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In El Salvador droht ein neuer Vietnamkrieg. Durch immer größere Wirtschaftskredite, Waffenlieferungen und eine immer größere Zahl von "US-Militärberatern" versuchen die USA, die Regierungsjunta unter Napoleon Duarte zu stützen, um den Sieg eines breiten Bündnisses sehr unterschiedlicher politischer Kräfte zu verhindern. Das Bündnis FDR wird politisch von der überwiegenden Mehrheit des Volkes von EI Salvador getragen und unterstützt. Dies gab sogar der Staatssekretär im US-Außenministerium John Bushnell zu, als er am 5. März 1981 vor dem US-Kongreß erklärte, daß ohne Unterstützung durch die USA die Regierung Duarte sofort fallen würde, da sie keine Unterstützung in der Bevölkerung findet.
Die zunehmende Intervention der USA in El Salvador droht in einen offenen Krieg umzuschlagen. Mit einer ähnlichen Eskalation begann auch der Vietnam-Krieg: Stützung eines korrupten Regimes ohne Rückhalt in der Bevölkerung durch Geld und Waffen, dann wurden Militärberater entsendet, und dann ein- wie später offen zugegeben wurde - inszenierter Zwischenfall im Golf von Tonking. Dies darf sich nicht wiederholen. Auch wenn die US-Regierung heute noch versichert, keinen Krieg führen zu wollen, so verstärkt sich doch zunehmend der Verdacht, daß diese Beteuerungen nur zur Beschwichtigung der wachsenden Opposition im eigenen Land gedacht sind. Denn trotz aller Versicherungen werden ständig mehr Waffen und "Berater" nach El Salvador eingeflogen, und die Drohungen gegen Nicaragua und insbesondere Kuba verstärkt.
Ein offener Krieg würde sich nicht auf El Salvador beschränken, sondern würde ganz Zentralamerika und die Karibik umfassen. Die aggressive Haltung der USA insbesondere gegen Kuba läßt befürchten, daß Reagan das Rad der Geschichte zurückdrehen will, um wieder ganz Lateinamerika zu beherrschen, wie dies vor 1959 der Fall war. In diesem Zusammenhang müssen die Drohungen Reagans und Haigs gegen Kuba gesehen werden.
Bereits am 28. Januar 1980 erklärte Reagan im CBS-Fernsehen, daß eine Blockade Kubas notwendig sei, diese Forderung wiederholte er am 10. März 1980 in Miami und einen Tag später in Kansas. Am 22. Dezember 1980 erklärte er gegenüber "Newsweek", daß in Kuba heute die Menschenrechte gefährdeter seien als unter Batista. Der neue US-Außenminister Haig erklärte am 9. Januar 1981 vor dem US-Kongreß, daß er eine "aktive Politik" gegen das Abenteurertum (sprich Befreiungsbewegung) in Mittelamerika und der Karibik durchführen werde, und am 27. Februar äußerte er die Meinung, daß die Politik Kubas einen für die USA "unerträglichen Höhepunkt" erreicht hätte, und daß demgemäß die USA die Probleme El Salvadors lösen würden, wo sie ihren Ursprung haben - seiner Meinung nach in Kuba.
Dabei kann davon ausgegangen werden, daß der Außenminister einer Weltmacht wie der USA sehr wohl weiß, daß das Volk von El Salvador nicht zu den Waffen gegriffen hat, weil ein Kommando aus Havanna (oder Moskau) gekommen ist, sondern weil die sozialen Mißstände und das Elend ein solches Ausmaß angenommen haben, daß das Volk in seiner Verzweiflung zu den Waffen greifen mußte. Zwar wirkte Kuba auch in EI Salvador wie in ganz Lateinamerika durch das Beispiel, daß auch ein kleines Volk gegen den erbitterten Widerstand der USA seine Geschicke selbst in die Hand nehmen kann. Aber Kuba exportiert keine Revolution, sondern zeigt, daß Hunger, Slums, Analphabetentum, mangelnde gesundheitliche Versorgung und Ausbildung nicht naturgegeben sind, sondern überwunden werden können - und genau dadurch wird Kuba für die USA "unerträglich". So erklärt sich auch der Haß der US-Regierung gegen die kleine Insel in der Karibik.
Und in der Tat wäre es seitens der USA konsequent, Kuba zu vernichten. Das Selbstbestimmungsrecht des kubanischen Volkes, seine nationale Souveränität würde zwar mit Füßen getreten, aber haben die USA nicht häufig genug in Lateinamerika bewiesen, daß sie für die eigenen Interessen buchstäblich "über Leichen gehen"? Von daher sind auch die militärischen Drohungen gegen Kuba ernst zu nehmen. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit: Am 19. März 1981 drohte US-Staatssekretär Stoessel mit militärischen Aktionen gegen Kuba. Acht Tage später beantwortete der oberste Befehlshaber der NATO-Streitkräfte Atlantik die Frage nach einer möglichen Blockade Kubas durch die USA mit der Alternative eines Einsatzes amerikanischer Truppen in Kuba selbst. Schon einmal stand während der Raketenkrise im Oktober 1962 die Welt unmittelbar am Rande eines Weltkrieges. Wenn Kuba heute von den USA angegriffen wird, dann bedeutet das mehr als einen Krieg in der Karibik — es droht dann ein neuer Weltkrieg, von dem auch die Bundesrepublik unmittelbar betroffen wäre. Deshalb ist es ein Gebot der Stunde, alles zu versuchen, um den Frieden zu erhalten. Denn es gibt nichts Wichtigeres, als den Frieden zu erhalten - auch wenn Herr Haig anderer Meinung ist.
CUBA LIBRE 2-1981