Eine Dokumentation
Die Regierungen Kubas und der USA haben gemäß einer im Juni d.J. getroffenen Übereinkunft am 1. September Interessenabteilungen in den Hauptstädten beider Länder eröffnet. Die Tatsache, daß die USA offizielle Beziehungen zu Kuba aufnehmen mußten, ist das faktische Eingeständnis der Niederlage einer Strategie, mit der die regierenden Kreise der USA fast 20 Jahre lang versucht haben, die revolutionäre Ordnung auf Kuba zu liquidieren. Dabei schreckten sie gemeinsam mit ihren konterrevolutionären kubanischen Spießgesellen vor keinem Mittel zurück.
Bombenanschläge auf diplomatische Vertretungen Kubas, politische Morde, Attentate und Entführungen gehörten ebenso zu den von langer Hund inszenierten konterrevolutionären Aktivitäten wie beispielsweise der gezielte Einsatz von Drogen, die Vergiftung nach Kuba verschiffter Waren sowie die Verwendung biologischer und chemischer Waffen gegen kubanische Zuckerarbeiter.
Verschiedene Aspekte dieser konterrevolutionären Verschwörung sind in einer Dokumentation der USA-Fernsehgesellschaft Columbia Broadcasting System {CBS) von CBS-Chiefreporter Bill Moyers (ehemaliger Pressechef des USA-Präsidenten Lyndon B. Johnson) untersucht worden, der in diesem Zusammenhang äußerte: "Als 1974 plötzlich mitten in Miami Bomben hochgingen, konnte die amerikanische Gesellschaft den geheimen Krieg nicht mehr ignorieren." Diese Dokumentation gibt zugleich einen unfreiwilligen Einblick in Praktiken imperialistischer Politik, wie sie hinter der Fassade bürgerlicher Demokratie - die sich allzugern demagogisch als Hort der Menschenrechte preist - an der Tagesordnung sind. Mit dem nachfolgenden Beitrag beginnen wir eine auszugsweise Veröffentlichung dieser Dokumentation.
Die Red.
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Moyers: Sie gehören zu einer Terroristenorganisation, die verantwortlich ist für eine neue Welle von Bombenanschlägen, Entführungen und Morden. Sie arbeiten nicht von Belfast aus oder im Nahen Osten. Sie sind kubanische Emigranten, die einen Terrorkrieg gegen Fidel Castro führen und ihre Operationsbasen in einer amerikanischen Großstadt haben.
Maskierter: Egal, was auch passiert, wir werden weiterkämpfen gegen die Kommunisten in unserem Land.
Crile: Wenn Sie aufgefordert würden, an einem Bombenanschlag oder der Entführung eines kubanischen Diplomaten teilzunehmen, würden Sie das tun?
Maskierter: Ich würde zu jeder Zeit das tun, was man mir befiehlt
Moyers: Die größeren Terroranschläge des vergangenen Jahres waren gegen folgende Ziele gerichtet:
- Lissabon, 22. April, Bombe auf die kubanische Botschaft, zwei Botschaftsangehörige getötet;
- New York, 5. Juni, Bombe in der kubanischen Mission bei den Vereinten Nationen;
- Merida, Mexiko, 23. Juli, ein Kubaner getötet;
- Buenos Aires, 9. August, Entführung von zwei kubanischen Beamten;
- Panama, 18. August, Bombenanschlag auf das Büro der staatlichen kubanischen Luftfahrtlinie;
- Trinidad und Tobago, 1. September, drei Verletzte bei einem Bombenanschlag auf das Konsulat des Staates Guyana. Diese Liste ist nicht vollständig. Während der letzten drei Jahre hat es viele solcher Aktionen gegeben, die bedeutendste vergangenen Oktober, als eine Bombe an Bord des Air-Cubanca-Fluges von Barbados nach Havanna detonierte. Damals starben 73 Insassen. Glauben Sie, daß die Ermordung 73 unschuldiger Menschen beim Air-Cubana-Absturz gerechtfertigt war?
Maskierter: Keinesfalls würde ich sie als unschuldig bezeichnen. Sie waren Beamte und kubanische Kommunisten. Und jeder Kommunist, ob nun Kubaner oder nicht, der dasselbe Spiel spielt wie Castro, sollte wie sie behandelt werden.
Moyers: Diese Männer (wie der Maskierte - horizont) sind Terroristen. Aber, vor nicht allzu langer Zeit haben sie für die amerikanische Regierung gearbeitet. Sie waren unsere Soldaten, auch wenn wir es nicht wissen sollten. Sie haben 17 Jahre lang unsere Geschichte mitbestimmt, so bei der Schweinebucht-Invasion, der Raketenkrise von 1962 und bei Watergate. Seit 17 Jahren bevölkern Exilkubaner die Straßen von Miami und tragen Geheimnisse mit sich herum, die zu den bestgehüteten unserer Regierung gehören. Unter ihnen sind Männer, die ins Watergate (Hotelkomplex in Washington - horizont) einbrachen, und andere, die die amerikanische Regierung angeworben hatte, um Fidel Castro zu ermorden.
Es sind Soldaten, die im Auftrag des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes CIA einen Geheimkrieg gegen Kuba geführt haben. Gleichgültig. wo man auch anfängt, ihre Geschichte zu erzählen, alle Fäden führen hierher, in Miamis Kubanerviertel Little Havanna. Vergangenen Herbst erklärte sich zum erstenmal ein kubanischer Terroristenführer bereit, vor der Kamera zu sprechen.
Armando López Estrada war zwanzig, als ihn die CIA für die Schweinebucht-Invasion anwarb, Bis 1963 arbeitete er für den Geheimdienst, danach für die amerikanische Armee. Heute ist er Grundstücksmakler. Doch das ist nur ein Nebenjob. Seine wirkliche Aufgabe ist der Terroristenkrieg.
Estrada: Wir versuchen, Fidel Castro und sein Regime zu bekämpfen, sowohl in Kuba wie auch anderswo. Zu unseren Zielen und Methoden gehört es, kubanische Botschaften und deren Angehörige anzugreifen.
Crile: Haben Sie in der letzten Zeit viele Operationen durchgeführt?
Estrada: Allein acht in diesem Monat.
Moyers: Die lockere Offenherzigkeit López Estradas läßt leicht vergessen, daß er über einen Terrorfeldzug spricht, dessen Operationsbasis die US-Großstadt Miami ist. Und es fällt schwer zu verstehen, daß einst die Spitzen der US-Regierung diese Männer, zu deren Kampf Verschwörung und Gewalt gehören, dazu angeregt und ermutigt haben.
Crile: Was Sie heute machen, kann man das etwa mit dem vergleichen, was einige von Ihnen in den sechziger Jahren im Auftrage der CIA gegen Castro unternommen haben?
Estrada: Natürlich.
Crile: Die gleichen Methoden?
Estrada: Ja. Wir haben von ihnen gelernt. Wir wenden Kampfmethoden an, die uns die CIA beigebracht hat. Wir wurden für alles ausgebildet. Wir haben gelernt, Bomben zu legen, zu töten, nach Kuba zu infiltrieren. Weil wir im Moment nicht gerade die Unterstützung der amerikanischen Regierung genießen, müssen wir es eben allein machen.
Moyers: Anfangs bemerkte kaum jemand, daß die Terroristen Ziele außerhalb der USA angriffen. Erst als 1974 plötzlich mitten in Miami Bomben hochgingen, konnte die amerikanische Gesellschaft den geheimen. Krieg nicht mehr ignorieren.
In den vergangenen drei Jahren wurden hier über 100 Bombenattentate verübt. Allein an einem einzigen Tag gingen zwei Postämter in die Luft, Bomben explodierten in einer Bank, bei der Staatsanwaltschaft, im FBI-Büro und im Polizeihauptquartier des Dade County. Einem Funkreporter zerriß eine Bombe die Beine, kurz nachdem er etwas über die Terrortaten der Kubaner veröffentlicht hatte. Auch Max Lesnick, Herausgeber der größten spanischsprachigen Tageszeitung in Little Havanna - "Replica" -, wurde Opfer des Terrorismus.
Lesnick: Sie ließen zwei Bomben in der "Replica" hochgehen. Dann versuchten sie, mich in Little Havanna zu erschießen.
Crile: Was machen Sie jetzt, um sich zu schützen?
Lesnick: Okay. ich habe sozusagen meinen Nachrichtendienst, der mich warnt. Und ich habe eine Menge Freunde. Außerdem, ich habe auch noch eine kleine Kanone.
Crile: Brauchen Sie die wirklich?
Lesnick: Ja, ich muß eine haben. Als Selbstschutz. Wenn meine Gegner wissen, daß ich nicht bewaffnet bin, also auf Angriffe nicht sofort antworten kann, bin ich in kurzer Zeit ein toter Mann.
Moyers: Hunderte von Exilkubanern sind Veteranen von Kampagnen der CIA gegen Kuba, in Kongo und in ganz Lateinamerika. Einige dieser Männer waren an Watergate beteiligt.
Wenn wir den Weg der Terroristen verfolgen und den Terrorismus verstehen wollen, der heute in dieser amerikanischen Stadt herrscht, müssen wir bis zur Geheimpolitik Amerikas gegenüber Kuba zurückgehen - bis dahin, wo alles begann: der Entscheidung in Washington, den Mann zu vernichten, den diese Leute noch heute so vehement angreifen.
Vor 16 Jahren, als sie am Strand von Kuba landeten, waren sie jung und voller Hoffnung. Unter ihnen Rolando Martinez, er begann 1960 für die CIA zu arbeiten. Als er später in das Watergate-Hotel einbrach, stand er immer noch auf der Gehaltsliste der CIA. Viele von ihnen sind heute um die 40 Jahre alt, und einige zählen zu den heutigen Terroristen.
Amerikaner sollten in der Schweinebucht nicht mit an Land gehen, aber ein Amerikaner führte die Brigade bei der Landung an. Er feuerte sogar die ersten Schüsse auf die kubanischen Verteidiger ab. Sein Name ist Grayston Lynch.
Lynch: Es sind jetzt 16 Jahre vergangen seit der Nacht im April 1961, als diese Brigade am Strand der Schweinebucht landete. Es wird jetzt Zeit, daß wir über einige Fakten reden.
Moyers: Kein Mann weiß über die Wahrheit der Schweinebucht-Aktion mehr als Richard Bissell. Er war der CIA-Chef für "Geheime Operationen" und Planer der Schweinebucht-Invasion, Sein Auftrag vom Weißen Haus: Fidel Castro loszuwerden.
Bissell: 1960 war es wirklich schockierend, vor unserer Küste in der Karibik das Entstehen eines kommunistischen Staates mit ansehen zu müssen, Heute hat sich jeder daran gewöhnt, aber damals war es eine schockierende Tatsache.
Moyers: Die Vereinigten Staaten waren in der Atmosphäre des kalten Krieges noch nicht in der Lage, einen Kommunisten als Führer eines Landes zu akzeptieren, das nur 90 Meilen entfernt Ist.
Im März 1960 autorisierte Präsident Eisenhower die CIA, Castro zu stürzen. Die ursprünglichen Pläne der CIA sahen eine kleine Guerilla-Operation vor. Im Januar 1961 - Kennedys Amtseinführung – schlug die CIA aber eine Großoperation vor, mit einer militärischen Invasion als Kernstück. Der neue Präsident war mit einer fürchterlichen Entscheidung konfrontiert – entweder die Invasion zu genehmigen oder sie abzublasen. Irgendwie überzeugte CIA-Direktor Allen Dulles aber den Präsidenten, daß eine amerikanische Beteiligung geheimgehalten werden könne, und warnte vor schwerwiegenden Konsequenzen, falls die Invasion nicht stattfinde.
Die CIA hatte zu dieser Zeit schon eine Exilarmee rekrutiert — viele der Männer hatten Training in Guerillataktik und Kommandounternehmungen erhalten. Ohne enormes politisches Aufsehen konnten sie nicht mehr entlassen werden.
Was in der Schweinebucht geschah, ist der Schlüssel zur Geschichte der Geheimarmee, Diese Geschichte reicht bis Watergate und noch weiter. Die Schweinebucht-Invasion stellt die größte CIA-Aktion dar. Sie begann unter fast absoluter Geheimhaltung.
Weniger als 200 der Invasoren hatten eine reguläre militärische Ausbildung.
Um Erfolg zu haben, mußten die Invasoren zunächst den Luftraum über Kuba beherrschen. Daheim in Washington strich Kennedy — betroffen von UNO-Beschwerden, daß Amerika eine Invasion Kubas unterstütze, und aus Angst, daß noch mehr B-26-Angriffe das Engagement der USA zu offen zeigen würden — alle weiteren Bombenflüge. Am dritten Tag ging der Exilbrigade, die noch immer auf Unterstützung aus der Luft wartete, die Munition aus.
Crile: Brigadeführer Pepe San Roman, weiche Gedanken bewegten Sie?
San Roman: Ich war schon an dem Punkt angelangt, mir ein Gewehr zu greifen und gegen die Vereinigten Staaten zu kämpfen. Unsere Hoffnungen waren vollkommen vernichtet. Für mich hatte die Regierung der Vereinigten Staaten einmal! das Nonplusultra bedeutet — mehr als Vater und Mutter, mehr als Gott. Es war ein unheimlicher Tiefschlag für mich. Und ich glaube, als sie uns losschickten, wußten sie schon, daß sie es nicht durchziehen würden.
Moyers: Für Amerika begann mit der Schweinebucht eine Ära, die uns genau das Gegenteil von dem bescherte, was wir anstrebten. Der Geheimkrieg gegen Kuba endete nicht an der Schweinebucht. Er war, wie wir sehen werden, nur der Anfang. Roy Cline wor damals CIA-Vize.
Cline: Ich glaube, es gab niemanden in unserer Regierung, der nicht herabsetzend und bitter über Castro sprach und darüber, wie notwendig es sei, ihn loszuwerden, ihn aus der weltpolitischen Landschaft zu tilgen.
Moyers: Und so ordneten die Kennedys den Geheimkrieg an. Sie selbst heuerten dafür sogar einige der ersten CIA-Krieger an. Armando López Estrada, der Terroristenführer, mit dem wir uns schon befaßt haben, war nach der Schweinebucht-Niederlage aus Kuba entkommen. Wieder in den Vereinigten Staaten, erhielt er einen Anruf aus dem Weißen Haus.
Estrada: Ich befand mich in meinem Haus, als ich den Anruf von einem Mitglied des Weißen Hauses erhielt. Man drängte mich, mir eine gute Garderobe zuzulegen und alles, was ich sonst noch brauche, und nach Washington zu kommen, denn der Präsident wolle mit mir sprechen.
Moyers: Ein anderer, der mit Lopez Estrada entkam, war Roberto San Roman, Bruder des Brigadekommandeurs. Auch er ging nach Washington, um die Kennedy-Brüder zu treffen.
Estrada: In einem meiner Gespräche mit Bobby Kennedy (damaliger USA-Justizminister - horizont) fragte er mich, ob ich abermals gegen Fidel Castros Regime arbeiten wolle. Ich sagte natürlich sofort ja. Dann .rief er jemanden herein. Es war Gray (Grayston Lynch), den ich von der Schweinebucht her kannte, Zu jener Zeit wurden wir in den Florida Keys ausgebildet. Wir übten das Landen von einem Mutterschiff aus, mit Hilfe eines Schlauchbootes. Wir hatten es schwarz angestrichen und den Motor mit einem Schalldämpfer versehen. Wir landeten und schlugen uns durch Mangroven und die Hintergärten von Privathäusern und so. Und all dies inmitten der Zivilisation.
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Moyers: Die Angriffe gegen Kuba begannen nur wenige Wochen nach der Schweinebucht-Affäre. Zuckerrohrfelder wurden in Brond gesetzt. Später wurden die Angriffe auf Industrieziele ausgedehnt. Aber es waren keineswegs nur Kommandounternehmen. Die CIA war schon dabei, Pläne auszuarbeiten, nach denen die ganze kubanische Wirtschaft zerstört werden sollte.
Cline: Ich erinnere mich, daß einige Geheimaktionen auch die, Vergiftung nach Kuba verschiffter oder von dorther kommender Waren einschloß sowie die Manipulation von Maschinen — sogenannte subtile Sabotage: Wenn Sie ein Maschinenteil verschicken, das ganz prima aussieht, aber die Kugellager sind uneben statt glatt, so daß die Maschine nach einigen Monaten hin Ist, das Ist subtilere Sabotage, als wenn ein Sprengkörper eingebaut wird, der alles hochjagt, Einige dieser ‘Sabotageaktionen waren ziemlich erfolgreich.
Moyers: Sieben Monate nach der Schweinebucht-Affäre hielt Präsident Kennedy vor der University of Washington eine außenpolitische Grundsatzrede. Er sprach über die im Kampf gegen den Kommunismus einzuhaltenden Regeln und sagte: "Als freie Nation dürfen wir mit unseren Gegnern nicht mit Terror, Mord, falschen Versprechungen und Falschmünzerei konkurrieren." Das sagte Präsident Kennedy am 16. November 1961. Zur gleichen Zeit gab er seine Genehmigung zur Operation Mongoose (Mungo) — der Code-Name für die nächste Etappe im CIA-Geheimkrieg gegen Kuba. Der Name war romantisch - nicht aber die Taktik. Sie umfaßte olles, was Amerika laut Kennedy eigentlich nicht wollte.
In der amerikanischen Geschichte gibt es nichts, das diesem Kubakrieg gleicht. Eigentlich ist es gegen das Gesetz, daß die CIA in den USA tätig wird. Um ober ihre Geheimarmee zu führen, baute sich der Geheimdienst in Miami die größte CIA-Station der Welt auf. Fragen wir Cline, wie groß sie war.
Cline: Ich würde schätzen, so 600 bis 700 US-Agenten. Darin sind .natürlich die Kubaner nicht eingeschlossen, mit denen sie arbeiteten.
Moyers: Nach den meisten Schätzungen beträgt deren Zahl etwa 2000. Rolando Martinez, dem wir in der Watergate-Affäre wieder begegnen werden, war einer dieser kubanischen Agenten. Er führte über 350 Geheimmissionen in Kuba durch.
Martinez: Wir hatten unsere geheimen Stützpunkte in Miami. Wir hatten unsere Geschütze und Kanonenboote dort, haben dort unsere ganze Ausrüstung eingeladen.
Moyers: Jedesmal, wenn Martinez und seine kubanischen Agenten mit 50 schweren Maschinengewehren losfuhren, verstießen sie ganz klar gegen die Neutralitätsgesetze. Anfangs waren sie ein Problem für die nicht eingeweihte Küstenwacht.
Crile: Was haben Sie gesagt, als Sie gestoppt wurden?
Martinez: Zuerst war ich halsstarrig und sagte etwa: Nehmt Kontakt mit euren Bossen auf und erzählt denen, was für ein Schiff ihr aufgebracht habt.
Moyers: Später wurde mit der Küstenwacht eine annehmbarere Vereinbarung getroffen. Doch wie war es möglich, solche provokativen Operationen von Miami aus zu starten?
Erstens legte sich die CIA ein Netz von Deckadressen zu, um ihre Aktivitäten zu verbergen. Es gab Hunderte solcher geheimen Stützpunkte zwischen Miami und Key West. Strandhäuser an verschiedenen Orten dienten den CIA-Kommandos als Streckenstationen. Die Agenten hatten viele Helfer, in Küstenwache, Zoll, FBl, den Steuerämtern und großen Teilen des Miami- und Südflorida-Establishments.
Die Presse zu gewinnen war wichtig. Zwei höhere CIA-Leute sagten uns, es gäbe detaillierte Absprachen mit der hiesigen Presse, über Geheimaktionen nicht zu berichten, es sei denn, es wäre von beiderseitigem Interesse. 19 verschiedene Polizeiabteilungen mußten vergattert werden, die waffenstrotzenden Kubaner nicht festzunehmen. Bankiers waren nötig, um CIA-Leuten Kredite zu geben, die Scheinjobs hatten und unter falschen Nomen lebten. Es war eine große Verschwörung, um die Neutralitätsgesetze des Landes sowie andere Bundes-, Landes- und Gemeindegesetze zu brechen.
Cline: An der Spitze der Regierung stellte niemand die Frage, ob diese Aktivitäten klug oder moralisch gerechtfertigt seien. Die Frage war nur, ob man genug tat, um den Zielen der USA-Regierung zu dienen.
Moyers: Hier ist ein Beispiel für den Druck, der ausgeübt wurde: Robert Kennedy erklärte bei einer Konferenz der sogenannten Cuban. Task Force: Der Sturz Castros habe "für die Regierung der Vereinigten Staaten absoluten Vorrang ... alles andere ist dagegen zweitrangig. Es soll weder an Zeit, Geld noch an dem Einsatz von Menschen gespart werden."
Der frühere Verteidigungsminister Robert McNamara erinnert sich: "Zur Zeit der Schweinebucht-Invasion und danach waren wir geradezu hysterisch, was Kuba anbetrifft."
Und General Edward Lansdale - der Mann, den Robert Kennedy beauftragt hatte, den geheimen Krieg gegen Kuba zu führen - damals: "Wir sind in einer kriegsähnlichen Auseinandersetzung, und man hat uns freie Hand gegeben."
In einem der Vorschläge, die von Lansdales Gruppe dem Weißen Haus unterbreitet wurden, war der Gebrauch biologischer und chemischer Waffen gegen kubanische Zuckerarbeiter vorgesehen. Diese Vorschläge - insgesamt 32 - unterbreitete der General 1962 dem Justizminister in einem Memorandum.
September 1975: Der für Geheimdienste zuständige Ausschuß im US-Senat zeigt ein von Technikern der CIA entwickeltes Gerät für Mordanschläge. Im Zuge dieser Senatsuntersuchungen hoben wir mehr über uns selbst erfahren: Unser geheimer Krieg gegen Kuba schloß den Mordanschlag als eine Waffe unserer Außenpolitik ein.
Die ersten CIA-Pläne zur Ermordung Castros gehen noch zurück auf die Regierung Eisenhower. Aber erst in den ersten Wochen der Kennedy-Präsidentschaft begann der Geheimdienst, die Voraussetzungen für ihre Durchführung zu schaffen. Der Verantwortliche dafür war Bissell, damals Chef für "Geheime Operationen" der CIA. Er nimmt hier zum ersten mal öffentlich dazu Stellung. Die CIA hatte eine kleine Abteilung gegründet mit dem Namen "Executive Action" — eine Abteilung, dazu bestimmt und ausgerüstet, bestimmte Personen zu beseitigen.
Bissell: Nun, sie war nicht nur dafür ausgerüstet, Menschen zu beseitigen. Sie sollte auch Menschen unglaubwürdig machen oder Menschen abschieben, aber sie natürlich eventuell auch — umbringen.
Moyers: Die ersten Pläne der CIA gegen Castro zielten darauf ob, ihn nur zu diskreditieren und ihn auf diese Weise loszuwerden. Beispielsweise sollten Zigarren mit LSD imprägniert werden. Die CIA hoffte, Castro werde dann unter dem Einfluß der Droge eine Ansprache halten und sich in der Öffentlichkeit lächerlich machen. Dann gab es einen Plan, seine Schuhe mit einem Pulver einzustäuben, daß Castros Barthaare ausfallen lassen sollte — die CIA dachte, das könne Castro um sein Charisma bringen. Aber aus dem einen oder anderen Grund wurden all diese Pläne wieder aufgegeben. Und im August 1980 begann man sich mit einem Mordanschlag zu befassen.
Das Verfahren bzw. der Weg, auf dem der Präsident die Erlaubnis für so diffizile Aufträge erteilte, sollten absichtlich im dunkeln bleiben.
Bissell: Der Präsident sagt etwa, er wolle jemanden los sein. Und ganz offensichtlich ist es ihm und allen anderen, die damit zu tun haben, lieber, wenn das in einer halbwegs manierlichen Art geschieht. Doch wenn die Betonung auf dem Loswerden liegt, gleichgültig auf welche Art und Weise, dann würde ich das für eine Genehmigung halten.
Moyers: Sie sind nicht der erste, der uns von dieser eigenartigen Methode berichtet, die CIA-Beamte im Umgang mit dem Präsidenten benutzten, diese Umschreibungen, wie Sie es nannten, und Euphemismen. Warum hat man so verschlüsselt gesprochen?
Bissell: Ich glaube, das ist ganz einfach. Nach meiner Ansicht ist es die Pflicht eines guten Geheimdienstbeamten, nichts zu tun, was nicht die Billigung seines Staatschefs finden würde. Und er sollte Unterhaltungen mit dem Staatschef stets so führen, daß man diesem nie nachweisen kann, er habe bestimmte Aktionen ausdrücklich genehmigt.
Moyers: In die Ägide von Richard Bissell - unmittelbar nachdem Eisenhower der CIA den Auftrag erteilt hatte, Castro zu stürzen - fiel auch die wohl am härtesten kritisierte Unternehmung der CIA: das Abkommen mit der Mafia zur Ermordung Castros.
Der Mann, der für die CIA die Verbindung zur Mafia herstellte, war Robert Maheu, eine der zwielichtigsten Figuren unserer Zeit. Im zweiten Weltkrieg war er FBl-Agent, dann Privatdetektiv, der Sonderaufträge für die CIA erledigte.
Maheu: Ich hatte den Eindruck, daß wir in einen Krieg verwickelt waren. Und deshalb habe ich mich bereit erklärt, den Kontakt herzustellen.
Moyers: Die Männer, die Maheu für die CIA rekrutierte, waren John Koselli, Mafioso aus Las Vegas; Sam Giancana, der Pate von Chicago; Santos Trafficante, Mafiaboß von Tampa.
Die Widersprüche in dieser Geschichte scheinen endlos. Die Mafiaverschwörung, begonnen in der Eisenhower-Ära, ging bis zum Frühjahr 1963. Zu dieser Zeit wußte Robert Kennedy einerseits als Justizminister von Geheimkrieg der CIA. Auf der anderen Seite fühle er gleichzeitig einen Krieg gegen das organisierte Verbrechen - Giancana und Trafficante standen auf einer Sonderliste von Mafiafiguren, gegen die Anklage erhoben werden sollte.
Während ein Arm der Regierung also versuchte, diese Männer hinter Schloß und Riegel zu bringen, halte ein anderer sie bereits angeheuert, mit dem Auftrag, Fidel Castro zu töten. Der Bruder des Präsidenten wurde über die Mafiaverbindung 1962 informiert, von der CIA. Vielleicht hat er geglaubt, daß das Mafiakomplott nicht weiter verfolgt werde. Aber seine Reaktion scheint bezeichnend. Kennedy gab keine Aufträge oder Weisungen, derartige Aktivitäten künftig zu unterlassen.
Moyers: Sie sagen, daß Sie es heute für einen Fehler halten, aber zur damaligen Zeit hielten Sie es doch offenbar für gerechtfertigt?
Bissell: Ja, in der Tat.
Moyers: Warum glauben Sie jetzt, daß es ein Fehler war?
Bissell: Vor allem weil ich glaube, wir hätten uns nicht mit der Mafia einlassen sollen. Eine Organisation, die das tut, gefährdet die Sicherheit ihrer eigenen Informationen. Wir hätten, glaube ich, fürchten müssen, erpreßbar zu werden.
Moyers: Wenn ich Sie recht verstehe, stört Sie vor allem die Zusammenarbeit mit der Mafia, aber nicht die Notwendigkeit oder die Entscheidung, einen fremden Staatsmann zu ermorden.
Bissell: Richtig.
Moyers: Wirklich gar keine Zweifel im nachhinein?
Bissell: Nein, keine ernsthaften. Aus der Zeit heraus, da diese Entscheidungen getroffen wurden, habe ich allenfalls einen Zweifel oder einen Vorbehalt. Ich bin der Überzeugung, daß eine solche Aktion nur unternommen werden sollte, wenn sie in tiefster, auf alle Ewigkeit nicht zu brechender Geheimhaltung durchgeführt werden kann.
Moyers: Sie ist also in Ordnung, wenn sie nicht aufgedeckt wird?
Bissell: Nie aufgedeckt, und es darf nicht einmal der Verdacht aufkommen.
Moyers: Journalisten fragten Kennedy (im Sommer 1962 - horizont), was an Gerüchten über eine neue Offensive gegen die Insel sei. Kennedy antwortete: "Ich bin nicht dafür, Kuba zu diesem Zeitpunkt zu besetzen. Diese Worte sind in keiner Weise zweideutig gemeint. Ich glaube, eine Invasion Kubas wäre ein Fehler." Heute können wir die Ironie in den Sätzen des Präsidenten verstehen. Er brauchte sich nicht der Marinesoldaten zu bedienen, um Castro loszuwerden. Er hatte bereits die CIA damit beauftragt.
Moyers: Der demokratische Senator Robert Morgan aus Nordkarolina gehörte 18 Monate lang einem Senatsuntersuchungsausschuß an, der sich mit den Attentatsversuchen der CIA gegen Castro beschäftigte. Senator, was haben Sie dabei erfahren?
Morgan: Ich hörte Dinge, die in der ganzen Welt passiert sind, die von unserem Lande ausgingen und für mich schockierend waren: Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, sie könnten passieren, außer in Kriegszeiten.
Crile: Gab es zu der Zeit, als Kennedy ermordet wurde, noch Einsätze gegen Kuba?
Gray: Nach der Ermordung gab es nur einen, und dieser war vor der Ermordung genehmigt worden. Unter Johnson wandelten sich die Operationen zu reinen Geheimdiensteinsätzen.
Crile: Wie war es zu der Zeit, als Kennedy ermordet wurde?
Martinez: Ich kam von einem Einsatz von Kuba zurück und bekam in Marquesa von einem Versorgungsboot neuen Treibstoff, als ich von dem Mord erfuhr. Das war wirklich ein harter Schlag für mich, weil wir in Kennedy große Hoffnungen gesetzt hatten. Und wir wußten, daß genau zu der Zeit, als Kennedy getötet wurde, eine der größten Operationen, ein Kommandoangriff gegen Kuba, kurz bevorstand.
Moyers: Der geheime Krieg endete nicht am 22. November 1963, aber er begann allmählich abzuklingen.
An die Stelle von Kuba trat Vietnam als Hauptbeschäftigung des Weißen Hauses. Die C!A hatte nun nicht mehr den Auftrag, Castro zu stürzen. Sie sollte verhindern, daß sich die kubanische Revolution über Lateinamerika ausbreitete.
Hunderte von Exilagenten waren damit beschäftigt, viele wurden quer durch Lateinamerika geschickt. Zwei halfen bei der tödlichen Jagd auf Ch& Guevara in den Bergen von Bolivien.
Im Jahre 1967 beendete das Weiße Haus schließlich den geheimen Krieg der CIA. Die Agentur schloß ihre riesige Niederlassung in Miami und entließ fast alle alten Söldner.
Die CIA stand wieder einmal vor dem Problem: Was sollte sie mit ihren hochtrainierten und motivierten Agenten tun? Viele würden sich dem Terrorismus zuwenden, aber zunächst ‚heuerten einige in einer neuen geheimen Armee an - die diesmal nicht zum Kampf in Havanna, sondern in der Hauptstadt unserer eigenen Nation eingesetzt werden sollte.
In der Nacht des 17. Juni 1972 kam der geheime Krieg gegen Kuba ganz offen nach Amerika zurück. Vier der sieben Männer, die in den Watergate-Komplex in Washington einbrachen, waren Exilkubaner, die als Söldner in der geheimen Armee gegen Fidel Castro gedient hatten. Sie waren von Howard Hunt für eine geheime Kampagne angeheuert worden. Der Watergate-Einbruch war nur eine Aktion dieses neuen geheimen Krieges.
Bernard Barker ist jetzt Müllwerker in der Stadt Miami. Vor den Ereignissen in der Schweinebucht war er Howard Hunts rechte Hand und für die Anwerbung von Exilkubanern für die Invasion zuständig. Zehn Jahre später holte Hunt ihn wegen Watergate aus dem Ruhestand.
Barker: Ich war einer der ganz wenigen, die wußten, daß Howard Hunt "Eduardo" war. Eduardo war ein fast mythischer Name. Eduardo war der Mann, der für die CIA in diesem Gebiet zuständig war. Wenn man "Eduardo" sagte, dann nannte man das Schlüsselwort für alles, was Kuba betraf.
Moyers: Was haben Sie Colson (Berater des früheren Präsidenten Nixon – horizont) und den anderen im Weißen Haus über die Kubaner erzählt, die Sie anzuwerben versuchten?
Hunt: Ich sagte ihnen ganz einfach, dies seien Männer, die CIA-Erfahrung hätten, besonders in geheimer Arbeit, die zuverlässig seien, sehr loyal gegenüber den Vereinigten Staaten, und auf die man sich verlassen könne.
Moyers: Einige von ihnen haben uns gesagt, sie glaubten, das, was sie taten, habe in der Tot mit dem Sturz Castros zu tun gehabt. Was haben Sie ihnen davon erzählt?
Hunt: Nun, ich habe ihnen sicher überhaupt nichts Derartiges gesagt. Sie hatten angenommen, daß auf Grund meiner Position im Weißen Haus, auf Grund der Tatsache, daß ich ein leitender Geheimdienstoffizier war und in der Vergangenheit eng mit ihnen zusammengearbeitet hatte, ich nun so etwas wie ein enger Vertrauter sei.
Crile: (wendet sich an Barker) Sie haben mir einmal etwas von einer sehr emotionellen Begegnung erzählt, die Sie mit Howard hatten, einige Monate nachdem er zum erstenmal nach Miami gekommen war, und in welcher er erwähnte, Sie würden wieder gebraucht.
Barker: O ja, denn das war wohl einer der größten Augenblicke, an die ich mich in diesem Zusammenhang erinnern kann. Sehen Sie, es war zehn Jahre nach der Invasion, vielleicht fünf oder sechs Jahre, nachdem ich das letztemal im Einsatz gewesen war. Howard kam vor Washington und sagte: "Nun, Bernie, wir haben uns über alles mögliche unterhalten. Und ich habe da einiges, das ich Ihnen erzählen möchte...
Wir schaffen auf der Ebene des Weißen Hauses eine Art Superbehörde, über dem FBI und der CIA. Das ist ein ... Sie werden für die nationale Sicherheit arbeiten."
Moyers: Hunt hatte begonnen, mit G. Gordon Liddy von der Klempnertruppe im Weißen Haus zu arbeiten. Er veranlaßte Barker, daß er ihn im Executive Office Building aufsuchte. Und in kurzer Zeit stellte Barker für ihn eine kleine geheime Armee zusammen, die bereit und darauf erpicht war, unter dem Codenamen "Diamond" verschiedene heikle Operationen durchzuführen.
Crile: Wie viele brachten Sie für die Operation "Diamond" zusammen?
Barker: Oh, ungefähr 120.
Crile: Hatten die meisten dieser Leute CIA-Erfahrung?
Barker: Alle. Alle standen irgendwann einmal oder stehen zumindest jetzt mit der CIA in Verbindung.
Moyers: Als Bernard Barker vor dem Watergate-Ausschuß des Senats seine Zeugenaussage machte, dachten die Ermittlungsbeamten, an dem Skandal sei nur eine Handvoll Kubaner beteiligt gewesen. Jetzt hat er uns soeben berichtet, nicht weniger als 120 CIA-Veteranen seien angeworben worden,
Crile: Was für Aufträge konnten die "Diamond"-Leute durchführen?
Barker: Aufträge jeder Art. Erinnern Sie sich, wir haben hier in Miami jede Menge ausgebildete Leute, die für eine Revolution nötig sind. Wenn Sie Leute brauchen, die hervorragend mit Sprengstoffen umgehen können, wir haben sie. Wenn Sie Waffenspezialisten brauchen, wir hoben sie. Sagen Sie, was Sie brauchen, hier in Miami bekommen Sie alles.
Moyers: Haben die Leute von "Diamond" politische Kidnappings vorbereitet?
Barker: Das Wort Kidnapping klingt mir zu sehr nach Strafgesetz. Erinnern Sie sich doch bitte, ich bin ein CIA-Agent, habe also CIA-Hintergrund. Wir sind es gewohnt, diese Dinge neutraler auszudrücken. Wir denken nicht in Begriffen wie Kidnapping. Wir denken nicht in strafrechtlichen Begriffen. Für uns ist es ein Fall, eine Fallstudie. Was Sie Einbruch nennen, nenne ich erschlichenen Zugang - und das ist genau der Unterschied zwischen dem, was Sie sagen und was ich sage.
Moyers: Barkers Interpretation von Legalität stammt nicht von ihm selbst, sondern von seinem CIA-Mentor. Bei dieser Geisteshaltung mußte jede Aktion uls gerechtfertigt erscheinen, wenn man nur Gründe der nationalen Sicherheit anführen konnte oder sie zumindest zu den Traditionen der CIA gehörten. So folgten Barker und die anderen jenem "Eduardo" in die politischen Operationen gegen Gegner des Weißen Hauses.
Den Einbruch in das Büro des Psychiaters von Daniel Ellsberg: Hunt brauchte ihnen nur zu erzählen, daß Ellsberg wichtige Informationen an die Russen verrate.
Die Aktion gegen Ellsberg und andere bei einer Anti-Vietnam-Demonstration vor dem Kapitol: Hunt brauchte ihnen nur zu sagen, daß die Demonstranten vorhatten, den Sarg J. Edgar Hoovers (des FBl-Chefs) zu entweihen.
Und schließlich der Einbruch ins Watergate-Hotel: Hunt brauchte ihnen nur zu erzählen, sie würden Papiere finden, die bewiesen, daß Castro die Präsidentschaftskampagne George McGoverns mit Geld unterstütze.
Doch die Geheimarmee wurde nach Watergate nicht aufgelöst. Es gab sogar Pläne, den lästigen Publizisten Jack Anderson mundtot zu machen, dem man eine LSD-Lösung auf das Lenkrad seines Wagens sprühen wollte. Und das Störkomplott beim Parteitag der Demokraten. Barker hatte seine Abhörspezialisten alarmiert, Radaubrüder und sogar eine Hippiegruppe, die der Partei durch unzüchtiges Auftreten schaden sollten.
Martinez: Da hatte ich, ein Kubaner, in Kontakt mit der Navy, mit der Küstenwacht, dem FBl, der CIA, mit allen, zumindest den höheren Führungsorganen dieses Landes, gelobt vom Präsidenten dieses Landes, von Kennedy, versucht, eine Sache durchzufechten im Vertrauen auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten. Nach Jahren blinden Vertrauens, nach all den Gefahren, waren wir schließlich bei Watergate gelandet, das uns als Höhepunkt all unserer Anstrengungen erschien — eine Arbeit unter direkter Leitung des Weißen Hauses, der höchsten Autorität in diesem Land. Und plötzlich fand ich mich im Gefängnis, wie ein Verbrecher. Meine Familie als Leidtragende, und ich an meinen Prinzipien zweifelnd. Wem sollte ich trauen? Zu wem sollte ich loyal sein? Ich, ein Kubaner.
Moyers: Als dieser Mann am Strand der Schweinebucht landete, nannten ihn die Amerikaner noch einen "Freiheitskämpfer" Heute ist er ein Outlaw (Gesetzesbrecher - horizont), gejagt von der gleichen Regierung, die ihn einst angeworben, ausgebildet und bewaffnet hatte - für den heimlichen Krieg der CIA gegen Kuba.
Wir haben davon gesprochen, daß frühere CIA-Führungsoffiziere auch heute‘ noch Terroristen beraten. Wir fragten. die CIA danach, ober sie weigerte sich, zu irgendeinem Aspekt dieser Sendung Stellung zu nehmen.
Diese Männer in den geheimen Waffenlagern in Miami sind ein Anachronismus für jedermann, ausgenommen sie selbst.
Am Labor Day 1976 versammelten sich die Veteranen des geheimen Krieges in aller Öffentlichkeit. Nach außen hin ist nichts Bedrohliches an dem Treffen in der Baptistenkirche in Little Havana, die zu einem Gemeindezentrum umfunktioniert worden Ist.
Dabei sind Grayston Lynch und seine Frau. Er ist einer der Ehrengäste. Jener CIA-Führungsoffizier, der die Kubaner in der Schweinebucht anführte. Rechts neben ihm Rolando Martinez, nach 15 Monaten Gefängnis für Watergate jetzt wieder zu Hause. Heute begleitet er seinen alten Vorgesetzten und Freund zum Wiedersehenstreffen.
Dies ist das erstemal, daß die Schweinebucht-Brigade ein politisches Treffen veranstaltet. Die CIA-Veteranen sind nicht allein. Auch Claude Pepper, der Kongreßabgeordnete dieses Distrikts seit 14 Jahren, ist anwesend.
Denn die Brigade ist die einzige Organisation, die unter den 500 000 Exilkubanern in Miami uneingeschränkten Respekt genießt.
Der Bürgermeister der Stadt wie auch ein Kandidat für den Kongreß werden teilnehmen.
Armando López Estrada ist einer der Organisatoren des Treffens - ein führender Terrorist, jetzt gewählt als militärischer Führer der Brigade.
Eine Polizeieskorte geleitet die Ehrengäste. Obwohl die Reden schon begonnen haben, wartet noch eine Delegation draußen, um den alten Freund und Verbündeten, General Anastasio Somoza, zu begrüßen – den ältesten Verbündeten der CIA in der Karibik, den Diktator von Nikaragua. Es war Nikaragua, von wo aus die geheime CIA-Armee 1961 zur Schweinebucht aufbrach. Von dort aus wurde 1964 auch ein von der CIA finanziertes 300 Mann starkes Kommandounternehmen gestartet.
Jetzt orientieren sich die Exilkubaner nach Nikaragua - zu General Somoza, dem Erzfeind Castros. Wir fragten General Somoza, welche Unterstützung er ihnen anzubieten hat.
Crile: Waffen?
Somoza: Ich würde nicht spezifizieren was, ober ich würde es nicht ausschließen.
Crile: Sichere Zuflucht? Diplomatenpässe?
Somoza: Well, ich muß schon sagen, Sie fragen mich hier, als ob Sie mich einem Polizeiverhör unterzögen. Sie müssen verstehen, wie Regierungen Leute unterstützen können.
Crile: Jede Art von Unterstützung?
Somoza: Bis zu einem gewissen Umfang - soweit es im nationalen Interesse Nikaraguas liegt.
Moyers: Wir wissen nicht, welche Unterstützung General Somoza anbot. Was wir aber mit Sicherheit wissen, ist, daß die Brigade nach Miami berufen wurde, im Rahmen eines ehrgeizigen, schon aus dem Sommer dotierenden Plans, um die Basis für einen Untergrundkrieg zu verbreitern. Das Ganze begann, als sich die Repräsentanten von verschiedenen Untergrundorganisationen in der Dominikanischen Republik trafen, um eine neue Offensive gegen Castro zu verabreden.
Sie beschlossen, ihre Anstrengungen zu vereinen und bei künftigen Attacken unter dem gemeinsamen Namen Coru zu firmieren.
Crile: Vor kurzem gab es Bombenanschläge auf kubanische Konsulate und Botschaften im Ausland sowie Attentate auf kubanische Diplomaten. Zählt das auch zu den Aktivitäten der Coru?
Estrada: Ja.
Moyers: Im Juli vergangenen Jahres wurde in Mexiko ein kubanischer Beamter von der Coru umgebracht. Zwei Exilkubaner in Miami, beides Coru-Mitglieder, kamen ins Gefängnis.
Crile: Zwei ihrer Leute sind im Gefängnis. Was können Sie für sie tun?
Estrada: Viel. Ich will Ihnen nicht verraten, was wir vorhaben, aber ich bin ganz sicher, daß unsere beiden Mitglieder schon bald wieder auf freiem Fuß sein werden.
Moyers: Nachdem dieses Interview geführt wurde organisierte die Coru die Flucht von einem der beiden.
Die alte Geheimarmee der CIA behauptete von sich selbst, eine Regierung unter Waffen zu sein. Ihre Führer kündigten an, die Brigade werde nun an dem von der Coru geführten Krieg teilnehmen. Zu diesem Krieg gehörten bereits Entführungen und Mordanschläge auf kubanische Beamte. Nach der ersten Coru-Konferenz ober planten die Terroristen einen besonders spektakulären Anschlag.
Sie beschlossen, das Gesicht Kubas, wie sie es nannten, zu zerschmettern: eine kubanische Düsenverkehrsmaschine vom Himmel zu holen.
Am 6. Oktober (1976 - horizont) bestiegen 73 Passagiere die Maschine des Air-Cubana-Fluges 455 von Barbados nach Havanna. An Bord waren die kubanische Fechtnationalmannschaft sowie Delegationen aus Guyana und Nordkorea. Die übrigen Fluggäste waren kubanische Staatsbürger - Durchschnittsalter 30 Jahre. Minuten noch dem Start detonierte eine Bombe.
Alle 73 kamen ums Leben. Nur acht Leichen konnten geborgen werden.
aus: horizont Nr. 37 1977 — Nr. 38/1977
Informationsdienst der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, 4-1977