Dialog mit Emigranten

Fidel Castro teilte vor einiger Zeit auf einer Pressekonferenz mit, Kuba werde in den nächsten Monaten 3.000 Gefangene, die wegen konterrevolutionärer Delikte inhaftiert sind, freilassen. Diese Entscheidung war das Ergebnis eines Dialogs von führenden Repräsentanten der kubanischen Regierung mit Vertretern der Organisation der im Ausland lebenden Kubaner, der "Kubanischen Gemeinschaft". Zum erstenmal seit 20 Jahren waren sie auf Einladung Fidel Castros aus den USA, aus Venezuela, Spanien, Panama und Puerto Rico in ihr ursprüngliches Heimatland gekommen, um über das Problem der Gefangenen und über Möglichkeiten von Familienbesuchen bzw. des kulturellen und wissenschaftlichen Austausches zu sprechen.

Der wichtigste Grund dafür, daß sich der Dialog gerade zu diesem Zeitpunkt entwickelte, liegt in den Erfolgen und im Ansehen der kubanischen Revolution begründet. Anfangs glaubten viele Emigranten, daß Kuba der Blockade und den von der CIA inspirierten bzw. unterstützten Anschlägen nicht standhalten würde. Aber, wie Fidel Castro erst kürzlich in seiner Rede anläßlich des 20. Jahrestages des Sieges der kubanischen Revolution unterstrich, 20 Jahre sind vergangen, und die kubanische Revolution ist heute stark und stabil wie nie zuvor. Nach den Äußerungen einiger Repräsentanten der "Kubanischen Gemeinschaft" haben sich nahezu 90 Prozent ihrer Mitglieder in den letzten Jahren davon überzeugt, daß die Konterrevolution in Kuba keinerlei Zukunft hat. Die wenigen konterrevolutionären Elemente sind heute mehr und mehr isoliert. Ein Prozeß, den der Dialog noch beschleunigte.

Ein anderer Faktor, der den Dialog ermöglichte, ist die Tatsache, daß die im Ausland lebenden Kubaner, die ihre nationale Identität, ihre Sprache, ihre Sitten und Gebräuche bewahrt haben, praktisch jedoch eine unterdrückte Minderheit darstellen. In den USA, wo etwa 700.000 der insgesamt 900.000 Exilkubaner leben, müssen diese wie die Chicanos und die Puertoricaner für die Anerkennung ihrer Rechte kämpfen. Die kubanische Revolution hat immer eine feste und prinzipielle Haltung gegenüber den im Ausland lebenden Kubanern gezeigt. Diejenigen, die glaubten, mit Infiltration, Invasion und Piratenakten die Revolution beugen oder zerbrechen zu können, erhielten das Feuer der Gewehre zur Antwort. Auch heute kann es mit konterrevolutionären Kräften keinen Dialog geben. Aber die sozialistische Staatsmacht unterscheidet die anderen im Ausland lebenden Kubaner von diesen Elementen.

Zehntausende Mitglieder der "Kubanischen Gemeinschaft" wanderten bereits vor der Revolution aus. Auf der Suche nach einer Arbeit gingen allein im Jahre 1958 über 11.000 Kubaner in die Vereinigten Staaten. Zwischen 1954 und 1958 verließen durchschnittlich 10.000 Kubaner pro Jahr ihre Heimat und gründeten in den USA eine neue Existenz. Das sind die offiziellen Zahlen, die jedoch nur diejenigen erfassen, die eine Aufenthaltserlaubnis erhielten. Tausende reisten mit Touristenvisa ein und versuchten, sich durch Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten.

Die soziale Zusammensetzung der Auslandskubaner ist sehr unterschiedlich. In Miami, wo die Kubaner 80 Prozent der spanisch sprechenden Bevölkerung und 5 Prozent der Gesamtbevölkerung bilden, findet man z.B. die ganze Skala der vorrevolutionären kubanischen Gesellschaft.

Viele Kubaner, die in den ersten Jahren der Revolution irregeführt waren und aus Angst das Land verließen, vermieden auch später den Kontakt zu ihrer Heimat, weil sie völlig falsche Vorstellungen vom Leben dort hatten. Der neuen Generation von Kubanern erscheinen die von den USA verbreiteten Greuelmärchen, denen ihre Väter damals Glauben schenkten, heute lächerlich.

Die Repräsentanten der "Kubanischen Gemeinschaft" im Ausland gründeten inzwischen ein Koordinierungskomitee. Mitglieder des Komitees wandten sich an USA-Präsident Carter, um ihn um eine konstruktive Haltung hinsichtlich der Aufnahme der freigelassenen Gefangenen zu ersuchen. Des weiteren äußerte ein großer Teil der Auslandskubaner die Absicht, die USA-Administration aufzufordern, die Blockade der USA gegenüber Kuba aufzugeben.

Miguel Rivero

Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba, Informationsdienst Nr. 12 / 2-1979