-Methode angewandt: Das Chaos... beginnt die Hemisphärengroßmacht mit militärischen Mitteln zu kurieren... Die viel übleren Krankheitsherde der Hemisphäre, vor allem Nicaragua..." Und am 6. 11. 1983 drohte Reagan in Cherry Point ähnliche militärische Invasionen auch gegen andere Länder an, "wenn dafür die gleichen Bedingungen gegeben sind...", wie in Grenada.
Die Invasion Grenadas ist eine Warnung an alle Völker, die es gewagt haben, ihre Geschicke in die eigene Hand zu nehmen. Wachsamkeit ist geboten. Damit nicht - wie in Grenada - auch in Nicaragua und Kuba Krankenhäuser, Schulen, Hotels und Regierungsgebäude in Flammen aufgehen.
Peter García
CUBA LIBRE 4-1983