Das Fernsehen berichtete in der Tagesschau, die Presse brachte die Nachricht auf die erste Seite: Am 26. Juli hatte Fidel Castro die USA beschuldigt, einen bakteriologischen Krieg gegen Kuba zu führen. Das Dementi der USA kam postwendend: Die Anschuldigung, entbehrt jeder Grundlage. Damit war der Nachrichtenwert für die meisten unserer Medien erschöpft. Hat der kubanische Staats- und Parteichef unbeweisbare Behauptungen in den Raum gestellt, über die man nicht mehr sprechen braucht?
Tatsache ist, daß Kuba besonders in den letzten zwei Jahren von vier Seuchen heimgesucht wurde, die erhebliche Schäden angerichtet haben. Die Schweinepest raffte über 100.000 Schweine dahin, es entstanden Engpässe in der Fleischversorgung. Dann befiel der Blauschimmel fast alle Tabakpflanzungen, wodurch ein erheblicher Teil der Ernte ausfiel. Die Schäden waren so groß, daß praktisch der Export der Havana-Zigarren zum Erliegen kam und für die Versorgung der eigenen Bevölkerung Tabak importiert werden mußte. Erhebliche Deviseneinnahmen fielen aus, mit denen das Land fest gerechnet hatte. Als nächste Seuche breitete sich unter fast einem Drittel des Zuckerrohrbestandes der Zuckerrohrpilz aus, dadurch sind die größten Schäden entstanden. Denn es wurde nicht nur weniger Zucker produziert, sondern mit einem erheblichen Aufwand mußten Felder gesäubert und neu angepflanzt werden. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde in Kuba offen die Vermutung ausgesprochen, daß der CIA seine Hände im Spiel haben muß, denn daß zufällig gleich drei Seuchen ungefähr zum gleichen Zeitpunkt ausbrechen, sei wohl etwas zu merkwürdig. Derartige Überlegungen wurden aber nicht in den kubanischen Medien geäußert, sondern nur in Gesprächen. Maßnahmen wurden jedoch ergriffen, so wurde beispielsweise das Betreten der Zuckerrohrfelder untersagt.
Anfang Juni griff eine neue Seuche um sich: das Dengue-Fieber. Innerhalb von nur sieben Wochen sind 273404 Menschen daran erkrankt, gestorben sind davon 113, darunter 81 Kinder. In einer riesigen Kampagne kämpft nun Kuba gegen die Epidemie und gegen den Träger des Virus, gegen die Mücke Aedes Aegypti. Medikamente wurden importiert, Ärzte und Krankenpfleger in Schnellkursen für die Behandlung der Kranken besonders vorbereitet. Im Fernsehen werden von 8.00 Uhr morgens zwei Stunden täglich Fernkurse über die Methoden zur Bekämpfung der Seuche und ihrer Träger ausgestrahlt. 13061 Personen arbeiten tagtäglich, um die Aedes Aegypti in Kuba auszurotten. Allein in den ersten zwölf Monaten der Kampagne gegen die Seuche werden ca. 125 Millionen DM aus Devisen aufgebracht werden. In den Massenmedien wird laufend darüber berichtet, was jeder einzelne Bürger tun muß, damit diese Kampagne Erfolg haben soll. So wird mit tatkräftiger Unterstützung der Komitees zur Verteidigung der Revolution jedes einzelne Haus in Kuba überprüft, ob noch mögliche Brutstätten für diese spezielle Mücke vorhanden sind. Denn es handelt sich dabei um eine sogenannte "Hausmücke", die also nicht auf den Feldern oder in Wäldern vorkommt, sondern ausschließlich innerhalb oder in der Nähe von menschlichen Wohnungen.
Man wird zugeben, daß damit erhebliche Probleme für Kuba entstanden sind. Aber ist es überhaupt möglich, daß eine solche Seuche oder gar alle vier Seuchen künstlich hervorgerufen werden konnten? Aufschluß darüber geben Dokumente,die in den USA publiziert wurden und auf die sich Fidel Castro bei seiner Rede am 26. Juli stützte.
Nach dem zweiten Weltkrieg forcierten die USA die Entwicklung bakteriologischer und chemischer Waffen. Speziell für bakteriologische Waffen wurde Fort Detrick in Maryland ausgebaut, wo 2500 Zivilisten und 500 Militärspezialisten an der Züchtung und Einsatzerprobung von Krankheitserregern und geeigneten Überträgern arbeiten. Für die Finanzierung wurden erhebliche Mittel bereitgestellt: Allein 1969 betrug das Budget 175 Millionen Dollar. Wenn auch nach Beendigung des Vietnamkrieges nicht mehr so große Steigerungsraten in diesem Bereich festzustellen sind, so waren und sind derartige Waffen vorhanden und für den Einsatz bereit. Dies wird auch in den USA nicht bestritten, im Gegenteil: In allgemein zugänglichen Reports werden Vor- und Nachteile derartiger Waffen diskutiert. So wurde in einem Bericht der National Science Foundation 1969 darauf hingewiesen, daß ein Vorteil bakteriologischer Waffen darin bestehe, daß ihr Einsatz kaum nachzuweisen ist, da es sich um Krankheitserreger handelt, die in ähnlicher Form auch in der Natur vorkommen. Da aber Bakterien und Viren eingesetzt werden können, die durch Züchtung besonders wirksam bzw. besonders resistent gegen vorhandene Gegenmittel sind, könnten durch ihren Einsatz erhebliche Schäden hervorgerufen werden. Zur erreichbaren Wirkung heißt es ausdrücklich: Der massive Einsatz gegen Bevölkerungen ist in der Wirkung mit Kernwaffen vergleichbar.
Daß der Einsatz bakteriologischer Waffen auch in Friedenszeiten von den USA mindestens ernsthaft erwogen wurde, wird deutlich aus Dokumenten der US-Army, die am 29. Oktober 1980 erstmals zur öffentlichen Einsichtnahme freigegeben wurden. Danach wurde 1956 im großen Maßstab die Mücke Aedes Aegypti für den Einsatz getestet. Mückenschwärme wurden aus Flugzeugen in großer Höhe freigelassen, was sich als unproblematisch erwies. Danach wurden neue Zuchtanlagen gebaut. Konnten 1956 in Fort Detrick eine halbe Million Mücken pro Monat aufgezogen werden, so sollte die Ausstoßkapazität auf 130 Millionen Mücken monatlich erhöht werden. Diese mit Gelbfieberinfizierten Mücken sollten über der UdSSR freigelassen werden. So gesehen erscheint es als durchaus möglich, daß die Dengue-Epidemie absichtlich von den USA hervorgerufen wurde. In der Liste der "vorrätigen Krankheiten" in den US-Arsenalen ist das Dengue-Fieber ausdrücklich aufgeführt. Es gibt aber noch weitere Hinweise dafür, daß die Dengue-Epidemie in Kuba nicht zufällig entstanden ist. Die Aedes Aegypti gab es auch früher in Kuba, und auch das Dengue-Fieber war bekannt, aber seit langer Zeit nicht als Epidemie aufgetreten. Die jetzige Epidemie wird von einem Virus verursacht, der bisher in Kuba völlig unbekannt war. Er ist aggressiver und virulenter als der bekannte Dengue-Virus. Zu den üblichen Krankheitsmerkmalen wie Fieber, Erbrechen, Durchfall, Gelenkschmerzen wird nun - und das ist das Neue und Gefährliche - auch die Blutzusammensetzung aus dem Gleichgewicht gebracht. Damit wird die Krankheit lebensgefährlich. So mußten die kubanischen Ärzte sich auch auf diese neue Krankheit erst einstellen, neue Medikamente mußten eingeführt werden. Daß trotzdem die Seuche innerhalb weniger Wochen eingedämmt werden. konnte ist ein eindrucksvoller Beweis für die Leistungsfähigkeit des kubanischen Gesundheitswesens. Andererseits entsprechen diese neuen Erscheinungen genau den Merkmalen bakteriologischer Waffen.
An dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, wie inhuman auch heute noch die Wirtschaftsblockade der USA gegen Kuba ist. Während in Kuba Tausende von Erkrankten, und insbesondere Kinder, mit dieser Krankheit rangen, versuchte Kuba so schnell wie möglich Medikamente und Gegenmittel gegen die Aedes Aegypti zu kaufen. In Mexiko gibt es ein Unternehmen, das zur Lieferung fähig war. Da sie durch US-Kapital beherrscht wird, wurde die Lieferung der Medikamente untersagt. Bayer in Mexiko wollte liefern. Da jedoch ein in den USA produzierter Bestandteil im Bayer-Produkt enthalten ist, mußte der Export angemeldet werden - die Genehmigung wurde nicht erteilt. Schließlich mußten die benötigten Stoffe aus Europa eingeflogen werden - kostbare Zeit verging, erhebliche Kosten entstanden. Dies ist die konkrete Realität des US-Handels-Embargo 1981.
All diese Tatsachen wurden von Fidel Castro am 26. Juli dem kubanischen Volk mitgeteilt. Als wichtigste Konsequenz wurde ein Feldzug zur Ausrottung der Aedes Aegypti eröffnet, um in Zukunft einen wichtigen Faktor biologischer Kriegsführung auszuschalten. Er sprach aber auch aus, daß nicht wenige Kubaner, er selbst nicht ausgeschlossen, fest der Überzeugung sind, daß die Seuchen - und insbesondere die Dengue-Epidemie - vorsätzlich vom CIA in Kuba eingeführt wurden. Kann man es ihm verdenken? Kann man angesichts der Politik Reagans ihm nicht auch einen solchen Befehl zutrauen? Auch wenn man berücksichtigt, daß die Aedes Aegypti auf dem ganzen amerikanischen Kontinent verbreitet ist, und daß daher eine solche Epidemie außer Kontrolle geraten kann, und andere Länder - selbst die USA – leicht erreichen kann, so muß man nach den bisherigen Worten und Taten Reagans mindestens ernsthaft auch seine Bereitschaft in Erwägung ziehen, bakteriologische Waffen einzusetzen.
Horst-Eckart Gross ist Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
CUBA LIBRE 3-1981