Entwicklung des Gesundheitswesens in Kuba

Im Rahmen des Aufenthaltes der Arbeitsbrigade José Martí 1976 hatten wir Gelegenheit, einige Bereiche des kubanischen Gesundheitswesens kennenzulernen.

Bevor ich weiter auf den Besuch einer dieser Einrichtungen eingehe, möchte ich kurz die Situation des kubanischen Gesundheitswesens vor der Revolution darstellen, ferner grundsätzlich etwas zu der Entwicklung und den Aufgaben des Gesundheitswesens nach der Revolution sagen.

Die Situation des Gesundheitswesens vor der Revolution war gekennzeichnet durch die Auswirkungen des kapitalistischen Systems in einem unterentwickelten Land. Die Verteilung des medizinischen Personals war in höchstem Maße ungerecht und ungleich.

Es befanden sich z.B. zwei Drittel der Krankenhausbetten in Privatkliniken, und zwei Drittel der Ärzte waren in Havanna tätig, Im ländlichen Bereich dagegen gab es ein einziges Krankenhaus und dementsprechend wenig medizinisches Personal, was natürlich zur totalen Unterversorgung der Landbevölkerung führte.

Besonders die Wohn- und Ernährungsbedingungen auf dem Land waren katastrophal. 98% der Landwohnungen hatten kein fließendes Wasser oder Kanalisation, Daher standen die Infektionserkrankungen wie Magen- und Darminfektionen, Tbc, Malaria in der Statistik der Todesursachen weit an der Spitze. Die ersten Maßnahmen der Revolutionsregierung im Gesundheitswesen waren folgende: Die Auflösung der Privatkliniken, die Verstaatlichung der bestehenden Gesundheitseinrichtungen, Schaffung eines lückenlosen Netzes von Einrichtungen auf dem Lande, Angebot einer gesicherten Existenz für Ärzte, die in den Landgebieten als Angestellte des staatlichen Gesundheitswesens arbeiteten. Das Kernstück der heutigen Gesundheitseinrichtungen ist die Poliklinik, die je nach Bevölkerungszahl verschieden groß ist. Von besonderer Wichtigkeit ist die Tatsache, daß etwa bis 1964 dreitausend Ärzte in die USA abgeworben wurden.

Durch den forcierten Neubau von zwei zusätzlichen Fakultäten in Havanna, in Santiago de Cuba und in Las Villas konnten bis 1970 fünftausenddreihundert Ärzte ausgebildet werden, so daß die Anzahl der Ärzte im Vergleich zu 1958 kontinuierlich gesteigert werden konnte.

Ich hatte Gelegenheit, mit etwa zehn weiteren Brigadisten das Krankenhaus "Gonzales Valdez Pedriatico de Centro" in Havanna zu besuchen. Vom gesamten Personal des Kinderkrankenhauses wurden wir sehr herzlich empfangen.

Zunächst wurden wir von Vertretern verschiedener Funktionsbereiche (Ärzte, Krankenschwestern, MTAs usw.) mit dem Aufbau und den Aufgaben des Kinderkrankenhauses vertraut gemacht, Das Gespräch fand in freundlicher Atmosphäre statt, Dieses Kinderkrankenhaus ist für den umliegenden Einzugsbereich zuständig, Es gibt 6 Krankenhäuser dieser Art in Havanna mit den Grundfachrichtungen Chirurgie, Innere Medizin, Geburtshilfe und Kinderheilkunde.

Innerhalb dieser Fachrichtungen existieren weitere spezielle Fachrichtungen wie Radiologie, Nephrologie, Cardiologie usw.

Das Kinderkrankenhaus, das ca. 600 Betten umfaßt, beschäftigt etwa 45 Ärzte, davon 20 Kinderärzte, der Rest kommt aus anderen medizinischen Fachrichtungen; ferner 70 Kinderkrankenschwestern, etwa 70 Krankenschwesterhelferinnen und ca. 25 MTAs.

Das Krankenhaus hat die Funktion eines Lehrkrankenhauses, in dem mehrere Medizinstudenten, auch Krankenschwestern und MTAs ausgebildet werden.

Hier finden öfter Kongresse und Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung statt, die die Aufgabe haben, Forschungsergebnisse auszutauschen. Im Weiteren sei noch auf folgende Informationen hingewiesen, die wir bei der Besichtigung der Krankenstationen, Laboratorien und anderer Einrichtungen erhalten haben, Die Krankenstationen sind je nach Alter und Krankheitsbild der Kinder eingeteilt, Die Größe der Krankenzimmer richtet sich auch jeweils nach der Schwere der Krankheit.

Sehr überrascht war ich, beim Einblick in die Krankenzimmer an jedem Bett die Mutter des jeweiligen Kindes sitzen zu sehen (außerhalb der offiziellen Besuchszeit). Von den zuständigen Ärzten und Krankenschwestern erfuhr ich, daß das Verweilen der Mütter am Bett ihrer Kinder den ganzen Tag und nach Wunsch auch während der Nacht in Kuba die Regel sei. Die Zusammenarbeit mit den Verwandten bzw. den Müttern der Kinder sei von entscheidender Wichtigkeit für den Genesungsprozeß, Die Mütter, die den Krankenschwestern bei der Betreuung der Kinder helfen, können Einführungskurse über Kinderpflege mitmachen, Die Kurse werden in der Regel auch wahrgenommen. Jede Mutter, die sich während des Krankenhausaufenthalts ihres Kindes in der Klinik aufhält, erhält kostenlos Schutzkleidung und Verpflegung.

Hiermit hat man einen Erziehungsprozeß in Gang gesetzt, der sich positiv auf die Heilung der Erkrankung des Kindes auswirkt, vor allem keine psychischen Schäden durch die plötzliche Trennung von der Bezugsperson zur Folge hat. Außerdem ist das Ziel dieser Pflegekonzeption, Mütter zu befähigen, ihre Kinder bei leichten Erkrankungen zu Hause richtig pflegen zu können und weiterhin, die Gesundheitserziehung zu initiieren.

Meine Frage an die Krankenschwester, ob die Mütter die medizinische Betreuung nicht doch in irgendeiner Weise negativ beeinflussen würden, wurde überhaupt nicht verstanden, weil durch die gute Aufklärung der Mütter über die Krankheit ihres Kindes solche Probleme gar nicht erst aufträten.

Für mich als Krankenschwester in der BRD war diese Erkenntnis sehr beeindruckend. Unter den gegenwärtigen Versorgungsbedingungen der Kinderkliniken in unserem Lande ist die Einbeziehung der Mütter - so glaube ich sagen zu können - in dieser Form nicht realisierbar.

Weiter war sehr beeindruckend, daß sich in den Krankenzimmern der Kinder nicht nur deren eigenes Spielzeug befand; sogar selbstgemachte Bilder an den Wänden vermittelten eine persönliche Atmosphäre, Kinder im schulpflichtigen Alter erhalten regelmäßigen Unterricht, so daß sie während ihrer Krankheit keinen Unterrichtsausfall haben, vorausgesetzt, ihr Krankheitszustand läßt das zu.

Trotz der alten baulichen Substanz war dieses Kinderkrankenhaus mit den modernsten Apparaten, Laboratorien und Spezialeinrichtungen ausgestattet, die meines Erachtens garantieren, daß eine umfassende medizinische Versorgung nach dem neuesten Stand der Forschung durchgeführt werden.kann.

Der Fortschritt im kubanischen Gesundheitswesen manifestiert sich in der Ausrottung und dem Rückgang vieler Erkrankungen. Krankheiten wie Kinderlähmung, Malaria und Diphterie sind heute ausgerottet.

Der Erfolg des Gesundheitswesens manifestiert sich besonders in der gesunkenen Zahl der Kindersterblichkeit,die nur unwesentlich über der in der Bundesrepublik Deutschland liegt (27% gegenüber 21%).

Brigade-Info / Ein Reisebericht aus Kuba - 1976