Die unterschiedlichen Stimmungen der Kubaner sind oft schwer zu ergründen, einerseits sprühen sie vor Lebensfreude und erzählen die phantastischsten Geschichten, andererseits, vor allem wenn es um ihre eigene Person geht, schweigen sie sich aus und man muß ihnen jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen. In einem Bus in Havanna sprach ein älterer Kubaner mich und einige andere Brigadisten, mit denen ich zu einer Ausstellung über die UdSSR fuhr, an. Der Bus war sehr voll und er wollte an mit vorbeigehen. Ich aber, leider nicht Spanisch sprechend, erklärte ihm hilflos lächelnd: "Yo no hablo español, yo allemand", worauf er wieder antwortete, daß er meine Sprache leider auch nicht spreche, Dank der Ulli, die sehr gut Spanisch spricht und für uns übersetzte, verstand ich überhaupt, was er mir geantwortet hatte.Wir kamen ins Gespräch - wußten aber nicht so recht, was er von uns wollte, Er blieb so beharrlich bei uns stehen, unterhielt sich mit uns und begleitete uns sogar zur Ausstellung.
Unglücklicherweise kamen wird dort zu spät an. Als Ersatz lud unser kubanischer Begleiter uns zu einem Bier ein - man muß wissen, daß alkoholische Getränke in Kuba recht teuer sind, Wir willigten ein – mehr aus Höflichkeit (das ist schlimm mit dieser deutschen Skepsis!)
Als wir endlich ein Lokal gefunden hatten und saßen, begannen wir, ihn etwas auszufragen - zu Beginn mehr aus dem Grunde: wenn wir jetzt schon mal hier sitzen mit diesem Menschen, dann fragen wir ihn halt mal, was er so macht.
Er begann sehr ruhig und freundlich zu berichten, er komme von Oriente (der Provinz, von der der revolutionäre Kampf ausging) dort habe er an der ersten Front gekämpft mit Fidel Castro - uns blieb so langsam der Mund offen stehen und ich ärgerte mich über mich selbst, daß ich diesen Menschen, ohne ihn zu kennen, gleich recht gering eingeschätzt und eigentlich vergessen hatte, daß die kubanische Revolution vom Volk getragen wurde.
Für uns wurde das Gespräch zu einem wirklichen Erlebnis. Dieser 'einfache' Mann erzählte von seinem Zusammentreffen mit Fidel Castro und Che Guevara, von seiner Arbeit im revolutionären Kampf und von seiner damaligen Verantwortung - und er erzählte weiter von seinen jetzigen Bemühungen, die 6.Klasse zu absolvieren - zur Zeit der Revolution war er Bauer und Analphabet.
Heute arbeitet er als Koch in einem Speiselokal. Neben seinem Beruf ist er Mitglied der CDR und gewerkschaftlich verantwortlich für seine Arbeitskollegen und und und...
Nachdem er begonnen hatte zu erzählen, von sich und Kuba, hörten wir fasziniert zu und vergassen vollkommen die Zeit, die dann viel zu schnell verging.
Für uns war dieser Mann das beispielhafteste Zeichen dafür, daß in Kuba eine neue Zeit in einer neuen besseren Gesellschaft angebrochen ist.
Brigade-Info / Ein Reisebericht aus Kuba - 1976