Zur Lage der Frau in Kuba

Interview mit Carolina Agila, Mitglied des Zentralrats der kubanischen Frauenorganisation FMC/ Federacion de Mujeres Cubanas. Havanna, im Juli 1976.

Verfolgen wir die Kuba-Berichterstattung westdeutscher Massenmedien, so wird uns in den letzten Monaten das Bild eines Landes vermittelt, das mehr einem hochgerüsteten Flugzeugträger, denn einer Karibik-Insel mit völlig normalen Menschen gleicht. Selten oder nie hören wir etwas über das nichtmilitärische Kuba, selten etwas über seinen Alltag, seine Menschen, nie etwas über seine Leistungen. Also immer noch Kuba-Blockade, wenn auch hier nur im Informationsbereich.

Dabei kann sich Kubas Erfolgsbilanz sehen lassen: der Aufbau seiner sozialistischen Wirtschaft schreitet weiter voran, Hunger, Wohnungsnot, Seuchen und Analphabetentum sind längst beseitigt.

In Havanna sprach ich mit Carolina Agila über den Anteil, den die kubanischen Frauen beim Aufbau des Landes leisteten. Carolina Agila gibt Kubas einzige Frauenzeitschrift heraus, die den schlichten Namen 'mujeres' – 'Frauen' trägt. 'mujeres' wird in Millionenauflage von der Frauenorganisation Kubas gedruckt und verbreitet. Ich bat Carolina Agila zunächst, uns diese Organisation einmal vorzustellen:

"Die Aufgabe unserer Frauenorganisation ist es, die kubanische Frau politisch, technisch, kulturell und ideologisch zu erziehen. Wir haben das Ziel, ihr die volle Eingliederung in die sozialistische Gesellschaft zu erleichtern, damit sie zusammen mit allen anderen Teilen des kubanischen Volkes den Sozialismus aufbauen kann. Die kubanische Frauenorganisation FMC ist die einzige Massenorganisation der revolutionären Frauen. unseres Landes, Sie hat inzwischen mehr als zwei Millionen Mitglieder und ihre Aufgaben sind entsprechend ihrer Größe vielschichtig. Die Aufgaben liegen einmal im Sozialbereich, dann aber auch in der Erziehung, der familiären Erziehung. Und der schulischen, oder in der technischen und kulturellen Weiterbildung der Frauen.

Unsere Arbeit trägt wesentlich dazu bei, Ungleichheiten, die die Frauen bisher betrafen, auszumerzen. Die Frauenorganisation ist auf Provinzebene, auf Regionalebene, aber vor allem in den Dörfern und in den Stadtteilen organisiert. Sie ist in allen Arbeitszentren vorhanden, in Studienzentren und, wenn die Frau Arbeiterin ist, an den Arbeitsplätzen selbst. D.h. die Frau integriert sich an dem Platz in die Frauenorganisation, an dem sie wirkt. Den größten Nachdruck legen wir auf die Arbeit mit den Hausfrauen. Es gibt immer noch etwa 70 Prozent der kubanischen Frauen, die nicht in den Produktionsprozeß eingegliedert sind, die aber durch die Frauenorganisation an der gemeinsamen sozialen Aufgabe beteiligt werden. Sie wirken in tausenden Stunden freiwilliger Arbeit in der Landwirtschaft, in der Industrie, in den Dienstleistungsbetrieben oder zusammen mit den Lehrern in den Schulen, um das Bildungsniveau in unserem Land zu erhöhen. Sie arbeiten vor allem auch in den neuen Kleinbauerngemeinschaften, um die Lebensbedingungen dieser Bauern und ihrer Familien zu verbessern, Ich wiederhole: unsere Arbeit ist so gesehen sehr vielschichtig."

'Der gesellschaftliche Fortschritt läßt sich', so Karl Marx, 'exakt messen an dem der gesellschaftlichen Stellung des schönen Geschlechts.' In Kuba muß es demnach schlecht mit dem gesellschaftlichen Fortschritt aussehen, arbeiten im Produktionsprozeß doch nur ganze 30 Prozent aller kubanischen Frauen, könnte man folgern. Kuba nimmt mit diesem relativ niedrigen Prozentsatz denn auch die Schlußlichtposition unter allen sozialistischen Staaten ein. Wie es zur jetzigen Lage kam und wie sie geändert werden kann, berichtet Carolina Agila:

"Ja, der Prozentsatz ist relativ niedrig. Warum? 1958 waren doch immerhin 12 Prozent der arbeitenden Menschen Kubas Frauen, Nur, die Arbeitsleistung dieser Frauen muß untersucht werden. Erstens: etwa hunderttausend Frauen arbeiteten entweder direkt als Prostituierte oder in den diversen Etablissements des kubanischen Vergnügungslebens, Denn wie jeder wissen muß, hier auf Kuba hatten die US-Amerikaner ihre Spielhöllen, ihre Tingelschuppen und ihre Badestrände. Kuba war Wochenendziel der Yankee-Touristen, Zweitens: siebzigtausend Frauen wurden in den Haushalten beschäftigt. Sie waren die Dienerinnen der bürgerlichen Haushalte, deren Wäscherinnen, deren Köchinnen. Die wenigen Frauen, die tatsächlich im Produktionsprozeß standen, arbeiteten als Lehrerin, in der Verwaltung, also in traditionellen Frauenberufen, Es gab so gut wie keine Frauen im Technik-, Kultur- oder Wissenschaftsbereich. So gesehen muß man die genannten 30 Prozent neu betrachten, denn wenn wir die Prostituierten und Dienerinnen abziehen, waren vor der Revolution nur etwa 8 Prozent der Frauen tätig, aktiv beruflich tätig. Somit beträgt die Steigerungsrate der letzten 17 Jahre etwa 22 Prozent. Dann müssen wir vor allem betrachten, daß eines der ersten Ziele der Revolution war, die Massenarbeitslosigkeit der Männer zu beseitigen. So wurden die ersten Arbeitsplätze, die geschaffen wurden, denn auch den Männern zugedacht, denn die Männer waren es, die ohne Zweifel in jener Zeit ‘die wirtschaftliche Hauptstütze der Familie waren. In dem Bereich der Arbeitsbeschaffung und -planung hat die Frauenorganisation heute konkrete Aufgaben. Sie koordiniert sich dabei mit allen zuständigen Stellen, mit der Folge, z.B., was die technischen Kurse angeht, daß die Frauen stärker berücksichtigt werden, Unsere Organisation vertritt gegenüber der Regierung und der KP Kubas die Interessen aller Frauen. Sie hat schon erreicht, daß der Staat die weiblichen Arbeitskräfte bei seiner Planung voll einbezieht. Wieviele Frauen können entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung eingesetzt werden? Eins ist klar: die wirtschaftliche Entwicklung findet nicht in Sprüngen, sondern harmonisch und gleichmäßig statt. Insoweit sich die Wirtschaft entwickelt, insoweit wird die Frau immer stärker in den Produktionsprozeß eingegliedert werden können. Die eingangs genannten 30 Prozent der Frauen sind im Staatsbereich, in der Wirtschaft des Staates beschäftigt, ohne allerdings die Frauen einzuschließen, die in den revolutionären Streitkräften und im Innenministerium arbeiten. Dazu kommen tausende junger Mädchen, die gleichzeitig studieren und arbeiten. So sehen wir, daß die Zahl wirklich sehr relativ ist."

Die Kampagne zur Beseitigung der Prostitution in Kuba war eine der ersten großen Massenkampagnen des jungen revolutionären Staates. Mit ihr wurden Glücksspiel und Gangstertum ausgerottet. Tausende Frauen der Frauenorganisation suchten in den Jahren 1960-63 in ihrer Freizeit den Kontakt zu den Prostituierten der großen Städte, um ihnen die Eingliederung in die neue Gesellschaft zu erleichtern. Vom Umfang dieser Aufgabe gibt uns Carolina Agila einen Eindruck:

"Die Zahl der Prostituierten vor der Revolution war enorm hoch. Es gab selbstverständlich keine exakten Statistiken, aber ca. siebzigtausend Frauen übten diesen Beruf aus. Weitere dreißigtausend arbeiteten in Bars, als Animiermädchen, in allem was mit diesem Beruf zusammenhängt. Die Beseitigung der Prostitution war eine gemeinsame Aufgabe der Frauenorganisation und des Innenministeriums. Wir ‚gingen davon aus, daß der Grund für die Prostitution in unserem Land vorwiegend wirtschaftlicher Natur war. In der Ausübung dieses unglücklichen Berufsstandes waren die Frauen gekommen, die wirklich keine andere Möglichkeit sahen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es gab sonst keine Arbeit, Die Prostitution ist eine Angelegenheit gewesen, die sehr von den USA aus vorangetrieben wurde. Von dort aus wurden hier Stundenhotels, Spielsalons, die verschiedenartigsten Zentren, z.B. Drogenzentren, betrieben, Zentren der Gangster, der Mafia, der Vereinigten Staaten, die allesamt hier Besitztümer in Kuba hatten. Die erste Maßnahme, die die revolutionäre Regierung in Hinsicht auf diese armen Frauen ergriff, war, ihnen Arbeit zu verschaffen. Und in dem Moment, wo sie Wege sahen zu arbeiten, 'sich weiterzubilden, fügten sie sich in die neue Gesellschaft ein.

Wir können sagen, daß in der Tat dieser Prozeß sehr viel kürzer war, als wir am Anfang gedacht hatten, Denn diejenigen, die wirklich von dem Milieu angesteckt waren, emigrierten schleunigst und arbeiten heute weiter in ihrem Beruf: in Miami, Alle anderen Frauen, die Frauen, die aus ländlichen Gebieten kamen, aus Bauernfamilien, die wirklich in die Städte kamen, um den Hunger zu stillen, hatten keine Chance Arbeit zu finden und kamen so zur Prostitution, Ebenso junge Frauen aus’ Arbeiterfamilien, die gar keine Wahl hatten, Wir kümmerten uns dann vor allem um das Problem ihrer Weiterbildung, Wir eröffneten Schulen, Kunstschulen und Handwerksschulen mit verschiedenen Arbeitsbereichen. Dann schufen wir die Bedingungen, sie in den Arbeitsprozeß neu einzugliedern. Heute arbeiten sie z.B. als Taxifahrer, dann aber auch in der Industrie, in der Technik, Im Augenblick kann man wirklich sagen, daß die Prostitution in unserem Lande vollständig beseitigt ist. Die Zahl der Prostituierten ist heute so minimal. Ich möchte so sagen: die Prostitution als soziales Problem in Kuba existiert nicht mehr, Wir wollen nicht sagen, daß es nicht einige Frauen gibt, die sich nicht dennoch diesem Beruf widmen, aber das können wir nicht als Problem bezeichnen. Diese Frage wird diskutiert, aber wir sind überzeugt, daß die Wurzel des übels beseitigt wurde."

Häufig ist in Lateinamerika vom "Machismo" die Rede, Was ist das? "Machismo"? Wenn ein deutscher Gast z. B. versuchen sollte, auf einer nächtlichen Feier mit einer verheirateten Frau zu tanzen, kann sich der "Machismo" Beispielsweise in dem Satz: "The Pergamon to Berlin, this woman here" - "Der Pergamon-Altar nach Berlin, aber diese Frau gehört hierher" äußern, den der vermeintlich gehörnte Ehemann mit angeschwollener Brust ausposaunt, Folgt ein letzter Blick der Aufgeforderten und - weg ist sie! "Machismo" existiert in allen amerikanischen Ländern mit ehemals oder immer noch mächtigen katholischen Kirchen und ihren erzkonservativen Dogmen. "Machismo" wird am besten mit "Männlichkeitsgehabe" Übersetzt, Auch 17 Jahre Revolution in Kuba haben ihn bislang nicht restlos aus dem Land verbannen können, Carolina Agila erklärt, warum nicht:

"Der Machismo ist der Ausdruck der Zweitrangigkeit der Rolle, die die Frau in der Gesellschaft spielte und der Vorrangigkeit der Rolle des Mannes, Die Vorherrschaft des Mannes beginnt mit der Vorherrschaft des Mannes in der Wirtschaft, Somit ist auch der Machismo Ausdruck der Rolle des Mannes im wirtschaftlichen Bereich. In der Gesellschaft, die in Klassen eingeteilt ist, ist es typisch, daß der Mann die wirtschaftliche Hauptrolle spielt und daher nimmt er die Rolle des Unterdrückers an, z.B,. bestimmt er für die Frau die minderwertige Arbeit, Dieses wird deutlich in verschiedenen Bereichen, ganz besonders im Haus, wo der Mann der Herrscher ist. Das ging vor der Revolution soweit, daß der kubanische Mann verhindern konnte, daß die Frau eigene Verträge abschloß, Man kann sagen, sie hatte nicht einmal bürgerliche Rechte. So widmete sich die Frau der Hausarbeit, den Kindern, den Alten und Kranken, Hier sehen wir eine Form in der sich Machismo äußerte. Weiterhin äußert sich der Machismo darin, daß der Mann glaubt, die Frau habe nicht dieselben intellektuellen Fähigkeiten wie er, noch die kulturellen und technischen Fähigkeiten, um am gesellschaftlichen Ablauf teilzuhaben, noch viel weniger im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich. In den 17 Jahren seit unserer Revolution haben wir grundlegende Änderungen dieser Strukturen erreichen können, Zunächst gingen wir vom Privateigentum zum Kollektiveigentum über, Im Industrie- und Landwirtschaftsbereich, im Handels- und im Bankenbereich,. Die Veränderungen, die sich im Bewußtsein der Menschen abspielen, werden sehr viel langsamer vor sich gehen, Die Revolution gibt den Frauen alle Rechte: in der Verfassung wird die Gleichheit der Frau mit dem Mann betont und das auch in der natürlichen Zelle der Gesellschaft, der Familie, Aber das alles ist Produkt eines ideologischen und erzieherischen Prozesses, der sich parallel zur Entwicklung unserer Wirtschaft vollzieht. Denn das Frauenproblem ist nicht allein ein Problem der Frau, auch nicht der Frauenorganisation. Es ist ein Problem der gesamten Gesellschaft, denn eine kommunistische Partei wie die unsere, ein sozialistischer Staat wie der unsere kann nicht die Vernichtung der Ausbeutung per se anstreben, wenn es einen Teil der Gesellschaft gibt, die Frauen, der besonders unter dieser Ungleichheit leidet. Folglich ist die Frage, wie kann unsere Jugend dieses Ziel erreichen, eine Jugend, die gegen jede Ungleichheit kämpft, sei sie rassisch bedingt oder geschlechtlich, wenn immer noch ein Teil dieser Gesellschaft diskriminiert ist? Der Kampf um die Gleichheit von Mann und Frau in Kuba ist nicht der Kampf der Frauenorganisation, denn dieser Kampf ist der Kampf aller, der Partei, der kommunistischen Jugend, der Kampf des sozialistischen Staates, einer Gesamtheit."

In einem gesellschaftlichen Bereich Kubas war die Gleichberechtigung von Mann und Frau von Anbeginn verwirklicht: in den revolutionären Streitkräften. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte des Befreiungskampfes. Wie es die Rebellen Fidel Castros mit der Gleichberechtigung hielten, welche Rolle die Frau heute in der Armee spielt, dazu Carolina Agila:


"Wir können ihnen selbstverständlich keine genauen Zahlenangaben über Art und Umfang der Frauen in der Armee nennen, da wir sie selbst nicht genau kennen, aus strategischen und sicherheitspolitischen Gründen unseres Landes. Aber: das Angebot in der Armee zu arbeiten ist sehr groß, Sowohl im Verteidigungs-, als auch im Innenministerium, Die Zahl der Personen in diesen Institutionen ist im gleichen Prozentsatz angewachsen, wie diese Ministerien größer geworden sind. So haben wir z.B. eine gute Vertretung der Frauen in den Militärschulen,die unsere militärischen Kader ausbilden, aber auch in den technischen Ausbildungsstätten des Militärs. Ja, unsere Frauen nehmen gleich Männern an allen technischen Bildungseinrichtungen der revolutionären Streitkräfte teil. Sie arbeiten in Kursen, die sowohl technisches Personal, als auch politisches ausbilden.

Dies hat seine Vorgeschichte in der Rebellenarmee Fidel Castros, Che Guevaras, Camillo Cienfuegos und all der anderen Kämpfer, In der Rebellenarmee gab es einen Zug „Maria Nagdachan“, ein Zug der Frauen, die mit der Waffe in der Hand kämpften, denn die Frauen waren damals in den Befreiungskampf voll integriert. Damals übten sie alle Arten von Arbeiten in den lagern und in den befreiten Gebieten aus, als Krankenschwestern und Lehrerinnen, ebenso wie als kämpfende Soldatinnen, Frauen erreichten höhere militärische Grade, Sie waren Unteroffiziere und 'Capitana'-Hauptfrauen. Wir haben sogar eine Reihe von Frauen, die Majore und Commandante sind. Auch auf der mittleren Ebene ist die Frau sehr wichtig.Frauen haben wirklich gleiche Möglichkeiten in den revolutionären Streitkräften, z.B. der stellvertretende Innenminister ist eine Frau im Rang einer Capitana, eine Frau, die sich durch ihre Kreativität, durch ihre Intelligenz ausgezeichnet hat und - natürlich - durch ihre Leistung. Um an einem solchen Ort eine effektive Arbeit gegen den Yankee-Imperialismus leisten zu können, muß man schon sehr gut ausgebildet sein und sehr hohe Qualitäten haben, Alles in allem kann man heute sagen, daß die kubanische Frau eine sehr wichtige Rolle im Militär, in den Streitkräften spielt."

Aktuell konzentriert sich die Arbeit der Frauenorganisation auf die Familienplanung. Etwa 50 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 16 Jahre. Ein weiteres unkontrolliertes Wachsen der Bevölkerung würde neue Probleme schaffen. Eine haltbare Ehe und ein bis drei Kinder sind die Eckpfeiler, die die Frauenorganisation bei ihren aufklärerischen Maßnahmen anpeilt. Carolina Agila:

"Familienplanung in Kuba hat das Ziel, daß es das Paar ist, welches die Anzahl der Kinder bestimmt, sowie den Zeitpunkt, in dem es die Kinder haben will. Die praktizierte Familienplanung macht das Paar, aber damit das möglich wird, muß der Staat gewisse Garantien geben, z.B. die Verhütungsmittel. Das Problem der Verhütungsmittel muß wirklich wissenschaftlich untersucht werden, es muß herausgefunden werden, welches die adäquaten Verhütungsmittel für die Frau, für den Mann sind. Es kann da Unterschiede geben. Der Staat gewährt seinen Bürgern diese Mittel, wissenschaftlich kontrolliert und natürlich kostenlos, genau wie auch der schwangeren Frau die Abtreibung, natürlich ebenfalls kostenlos. Alles mit dem Ziel, daß sich eine wirklich bewußte Mutterschaft herausbilden kann, Wir glauben, daß ein unerwünschtes Kind Probleme haben wird und Probleme in seiner Familie schaffen wird. Daher sagen wir, daß die Mutterschaft in wirtschaftlicher Hinsicht, was die familiäre Situation, was die Umgebung angeht, erfüllt sein muß, Dafür arbeiten wir. Nun zu dem hohen Prozentsatz der Scheidungen in Kuba, Wir müssen davon ausgehen, daß unsere Gesellschaft eine Übergangsgesellschaft ist, eine Gesellschaft schwerwiegender Veränderungen. Bei so heftigen Wechseln gehören solche Dinge wie Scheidungen einfach zum normalen Leben, Wichtig ist hierbei zu beachten, daß sich der Frau mit den neuen wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen sie jetzt lebt,auch auf allen anderen Gebieten neue Aussichten eröffnen, Aussichten für ihr privates leben, Sie braucht nicht länger familiäre Situationen zu ertragen, die nicht ertragbar sind. So hat sie jetzt prinzipiell die Möglichkeit, ihre persönliche Situation zu verändern, denn sie hat einen sicheren Arbeitsplatz, sie hat die Einrichtungen für die Kinder wie Kindergärten, sie hat die Schulen, die ihren Kindern einen Essenstisch stellen, Die Erziehung insgesamt für die Kinder ist gesichert und kostenlos, Inzwischen können wir schon eine Stabilisierung der Verhältnisse absehen, Die Zahl der Eheschließungen steht jetzt in einem besseren Verhältnis zur Zahl der Scheidungen, Wir möchten betonen, daß wir gegen die Frühehe und gegen Frühmutterschaften sind, denn sie beeinträchtigen in erster Linie die Frau selbst, Denn sie unterbrechen die biologische, psychische und soziale Entwicklung der jungen Frau. Wenn ein Mädchen schwanger wird, ist es immer sie, die ihre Studien unterbrechen muß, sowie ihre Arbeit. Deshalb haben wir eine Erziehungskampagne initiiert, um dieses Problem anzugehen, um die große Verantwortung, die das Kinderkriegen beinhaltet den Kubanern besser deutlich zu machen, Wir versuchen dabei den Männern und Frauen klar zu machen, daß in unserer Gesellschaft die sexuellen Beziehungen völlig frei sind. Aber sie müssen lernen die Verantwortung zu sehen, die jede Beziehung mit sich bringt und das sie dann die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wie z.B. die Verhütungsmittel."

Abschließend fragte ich Carolina Agila, ob sie den Frauen und Mädchen der Bundesrepublik einige direkte Worte sagen wolle:

"Selbstverständlich haben wir eine Botschaft für die deutschen Frauen, denn wir glauben, daß das Problem der Frau alle Frauen in der Welt eint. Wir meinen, daß der Kampf der Frau überall an den der Männer gebunden ist, in dem Kampf für eine bessere, gleichere Weit. Unser wirklicher Feind sind doch nicht die Männer, Die Männer sind unsere Companeros, ideale Companeros in der Arbeit, im Kampf, sie sind wirklich Kameraden, Freunde. Ich möchte betonen, daß der Begriff 'Companero' der höchste Ausdruck ist, den die kubanischen Frauen für die Beziehung zwischen Mann und Frau finden können, Der wirkliche Feind der kubanischen Frau ist der nordamerikanische Imperialismus. Auch in unserem land ist der Feind nicht der Mann, sondern das gesellschaftliche System gewesen, Die kubanischen Frauen haben erfahren, daß sie ihre absolute Emanzipation und Gleichberechtigung nur in einer sozialistischen Gesellschaft erreichen können."

Brigade-Info / Ein Reisebericht aus Kuba - 1976