Am 12. November sind 35 Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft aus Kuba zurückgekehrt. Wir sind als Vertreter der BRD 5 Wochen zusammen mit ca. 200 anderen Kubafreunden aus 11 westeuropäischen Ländern Mitglieder des 5. Kontingents der Brigade José Martí gewesen und haben 2 Wochen auf der Baustelle von Ariguanabo gearbeitet, haben 1 Woche Zitrusfrüchte geerntet und sind anschließend nach Santiago de Cuba gereist, wo wir viele Stätten der Revolution besuchen konnten - sowohl historische wie die Moncada-Kaserne und die 2. Front, als auch moderne wie die Fabrik "60. Jahrestag der Oktoberrevolution" in Holguin, in der seit 2 Jahren Kombiner hergestellt werden, mit denen Zuckerrohr mechanisch geerntet wird.
Am Ende unserer Reise standen noch viele Besuche und Besichtigungen in der Nähe von Havanna, wobei ich den Besuch in der Zementfabrik in Mariel hervorheben möchte. Unter Mitwirkung des Jugendverbandes wird hier eins von zwei riesigen Zementwerken erbaut, die den Zementbedarf der Kubaner vollständig decken werden, wenn sie die Produktion aufnehmen, ja sogar ausreichen werden, andere lateinamerikanische Länder mit Zement zu versorgen.
Hier arbeiten seit Beginn des Jahres 79 einige Ingenieure und Monteure von Klöckner-Humboldt-Deutz im Auftrag einer spanischen Firma. Wir haben uns die Gelegenheit nicht nehmen lassen, mit ihnen über ihre Eindrücke zu sprechen. Leider mußten wir feststellen, daß diese Ingenieure und Arbeiter ohne konkretes Wissen über das, was sie erwartet, ins Ausland geschickt werden und daß für sie ein defekter Küchenhocker ausreicht, die kubanische Revolution und ihre sozialen Errungenschaften zu ignorieren.
Ich möchte darauf verzichten, die Brigade in allen Einzelheiten zu referieren, die meisten Leser sind ohnehin über den ungefähren Ablauf informiert; ich möchte nur einige Beispiele nennen:
Besuch des Botschafters der BRD, Dr. Freitag, auf der Baustelle
Foto: Dieter STrothmann
Ein sehr interessanter Besuch war sicherlich der Besuch des Botschafters der BRD, Dr. Freitag, bei uns auf der Baustelle. Auf Einladung des ICAPs hat er sich die Zeit genommen, eine Weile mit uns über unseren Eindruck von Kuba, unsere Versorgung, unsere Kontakte zu den Kubanern usw. zu sprechen. Er selbst war gerne bereit, über seine Arbeit zu berichten, die wohl einen Schwerpunkt in der Vermittlung von wirtschaftlichen Kontakten hat, er aber andererseits zwar nicht an einem Kulturabkommen zwischen der BRD und Kuba arbeitet, so doch an einem kulturellen Austausch interessiert ist.
Als Indiz für seinen Willen zur Zusammenarbeit könnte man die Tatsache nehmen, daß er der Eröffnung der Ausstellung über Arbeiterjugendbewegung in der BRD in Matanzas offiziell beiwohnte.
Das Gespräch verlief in einer offenen, freundlichen Atmosphäre und nur gewisse Nachfragen zu seiner Stellung zum Berufsverbot gegen unseren Vorsitzenden Horst-Eckart-Groß brachten einige Trübungen, die er mit "Nichtwissen" zu klären versuchte.
Foto: Arbeiterfotografie Köln/G.v. Müller
Ein anderes Erlebnis war für uns der 28. Oktober. An diesem Tag werfen die Kubaner in Andenken an Camillo, der mit einem Flugzeug ins Meer stürzte, Blumen vom Malecon aus ins Meer. Dabei hatten wir die Gelegenheit, eine Pioniergruppe kennenzulernen, die spontan einige Lieder und Gedichte für uns vortrug. Dieses Beispiel der Verankerung internationalistischer Gedanken in der kubanischen Bevölkerung und auch schon bei den Kindern wird noch lange in unserer Erinnerung bleiben.
Schon in den ersten Tagen unseres Aufenthalts wurden wir konfrontiert nicht nur mit der Herzlichkeit der Kubaner, sondern auch mit den verschiedenen Problemen. Der Zyclon Frederic, der im Oktober an Kuba vorbeizog hat große Teile des Nordens unter Wasser gesetzt, was die Fabak-, Gemüse- und Zitrusernte beeinträchtigte, auf der anderen Seite aber auch in vielen Betrieben, die meterhoch unter Wasser standen, zu Produktionsausfällen führte.
Diese und andere ökonomische Probleme haben dazu geführt, daß in diesem Jahr die Brigadisten ihre Arbeitsklamotten selbst mitbringen mußten, daß die Zigaretten, Zigarren und Getränke nicht mehr kostenlos waren; dies war für uns ein feiner Gradmesser, wie groß die Probleme, die freiwillige Mehrarbeit und der Verzicht für jeden einzelnen Kubaner sein muß. Ich möchte hierzu einen Satz aus der Rede Fidels zum 25. Jahrestag des Sturms auf die Moncada zitieren:
"Unsere Schwierigkeiten sind die gleichen objektiven Schwierigkeiten die jedes unterentwickelte Land der Erde hat, aber unser Vorzug ist, daß wir zwar mit Strenge und Bescheidenheit, aber in Freiheit und Würde über die Zukunft bestimmen." Diese Erfahrung wird für uns richtungsweisend sein.
Spontan haben die Brigadisten einen Bazar im Campamento veranstaltet, und immerhin die stattliche Summe von über 1.200 Pesos gesammelt und den Kubanern als kleinen Beitrag bei der Beseitigung der Unwetterschäden zur Verfügung gestellt.
Dieser Bericht ist sehr kurz, verschweigt viele positive Erlebnisse und erfahrungsgemäß auch viele kleine, teilweise nichtige Probleme, die täglich im Zusammenleben von 35 Menschen, die sich kaum kennen, auftreten können, die aber in der konkreten Situation eher dem berühmten Elefanten gleichen, als der etwas realistischeren Maus.
Bei der Auswertung unseres Kuba-Aufenthaltes im Januar 80 in Köln haben wir beschlossen, all diese Erfahrungen, Eindrücke und Informationen zu einem neuen Brigade-Info zu verarbeiten, da das alte fast vergriffen ist.
Zum Schluß nach unserem wichtigsten Eindruck befragt, möchte ich aus unserer Abschlußrede an unsere kubanischen Bauarbeiter, mit denen wir 2 Wochen zusammengearbeitet haben, zitieren:
"In den wenigen Wochen, in denen wir mit ihnen Arbeiten durften, haben wir nicht nur gelernt, wie man Fundamente für Häuser gräbt, wie man Mauern für Wohnungen errichtet, wie man schützende Dächer auf diese Häuser baut, wie man Zitrusfrüchte erntet.
Wir haben auch von ihnen gelernt, auf welchen Fundamenten der Sozialismus in Kuba steht, wie man Mauern der Freundschaft errichtet, wie man das Dach der Menschlichkeit darüberdeckt, welches die Früchte der kubanischen Revolution sind. Wir haben erfahren, was Freundschaft und Solidarität zwischen den Völkern bedeutet.
Durch die tägliche Arbeit mit unseren kubanischen Genossen haben wir gelernt, mit welcher Kraft, mit welchem Mut und Enthusiasmus, aber auch mit welchen Schwierigkeiten, mit welchem Mühsal, mit welchem Schweiß kubanische Arbeiter für ein besseres Leben in Freiheit und Menschenwürde kämpfen und wir haben gelernt, daß diese Freiheit und Menschenwürde einen hohen Preis hat, den jeder einzelne Kubaner mitbezahlt, und den auch wir bezahlen müssen, wenn wir die Freiheit unserer Völker wollen.
Wenn wir in Zukunft von Freiheit, Würde, Bescheidenheit und Sozialismus sprechen werden, werden wir an unsere kubanischen Genossen denken."
Dieses Bild entstand bei der Übergabe von Büchern des Brücken-Verlages und Schallplatten des Pläne-Verlages im Freundschaftshaus in Santiago de Cuba. Beiden Verlagen sei gedankt für ihre Unterstützung.
Wir konnten hiermit ein Stück demokratische BRD in Kuba repräsentieren.
Diese Erfahrungen werden viele Brigadisten bei ihrer Arbeit für die Freundschaft mit Kuba leiten. Viele von uns waren auf dem Delegierten-Kongress in Hamburg anwesend - wir haben die Gastfreundschaft des kubanischen Volkes genossen - jetzt braucht Kuba unsere Arbeit und Solidarität hier in der BRD. Wir sind bereit es anzupacken!
Venceremos
CUBA LIBRE 1-1980