Am 9.9. dieses Jahres fuhren 32 Teilnehmer der Brigade José Martí, zusammengesetzt vom Vorstand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba und bestehend aus Mitgliedern der verschiedensten politischen Organisationen bei uns in der Bundesrepublik, mit der Iljuschin 62 ab Berlin-Schönefeld über Gander, Neufundland, nach Havanna. Die Beteiligung an dieser europäischen Brigade ist in unserer Freundschaftsgesellschaft schon fast zu einer Tradition geworden, denn dieses Jahr war es bereits das dritte Mal, daß Brigadisten zum Arbeitseinsatz nach Kuba fuhren. Neben der Bundesrepublik beteiligten sich noch die Länder Belgien, Österreich, Schweiz, Westberlin, Holland, Spanien, Portugal, Italien und San Marino.
Nach der Landung in Havanna wurden wir von unseren kubanischen Freunden ungeheuer herzlich begrüßt mit Musik und den nirgendwo fehlenden rhythmischen Klängen der Congas, so daß selbst die verschlafendsten Brigadisten mitgerissen wurden und wir singend, klatschend und tanzend im Campamento Julio Antonio Mella einzogen, wo wir die nächsten vier Wochen unseres Aufenthalts in Kuba wohnen sollten. Uns alle überwältigte die ungeheure Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Kubaner, man fand sofort zu allen Kontakt und tief beeindruckt hat alle, daß dort alle verschiedenen Hautfarben gleichberechtigt nebeneinander lebten und arbeiteten.
Das Campamento besteht aus vielen großen Holzschlafbaracken, wo wir in Doppelstockbetten zu ca. 60 Mann in einer Baracke unter unserem Moskitonetz schliefen, dann gab es Duschräume, die sich hinter den Baracken anschlossen. Das Campamento faßt etwas über 200 Mann und wurde von unserer europäischen Brigade voll ausgebucht, denn wir waren insgesamt 195 Teilnehmer. Zum Campamento gehören weiterhin ein großer Speisesaal, ein Konferenzsaal, ein großes Sportgelände zum Fußball- und Volleyballspiel, Tischtennisräume, eine Disco, ein Friseur, eine Wäscherei, eine Wäscheausgabe für Arbeitssachen und eine Bibliothek. Diese ganzen Einrichtungen konnten von uns kostenlos genutzt werden, und, nicht zu vergessen, es gab eine Bar "La Piragua" und einen großen Versammlungsplatz für Kulturveranstaltungen und Feten.
Unser Aufenthalt in Kuba war so gestaltet, daß wir drei Wochen beim Aufbau von Wohnungen halfen, abends Vorträge über Kuba hörten und anschließend bei einer Rundreise durch das Land die Praxis des sozialistischen Kuba kennenlernten.
Doch zunächst begann unsere Arbeit auf der Baustelle in Ariguanabo, einem kleinen Dorf ca. 40 km von Havanna entfernt, wo 23 Wohnblocks für die Arbeiter einer naheliegenden Textilfabrik erstellt werden sollen. (6 Wohnblocks mit insgesamt 36 Wohnungen pro Block sind durch bisherige Brigaden und die Mikrobrigaden des Textilbetriebs bereits fertiggestellt. Eine Mikrobrigade umfaßt 33 Mann, die aus dem Textilbetrieb kommen und für 5 Jahre von ihrer Arbeit im Betrieb freigestellt werden, d.h. die anderen Arbeiter des Betriebes machen ihre Arbeit mit und die Mikrobrigadisten erbauen dafür Häuser für die Arbeiter des Betriebes. Zu jedem Bauprojekt gibt es dann von der Desa, das ist die kubanische Bauleitung, Fachkräfte und Spezialisten zur Anleitung.
Unsere Arbeit bestand hauptsächlich darin, im Rohbau Wände mit Grob- und Feinputz zu versehen, natürlich mußte der Beton dafür von uns gemischt werden, wir haben auch noch einige Wände mauern müssen, Betonplatten gegossen, Sand geschaufelt, bis wir dachten, wir kriegten unseren Rücken nicht mehr gerade, und Wände gekalkt, daß einige von uns schon fast genauso weiß bekleckert waren, wie die Wände und Decken gestrichen. Die Arbeit war für alle von uns ganz schön anstrengend, denn nur die wenigsten von uns hatten vorher schon einmal auf einer Baustelle eine solche Arbeit verrichtet und eben überhaupt keine Bauerfahrung. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, vor allen Dingen das morgendliche Aufstehen um 5.45 h schaffte alle, hatten sich alle eingewöhnt und den meisten machte die Arbeit auch richtig Spaß. Wir haben jeden Tag 8 Stunden auf der Baustelle gearbeitet und um 17.30 h ging es zurück ins Campamento, wo dann fast jeden Abend noch Filme gezeigt oder Vorträge gehalten wurden. Nach unserem dreiwöchigen Arbeitseinsatz waren wir alle sehr stolz, daß sich unsere Arbeit als große Hilfe für die Kubaner herausstellte. Wir hatten ein Plansoll von 75.300 Pesos und haben 87.429 Pesos geschafft. Das hieß für uns konkret eine Planerfüllung von 116 %.
Neben der Arbeit wurden abends Vorträge gehalten zu Themen wie: Jose Marti, zum Erziehungswesen in Kuba, zu Wirtschaftsfragen, zur Poder Popular (Volksmacht), zum kubanischen Gesundheitswesen, zur Arbeiterbewegung und Außenpolitik. Einen Tag in der Woche, entweder den Dienstag oder Mittwoch, hatten wir frei, d.h. er war eingeplant für Besichtigungen und Aussprachen, zum Beispiel haben wir das Neubauviertel Alamar besucht, das so ausgebaut werden soll, daß dort 125.000 Kubaner leben und arbeiten sollen, also eine neue Stadt neben Havanna, direkt am Meer. Wir haben einen Fischereihafen, eine Tabakfabrik, eine Kunstschule, die Leninschule mit 4.500 Studenten, die Salvador-Allende-Schule, eine Pädagogische Hochschule mit 6.500 Schülern und Studenten besucht. Sehr beeindruckt waren alle von der psychiatrischen Klinik in Havanna, die mit ihren Therapien und ihrer ganzen Anlage selbst für uns in den westeuropäischen Ländern ein Beispiel abgibt.
Zwischendurch hatten wir auch die Möglichkeit, eine Veranstaltung im Karl-Marx-Theater zu besuchen (dort hat der 1. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas stattgefunden) und ein Konzert einer kubanischen Experimentalgruppe "Sonora del ICAIC". Wir besuchten das Erholungszentrum für Arbeiter in der Provinz Pinar del Rio "Soroa", was in einer herrlichen Landschaft zwischen Hügeln und Palmen liegt, wo wir dann auch einen ganzen Tag ausspannen konnten und uns ein wenig von der Arbeit erholten. Auch haben wir den herrlichen Strand von Santa Maria de la Mar kennengelernt, und man kriegte uns gerade noch zum Essen aus dem Wasser.
Wir haben auch eine Landgemeinde in Jibacoa besucht, wo sich die Kleinbauern zum größten Teil schon zu einer Kooperative zusammengeschlossen haben, obwohl ein Teil noch bis zu 67 ha Privatbesitz hat und auch noch nebenbei bewirtschaftet. Das Ziel ist es allerdings, alle in der Kooperative zusammenzuschließen, da dann für die Kubaner ein ökonomisch höherer Nutzen entsteht, und man sieht die momentanen Maßnahmen nur als Zwischenstufe an. Besucht haben wir natürlich auch die daran angeschlossene Rinderzuchtfarm mit über 4.000 Mastbullen.
Am 27. 9. abends fuhren wir in ein kleines Dorf (Bauta) in der Nähe unseres Campamentos, um mit der Bevölkerung den 17. Jahrestag der Gründung des Comitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) zu feiern. überall auf den Straßen, selbst im abgelegensten Dorf, wurde gefeiert, die einzelnen Brigadisten haben sich verteilt im Dorf und jeder mit einer anderen Familie gefeiert, diskutiert und getrunken und getanzt und um 24.00 h gab es ein kleines Feuerwerk, und wir haben zusammen die kubanische Nationalhymne gesungen.
Höhepunkt für uns alle war am nächsten Tag eine Massenveranstaltung auf dem Plaza de la Revolucion mit 1 Million Besuchern und einer Rede von Fidel Castro zum 17. Jahrestag der Gründung der CDR's und zum Abschluß des 1. CDR-Kongresses. Überwältigt von den begeisterten Massen, von der echten Volksbewegung, von der Rede Fidels, die er in einfachen Worten gehalten hat, mit seiner ungeheuren Gestik, die alle auf dem Platz mitriß, - aufgekratzt und gleichzeitig todmüde fuhren wir zurück ins Campamento und diskutierten über die Probleme, die Fidel in seiner Rede angesprochen hat, natürlich war neben ökonomischen und außenpolitischen Problemen eines mit das wichtigste, die Vorbereitung des Festivals im nächsten Jahr, und das war natürlich eine Sache, die auch uns alle beschäftigte.
Auffallend war bei unseren ganzen Besichtigungen, daß ganz Kuba, egal wo man war, schon unter dem Zeichen der XI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten stand. Überall sah man die Festivalblume, womit die einzelnen Häuser geschmückt waren, es gab in den Straßen Bazare, wo Kunstgewerbe und andere Artikel zugunsten des Festival fonds verkauft wurden; wir selbst haben ein Konzert besucht, dessen Reinerlös voll dem Festivalfonds zur Verfügung gestellt wurde.
Auf Initiative der Brigade wurde ein Festivalbazar durchgeführt, wo mitgebrachte Geschenke zum Reinerlös für den Fonds verkauft wurden, so daß wir beim Besuch der Ständigen Kommission zur Vorbereitung der XI. Weltfestspiele in unserem Campamento den Freunden 1.685 Pesos überreichen konnten.
Die Brigade aus der Bundesrepublik hatte als Brigadegeschenk unter den Brigadisten gesammelt und mit Unterstützung des Vorstands der Freundschaftsgesellschaft konnten wir dem Festivalkomitee noch einmal 1.000,-- Dollar überreichen.
Auf dem Plaza de la Revolucion haben wir von einem Kubaner eine Festivalfahne geschenkt bekommen, haben am nächsten Tag bei den Mitgliedern der Ständigen Kommission Unterschriften gesammelt und diese Fahne mit in die Bundesrepublik gebracht. Ich möchte sie hiermit dem Vertreter des Arbeitskreis Festival, Claus Proft, übergeben, daß sie für Veranstaltungen zur Vorbereitung des Festivals hier in der Bundesrepublik genutzt wird und natürlich erwarten die Kubaner von uns, daß wir sie im nächsten Jahr zu den Weltfestspielen wieder mit nach Kuba bringen.
Nach unserem dreiwöchigen Arbeitseinsatz blieb uns leider nur noch eine koche für die Rundreise. Nach langen Spekulationen, was nun passieren sollte, in welche Provinz wir nun fahren, überraschten uns die Kubaner mit einer Schiffsreise von Havanna zur Isla de Pinos, der Insel der Jugend Kubas, wo es allein 40 Schulen, 32 Sekundarschulen und acht Voruniversitäten gibt. Wir haben auf der Insel das Presidio Modelo besucht, das Gefängnis, in dem Fidel mit den anderen Moncada-Kämpfern gefangengehalten wurde bis zu seiner Amnestie.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Bus in die Provinz Villa Clara, die frühere Provinz Las Villas, wo wir in einem wunderschönen Hotel ("Hanabanilla") an einem Stausee untergebracht waren. Als Einstieg hörten wir einen Vortrag über die geografische Lage und die verschiedenen Wirtschaftszweige der Provinz, über die Arbeit der Poder Popular (Volksmacht) in dieser Provinz und besuchten auch die Schwerpunktbetriebe wie einen Zuckerhafen, es gibt allein in der Provinz 11 Zuckermühlen, eine Zementfabrik und eine Fabrik, in der Elektroartikel, angefangen vom Schnellkochtopf bis zum Kühlschrank hergestellt werden. Zum Abschluß besuchten wir die Universität von Santa Clara, wo allein 6.500 Studenten die Möglichkeit haben zu studieren, und anschließend wurden wir von den Jungen Pionieren von Santa Clara in ihrem Pionierpalast mit einem Kulturprogramm empfangen, wo sie selbstgemachte Gedichte vortrugen, Lieder sangen und versuchten, uns einen Einblick in ihre Arbeit zu geben, indem sie Ballett tanzten, Judo machten, Schach spielten und uns von ihrer Arbeit in den verschiedenen Arbeitszirkeln berichteten. Schwerpunkt ihrer nächsten Arbeit ist natürlich auch die Vorbereitung der Weltfestspiele für sie, wofür sie basteln und den Reinerlös der verkauften Sachen dem Festivalfonds zur Verfügung stellen. Verabschiedet wurden wir mit dem Lied der Weltjugend und gleichzeitig recht herzlich eingeladen, zu den Weltfestspielen wieder nach Kuba zu kommen.
Die 4 Wochen in Kuba sind leider viel zu schnell vergangen. Die Zeit war zu kurz, um alles kennenzulernen, um die Freundschaft zu unseren kubanischen Freunden enger zu knüpfen, obwohl wir mit ihnen einen breiten Meinungsaustausch hatten und den Kampf des kubanischen Volkes kennengelernt haben. Den Kampf Kubas gegen den amerikanischen Imperialismus, die ungeheuren Leistungen des Volkes zur Verteidigung ihres Vaterlandes, genauso, wie auch Vietnam gegen den amerikanischen Imperialismus kämpfte und heute Angola. Deshalb ist Kubas Hilfe für Angola ein Akt des proletarischen Internationalismus und sie würden jedem helfen, der sie um Hilfe zur Verteidigung ihres Vaterlandes bittet.
Wir haben in unseren kubanischen Freunden Menschen kennengelernt und ihre revolutionäre Liebe zum Vaterland und den Freunden Kubas, wie sie uns vorher noch nicht begegnet ist. Man erlebt in Kuba etwas, was bei uns in Westeuropa leider eine Seltenheit ist, nämlich eine unzertrennliche Freundschaft und Verbundenheit zu den sozialistischen Staaten, vor allem zur Sowjetunion, die einen wesentlichen Anteil am Aufbau des Sozialismus in Kuba hat. An allen größeren Plätzen und Straßen findet man Plakattafeln, die den 60. Jahrestag der Oktoberrevolution ankündigen. Wie tief das revolutionäre Bewußtsein im kubanischen Volk verankert ist, ist schon optisch ersichtlich an den vielen Bildern revolutionärer Führer, José Martí, Che, Fidel, Camilo Cienfuegos, die fast an jedem Haus, ob ein öffentliches Gebäude, der Lebensmittelladen oder ein alter Bohio, hängen.
Wir haben mit eigenen Augen die neue Sonne über Kuba aufgehen sehen, eine Sonne, die genauso für die arbeitende Bevölkerung, wie für die Intelligenz in Kuba scheint, über dem Zuckerrohr wie über den Schulen und Hospitälern.
Wir haben neben der ungeheuren und für die Kubaner selbstverständlichen Gastfreundschaft und ihrer Herzlichkeit auch die Menschlichkeit in diesem Land gespürt und eine Freiheit, die nicht abstrakt ist, wo die Würde des Menschen unangetastet ist und jeder in Frieden leben kann.
Wir haben mit unserer Arbeit in Kuba einen Beitrag zur internationalen Solidarität leisten wollen, sind nach Kuba gekommen und haben erst einmal richtig gespürt, was Solidarität ist.
Für all das, was wir erlebt und kennengelernt haben, möchte ich mich im Namen der Brigade noch einmal bei unseren kubanischen Freunden recht herzlich bedanken.
Wir werden unsere Erfahrungen verbreiten, helfen, die Vorurteile über Kuba abzubauen und ihnen unsere Eindrücke und Erfahrungen entgegenstellen.
Wir werden mithelfen an der aktiven Vorbereitung der XI. Weltfestspiele hier in unserem Land, jeder an seinem Ort in den örtlichen Festivalkomitees, und die Erfahrungen gerade auch der guten Zusammenarbeit der verschiedenen politischen Richtungen in unserer Brigade sind uns Ansporn, die verschiedensten politischen Probleme gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam anzugehen, denn gemeinsam sind wir stark.
Vorwärts zu den XI. Weltfestspielen der Jugend und Studenten '78 in Havanna.
VIVA CUBA.
VENCEREMOS.
Ulla Puttmann
Informationsdienst der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, 4-1977