Das XI Festival: Eindrücke & Erlebnisse

Joven del Mundo, Cuba es tu Casa (Jugend der ganzen Welt, in Kuba bist du Zuhause)

Ankunft

Unser Empfang auf dem Flughafen "José Martí" war bereits sehr herzlich. Nach einem Begrüßungscocktail und zügiger Erledigung der Einreiseformalitäten fuhren wir per Bus-Korso in Richtung Habana del Este. Hubkonzerte entgegenkommender und überholender PKW-Fahrer begleiteten uns. Die Festivalstimmung wuchs an. Vorbei an zahllosen Transparenten, auf denen nun auch die gesamte BRD-Delegation zur Vertiefung der antiimperialistischen Solidarität, der internationalen Freundschaft und zum weiteren konsequenten Friedenskampf ermuntert wurde, vorbei an volkseigenen Betrieben und Maschinenparks der agro-industriellen Staatsgüter und entlang weniger noch bewohnter Bohios, von all denen uns ohne Ausnahme die bekannte Festivalblume – mit viel Phantasie und Enthusiasmus auf unterschiedlichste Weise gefertigt – geradezu entgegeblühte, erreichten wir Cojimar, jene Kleinstadt rund acht Kilometer östlich Havannas, die als Erholungs- und Angelstützpunkt Ernest Hemingways weltbekannt wurde.

Hier, in der Escuela Formadora de Maestros José Martí, einer Lehrerausbildungsstätte für zukünftige Pädagogen der Primarstufe, sollten wir nun in den nächsten vierzehn Tagen leben und wohnen, unsere Festivalaufgaben und -vorhaben planen und organisieren, Freundschaften schließen, zahlreiche Diskussionen führen und auch feiern.

Die kubanischen Genossen und Freunde, unsere Gastgeber, bereiteten uns einen stürmischen Empfang. Rhythmisches Klatschen, Hochrufe auf die Freundschaft der Jugend der Welt und das charakteristische Trommeln der Congas lösten einander ab. Auch unser 'Viva Cuba socialista!' kam aus vollem Herzen. Pionierhalstücher wechselten ihre Besitzer. Zahllose Hände wurden geschüttelt oder auf kubanische Art – von uns erst noch zu lernen – gegeneinandergeschlagen. Im 'viva la solidaridad, la paz y la amistad"' vereinigten sich unsere Sprechchöre.

Im Rahmen einer anschließenden offiziellen Begrüßung unserer bundesrepublikanischen Delegation mit 340 Vertretern der 46 im Initiativausschuß vereinigten Verbände, zu der ein herzhaft-kulinarischer Querschnitt kubanischer Koch- und Cocktailkunst gereicht wurde, entwickelten sich erste Gespräche, in denen Fragen über das gastgebende Kuba, dieses erfolgreiche erste sozialistische Land der westlichen Hemisphäre, dominierten. Es war für uns auf diesem Sektor mit einem Informationsvorsprung versehene Delegierte der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba natürlich, alsbald auch konkrete Fragen über unseren 'Festivalstandort" zu stellen.

Unterkunft

An der Escuela Formadora de Maestros José Martí, der gemeinsamen Festivalunterkunft der bundesdeutschen Teilnehmer mit den Delegationen aus Frankreich, Italien, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Monaco, Malta und der Türkei, werden ungefähr 2.500 Studenten aus dem Einzugsbereich Havanna als Grundschullehrer ausgebildet. Einzelheiten darüber berichten uns Frank Alonso und Juan Pedro Manuel Ramos. Während des Festivals haben sie die Reinigung unseres Schlafsaales übernommen, ansonsten studieren sie hier.

Frank ist im ersten Jahr an dieser Schule. Sein Vater arbeitete früher in der Landwirtschaft, ist heute Rentner. Juan stammt aus einer Bauernfamilie und berichtet stolz, daß er 1976 in den Jugendverband UJC aufgenommen wurde. Er mußte dazu von seinen Kollegen als "vorbildlicher Schüler" gewählt werden, und mit seinen guten schulischen Leistungen hatte er dann die Eignung für die Mitgliedschaft nachgewiesen, und wurde aufgenommen. Unsere beiden Freunde berichten:

Lehrerausbildungsstätten in dieser Größenordnung – von denen jährlich etwa zwölf neue fertiggestellt und ihrer Bestimmung übergeben werden – gibt es in Kuba in jeder Provinz gegenwärtig zweimal.

Die Studenten dieser Schule kommen nach Abschluß der obligatorischen neunjährigen Schulbildung mit etwa 15 Jahren hierher, um dann 4 Jahre Pädagogik, Psychologie, Sport und ihre jeweiligen Spezialfächer zu studieren. Die Ausbildung in dieser Internatsschule ist wie überall in Kuba kostenlos. Die Studenten bekommen Lehrmittel, Kleidung, Unterkunft und Verpflegung sowie Transportleistungen mit dem schuleigenen Buspark unentgeltlich. Angesichts der engen Verbindung von Theorie und Praxis im kubanischen Bildungssystem ist auch der Escuela Formadora de Maestros José Martí eine Grundschule angeschlossen für die Kinder aus den umliegenden Gemeinden. Die Studenten sind vom Beginn ihrer Ausbildung in die Grundschularbeit einbezogen. Erfolgt ihre Teilnahme anfangs in Form der Hospitation, so geben sie im vierten Studienjahr in Abstimmung mit den jeweiligen Lehrern bereits eigenständigen Unterricht. Die Klassenstärke der Grundschule umfaßt im Durchschnitt 25 Schüler, während die Lehrerstudenten in Studiengruppen zu etwa 30 Personen arbeiten resp. lernen.

Moderne Ausbildungsmittel wie Sprach-, Chemie- und Physiklaboratorien sind an der Lehrerausbildungsstätte obligatorisch, ebenso wie die Beteiligung der Professoren an den jährlich von der Universität Havanna angebotenen Fortbildungskursen für Hochschuldozenten.

Versorgung

Gab es bis auf eine 'Festivalauflage' des Fußballweltmeisterschaftsspieles Österreich : BRD (Endstand nach Abbruch 2: 2) für die Delegierten angesichts anstrengender politischer Arbeit keine Gelegenheit, die sehr gut ausgebauten Sportanlagen der Escuela Formadora des Maestros José Martí zu nutzen, so wurden die im Objekt integrierte Post, der Souveniershop und diverse Versammlungs- und Arbeitsräume um so mehr genutzt. Auch das reichhaltige, abwechslungsreiche Essen in der Schulmensa fand ausschließlich Zustimmung.

Schließlich wurde hier wie im Rahmen zahlreicher in nahezu allen kollektiven und individuellen Begegnungen mit der kubanischen Bevölkerung ausgesprochenen Einladungen, die mit ausgesprochen herzlicher Gastfreundschaft gestaltet wurden, jenen blödsinnigen Parolen aus der Giftküche bundesrepublikanischer Medienkonzerne praktisch-kulinarsich entgegengetreten, daß Kuba sich am Rande einer Hungerkatastrophe bewege.

Ein Großteil der den Delegierten in dieser Unterkunft angebotenen Dienstleistungen, wie Kochen, Kellnern, Waschen, Putzen usw. wurde dabei durch die Professoren der Lehrerausbildungsstätte abgedeckt, eine Arbeit, die sie – darauf befragt – nicht nur als Notwendigkeit sondern ehrenvollen Beitrag zur Sicherung des Gesamterfolges der VI. Weltfestspiele begriffen. - Welche Schande für jene o.g. Bundesrepublikanischen Gazetten, die das Festival und damit verbundene zweifellos hohe Anforderungen an die kubanische Bevölkerung als Anlaß begriffen, der kubanischen Wirtschaft einen katastrophalen Zusammenbruch zu prophezeien.

Vom Buspark unseres "Wohnkomplexes" in Cojimar hatten wir mehrfach täglich eine Direktverbindung zu unserem Nationalen Club, einer Arbeits-, Begegnungs- und Erholungsstätte, wie sie allen Festivaldelegationen an verschiedenen Orten Havannas zur Verfügung stand. Ein eigens für die bundesdeutsche Delegation konzipierter Fahrplan informierte neben den Ab- und Rückfahrtzeiten auch über die in Kuba übliche Form des Aussteigens: Zum Zeichen für diese Absicht klopft man hier gegen die Busdecken. Unser fast täglicher Weg führte von Cojimar über die sechsspurige Via Monumental zum Tunnel unterhalb der durch das Castillo del Morro zur Linken und das Castillo de la Punta zur Rechten flankierten Hafeneinfahrt, jenem noch unter der Batista-Diktatur gebauten und amortisieren Spekulationsobjekt, das die beiden Ufer der Bahia de la Habana miteinander verbindet. Von hier ging es entlang dem Malecon, der weltbekannten Uferstraße, die sich zum Flanieren, Erholen und Unterhalten unter den Habaneros – den vielköpfigen Familien wie den Liebespaaren der Hauptstadt – großer Beliebtheit erfreut, vorbei an einer Unzahl bunter und geschmückter Häuserfassaden, deren optische Reize bereits einen atmosphärischen Ausblick auf den hier stattfindenden kubanischen Karneval und Karneval der Weltjugend vermittelten, in den Stadtteil Miramar. Hier, in diesem Villenviertel unweit der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, direkt am Meer, steht der "Club Nautico", der ehemalige US-Jachtclub, das jetzige gewerkschaftliche Erholungsheim, der während des Festivals und eigens dafür renovierte Nationale Club der bundesdeutschen Delegation. Informationsstände nahezu aller Einzeldelegationen resp. Verbände sowie diverse Tagungsräume charakterisierten ihn als vielgenutzten Ort politischer Aktivitäten. Hier fanden zahlreiche Freundschaftstreffen sowohl seitens des nationalen Initiativausschusses als auch auf Initiative einzelner Organisationen statt; hier wurden auch die Beziehungen bundesdeutscher Verbände untereinander vertieft, waren Fragen und Probleme des gemeinsamen antiimperialistischen Kampfes nach dem XI. Festival Gegenstand zahlreicher einzelner und kollektiver Diskussionen auf dem Hintergrund der Auswertung jeweils aktueller Festivaleindrücke und -erfahrungen. Hier empfing unsere Delegation im Rahmen des kulturell von Songgruppen der Naturfreundejugend, der SDAJ und der Falken, von Hannes Wader, vom Heidelberger Musikkollektiv, der Skiffle-Gruppe "Wildsau" und der Polit-Rockgruppe "Backboard" umrahmten Nationalen Abend die Vertreter der progressiven Jugend der Welt.

Zugleich war uns der Club auch Treffpunkt zur Erholung und Reproduktion nach oder zwischen Konferenzen, Meetings und Beratungen. Ein kleiner, aber herrlicher – dieser "Perle der Karibik – typischer Strand lud ein zum Schwimmen auf der Höhe des Schnittpunktes der Straße von Florida und des Golfes von Mexiko. Daneben stand uns ein Swimmingpool zur Verfügung, bevorzugt von jenen Delegierten, die sich während der Reproduktionsphasen primär zum Ziel gesetzt hatten, einen Querschnitt der ausgezeichneten Rum-Mixgetränke von einer der drei großen Bars "unseres" Clubs zu verköstigen (- es war dann immer nicht so weit). - So waren uns auch hier unsere kubanischen Freunde hervorragende Gastgeber und Gesprächspartner, die den Aufenthalt im "Club Nautico", er uns sowohl Konzentrationspunkt politischer Aktivitäten als auch Kristallisationspunkt zeitweiliger Entspannung war, unvergessen machen.

Erste Begrüßung durch die Kubaner

"Ksss, Ksss! Delegado firme por favor"! Wieder einmal sind wir "Opfer" eines jungen Kubaners, der uns bittet in seinem Schulheft unsere Unterschrift zu leisten und die Nation dahinter zu schreiben. Wir schreiben bereitwillig, obwohl unsere Fortbewegungsgeschwindigkeit zur Zeit nicht mehr al 1 km/h beträgt, oder besser ausgedrückt 50-70 Unterschriften pro km. Hierbei die häufigen Einladungen noch nicht gerechnet.

Der Empfang durch das kubanische Volk ist überall überwältigend, Wir laufen durch Cojimar, überall wird gewunken, immer wieder müssen Hände geschüttelt werden, von den Unterschriften gar nicht zu reden. Ein junger Pionier lädt uns zu sich nach Hause ein, wir gehen mit. Stolz präsentiert er den Eltern seine Eroberung. Wie sind den zweiten Tag hier, das Spanisch holpert doch noch etwas, aber es geht schon.
- Woher kommt Ihr?
- Wie gefällt euch Kuba und das Festival?
- Welche Organisation repräsentiert ihr?
So fängt hier fast jedes Gespräch mit Kubanern an. Dann geht es sehr schnell in die Tiefe: Es wird gesprochen über den Aufbau des Sozialismus in Kuba, über die BRD, übe Kubas Engagement in Afrika, über alles. Und immer wieder begeistert uns eine mit Worten schwer zu beschreibende Herzlichkeit. "Joven del Mundo, Cuba es tu casa" Es fällt uns wirklich nicht schwer, uns inmitten all dieser Freundlichkeit zu hause zu fühlen.

Wir haben ein Haus fotografiert, das besonders geschmückt ist. Es ist das Büro des FMC, des kubanischen Frauenverbandes. Sogleich werden von der Leiterin des Klubs auf ein Bier hereingebeten. Und wieder wird diskutiert. Frauen, die draußen mit Einkaufstaschen vorbeilaufen, werden ebenfalls hereingerufen: "Hej, kommt schnell rein, wir haben Delegierte zu Gast." Schon bildet sich eine kleine Gesprächsrunde. Die Kubanerinnen wollen natürlich auch wissen, wie es bei uns zuhause aussieht. Wir berichte, Die Kubanerinnen zeigen sich erstaunlich gut informiert. Auch in späteren Gesprächen stellen wir immer wieder fest, daß die kubanische Bevölkerung über die BRD informiert ist, als die Bevölkerung der BRD über Kuba.
- Habt ihr keine Schwierigkeiten, wenn Ihr zurück in die BRD kommt?
- Berufsverbote?
Mit guten Wünschen für unsere Zukunft und den Fortschritt in unserem Land werden wir wieder entlassen.

Hemingway hat hier in Cojimar sein Buch "Der alte Mann und das Meer" geschrieben. Die kubanischen Fischer errichteten ihm dafür ein Denkmal. Hemingway patron lebt noch hier in Cojimar, unsere kubanischen Freundinnen möchten, daß wir ihn kennenlernen und begleiten uns zu seinem Haus, aber er ist nicht da. So wird er Besuch auf später verschoben. In der kleinen Hafenbucht mit Blick auf das Neubaugebiet von Alamar lernen wir ein paar junge Kubaner im Alter von 12-14 Jahren kennen. Nach den obligatorischen Unterschriften wird auch hier über "Fidel und die Welt" diskutiert. Unsere jungen Freunde fühlen sich sofort für unser Wohlergehen verantwortlich. So begleiten sie uns auf unserem weiteren Rundgang, was allerdings zur Folge hat, daß unser Unterschriftensoll verdoppelt wird, da ständig weitere Mädchen und Jungen von unseren Freunden herbeigerufen werden. Aber nicht nur die jungen Kubaner scharen sich um uns, auch die Eltern kommen oft mit, sie unterstützen dann die etwas schüchterneren, damit auch jeder zu seiner Unterschrift kommt. Als Gegenleistung erhalten wir Briefmarken und Ansichtskarten, die auf der Rückseite die herzlichsten Grüße der Kubaner tragen: "Wir begrüßen die Delegierten auf das herzlichste in unserem sozialistischen Vaterland!" "Mit Freunde und Stolz entbieten wir, das sozialistische Volk von Kuba, den Delegierten unsere kämpferischen und freundschaftlichen Grüße!"

Ein Arbeiter aus einer Nickelfabrik bittet uns doch ihn und seine Familie u besuchen. Bis zu seinem Haus sind es zwar fast nur 300 Meter, aber mit Unterschriften brauchen wir fast eine halbe Stunde bis wir von seiner Familie begrüßt werden können.
Als erste gibt es ein Glas Wasser, eine Erfrischung die wir hier wirklich schätzen gelernt haben. Draußen sind es immerhin übe 30ฐ im Schatten, aber Schatten ist hier selten. Familie Perez ist sichtbar stolz uns hier im Haus begrüßen zu dürfen. Aber genauso stolz sind sie auf die Fortschritte die ihr Land gemacht hat. Vater Perez konnte vor der Revolution weder lesen noch schreiben, heute kann er beides und hat im Gegensatz zu früher einen sicheren Arbeitsplatz.

Er erzählt uns dann noch über die Arbeit in seinem Betrieb, über die Gewerkschaft, das Komitee zur Verteidigung der Revolution und die Arbeit der Kommunistischen Partei. Er ist Revolutionär und Mitglied der Massenorganisationen.

Revolutionär zu sein ist in Kuba nichts besonderes; Revolutionäre sind sie alle, über 80% der Bevölkerung über 14 sind Mitglied im Komitee zur Verteidigung der Revolution.

Besuch beim CDR

"Das kubanische Volk empfängt die Delegierten bei sich zuhause", unter diesem Motto stand ein Abend des Festivals. Alle Delegierten waren auf die CDR-Büros von Havanna aufgeteilt worden. Die Delegation der BRD war den CDRs an der 26. Straße zugeteilt worden.

Als erstes wurden wir im Zonenbüro empfangen: Ein deutschsprachiges Transparent heißt uns willkommen "Wir begrüßen die Delegierten der BRD". Danach muß sich jeder in das Gästebuch eintragen, bevor wir auf die einzelnen Straßenbüros verteilt werden.

Die Wärme und Herzlichkeit, die uns hier entgegenschlägt, übertrifft alles, was wir bis jetzt auf Kuba erlebt haben. Die ganze Straße steht Spalier und begrüßt uns mit Beifall und Hochrufen. Wohin man sieht strahlende Gesichter. Hier muß wirklich der letzte Antikommunist seinen Glauben an eine "straff durchorganisierte kommunistische Jubelveranstaltung" verlieren, es geht einfach numerisch nicht, hinter ca. 2 Millionen jubelnde Habaneros noch einmal 2 Millionen "Einpeitscher" zu stellen.

Und wieder wird diskutiert, werden Unterschriften und Adressen getauscht, wird getanzt, wird gegessen und getrunken. Kleine, mit viel Liebe und Sorgfalt von den Kubanern vorbereitete Geschenke werden übergeben. Glücklicherweise kommen auch wir nicht mit ganz leeren Händen, und so wechseln Abzeichen, Postkarten und Zeitschriften ihre Besitzer. Besonders erfreut sind die Kubaner über ein "Mitbringsel": Die Skiffle-Gruppe aus Lunestedt. Sofort schalten unsere kubanischen Freunde die Tonbandmusik ab, und unsere Lunestedter haben bis nachts um drei alle Hände voll zu tun.

Daß bei einem derartigen Empfang der Abschied dann schwer fiel, dürfte klar sein, und das hier abgegebene Versprechen wieder nach Kuba zu kommen, war in allen Fällen ehrlichen Herzens gegeben worden.

Wenn dieser Besuch auch der eindrucksvollste war, so hatten doch auch die anderen ständigen Begegnungen mit den Kubanern ihren eigenen Reiz. Wir wurden überall mit offenen Armen empfangen, selbst mitten in der Nacht auf dem Malecon mußten wir immer wieder Hände schütteln, und sobald man irgendwo sitzenblieb, bildete sich sofort eine kleine Diskussionsgruppe, und da,, was uns hier entgegenschlug, war immer eine Offenheit und Herzlichkeit, die nicht einstudiert sein konnte. So etwas kann nur bei einem Volk entstehen, daß sich bewußt selbst befreit hat.

Auf dem Malecon

El Malecón, das ist die breite Uferstraße in Havanna, die sich 5 km lang am Rand des Meeres hinzieht. Am Abend gehört der Malecón den Menschen. Ein Teil wird für den Auto- und Omnibusverkehr gesperrt. Autos, das sind übrigens zu einem beträchtlichen Teil uralte amerikanische Schlitten aus der Zeit vor der Revolution, die sich, für mich wunderbarerweise, immer noch fortbewegten. Ganz zu Anfang meines Aufenthalts habe ich diese antiquarischen Stücke als mich als Fußgänger gefährdende Automobile gar nicht ernstnehmen können und habe seelenruhig die Straße überquert. Meine Ruhe ging aber sehr schnell in fürchterlichen Gehupe unter und ich mußte mich eilig vor einem barocken Ford in sicherheit bringen.

Überhaupt wirkte der Fahrstil vieler kubanischer Autofahrer nicht gerade ängstlich – eher beängstigend auf mich. Da waren Fidels Ausführungen in seiner Moncadarede zum Thema Individualverkehr doch beruhigend: individuelle Verkehrsmittel betrachten die Kubaner als Arbeitsinstrumente für soziale Dienstleistungen der Ärzte, Techniker etc., während die Entwicklung kollektiver Verkehrsmittel gefördert werden soll.

Ein größeres Projekt in diesem Zusammenhang ist eine U-Bahn für Havanna, deren Baubeginn für Ende der 80er Jahre geplant ist. Zur Zeit sind die Kubaner noch auf die lärmenden und stinkenden "guaguas" angewiesen. Guagua heißt eigentlich "Lappalie" oder auch "Säugling". In Kuba heißen auch Autobusse so, und sind bisher die wichtigsten Beförderungsmittel für Personen, meist bis zum Rand vollgestopft. Kurz nach dem Einsteigen an der Vordertür fängt daher oft schon der Kampf zur Ausstiegstür in der Mitte des Busses an.

Aber zurück zum Malecón. Auf der Ufermauer sitzen Kinder und Liebespaare. Ab und zu sieht man einen Vertreter der revolutionären Polizei, die immer gerne zu einer kleinen Unterhaltung bereit sind. Und Tausende Kubanerinnen – manche mit Lockenwicklern, die so groß sind wie das Innere von Toilettenpapierrollen – und Kubaner so zwischen vier und siebzig Jahren flanieren langsam auf dem Malecón entlang.

Wie überall während meines Aufenthalts in Kuba spüre ich: Die sind nicht darauf konditioniert, ständig in die Schaufenster von irgendwelchen Läden zu gucken. Die interessieren sich für das, was wirklich um sie herum vorgeht, vor allem für die Menschen. Jetzt natürlich für die "delegados".

"Woher kommst Du, companera" und "wie heißt Du?", so fangen meist die vielen Gespräche auf dem Malecón an und dauern oft ein, zwei Stunden, obwohl ich ziemlich schlecht Spanisch spreche.

Die meisten wollen etwas über die politischen Bedingungen in unserem Land wissen. Wie es mit dem Einfluß der alten und neuen Nazis ist – Kurze Zeit vor dem Festival wurde im Fernsehen eine Sendung über den Kappler Fall gezeigt. Ob es Menschenrechtsverletzungen bei uns gibt, wer bei uns studieren kann, ob auch die Arbeiter studieren können. Meist verbinden sich solche Fragen mit stolzen Hinweisen auf das, was in Kuba durch die Revolution alles möglich geworden ist. "Hier arbeiten oder studieren wir alle. Viele tun beides", erzählt mit Jorge, der Bauarbeiter ist, "meine Tochter arbeitet am Tag in einer Fabrik und abends studiert sie, weil sie Lehrerin werden will. Vor der Revolution konnte nur der studieren, der Geld hatte". Ich spüre: Die Menschen hier stehen zu ihrem Land, zu ihrer Revolution, zu ihrer Gesellschaftsordnung.

"Die Erziehung zum Kollektivismus hat durchgeschlagen", schreibt die WELT (31.7.78) zum Bewußtsein der Kubaner. Ich meine, hier hat die gesellschaftliche Wirklichkeit durchgeschlagen, die Gerechtigkeit, die Möglichkeit für jeden, sich zu bilden, die Gewißheit, auch in Zukunft seinen Arbeitsplatz zu haben.

Interessiert zeigen sich viele Kubaner auch immer wieder an der Frage, wie wir in unsrem Land für gesellschaftliche Veränderungen kämpfen, welche Strategien bei uns diskutiert werden. Ob es vielleicht einen bewaffneten Kampf geben würde, fragt mich ein älterer Mann, der erzählt, daß er schon in der Sierra dabei gewesen ist. Wir diskutieren sehr lange über die verschiedenen Wege, die es gibt, um gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen.

Schließlich sind wir eine große Menge von 20 bis 30 Leuten, als zwei junge Amerikaner sich zu uns stellen. Nachdem sie herzlich begrüßt wurden, erzählen sie, daß sie zu den 300 Delegierten gehören, die aus den USA gekommen sind. Sie berichten von den großen Schwierigkeiten, die sie hatten, um nach Kuba zu kommen. "Wir mußten erst bis Montreal fahren, um von da aus nach Kuba zu gelangen. Es ist uns nicht gestattet worden, von den USA direkt nach Havanna zu reisen." Die Kubaner drücken ihre Freude darüber aus, daß sie fortschrittliche Jugendliche aus einem Land treffen, das Kuba jahrzehntelang ausgebeutet hat, von wo aus nach der Revolution die schmutzigsten Maßnahmen gegen das kubanische Volk uns seine Führer unternommen wurden. "Wir wissen, daß ihr nichts mit der Wirtschaftsblockade gegen unser Land, mit den vielen Versuchen, des CIA, Fidel zu ermorden, zu tun habt."

Inzwischen hat jemand Bier in einem großen Pappbecher geholt, "Für unsere Gäste". Entlang des Malecón sind überall große Theken aufgebaut worden, an denen man Bier kaufen kann. Davor wartet meist eine Menschenschlange – diszipliniert. Ich frage Jorge, was er zu den wartenden und schlangestehenden Menschen vor Bierständen, Restaurants und so meint. "Wir haben wenig, aber was da ist, ist für jeden da. Wir sind ein armes Volk, denn wir sind Jahrhunderte lang ausgebeutet worden. Aber Du wirst nirgends in Kuba Elend sehen."

Das Bier schmeckt den meisten Delegierten übrigens ziemlich gut. Es wird nach dem Originalrezept des Pilsener Bieres gebraut; eine Aufmerksamkeit der Tschechoslowakei an die kubanische Revolution. Erwähnen muß ich auch an dieser Stelle, daß ich in Kuba immer kaltes Bier getrunken habe. Entgegen den "Erfahrungen" verschiedener Vertreter bundesdeutscher Publikationsorgane, die ihr Bier vor dem Genuß offensichtlich erst eine Stunde lang in der tropischen Schwüle herumgetragen haben. Vergleiche zum Beispiel Röötgen in der "Welt": "Das Bier schon mal warm – die Suppe schon mal kalt."

Auf dem Malecón – wie überall in Havanna während des Festivals – werden wir ständig von Kindern bestürmt, die hinter den Unterschriften der delegados her sind. Viele geben mir auch einen Kuß oder möchten einen Kuß von mir haben. Als ich einmal einem Delegierten aus einem mittelamerikanischen Land erzähle, daß mir das manchmal zuviel wird mit den vielen Kindern, lacht er und sagt: "In meinem Land würden die Kinder hinter dir herlaufen, umdas Geld oder etwas anderes zu erbetteln und nicht wenige, um dich zu bestehlen." Die kubanischen Kinder brauchen das nicht mehr.

Mini-Festival

Einem Mitglied der Delegation der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. war der Flug von Frankfurt nach Kuba nicht bekommen, der Hochsommer in La Habana gab ihm den Rest: Auf dem Flughafen José Martí wurde er ohnmächtig und mit Blaulicht ging es im Krankenwagen zum Krankenhaus "Comandante Fajardo". Hier wurden zentral die Delegierten versorgt, die erkrankt waren.

Wie überall während des Festivals: Die Jugendlichen aus allen Ländern wurden hervorragend behandelt. Mehrmals am Tag kamen Ärzte und Krankenschwestern. Ein etwas älterer Arzt erkundigte sich ausgiebig nach meinem Gesundheitszustand, und konferierte danach mit den anderen Ärzten. Nach der Visite fragte ich eine der liebenswerten Krankenschwestern, wer dieser freundliche Herr sei. "Er leitet die universitäre Internisten-Abteilung in ganz Kuba."

Ich war nicht der einzige Delegierte, der erkrankt war. Ein Freund aus Angola, im Nachbarzimmer untergebracht, hatte ähnliche Probleme wie ich; ein Kubaner aus Santiago de Cuba hatte Ärger mit seinem Blinddarm; der schwedische Buchbinder hatte Magenbeschwerden. Stationär wurden weiter behandelt ein Mitglied des Komsomol aus der UdSSR, ein Pakistani, ein Delegierter aus Mozambique, eine Schwedin, …

Gegenseitige Besuche wurden gemacht, sobald man sich bewegen konnte. Wir erzählten uns gegenseitig über unsere Länder, über die Festivalvorbereitungen, über unsere Arbeit, über unsere politische Arbeit. Wenn auch sprachliche Barrieren überwunden werden mußten, wir verstanden uns. Unsere Versammlungen die immer länger dauerten, wurden von uns "Mini-Festival" genannt. Es stimmt, auch hier sprachen wir darüber, wie für den Frieden gekämpft werden muß, hier lernten wir auch die Errungenschaften der kubanischen Revolution kennen.

Internationalismus

Ein Gespräch mit Dr. Pedro J. Argudin Martínez

In der "Eschuela Formadora de Maestros José Martí", die Unterkunft der Delegierten aus der Bundesrepublik Deutschland, war auch eine ambulanz für die medizinische Betreuung eingerichtet. Eines Abends kehrten wir dort wieder ein, die Blasen an den Füßen eines Delegierten brauchten Salbe und Tinktur. Außer uns war diesmal keiner da, Zeit genug also für ein paar Worte mehr als üblich. Es wurde ein langes Gespräch, unser Arzt hatte aber auch viel erlebt, seine Lebensgeschichte widerspiegelt wichtige Etappen der kubanischen Revolution.

In dieser Nacht des 31. Juli 1978 hatte er Geburtstag. Wieder einmal war er während seines Geburtstages im Einsatz, konnte nicht bei seiner Frau und seiner 16 Monate alten Tochter sein. Er erinnerte sich an seinen 13. Geburtstag, damals war er in den Bergen. Als "Alphabetisierer" leistete er seinen Beitrag zur Ausrottung des Analphabetismus in Kuba. Damals, 1961, war er noch ein Kind, aber er konnte schreiben und lesen. So war auch er aufgerufen, sein Wissen weiter zu vermitteln. Er zog also in eine der abgelegensten Gegenden der Provinz Oriente, um sechs Bauern Lesen und Schreiben beizubringen, die zwischen 26 und 61 Jahre alt waren. Allein die Teilnahme war nicht unproblematisch, seine Eltern waren um ihn besorgt. Versuchte doch damals die Konterrevolution in den Bergen, das ehrgeizige Programm der noch jungen Revolution zu verhindern. Alphabetisierer wurden mißhandelt, gefoltert, getötet. Conrado Benitez und Manuel Ascunche sind nur zwei Beispiele für Lehrer, die bei dieser Aktion ihr Leben opferten. Aber schon damals wußte der Compañero Argudin, daß er seinen Beitrag zur Revolution leisten mußte, und zog in die Berge.

Damit fingen die Schwierigkeiten aber an. Die Bauern fieberten durchaus nicht danach, nun die Schulbank zu drücken, ganz im Gegenteil. Aber dann hatten sie sich doch bereit erklärt,und warteten auf ihren Lehrer, der aus der Hauptstadt kommen würde. Und was kam? Ein kleines Kind. Die erste Begegnung mit den Bauern war dann auch ein Ereignis, an das sich Pedro noch heute ganz genau erinnern kann: Die erstaunten bis ungläubigen Gesichter; die zaghaften, ironischen, heftigen Fragen, ob er denn etwa? .. er wirklich? … Mißverständnisse sind also wirklich ausgeschlossen? … Das kann doch nicht sein!

Ausdauer und Überzeugungskraft war nötig, aber auch ein gutes Stück Zeit, um als Lehrer anerkannt zu werden. Bei einigen brach nämlich auch wieder der Zweifel auf, was diese Lehrerei denn überhaupt sollte. Ein 61 jähriger Bauer mußte wieder überzeugt werden, sich auf die Schulbank zu setzen, und sich dann noch von einem kleinen Bengel – der nicht einmal mit der Axt umgehen konnte – etwas beibringen zu lassen. Und so ging es nicht nur Pedro, sondern Tausenden von "Alfabetisadores". Pedro betrachtete es dann auch als einen großen Sieg, als auch der letzte "seiner" Bauern teilnahm. Dazu mußte er aber von "Finca" zu "Finca" wandern, und wieder dauerte es eine Zeit, bis alle sechs Bauern gemeinsam unterrichtet werden konnten.

Der Aufenthalt von Pedro neigte sich dem Ende zu. Er hatte sich Achtung verschafft, ja es war sogar eine echte und tiefe Freundschaft entstanden. Heute noch hält er den Kontakt zu seinen Freunden dort in den Bergen, vor einiger Zeit verbrachte er mehrere Tage dort, und erinnerte sich auch an den Brief, den alle gemeinsam an Fidel geschrieben haben – es war der Dank an die Revolution.

Was ist aus seinen Schülern geworden? fragten wir. Zwei sind mittlerweile schon gestorben, alle sind Bauern geblieben und der jüngste ist heute Spezialist für die Mechanisierung der Landwirtschaft. Ohne die Revolution wäre er bestimmt heute noch Analphabet, würde mühsam mit einem dürren Pferd ein wenig Boden bearbeiten. Aber dank der Veränderungen setzt er heute Maschinen ein, beherrscht Technologie, kann dadurch sehr viel mehr produzieren – und Pedro hat seinen Beitrag dazu geleistet, daß dies heute Tatsachen sind, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Nach der Alphabetisierungs-Kampagne konnte praktisch jeder Kubaner Lesen und Schreiben. Ein großer Sieg war damit errungen. Aber dabei blieb es nicht. Ein noch viel ehrgeizigeres Ziel wurde gesteckt: Jeder Kubaner sollte den 6. Grad erreichen, also das Wissen der ersten sechs Schuljahre erwerben. Wie sagte doch Fidel: "Den Analphabetismus ausrotten ist nicht mehr als ein erster Schritt; dann kommen neue Schritte, dann kommen neue Schlachten, denn unser Volk muß sich vornehmen, zu lernen; weiterzukommen, jeden Tag mehr wissen, um immer besser verstehen zu können; immer mehr studieren, um jedes Mal besser die Wahrheit zu verstehen."

Die Schlacht des 6. Grades, wie diese Kampagne in Kuba genannt wird, begann. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden auch dadurch angedeutet, daß sie erst 1980 abgeschlossen werden wird.

Was machtest Du nach 1961? fragten wir, um wieder auf die Lebensgeschichte von Pedro zu kommen. Er beendete seine Schulausbildung, dann wurde er Lehrer für die russische Sprache. Bis 1967 unterrichtete er, studierte wie so viele Kubaner abends weiter und begann dann sein Medizin-Studium, beendete es 1972, spezialisierte sich danach auf Chirurgie.

Das klingt alles "ganz normal", aber hätte Pedro diese Ausbildung auch ohne die Revolution erhalten? Gewiß nicht, denn er ist Schwarzer, und stammt keineswegs aus einer begüterten Familie, ganz im Gegenteil. Ohne die Aufhebung der Rassendiskriminierung durch die Revolution wäre ich bestimmt nie Arzt geworden, so sagt er uns, und auch die Bildungsprivilegien der herrschenden Klasse mußten erst fallen, nur so konnte ich Arzt werden. Und auch aus diesem Grunde ist er zutiefst von dieser Revolution überzeugt, steht hinter ihr, und erfüllt die Aufgaben, die diese Revolution ihm stellt. Diese Überzeugung hat er schon früh gewonnen, ist so auch im Gründungsjahr 1962 der kommunistischen Jugendorganisation beigetreten. Mit 27 Jahren hatte er dann das vorgeschriebene Alter für den Eintritt in die kommunistische Partei erreicht, und – so seine Worte - "wurde dann gleich aufgenommen". Einfach gesagt, aber er mußte dafür erst von seinen Kollegen vorgeschlagen werden, und dann mußte er die sehr strengen Kriterien für die Aufnahme erfüllen. Wer weiß, wie relativ wenigen Mitgliedern der UJC es gelingt, sofort in die Partei aufgenommen zu werden, kann sich vorstellen, wie viel der Genosse Argudin geleistet haben muß, wie sehr er sich die Achtung seiner Kollegen errungen hatte.

Der Arzt erzählt weiter: 1975 wurde Angola von südafrikanischen Truppen überfallen. Die MPLA hatte in einem langandauernden Guerilla-Kampf erfolgreich gegen die Truppen der damaligen Kolonalmacht Portugal gekämpft, war aber nun allein nicht in der Lage, als "reguläre Armee" den Truppen der südafrikanischen Rassisten entgegenzutreten. Die rechtmäßige Regierung Angolas bat angesichts der Invasion die kubanische Regierung um Unterstützung, die auch gewährt wurde. Kubanische und angolanische Kampfverbände vertrieben die Invasoren dann auch schnell aus Angola. Pedro Argudin war dabei, als Arzt hat er er an den Kämpfen teilgenommen, um so an vorderster Front immer seinen Genossen helfen zu können.

Wie kam es, daß du nach Angola gekommen bist? - Ganz einfach, war seine Antwort. Bei einer Belegschaftsversammlung in meinem Krankenhaus wurde gefragt, wer bereit sei, eine internationalistische Mission in Angola zu übernehmen. Alle haben sich spontan dazu gemeldet, genauso wie an anderen Krankenhäusern auch. Im Dezember wurde ich eingezogen, und dann sofort zur Front geflogen.

Er schilderte dann, unter welchen schwierigen Bedingungen er seine Aufgabe erfüllen mußte. Er operierte auf freiem Feld, unter LKW's, um so etwas vor dem feindlichen Feuer geschützt zu sein. Wo es möglich war, wurde auch die einheimische Bevölkerung versorgt. Es war in Gegenden, wo in einem Umkreis von 100 km ein oder zwei Ärzte die nicht geringe Bevölkerung versorgten. Versorgten? Na ja, meinte er, heute werden sie versorgt, es sind auch viele kubanische Ärzte in Angola, um zu helfen. Aber damals – die Ärzte taten, was sie konnten. Bis zu 200 Personen wurden am Tag versorgt, wenn wieder eine Ortschaft befreit wurde. Versorgt? Ja, etwas konnte geholfen werden, aber natürlich nicht die Probleme gelöst werden. Malaria und Tuberkulose grassierten, der flüchtende Feind hatte noch viele einheimische verstümmelt. Mit deutlicher Bitterkeit in seiner Stimme erwähnt er, daß nicht alle, aber doch sehr viele portugiesische Ärzte sich früher nur um die Soldaten des Kolonialherren gekümmert hätten – die Angolaner waren ihnen egal. Was für eine Ausbildung müssen die bekommen haben?

Diese Bemerkungen entsprechen ganz der Einstellung von Dr. Argudin zum Krieg. Er verherrlicht ihn nicht, er schwelgt nicht in Schlachten und Aktionen, er erzählt nicht, wie schnell und erfolgreich der Feind geschlagen wurde. Er erzählt von den genossen, die gefallen sind, er erzählt von dem Leid der Bevölkerung. Der Krieg ist eine brutale und grausame Angelegenheit, und daher muß man für den Frieden eintreten. Aber das heißt nun nicht, auf das Kämpfen zu verzichten, auch nicht auf das Kämpfen mit der Waffe – aber nur wenn es sein muß. Die MPLA hatte in Angola lange kämpfen müssen, damit auch dort ein armer Schwarzer sich nach seinen Fähigkeiten entwickeln kann, lernen kann, studieren kann, und auf jeden Fall menschenwürdig leben kann. Denn wie war es vorher? Dr. Argudin hat sie gesehen, die unterernährten Kinder ohne Arzt, ohne schule, die als billige Arbeitskräfte sich für das Kolonialreich abrackern mußten. Und als die Freiheit erreicht war, da fallen die Rassisten ins Land. Sollten wir es zulassen, da฿ eine weiße "Herrenrasse" ihre Arpartheid-Politik in Angola durchsetzt? Sollte jeder Weiße wie in Südafrika einen Schwarzen grundlos töten können, um dann lediglich ein paar Dollar Strafe zu bezahlen? Nein, ganz entschieden kann man so etwas nicht zulassen.

Jeder Kubaner weiß genau, was die Revolution für ihn selbst gebracht hat. Ebenso gut weiß jeder Kubaner, daß diese Revolution ohne die internationalistische Hilfe der sozialistischen Länder und insbesondere der Sowjetunion heute nicht mehr vorhanden wäre. Daran gibt es nichts zu deuten, das sind Tatsachen. Die Kubaner wissen also, was proletarischer Internationalismus ist, und handeln nach diesem Prinzip auch, wenn es ihnen möglich ist. Das sind keine staatlichen Direktiven, sondern das ist die Überzeugung der kubanischen Bevölkerung. So wird es dann nicht als lästige Pflicht oder gar als Ärgernis angesehen, wenn ein Kubaner gefragt wird, ob er eine internationalistische Aufgabe übernehmen will. Diese ist freiwillig, und der Andrang ist groß. Am Beispiel des Dr. Argudin kann man dies vielleicht verstehen.

Es ist schon sehr spät, einige Stunden Schlaf brauchen wir, um den nächsten Festival-Tag bestehen zu können. Auf dem Weg zum Schlafsaal geht uns das Gespräch noch durch den Kopf. Und dabei ist diese Grundeinstellung zum proletarischen Internationalismus und zum Krieg kein Ernstfall. Wir haben manches Gespräch in Kuba geführt, aber nie hat einer die militärischen Aspekte hervorgehoben oder gar verabsolutiert. Stets wurde auf den sozialen und politischen Grund für eine Hilfe für das Ausland hingewiesen, mit eigenen oft einfachen Worten, wurde erläutert, weshalb die Prinzipien des proletarischen Internationalismus so voll geteilt werden:

- so der Miliz-Soldat, der nachts unsere Busse bewacht. Er kämpfte schon in Spanien im Bürgerkrieg gegen den Faschismus, war mit Fidel in der Sierra Maestra und hat im Escambray-Gebirge gegen die bewaffneten Banditen gekämpft.
- so einer unserer Busfahrer, von dem man erst nach einiger Zeit erfährt, daß er in Angola an sehr vielen Einsätzen beteiligt war.
- so der Delegierte, der nur sehr zögernd erklärt, daß er als Panzer-Kommandant im Ogaden gegen die Invasoren aus Somalia gekämpft hat.

Stets haben wird die gleiche Erfahrung gemacht, daß die militärischen Seiten kaum geschildert werden – und das, obwohl die Kubaner wirklich erfolgreich waren. Nur ein Beispiel: Westliche Militärexperten stehen noch immer vor dem Rätsel, wie die kubanischen Panzer im Ogaden aus den Bergen herausgekommen sind, die lediglich für Bergziegen als passierbar galten. Der Grund für diese geringe Betonung der militärischen Aspekte: Auf die Frage nach den Ursachen für die Erfolge sagte uns der Panzerkommandant: "Wir kämpfen aus Bewußtsein für eine Sache, und das verleiht uns unsere Stärke." So ist auch verständlich, weshalb in Kuba sämtliche internationalistischen Missionen gleich hoch angesehen werden. Und die meisten Kubaner, die in anderen Ländern sind, kämpfen nicht mit Waffen, sondern mit anderen Mitteln: als Bauarbeiter, als Ärzte, als Lehrer.


XI. Weltjugendfestspiele 1978 – Begegnung mit dem befreiten Vietnam

Schon bei der Eröffnungsveranstaltung der XI. Weltjugendfestspiele war eine der Delegationen, die beim Einmarsch ins Stadion mit besonderem Beifall begrüßt worden war, die Delegation des befreiten, wiedervereinigten Vietnam. Noch beim letzten Festival der Jugend und Studenten 1973 in Berlin/DDR wurde Vietnam von zwei Delegationen aus einem kämpfenden Lande vertreten, von einer Abordnung der Demokratischen Republik Vietnam und einer Vertretung der Südvietnamesischen Nationalen Befreiungsfront (FNL).

Am 29.7.78 fand dann ein Freundschaftstreffen zwischen Vertretern der Delegation der BRD und Vertretern der vietnamesischen Delegation im vietnamesischen Club statt.

Die vietnamesische Delegation bei diesem Freundschaftstreffen wurde geleitet von Huynh Tan Nam, dem ehemaligen Vorsitzenden der Saigoner Studenten Union, der auf Grund seiner politischen Arbeit mehrere Jahre während des Theiu-Regimes in Südvietnam eingekerkert war. Heute ist er Generalsekretär der vietnamesichen Jugendvereinigung und gleichzeitig Abgeordneter der Nationalversammlung.

Zu Beginn des Treffens stellten wir die BRD-Delegation vor und erläuterten die unterschiedlichen politischen, kulturellen und religiösen Gruppierungen, die ihr angehörten. Es wurde die Bedeutung der Solidaritätsbewegung mit Vietnam in der Bundesrepublik auch für die Entwicklung in unserem herausgestellt, beispielsweise für die Entwicklung der Studentenbewegung in der BRD.

Als Frage an die Vietnamesen wurde formuliert, welche Schwierigkeiten es beim Aufbau des Sozialismus in Vietnam und dem gesamten indochinesischen Raum gebe und was von Seiten der fortschrittlichen Kräfte in der BRD zur Verbesserung der Beziehungen zwischen der BRD und Vietnam getan werden könnte.

Der Leiter der vietnamesischen Delegation ging auf die ökonomischen Probleme seines Landes nach Kriegsende ein und erläuterte auch ausgiebig außenpolitische Fragen.

So werde beispielsweise die Zusammenarbeit u.a. mit der BRD bei der Ölsuche angestrebt. Grundsätzlich wolle man mit allen Ländern zusammenarbeiten – jedoch ohne politische Vorbedingungen. Grundsätzlich wehre man sich auch gegen Hegemoniebestrebungen jeder Art.

Scharfe Angriffe wurden gegen Kambodscha gerichtet. Es wurde erklärt, das "Pol Pot-Regime" habe Vietnam angegriffen und zwar als Handlanger der chinesischen Machthaber. Die Vietnamesen respektierten strikt die territoriale Integrität Kambodschas. Zum genannten Angriff der Kambodschaner auf Vietnam wurde uns eine Bilddokumentation übergeben.

Neben Kulturbeiträgen beider Delegationen gab es noch eine Frage-Runde, wo Fragen schwerpunktmäßig zu den Bereichen Außenpolitik (speziell Konflikt Kambodscha/Vietnam), Chinesen in Vietnam und Frauen in Vietnam behandelt wurden.

So erklärten die Vietnamesen zu Vorwürfen von Seiten Kambodschas, sie hätten das Land überfallen, ihre friedlichen Absichten im Indochina-Raum seien eigentlich schon dadurch deutlich, als bekannt sei, daß es der SRV ohne weiteres möglich wäre, Kambodscha innerhalb von 24 Std. militärisch zu besetzen. Doch hätten sie nicht die Absicht, die Integrität Kambodschas auch nur anzutasten. Zu den Chinesen im Land antwortete eine Vietnam-Chinesin, die Mitglied der vietnamesischen Festival-Delegation war. Sie betonte, daß von einer Diskriminierung der Chinesen in Vietnam keine Rede sein könne. Die VR China würde jedoch versuchen, chinesische Kapitalisten im Süden Vietnams, die ihre Privilegien verloren haben, wie andere Kapitalisten auch, nun gegen die vietnamesische Regierung aufzuhetzen.

Zur Lage der Frauen sprach eine Vertreterin des Frauenverbandes, die herausstellt, daß Frauen im Befreiungskampf gleichberechtigt beteiligt gewesen seien und auch heute gleichberechtigt am Aufbau Vietnams mitarbeiteten.

Das Treffen hat bei allen Teilnehmern aus der BRD-Delegation einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Es war das erste Treffen einer BRD-Delegation der Jugend mit Vertretern der Jugend des wiedervereinigten, freien Vietnams. Das persönliche Gespräch wird auch in Zukunft nicht durch andere Formen der Kommunikation zu ersetzen sein.

Von daher steht die Beschreibung dieses Freundschaftstreffens zwischen Jugendlichen aus der BRD und Jugendlichen aus Vietnam nur als Beispiel für eine Vielzahl von Kontakten und Treffen, die im Rahmen des XI:: Festivals in Havanna die Möglichkeit des persönlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausches boten.


Begegnung mit jungen Angolanern

Wir wollen an irgendeinen Strand zum Baden fahren. Den Bus, der von der Escuela zum Strand fährt, haben wir verpaßt. Dann haben wir also ein "problema de transporte" - ein viel zitierter Begriff während des Festivals. Eigentlich habe ich nur in den ersten Tagen solche Probleme gehabt. Denn für jeden Kubaner ist es eine Selbstverständlichkeit, Delegierte mit dem Auto mitzunehmen.

Als erstes nimmt uns ein Militärlastwagen mit , der ein anderes Militärfahrzeug abschleppt. Dann müssen wir in einer anderen Richtung weiterfahren. Wir werden einem Polizisten, der an einer Straße steht, zur weiteren Betreuung übergeben, der sich freut, endlich einmal Delegierte zu treffen; er tut seinen Dienst so weit außerhalb von Habana, wo selten Delegierte hinkommen. Er stoppt einige Autos, die aber in eine andere Richtung fahren, bis schließlich ein Bus hält, der uns mitnehmen kann.

In dem Bus sitzen nur farbige Kinder und Jugendliche und ich bin zunächst verwundert, weil es in Kuba nun wirklich keine Rassentrennung gibt. Es klärt sich schnell auf, daß wir junge Angolaner getroffen haben.

Sie erzählen uns, daß sie eingeladen worden sind, ihre Ferien in Kuba zu verbringen. Auf meine Frage, wie sie sich in Kuba fühlen, kommt sofort die Antwort, daß Kuba ihnen vom ersten Moment ihres Aufenthaltes überhaupt nicht fremd gewesen ist; daß sie überall die Solidarität der Kubaner erfahren, überall wie Brüder aufgenommen werden. Sie sehen Kuba als das Land, ohne dessen kämpferische Hilfe es ihnen kaum möglich gewesen wäre, die portugiesischen Kolonialisten zu vertreiben und danach die Überfälle Südafrikas abzuwehren.

Kuba ist auch ein Beispiel für diese jungen Angolaner, wie ein armes, unterentwickeltes Land einen von ausländischen Interessen unabhängigen Weg gehen kann, um sich ökonomisch, politisch und kulturell im Interesse der eigenen Bevölkerung zu entwickeln. "Für uns ist das Kuba, das wir jetzt sehen eine Vorwegnahme unserer eigenen Zukunft", sagt mir der Angolaner, neben dem ich im Bus sitze. Er ist 18 Jahre alt und bald mit der Schule fertig. Dann möchte er Medizin studieren, denn sein Land braucht viele Ärzte. Am liebsten möchte er hier in Kuba studieren. "Aber es ist nicht so wichtig, wo gerade ich lernen werde; unser Volk als ganzes lernt von den Kubanern und deswegen werden wir viel schneller eine menschliche und gerechte Gesellschaft haben als wir es jemals ohne ihr Beispiel und ihre Hilfe könnten."

Dann möchten er und einige andere, die in der Nähe sitzen, etwas über mein Land erfahren. Sie kennen die wichtige Rolle der Bundesrepublik in der internationalen Politik und wissen über die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit großer bundesdeutscher Konzerne mit dem Rassistenregime in Südafrika, einem Land, von dem sie selbst noch immer unmittelbar bedroht werden. Ich erzähle, daß es innerhalb unserer Bevölkerung, vor allem unter der Jugend breiten Widerstand gegen die Unterstützung der Rassistenpolitik gibt.

Das Festival hat sicherlich vielen von uns Delegierten sehr klar gemacht, daß wir als Bürger eines der Staaten, in denen sich internationale ökonomische Macht zusammenballt, eine große Verpflichtung haben, die Macht- und Ausbeutungspolitik von bundesdeutschen Konzernen gegenüber Ländern der dritten Welt unserer eigenen Bevölkerung aufzuzeigen und aktiv dagegen zu kämpfen.

Treffen des politischen Liedes

Gleich am zweiten Abend fuhr ein Teil von uns ins Kino Acapulco, wo täglich Darbietungen zum politischen Lied zu hören waren. Verschiedene Vertreter der 'Nueva Trova' sollten dort spielen. Veranstaltungen dieser Art gab es aber nicht nur in diesem Kino, sondern an den verschiedensten Plätzen Havannas konnte man während des Festivals diese Sänger und Gruppen hören. So mußten wir uns etwas gedulden, bis die Akteure von der vorhergehenden Darbietung zum Kino gekommen waren.

Die Bewegung der Neuen Trova (Movimiento de la Nueva Trova) knüpft an die traditionelle Trova an. In Kuba bedeutet das Wort Trovador: ein Sänger, der eigene Lieder oder die anderer Autoren, die auch Sänger sind, zu Gitarrenmusik interpretiert, mit dem Anspruch, dichtend zu singen. Neu sind Inhalte und Formen der musikalischen Vermittlung.

Themen des proletarischen Internationalismus, Probleme beim Aufbau des Sozialismus, Fragen der revolutionären Haltung des einzelnen, der neuen Moral u.a. stehen im Mittelpunkt der Lieder. In der Klangexperimentalgruppe beim kubanischen Filminstitut, die seit 1969 besteht und der auch Sänger und Komponisten der Neuen Trova angehören, werden neue Formen und Möglichkeiten der musikalischen Darbietung erprobt. Hierbei greifen sie auf traditionelle Rhythmen und Instrumente nicht nur Kubas sondern ganz Lateinamerikas zurück.

Die Neue Trova umfaßt mehrere hundert Sänger, Komponisten sowie Amateurmusiker und professionelle. Sie spielen in Schulen, Fabriken, Universitäten, Landgemeinden, bei den verschiedenen Organisationen. Jährlich findet eine Art Festival statt, bei dem Erfahrungen ausgetauscht und Möglichkeiten für diese Arbeit angeregt und diskutiert werden. Gemeinsame Schallplatten wie "Das Lied-Waffe der Revolution', 'Die Frau in der Revolution', Solidaritätsplatten mit Chile, Puerto Rico, der Dominikanischen Republik zeigen schon das weite Spektrum der Lieder. 1972 wurde die Neue Trova nach den Beschlüssen des 1. Kongresses für Erziehung und Kultur gegründet, um die kulturelle Massenbeteiligung auf allen Ebenen zu fördern. Angegliedert ist sie dem kommunistischen Jugendverband und dem Nationalrat für Kultur. Wir hörten nun so bekannte Sänger wie Noel Nicola, Silvio Rodriguez, Pablo Milanes, Sara González u.a. Nach jedem Lied zeigte der Beifall deutlich die wachsende Begeisterung der Delegierten. Auch die Gruppen Irakere und Moncada (letztere spielte schon in einigen Städten der BRD) fanden neben weiteren Gruppen große Zustimmung.

Während des Konzertes trafen noch Gruppen einiger lateinamerikanischer Länder ein, die mit frenetischem Klatschen und minutenlangen Sprechchören Kuba und die anderen Delegieren begrüßten. Hier spürten wir die große Begeisterung aller, die auch hiermit ihre Zustimmung mit der Losung des Festivals 'Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft' bekundeten. Deutlich wurde dies, als eine kubanische Gruppe den chilenischen Nationaltanz – die Cueca – spielte, und die anwesenden Chilenen aufforderte, diesen Tanz auf der Bühne vorzuführen. Aus fast dreihundert Einsendungen in einem nationalen Wettbewerb war das offizielle Festivallied 'Suche nach einer neuen Blume' ausgewählt worden. In diesem Lied wird das ausgedrückt, was Ziel ach dieses Festivals war: Solidarität im Kampf um nationale und soziale Befreiung der Völker.

Suche nach einer neuen Blume

Wenn deine Hand sich über alle Fernen
mit meiner Hand im gehen vereint,
wenn dein Atem hoch bis an die Sonne reicht
und eine neue Blume sucht
und wenn du, bin ich müde, für mich aufschaust
und wenn mein Schritt dein Herz zum Singen bringt,
so wie dein Kampf in meinem Herzen lebt
und meine Sprache spricht -
dann singen wir ein neues Lied übers Meer
von jenem sanften Stern, der Freiheit heißt,
von einer Blume, die uns blüht und wächst
dort, wo jeder Vers den Frieden meint, der dauert.
Wenn die Hände sich im flug vereinen
so wie die Tauben ringsumher,
und verteilen Sonne, Liebe, Brot und Wind,
dann steigen neue Tauben auf und fliegen übers Meer

deutsche Nachdichtung: Hartmut König


Georg Weerth – Ehrung am 30. Juli '78 in Havanna

Georg Weerth – seinen Namen sucht man in bundesrepublikanischen Literaturgeschichten zumeist vergeblich, obgleich dieser Mann nach dem Urteil von Friedrich Engels "der erste und bedeutendste Dichter des deutschen Proletariats" war – wohl gerade deshalb ist dieser Dichter hierzulande wenig gefragt.

In Kuba, wo Georg Weerth verstorben ist, wird sein Andenken bewahrt. Begraben wurde er auf dem "Espada-Friedhof", der allerdings schon vor vielen Jahrzehnten eingeebnet wurde. Heute stehen dort Wohnhäuser. Nur ein Grabstein wird noch gepflegt – dort, wo heute die Aramburu-Straße endet, kurz vor "Vapor" und dem Malecón. Mit großer Zuneigung wird diese Grabstätte noch heute von den Bewohnern der anliegenden Häuser gepflegt.

Georg Weerth starb am 30. Juli 1856 in Havanna. Er wurde 1822 in Detmold geboren, war Kaufmann und begann als Schriftsteller mit feuilletonistischen Gedichten. Wegen seines Eintretens für die Pressefreiheit wurde er arbeitslos. In der englischen Industriestadt Bradfort nahm er eine Stelle an; während dieser Zeit lernte er Friedrich Engels kennen. Weerth wurde Sozialist.

In der 1848er Revolution war Weerth Feuilletonchef der "Neuen Rheinischen Zeitung", deren Chefredakteur Karl Marx war. Seine Gedichte und Lieder, seine Prosa wurden zu Kampfschriften gegen die Bourgeoisie. Zum erstenmal nicht nur in der deutschen, sondern in der internationalen Literatur wurde durch Georg Weerth der Proletarier als zentrale Person in die Literatur eingeführt, und zwar nicht nur der leidende, sondern auch schon der kämpfende Arbeiter.

Nach der Niederlage der 1848er Revolution wandte sich Weerth enttäuscht wieder dem Kaufmannsberuf zu. Er reiste viel, vor allem nach Amerika.In Havanna wollte er wohnen bleiben, starb dort aber an einem Tropenfieber.

Schon der biographische Rahmen dieses Dichters schafft eine Beziehung zwischen Havanna und Deutschland; so ist eine Gedenkfeier am Tag seines Todes geradezu eine Selbstverständlichkeit. Mitglieder der Delegation der BRD – des Werkkreises Literatur der SDAJ, des Demokratischen Kulturbundes, der Falken, des MSB-Spartakus, der Deutschen Jugend-Presse, der Naturfreundejugend, der Zeitschrift "Elan" - zusammen mit den kubanischen Freunden waren sich darin einig.

In einer kurzen Ansprache würdigte der stellvertretende Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Horst-Eckart Gross, das Wirken von Georg Weerth. Sein eintreten gegen Unterdrückung und Ausbeutung wird fortgeführt von Millionen Menschen, und ein Ausdruck dieses Eintretens für den Fortschritt ist auch die Festivalbewegung.

Horst Hensel vom Werkkreis Literatur der Arbeitswelt und Ulrich Krempel vom Demokratischen Kulturbund würdigten Weerth als Dichter der Arbeiterklasse und hoben seine Aktualität hervor, die besonders deutlich in den Worten wird, die Weerth nach dem Studium der politischen Verhältnisse Nord- und Südamerikas am 1.4.1855 an Heinrich Heine schrieb, daß "Havanna das Feld sein wird, auf welchem die großen Konflikte der neuen Welt zunächst ausgefochten werden." diese politische Prognose erhält ihre Aktualität nicht nur darin, daß sie sich bewahrheitete in der kubanischen Revolution, sie besitzt auch Aktualität in Hinblick auf die Ziele der XI. Weltfestspiele: "Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft". Entsprechend dieser Losung wurde Havanna, Kuba zum "Feld", auf dem die Völker der Welt im Kampf um Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit, Demokratie, Fortschritt und eine bessere Zukunft Solidarität und aktive Hilfe erlebten.

Lieder, gesungen von Hannes Wader und "Bruno und Klaus", ehrten den Dichter; sie kündeten von den Problemen und Zielen der fortschrittlichen Menschen der Vergangenheit und Gegenwart in der BRD und in der Welt. Das Lied "Guantanamera", gemeinsam mit den kubanischen Freunden gesungen, bildete den Abschluß der Gedenkfeier. Anschließend luden uns Mitglieder des anliegenden CDRs zu einem Glas Rum ein.

Rundfahrt "Errungenschaften der Revolution"

Zu den Besichtigungs- und Informationsangeboten der Kubaner für die Delegierten des XI. Weltfestivals gehörte unter anderem eine Rundfahrt "Errungenschaften der Revolution". Markanteste Punkte dieser Fahr waren Alamar, eine in den letzten Jahren entstandene Stadt in der Nähe Havannas, die Pionierstadt "José Martí" und "Valle de Picadura", ein Gebiet, in dem eines der ertragreichsten milchproduzierenden Unternehmen Kubas aufgebaut wurde.

Doch zunächst nach Alamar: an der Straße von Havanna nach Mantanzas gelegen fallen die Siluetten der Wohnblocks nicht unangenehm auf vor dem Blau des hinter ihnen liegenden Meeres. Wer weiß, welche Wohnbedingungen vor der Revolution in Kuba herrschten, welche Wohnungsnot den Kubanern zu schaffen macht, und wer kennt, welche großen Anstrengungen unternommen wurden, um die Lage ständig zu verbessern, dem erscheinen Wohnblocks dort in einem anderen Licht als unsere hiesigen Wohnsilos. Dies hat aber nicht zuletzt auch seinen Grund darin, daß man den neuen Städten ansieht, wie sehr sich die Kubaner bemühen, ihnen durch eine aufgelockerte Bauweise, durch viel Grün und Blumen und durch viel Farbe ein angenehmes Äußeres zu geben.

Wie immer während unseren Aufenthaltes in Kuba wurden wir in Alamar herzlich begrüßt. Einer der an der Planung der Stadt beteiligten Architekten erzählte uns im neuen Theater- und Versammlungsgebäude vom Entstehen des Ortes und seinem heutigen Leben: Im Jahr 1970 initiierte Fidel Castro zur Behebung der Wohnungsnot in Kuba die Bewegung der Mikrobrigaden; Fabrikarbeit, die sich zur Bauarbeit bereit fanden, wurden für die Arbeit freigestellt. Die Kollegen in der Fabrik übernehmen währenddessen ihren Arbeitsanteil, so daß der Produktionsausfall auf ein Minimum reduziert werden konnte. Durch freiwillige Abend- und Wochenendarbeit konnte der Bau von Wohnungen noch beschleunigt werden – schließlich war jeder Kollege in der Fabrik daran interessiert, eine neue Wohnung zu erhalten.

Auf dem Gelände von Alamar, auf dem die Bourgeoisie vor der Revolution noch luxuriöse Wohnungen geplant hatte, wurden 1971 die ersten 40 Wohnungen vollendet. Heute stehen dort 298 Gebäude mit über 8.000 Wohnungen, dazu kommen Kinos, ein Amphitheater, eine Poliklinik, Kinderhorte, Kindergärten, Schulen, ein Zwei der Universität – die Fakultät für Bauwesen, Sportanlagen, Läden, Dienstleistungsangebote jeglicher Art und verschiedene Fabriken. Über 30.000 Einwohner zählt die Stadt heute. Nicht ohne Stolz weist der Genosse auf den Mietpreis pro Wohnung hin: der kubanische Arbeiter gibt nicht mehr als 6% seines Lohnes für die Wohnungsmiete aus.

Campamento de Pioneros "José Martí"

Die nächste Station unserer Rundfahrt war für jeden Besucher ein besonderes Ereignis. Als wir uns dem Campamento näherten, hatte man den Eindruck, ein Ferienlager vor sich zu haben, wenn auch eines besonderer Art, den ein großes Amphitheater und eine Reihe weiterer Gebäude erwartet man kaum auf dem Gelände eines Ferienlagers. Von Pionieren begrüßt und auf der Fahrt durch das "Lager" von ihnen geführt, entdecken wir bald, daß wir es hier mit einer regelrechten Kinderstadt zu tun hatten, mit Schulen, Bibliothek, Krankenhaus, vielen Einrichtungen für sportliche Betätigungen und anderen Freizeitaktivitäten, einem eigenen Strand und einem kleinen Hafen, drüber hinaus dem erwähnten Amphitheater für über 4.000 Zuschauer. Dies alles war schon eine faszinierende Besonderheit – wie aber staunten wir, als wir sahen, in welchen Häusern die Kinder wohnten! Der Ort erweckte den Eindruck, als habe man soeben eine kleine Stadt aus schmucken, gepflegten Villen eigens für die Pioniere errichtet. Die Wahrheit ist: Kinder bewohnen in Gruppen mit ihren Betreuern Villen, die vor der Revolution Reichen gehörten. - Das Beste für die Kinder Kubas gerade gut genug!

10.000 Pioniere leben hier ständig; in den Ferien aber sind aus ganz Kuba oder aus dem ausland noch einmal so viele zu Besuch.

Valle de Picadura

Nicht unerwähnt bleiben soll nach diesem leider zu kurzen Besuch in der Pionierstadt das sich anschließende Mittagessen. Ich kann mir ein Essen kaum angenehmer vorstellen als dies: im kühlen Statten serviert, reichhaltig mit Obst und erfrischenden Getränken; lateinamerikanischen Rhythmen, von einer Band vorgetragen, lockten anschließend zum Tanz.

Aber es ging bald weiter in ein landschaftliche sehr schönes Gebiet,kaum zu glauben, daß es vor zwanzig Jahren felsig und öde war, Folge des Raubbaus durch spanische Großgrundbesitzer. Ein alter Sklavenfriedhof, Reste verfallener Palmblätterhütten und eine alte Hütte – früher die Schule in "Valle de Picadura" - zeugen von dieser Vergangenheit. Das 50.000 Hektar große hügelige Gebiet ist heute grünes Weideland für 35.000 Kühe. Ramón Castro, Bruder Fidels, Direktor des in diesem Gebiet betriebenen landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramms, erzählt in seiner Begüßungsrede von der Vergangenheit und dem, was in den letzten 2 Jahrzehnten hier aufgebaut wurde: vor der Revolution reichte die Milchversorgung nur für 11% der Landbevölkerung, für die 700.000 Arbeitslosen war Milch unerschwinglich, Vitamin-, Calcium-, Proteinmangel hatten vor allem bei den Kindern verheerende Folgen. Die Besitzer der großen Viehfarmen fanden es profitabler, Mastvieh zu züchten, da Fleisch größeren Gewinn brachte.

Heute werden in der Provinz Havanna täglich 700.000 Liter Milch produziert, bis 1980 sollen es 1 Million Liter sein. Heute erhalten die kubanischen Kinder täglich ihre Milch.

Was "Valle de Picadura" besonders interessant macht, ist seine – wie auch anderswo auf Kuba betriebene – Viehzucht. Es ist den Kubanern gelungen, aus Kanada eingeführte Holsteiner Kühe mit den einheimischen Zebus zu kreuzen. Die neue Rasse besitzt nunmehr zweierlei Vorzüge, sie verträgt – wie das Zebu – das Klima und liefert – wie das Holsteiner Rind – reichlich Milch, bis zur Spitzenproduktion von 48 Litern pro Tag. Inzwischen kann Kuba – so berichtet Ramón Castro – anderen Ländern helfen, ihre Milchversorgung aufzubauen, Vietnam ist eines dieser Länder.

Während er Rundfahrt durch das Gebiet konnten wir uns von den Errungenschaften, die die Bevölkerung seit der Revolution mit staatlicher Hilfe erarbeitet hat, überzeugen: Nichts mehr von der schrecklichen Armut, dem Elend in den Palmblätterhütten, vielmehr feste Häuser, Geschäfte, Erste-Hilfe-Klinik, Elementarschule und ein Zweig der Universität, die Fakultäten für Landwirtschaft und Veterinärmedizin, äußeres Zeichen der praxisbezogenen theoretischen Ausbildung junger Kubaner.

Ramón und die Bewohner von "Valle de Picadura" informierten uns nicht nur großzügig und stolz über ihre Arbeit und ihre Erfolge, sie waren ebenso großzügige und freundliche Gastgeber: auf uns hungrigen und immer durstigen Delegados wartete ein guter Imbiß. Eine Tanzgruppe der Bauern unterhielt uns mit kubanischen Volkstänzen. Tanz mit den Bewohnern auf dem Dorfplatz bis zum Einbruch der Dunkelheit beendete unseren Besuch in "Valle de Picadura" und unsere Rundfahrt.

Ein Besuch in der "Bodeguita del Medio"

Man sieht dieser kleinen Kneipe in einer Gasse der Altstadt Havannas gleich neben der Kathedrale ihre Berühmtheit nicht an; der Name kündigt nur in einer Beziehung ein wenig Außergewöhnlichkeit an, sind doch die Gasstätten und Läden in den Straßen Havannas fast immer an der Ecken von Staßenkreuzungen gelegen, die Kneipe aber liegt in der Mitte der Gasse – del Medio. Dreierlei Anliegen führten uns, die Mitglieder der Delegation der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, in die Bodeguita: natürlich wollten einige von uns diese berühmte Kneipe einfach kennenlernen; der Küche und den eisgekühlten Getränken galt unser aller Interesse; Horst-Eckat Gross, Mitautor des im Weltkreis-Verlag erschienenen Buches "Unidos Venceremos", 20.000 Kilometer durch Lateinamerika, hatte ein besonderes Anliegen: er wollte dem Gründer der Bodeguita, Angel Martinez, ein Exemplar dieses Buches überreichen, da einige Stellen in ihm der Kneipe und seinem ehemaligen Besitzer gewidmet sind. Solche Berühmtheit ist der Bodeguita – so sollten wir selbst es auch bald erleben – nichts Neues, ein Ausdruck dafür ist das Ergebnis eines internationalen Treffens von Reiseveranstaltern im vergangenen Jahr: Bei der Wahl der berühmtesten Kneipe der Welt belegte die "Bodeguita del Medio" den ersten Platz.

Auffallend sind für den Besucher, der die Kneipe zum ersten Mal betritt, die Wände: jeder Quadratzentimeter ist beschrieben mit Namen, Grüßen in allen Sprachen, daneben hängen Fotos, alte und neue. Die Einrichtung in den engen Räumen ist eher karg, Holztische, Holzstühle.

Der erste "Mojito" und die aufgetragenen Speisen schmecken uns hervorragend. Angel setzt sich zu uns an den Tisch; und dann läuft während seiner Erzählung ein Stück Geschichte der Kneipe und der Geschichte Kubas vor uns ab. 1942 gründete er die Kneipe neben einer kleinen Druckerei; deren Arbeiter, Journalisten tranken in den Pausen ihren Mojito bei Angel. Vier Personen waren damals dort beschäftigt – heute sind es 31. Bald wurde die Bodeguita ein Treffpunkt für Schriftsteller, Künstler, Arbeiter. Nicolas Guillén, eine kubanischer Dichter, schrieb 1950 eine Reportage über die Kneipe, am 23.12.1959 erscheint vom gleichen Autor ein Artikel in der Zeitung "El nacional" in Caracas. Nicolas Guillén war es auch, der an einem Abend des Jahres 1949 in ausgelassener Runde damit begann, die kahlen grünen Wände zu beschreiben.

Ernest Hemingway gehörte zu den Stammgästen der Kneipe ebenso wie Salvador Allende, der in Kuba jährlich seinen Urlaub verbrachte. An ihn erinnert sich Angel besonders gern, ihn zählt er zu den beeindruckendsten Persönlichkeiten und Freunden, die er in der Bodeguita kennenlernte.

Hier wurde Angel Martinez unterbrochen, eine italienische Journalistin wünschte ihn zu sprechen. Als er zurückkehrte, zeigte er uns eine italienische Illustrierte, die einen Artikel über die Bodeguita brachte; Fotos zeigten Angel mit Margot Hemingway, der Enkelin des Dichters.

Befragt, welcher kubanische Revolutionär Gast der Kneipe war, erzählt Angel, daß die Bodeguita ein Ort der Begegnung für viele kubanische und lateinamerikanische Revolutionäre war und ist. "Che" Guevara war hier und Fidel Castro vor der Revolution als junger Anwalt zwischen den Gerichtsverhandlungen.

Es ist fast unmöglich, die Ausstrahlung dieser vielleicht bekanntesten Kneipe der Welt in Worte zu fassen: sie hängt sicherlich ab von der Persönlichkeit Angels und der Persönlichkeit der bedeutenden Frauen und Männer, die ihre Besucher waren und sind. Nicht zuletzt beruht jedoch die Ausstrahlung der Bodeguita del Medio auf ihrer Verbundenheit mit der kubanischen Revolution.

Copelia

Es ist von einer weiteren kubanischen Leidenschaft, neben Politik, Musik und Tanz, zu berichten: Dem Eisessen! Eisessen kann man in Kuba und in Havanna an mehreren Orten, aber, wenn man Kubaner fragt, so richtig eigentlich nur in der Coplia. Unter besonders weitgereisten Menschen tobt immer noch die Diskussion, welches Eis denn nun besser sei, das aus Moskau oder das aus der Coplia in Havanna. Egal wie dieser Streit ausgehen mag, das Eis der Copelia ist mit das Beste, was dem Menschen widerfahren kann.

Die Copelia ist kein Eissalon, sie ist ein Eispalast, der in zehn kleinere Salons unterteilt ist;
ca. 40 verschiedene Geschmacksrichtungen, darunter solche, wie Mango und Guayaba;
ca. 20 verschiedene Eisbecher, der teuerste 1,80 $ (5,40 DM), aber dieser Insalata de Helado hat die Ausmaße eines Suppentellers, und dann noch Sirup über die ganze Herrlichkeit.

Willi jedenfalls, und Willi versteht was von Eis, hat gestrahlt, wie es sonst nur die Sonne über Kuba fertigbringt.


Carlos Puebla

Während des Festivals fanden täglich zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt, so daß es kaum möglich war, einen Überblick über sämtliche Darbietungen zu bekommen. Lediglich die größeren Veranstaltungen wurden im Tagesprogramm angekündigt, das am späten Nachmittag des Vortages in der Tageszeitung "Juventud Rebelde" des Kommunistischen Jugendverbandes UJC erschien. Viele Aktivitäten kamen auch spontan zustande.

So kam es, daß man Überraschungen erlebte. Am 2. August kam ich nachmittags von der Akademie der Wissenschaften, und wollte zur "Punta", um dort auf einen Bus zu warten. Während ich beim Museo Nacional – gleich hinter dem ehemaligen Palais von Batista und heutigem Revolutions-Museum – vorbeikam, hörte ich bekannte Klänge. Tatsächlich, es war Carlos Puebla und seine Begleiter, die "Tradicionales". Er sang alte und neue Lieder, ernste und spöttische, und wie stets bei seinen Auftritten hatte er wenige, aber sehr passende Worte, um Übergänge herzustellen, seine Lieder in einen politischen Zusammenhang zu stellen. So sang er auch von Varadero, dem herrlichen Strand, der früher nur den reichen Kubanern und den Yankees zur Verfügung stand. Heute aber kann sich dort jeder Kubaner erholen – ein kleines Beispiel für Veränderungen, die sich in Kuba in den letzten Jahren vollzogen haben.

Carlos Puebla – schon vor 1959 sang er fortschrittliche Lieder, unterstützte er die demokratischen Kräfte, half er im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Terror des Batista-Regimes. Nach dem Sieg der Revolution kämpfte er mit seiner Guitarra und seinen Liedern an der Seite der Revolutionäre. Mit seinen erklärenden, entlarvenden, aufmunternden Liedern trug er dazu bei, Kräfte zu mobilisieren, um die enormen Schwierigkeiten der ersten Jahre zu überwinden, und die waren wirklich enorm: Sabotage, bewaffnete Invasion, Handelsblockade, wirtschaftliche Schwierigkeiten. Aber das kubanische Volk hat Siege errungen, so daß heute ein Festival der Jugend der ganzen Welt hier in Kuba stattfinden kann. Dieses Festival wird von der ganzen Bevölkerung getragen, und – Ehrensache – auch Carlos Puebla ist ein Aktivist des Festivals. Er erklärt mit seinen Liedern kubanische Standpunkte, zieht Vergleiche zwischen früher und heute, preist den Internationalismus, setzt sich ein für Völkerfreundschaft und Verständigung.

Dem Pläne-Verlag gebührt Dank dafür, daß zwei Schallplatten mit Liedern von und mit Carlos Puebla hier in der BRD zu erwerben sind.


Todos a la Plaza con Fidel y la Juventud del Mundo

Alle auf den Platz mit Fidel und der Jugend der Welt! Das war die Schlagzeile der "Granma" am 5.8.78, dem letzten Tag des Festivals. Sämtliche Massenorganisationen Kubas hatten aufgerufen, gemeinsam mit den Delegierten die Abschlußveranstaltung des Festivals zu besuchen.

Schon auf der Fahrt zum Platz der Revolution bekamen wir einen Vorgeschmack von dem, was da auf uns zukam. In Havanna sind die Straßen immer belebt, aber nun auf dem Weg zur Abschlußkundgebung sind in diesen Straßen kaum Menschen zu entdecken. Es sieht aus wie morgens um acht in einer bundesdeutschen Kleinstadt. Aber je näher wir an den Platz kommen, um so belebter werden die Straßen. Ganz Havanna scheint unterwegs zum Kundgebungsplatz zu sein. Wir fahren an immer größer werdenden Gruppen vorbei, die uns zuwinken. Auch die Polizisten, die den Anmarsch regeln, winken uns zu, die kubanische Polizei heißt nicht umsonst Policia Nacional Revolucionaria.

Zwischen den Delegationen anderer nationen marschieren wir auf den Platz. Achon der erste Eindruck ist überwältigend, vier große Gebäude, geschmückt mit Riesentransparenten, die die Hauptlosungen des Festivals tragen, flankieren den Platz; und, wohin man schaut, eine unübersehbare Menschenmenge. Das sind tatsächlich eine million und mehr; selbst mit einem Weitwinkelobjektiv bekommt man sie nicht alle auf die Platte.

Im ersten Block vor der Tribüne stehen die ausländischen Delegierten. Überall Fahnen: Chilenisch, vietnamesische, die der jungen Befreiungsbewegungen aus Afrika, frente polisario und PLO, und dahinter, kleine Papierfähnchen schwenkend, die Kubaner.

Als erstes verliest Eddy Fonde, Präsident des Jugendrates von Süd-Afrika, eine Grußbotschaft der Delegieren an die kubanische Jugend. Dann spricht Vo Thi Than, Folteropfer und Gefangene des Thieu-Regimes, heute Delegierte des befreiten Vietnam. Sie verliest den Appell an die Jugend der Welt. Noch einmal werden die verschiedenen Befreiungsbewegungen erwähnt. Immer wieder wird der Appell von Beifall unterbrochen. Vo Thi Than schließt mit den Worten: "Vertiefen wir unsere antiimperialistische Solidarität mit allen Völkern, die für ihre Freiheit und Würde kämpfen, und verstärken wir unsere Unterstützung und Ermutigung aller, die den Weg des Friedens und sozialen Fortschritts beschreiten!

Vereinigen wir unsere Bemühungen: für weitere Siege der Völker, für weitere Erfolge der internationalen revolutionären, demokratischen und fortschrittlichen Jugendbewegung; für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft! Lang leben die Weltfestspiele der Jugend und Studenten!"

Es ist nicht von ungefähr, daß dieser Appell von einer Vietnamesin vorgetragen wird, war doch gerade die Solidarität mit der SRV, die sich der Angriffe des neuen Verbündeten des US-Imperialismus, des chinesischen Großmachtchauvinismus, erwehren muß.

Dann kommt der Augenblick, auf den viele von uns gewartet haben: Das erste Mal Fidel Castro live! Mit großem Beifall wird der Kommandante En Jefe begrüßt. Seine Rede wird immer wieder von Applaus und Sprechchören unterbrochen: Fidel, seguro, a los yanquis dales duro! Fidel, gib dem Yankee Saures! In seiner Aufzählung der kämpfenden Jugend der Welt wird niemand vergessen. Und Fidel erklärt, daß diese Jugend der Welt dem Krieg den Krieg erklärt, daß die Kriegstreiber nicht durchkommen, daß diejenigen, die die Welt in ein nukleares Inferno treiben wollen, nicht durchkommen; und er schließt: "Sie werden durchkommen, ja, auf den Misthaufen der Geschichte." Zum Abschluß erklärt Fidel noch einmal, daß das kubanische Volk diese Tage mehr denn je mit unserem Kampf für Frieden, Freundschaft und antiimperialistische Solidarität verbunden ist.

Auch für uns wird dieser Aufenthalt auf Kuba unvergeßlich bleiben. Am besten gibt unsere Gefühle wohl das Lied von Hannes Wader wieder, das wir bei der Rückfahrt von dieser manifestation mit ihm zusammen im Bus singen:

Viva Kuba

1.
Viva Kuba, Du Insel der Freiheit
geliebt von jedem, der Dich sieht
in Erinnerung an eine schöne Zeit
singen wir für Dich dieses Lied

Ref.

Selbst wenn wir gehen
Dich nie mehr sehen
gibt uns doch Deine Kraft, Deine Freundlichkeit
neuen Mut für lange Zeit

2.
Viva Kuba, uns prägten sich Taten
und Namen Deiner Helden ein
Che Guevara, verfolgt und verraten
er wird nie vergessen sein

Ref.

3.
Viva Kuba, Dein Ruhm, Deine Ehre
ist Dein Volk und manch ein Held
und Dein Ruf klingt über die Meere
zu den Menschen der ganzen Welt

Ref.

Spatzen

Die Berichterstattung in den bürgerlichen Medien unseres Landes über das Festival in Havanna erinnerte mich an den bissigen Ausspruch von Wilhelm Busch: "Journalisten sind wie Spatzen auf der Straße, wenn der Reiter vorbeigeritten ist."

"Die Welt", der "Spiegel" hatten in der Tat Spatzengehirne zu den Weltfestspielen geschickt. Aber dieser Vergleich setzt die kleinen Vögel noch ins Unrecht- Denn das, was die journalistischen Beobachter bürgerlicher Coleur an der Bambusbar des Hotels "Havanna Libre" verkonsumierten trübte den ohnehin engen Blick und ertränkte den Rest an Denkfähigkeit. Die Barhockerperspektive brachte hier dokumentierte Machwerke zustande.

Nun erschüttert das keineswegs den Kenner bundesdeutscher Meinungsmanipulation. Ähnliche Berichte kennen wir, wenn hierzulande die Gewerkschaften im Streik stehen. Wenn Abrüstungsdemonstrationen stattfinden, Kundgebungen gegen die Berufsverbote. Wenn überhaupt berichtet wird, dann nach der Devise, "Daß nicht sein kann, was nicht sein darf."

Das Auftreten der bürgerlichen Journalisten in Havanna hat aber auch seinen internationalen Aspekt und der ist ernster zu nehmen. Wenn in bundesdeutschen Massenmedien der Führer des kubanischen Volkes, Fidel Castro, ein "Operntenor" genannt wird, dann ist das eine Beleidigung der gesamten Dritten Welt, die in Castro einen ihrer herausragendsten Vertreter sieht. Wenn die kleinkarierten Kaffeesatzleser vom „Spiegel" glauben, mit ihrer Provinzmasche die Sowjetunion gegen Cuba ausspielen zu können, so ist das schon mehr als eine Entgleisung. Es stellt die Beziehungen unseres Landes zur sozialistischen Welt in Frage.

Niemand, wir am allerwenigsten, hat erwartet, daß "Welt" - oder "Spiegel"Journalisten Jubelartikel über das Festival in Cuba verfassen würden. Aber ein Minimum an Informationen über das tatsächliche Geschehen wäre zu erwarten gewesen. Nämlich das auftreten der Jugend der Kontinente Afrikas, Lateinamerika und Asien, das auftreten der Jugend aus den USA und Westeuropa und die Präsentation der sozialistischen Welt.

Ich glaube, die Autoren der "Welt" und des "Spiegels" sind tatsächlich so dumm wie sie schreiben.

CUBA LIBRE
Fritz Noll

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Informationen
Oktober 1978