Nach den Belastungen der Beziehungen zwischen Ekuador und Kuba, die sich nach der Geiselnahme des Botschafters Ekuadors in La Habana beispielsweise in hart formulierten Kommuniques des ekuatorianischen Außenministeriums widerspiegelten, brach Kolumbien im März und Costa Rica im Mai die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab. Da sich die Massenmedien der BRD kaum mit diesen Ereignissen beschäftigt haben und insbesondere die Hintergründe nicht dargestellt wurden, könnte der Eindruck entstehen, als ob Kuba neuerdings wieder wie in den sechziger Jahren in eine diplomatische Isolierung gedrängt wird. Aus diesem Grund scheint es angebracht zu sein, die Ereignisse und Hintergründe darzustellen, um ihre tatsächliche Bedeutung richtig einschätzen zu können.
Allgemeiner Hintergrund
Nach dem Amtsantritt Reagans wurde die bereits von Carter eingeführte und praktizierte kubafeindliche Politik intensiviert. Neben Drohungen mit Seeblockade und direkter militärischer Intervention in Kuba und haltlosen Beschuldigungen, Kuba sei der „Drahtzieher des internationalen Terrorismus“, d.h. verantwortlich für den Aufschwung der Befreiungsbewegungen in Mittelamerika, versuchen die USA ebenfalls, Kuba diplomatisch zu isolieren, d. h. der Ausstrahlungskraft der kubanischen Revolution auf Regierungsebene entgegenzuwirken. Damit soll das politische Kräfteverhältnis in Lateinamerika zugunsten der USA verändert, die Beziehungen mehrerer Länder mit bürgerlicher Regierung zu Kuba beeinträchtigt werden, um sie somit mehr dem Einfluß der USA auszusetzen bzw. im jeweiligen Land zu einem größeren Einfluß der Kräfte zu kommen, die für enge Anlehnung an die USA und gegen normale Beziehungen zu Kuba eingestellt sind.
In diesem Zusammenhang sind die Pressionen der USA zu sehen, um zu verhindern, daß die nächste UNCTAD-Konferenz in La Habana stattfindet, obwohl dies bereits beschlossen ist. Ebenso versuchen die USA mit Erpressungen zu verhindern, daß Fidel Castro als Sprecher der Bewegung der blockfreien Staaten und als allgemein anerkannte Autorität der Entwicklungsländer überhaupt an dem für 1981 in Mexiko geplanten Gipfeltreffen von etwas mehr als zwanzig Staats- und Regierungschefs im Rahmen des "Nord-Süd-Dialogs" teilnimmt.
Ekuador
Seit einigen Jahren zeichnet sich die Außenpolitik Ekuadors durch große Selbständigkeit aus. So trug dieses Land maßgeblich dazu bei, eine von den USA im Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten geplante militärische Intervention zugunsten Somozas im Frühjahr 1979 zu verhindern. Dieses Land sprach sich ebenfalls sehr energisch gegen die Intervention der USA in El Salvador aus. Ebenfalls wurde wegen Fischereifragen der Konflikt mit den USA nicht gescheut, während sich die Wirtschaftsbeziehungen zu den RGW-Staaten positiv entwickeln. Im Kontext der guten Beziehungen zu Kuba war Ekuador eine wichtige Stimme für die Forderung nach normalen Beziehungen der Staaten Lateinamerikas mit Kuba. Grund genug also für die USA, alles zu versuchen, die Beziehungen zwischen Ekuador und Kuba zu verschlechtern.
Doch wie ist dies zu erreichen? Die folgende Aktion zeigt, wie skrupellos vorgegangen wurde.
Am 13. Februar wurde die Botschaft Ekuadors in Havanna von acht bewaffneten Männern und drei Frauen, die drei minderjährige Jugendliche mitgebracht hatten, überfallen. Die Wache wird niedergeschlagen, die Türen eingetreten, das anwesende Botschaftspersonal (der Botschafter, der erste und zweite Botschaftssekretär sowie eine kubanische Angestellte) als Geiseln genommen. Die Geiselnehmer verlangten politisches Asyl, wußten aber gleichzeitig, daß die kubanische Regierung bereits im vergangenen Jahr erklärt hatte, nicht mit Geiselnehmern zu verhandeln und auch eine Ausreise nicht zu gestatten. Zu den Geiselnehmern: Es handelt sich um Personen, die keiner geregelten Tätigkeit nachgingen, dafür aber ein umfangreiches Strafregister (Diebstahl, Dokumentenfälschung, Schlägereien, Fahnenflucht) aufweisen konnten. Merkwürdig auch, daß einige bereits im April 1980 in der Botschaft Perus anwesend waren, dann aber aus eigenem Wunsch doch nicht ausgereist sind. Also wohl keine "Freiheitshelden", sondern eher kleine Ganoven, die ihr Glück im "goldenen Westen" versuchen wollten. Aber warum haben sie Kuba nicht 1980 verlassen, wenn es ihnen nur darum ging? Eine aus Ekuador angereiste Delegation verhandelte mit den Geiselnehmern, und nach einigen Tagen übergaben sie dem gefangenen Botschafter ihre Waffen und ließen die Geiseln frei, verblieben aber in derBotschaft. Dort wurden sie von kubanischen Spezialeinheiten gefangengenommen, ohne daß auch nur eine Person verletzt wurde. Dies alles geschah in Übereinstimmung mit der Delegation Ekuadors und dem entsprechenden internationalen Recht.
Zur Vorgeschichte der Geiselnahme, wie sie dann später aus Aussagen der gefangenen Geiselnehmer sowie anderer Erkenntnisse kubanischer Behörden deutlich wurde: Angeleitet wurde diese Aktion vom Geschäftsträger der Botschaft Portugals in Kuba. Er kannte die Gruppe seit längerer Zeit, hatte ihnen an anderen Orten das ekuatorianische Botschaftspersonal gezeigt und sie mit Details der Botschaft vertraut gemacht (Wagenkennzeichen, Räumlichkeiten). Weiterhin hatte er Waffen für die Geiselnehmer bei sich gelagert. Der Geschäftsträger wohnte ebenso wie ein Korrespondent der AFP in Sichtweite der Botschaft, und von dort wurden auch die Nachrichten an die Medien in Lateinamerika geschickt. Aufschlußreich die Erklärungen der Geiselnehmer, daß Mascarenhas sie dazu gebracht hat, aus folgenden Gründen gerade die Botschaft Ekuadors für ihre Aktion auszusuchen: Wegen der guten Beziehungen zu Kuba, wegen des hohen Ansehens des Botschafters in diplomatischen Kreisen und wegen der günstigen Lage zur Wohnung von Mascarenhas und dem AFP-Journalisten. Fazit der Geiselnehmer: Ohne die Anleitung und Hilfe von Mascarenhas hätten wir die Botschaft nicht nehmen können. Dem Herrn Mascarenhas wurden unmittelbare Kontakte zu CIA-Offizieren nachgewiesen. Angesichts dieser Tatsachen ist es also nicht verwunderlich, wenn die kubanische Regierung die Meinung vertrat, daß diese Geiselnahme eine vom CIA angezettelte Aktion war, um die diplomatischen Beziehungen zu Ekuador zu belasten, unter den ausländischen Diplomaten in Havanna ein Klima der Unsicherheit zu erzeugen und um die antikubanische Kampagne der neuen US-Administration anzuheizen.
Auf der Grundlagedieser antikubanischen Kampagne wurde insbesonders in Ekuador durch die Massenmedien ein starker Druck auf die Regierung ausgeübt. Massenmedien und zahlreiche Organisationen und Institutionen forderten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kuba. "Zufällig" war zu diesem Zeitpunkt auch Huber Matos in Ekuador, der von den USA zur einigenden Figur der Exilkubaner aufgebaut werden soll. So kam es dann auch zu einer Protestnote des ekuatorianischen Außenministeriums aus Anlaß der Verhaftung der Geiselnehmer, die vom kubanischen Außenministerium zurückgewiesen wurde. Der stellvertretende kubanische Außenminister Alarcon reiste zweimal nach Quito, um mit der ekuatorianischen Regierung zu verhandeln. Für den 23. März wurde eine Entscheidung Ekuadors angekündigt, ob die Beziehungen abgebrochen werden.
Kolumbien
Genau zu diesem Zeitpunkt beginnt in Kolumbien eine großangelegte Kampagne gegen Kuba. Am 21. März wird ein gewisser Hermes Rodriguez Benitez der Presse vorgeführt. Er sagt aus, ein Guerrillero in der M-19 zu sein, in Kuba ausgebildet und dann gefangengenommen worden zu sein. Unmittelbar nach seinen Aussagen forderten zahlreiche Personen, so auch die katholische Kirche, den Abbruch der Beziehungen zu Kuba. Eine entsprechende Rede von Präsident Turbay wird für den 23. angekündigt, und dabei gibt er den Abbruch der Beziehungen zu Kuba bekannt. Vor seiner Rede führte er noch ausführliche Telefongespräche mit dem ekuatorianischen Präsidenten Roldós. Ganz offensichtlich waren die Bemühungen, Ekuador zu dem Abbruch der Beziehungen mit Kuba zu drängen.
Es dürfte schwerfallen, diesen Schritt Kolumbiens zu verstehen, wenn nicht andere Motive maßgeblich wären. Denn es gab nur die nebulösen Angaben dieses einen Zeugen, der anführte, irgendwo in Kuba drei Monate ausgebildet worden zu sein. Diese Angaben wurden nicht nachgeprüft, die kubanische Regierung wurde nicht einmal gefragt, also deutet alles daraufhin, daß ein Vorwand gesucht wurde. Und es ist nicht das erste Mal, daß Kolumbien sich dazu hergibt, gegen Kuba zu agieren. Erinnert sei an die traurige Rolle Kolumbiens bei dem Manöver in der UNO, Kuba aus dem Sicherheitsrat herauszuhalten. Die überwältigende Mehrheit der Länder unterstützte die Kandidatur Kubas, nur wenige Stimmen fehlten zur notwendigen Zweidrittelmehrheit, aber Kolumbien kandidierte immer wieder, um einige Stimmen auf sich zu vereinigen, damit Kuba nicht gewählt wird. Auch damals war eindeutig klar, daß dieses Verhalten abgestimmt war mit und auf die Wünsche der USA.
Allerdings hatte der Abbruch der Beziehungen zu Kuba nicht den gewünschten Erfolg, denn Ekuador brach die Beziehungen zu Kuba nicht ab.
Portugal
Nachdem öffentlich bekannt wurde, welche Rolle der portugiesische Geschäftsträger in La Habana für eine Rolle bei der Geiselnahme gespielt hatte, wurde er nicht des Landes verwiesen, was eigentlich normal wäre. Er wurde gebeten, vor dem Fernsehen zusammen mit den Geiselnehmern zu seinen Aktivitäten Stellung zu nehmen. Auch nicht andeutungsweise Vertrag die kubanische Regierung die Meinung, daß Mascarenhas im Auftrage der Regierung Portugals gehandelt hatte. Dieser "Diplomat‘" verließ aber auf eigenen Wunsch Kuba. Und wie reagierte die Regierung in Lissabon? Versuchte sie, sich Klarheit über das merkwürdige Verhalten ihres Vertreters zu verschaffen? Im Gegenteil: Sie forderte Kuba auf, innerhalb von 24 Stunden die persönliche Sicherheit von Mascarenhas zu garantieren. Daraufhin versicherte der kubanische Botschafter innerhalb dieser Frist zweimal, daß zu keinem Zeitpunkt die persönliche Sicherheit des Geschäftsträgers auch nur im geringsten gefährdet sei. Dies sah die portugiesische Regierung nicht als ausreichend an und erklärte den kubanischen Botschafter in Portugal zur "Persona non grata". Innerhalb weniger Stunden mußte er das Land verlassen.
Weitere Entwicklung
Die antikubanische Kampagne wurde weiterhin in Lateinamerika auf Hochtouren geführt. Es geht um angebliche Waffenexporte Kubas, um Ausbildung von Guerrilleros und um die Bedrohung der Länder durch Kuba. So werden selbst die unwahrscheinlichsten Geschichten als großartige "Enthüllungen" veröffentlicht. Eine Kostprobe: Mitte April wurde "enthüllt", daß Fidel Castro nun endgültig in Nicaragua die Macht an sich gerissen hat, fliegt er doch ständig zwischen Kuba und Nicaragua, um dort seine direkten Befehle zu erteilen... Einen weiteren "Höhepunkt" in der antikubanischen Kampagne erreichten die USA am 11. Mai, als Costa Rica die bestehenden konsularischen Beziehungen abbrach. Der angegebene Grund: Die Regierung Costa Ricas hatte sich vor der UNO über die angeblich schlechte Behandlung "politischer Gefangener" in Kuba beschwert. Als die kubanischen Vertreter daraufhin nicht gerade freundlich reagierten, wurden die Beziehungen abgebrochen. Dies war aber angesichts der betont kubafeindlichen Haltung der Regierung Carazos nicht verwunderlich, war doch die aggressive Haltung gegen Kuba bereits anläßlich der Auswanderung zahlreicher Kubaner über Mariel nach den Ereignissen in der Botschaft Perus im April 1980 deutlich artikuliert worden.
Möglicherweise muß damit gerechnet werden, daß weitere Staaten Lateinamerikas die Beziehungen zu Kuba abbrechen. Insbesondere Jamaika und Venezuela haben sich mehr als unfreundlich gegenüber Kuba verhalten. Nach dem Wahlsieg Seagas wurde der kubanische Botschafter des Landes verwiesen, ohne daß es jedoch zum Abbruch der Beziehungen gekommen ist. Allerdings ist mehr als deutlich, daß sich Seaga stark durch die USA beeinflussen läßt.
Mit Venezuela sind die Beziehungen gespannt seit der Freisprechung der Terroristen, die 1976 ein Flugzeug der kubanischen Fluggesellschaft "Cubana de Aviación" in Barbados in die Luft gesprengt haben. Danach haben beide Länder ihr Botschaftspersonal abgezogen. Allerdings gibt es in Venezuela starke gesellschaftliche Kräfte, die gegen den Abbruch der Beziehungen sind, so daß es fraglich ist, ob Campins eine derartige Maßnahme innenpolitisch durchsetzen kann.
Der Abbruch der Beziehungen Venezuelas zu Kuba hätte auch wirtschaftliche Bedeutung, liefert Venezuela doch täglich 1,6 Millionen Liter Rohöl im Rahmen eines "Viereck-Geschäftes", an dem Kuba,die UdSSR, Spanien und Venezuela beteiligt sind. Bisher sind die Lieferungen jedoch nicht gefährdet, wie noch am 21. April der venezolanische Erdölminister bestätigte. Eine tatsächliche Verschiebung des politischen Kräfteverhältnisses würde sich lediglich ergeben, wenn es den USA gelingen sollte, die Beziehungen Mexikos und Panamas zu Kuba ernsthaft zu stören.
Der Abbruch der Beziehungen durch Kolumbien und Costa Rica hingegen spiegelt nicht ein verändertes Kräfteverhältnis wider, sondern ist lediglich ein Ausdruck der bisher bereits gegenüber Kuba eingenommenen Haltung.
Horst-Eckart Gross
CUBA LIBRE 2-1981