Unsere Arbeitsbrigade, die 187 Arbeiter und Studenten aus den verschiedensten Ländern Westeuropas umfaßte, war von den kubanischen Organisatoren dazu eingeteilt worden, gemeinsam mit kubanischen Facharbeitern und Studenten auf einer Baustelle, die etwa 40 km von Havanna entfernt lag, für die Arbeiter und deren Familien, die in einer nahegelegenen Textilfabrik arbeiteten, Wohnungen zu errichten und fertigzustellen, Einige Arbeiter der Textilfabrik hatten sich bei Beginn der Bauarbeiten freiwillig zur Verfügung gestellt und sich zu Baufacharbeitern ausbilden lassen. Sie halfen auf diese Weise mit, ihre eigenen Wohnungen fertigzustellen. Mit diesen. Mikrobrigaden, wie die Kubaner diese freiwilligen Arbeitskräfte nennen, arbeiteten wir während unseres dreiwöchigen Arbeitseinsatzes zusammen.
Das Gebiet, auf dem sich die Baustelle befand, umfaßte einen größeren Wohnkomplex, auf dem bereits einige Wohnblocks von Familien bewohnt wurden.
Jede der einzelnen Länderbrigaden bekam spezielle Aufgabengebiete zugeteilt. So mauerten die Brigadisten aus Belgien, Luxemburg und Holland ein Stockwerk auf einen halbfertigen Wohnblock und die Italiener füllten die für Grünflächen vorgesehenen Gebiete mit Mutterboden auf und begradigten sie.
Wir 29 Brigadisten aus der BRD arbeiteten hauptsächlich an einem vierstöckigen Gebäude, das 32 Wohnungen umfaßte und im Rohbau fertiggestellt war. Da wir fast alle aus artfremden Berufen kamen, bedurfte es erst einer gründlichen Anleitung durch die Kubaner, bis wir einigermaßen Fliesen legen und maurern konnten. Wir verrichteten fast alle Arbeiten, die auf solch einem Bau anfallen, wie z.B. Sand sieben, Beton mischen, Wände und Türen streichen, Wasserleitungsrohre zuschneiden und Gewinde schneiden.
Mit den kubanischen Arbeitern verstanden wir uns hervorragend, was vor allen Dingen auf deren freundliche und kameradschaftliche Umgangsweise zurückzuführen ist. Trotz der Sprachprobleme, die viele von uns hatten, da sie kein Spanisch sprachen, kamen zahlreiche Unterhaltungen und Diskussionen mit den Maurern, Schreinern, Kranfahrern und Klempnern zustande, die uns vor allem über die soziale und wirtschaftliche Situation der kubanischen Arbeiter Auskunft gaben, Für mich, wie auch für viele andere Brigadisten, war es jedesmal ein Erlebnis, wenn wir hörten, mit welch hohem Bewußtsein die Bauarbeiter die kubanische Revolution und den Aufbau des Sozialismus in Kuba verteidigten. Dazu möchte ich einige Beispiele anführen:
Die Bauarbeiter arbeiteten freiwillig jeden Tag eine Stunde länger und jedes zweite Wochenende legten sie freiwillige Sonderschichten ein mit der Begründung, daß die schnellstmögliche Fertigstellung der Wohnungen für sie, aber auch für den Aufbau des Sozialismus in ihrem Land gut und notwendig sei.
Als wir einen 5ojährigen Klempner fragten, ob er mit seiner gegenwärtigen Lebenssituation zufrieden sei, bekamen wir die Antwort, ja, er sei sehr zufrieden: Vor der Revolution war er jahrelang arbeitslos, heute gibt es in Kuba keine Arbeitslosigkeit mehr. Vor der Revolution konnte er noch nicht einmal seinen Namen schreiben, heute besucht er regelmäßig Abendkurse, um seine Kenntnisse als Facharbeiter noch weiter zu entwickeln, Vor der Revolution wohnte er mit seiner Familie in einer elenden .Hütte in einem Slumviertel von Havanna, heute besitzt er eine Dreizimmerwohnung in einem Haus, in dem die Mieter keine Miete mehr zu bezahlen brauchen, weil das Haus älter als 30 Jahre ist.
Darüberhinaus erzählte er uns noch, daß er in der Schweinebucht gekämpft hatte und seine zwei ältesten Söhne in Angola gekämpft haben. Das sei ebenfalls ein Beitrag seiner Familie im Kampf gegen den Imperialismus.
Bei der Arbeitsanleitung gab es auf der Baustelle die verschiedensten Probleme und Schwierigkeiten, die sich meistens in den Sprachproblemen kundtaten, aber auch teilweise in der Arbeitseinteilung, in der unterentwickelten maschinellen Ausrüstung und in Materialschwierigkeiten, die ab und zu auftraten, Diese Probleme wurden in den einmal in der Woche stattfindenden Produktionsbesprechungen diskutiert und so gut es ging einer Lösung zugeführt. Schwierigkeiten hatten wir auch, zumindest zu Anfang, mit der klimatischen Umstellung, die es uns kaum erlaubte, die Leistungen zu bringen, die wir in einem uns vertrauten Klima hätten bringen können, Trotzdem waren die Kubaner, wie sie uns mehrmals versicherten, mit unserer Arbeitsleistung zufrieden. Ich möchte hier noch kurz aufzeigen, wie ein Arbeitstag auf der Baustelle eingeteilt war. Um 5.45h erfolgte das Wecken im Campamento, indem über die Lagerlautsprecher der "Marsch der Produktion" gespielt wurde. Nach dem Frühstück fuhren wir zur Baustelle, die rund eine halbe Stunde Busfahrt von Campamento entfernt lag. Dort wurde bis 9.15h gearbeitet. Anschließend hatten wir eine Viertelstunde Pause, die von den Kubanern Mirienda genannt wird. Daraufhin wurde erneut bis 11.30h gearbeitet, im Anschluß daran im Campamento zu Mittag gegessen. Von 13.50h bis 17.30h wurde wieder gearbeitet, Dazwischen lag noch eine Mirienda.
Zum Abschluß meines Berichtes möchte ich noch von zwei Höhepunkten auf der Baustelle erzählen, Den ersten stellte der Besuch von Studenten aus aller Welt (Vietnamesen, Syrer, Palästinenser usw.) dar. Mit ihnen führten wir sehr informative und interessante Diskussionen und wir verabschiedeten uns von ihnen auf einer Solidaritätskundgebung, gemeinsam mit den kubanischen Arbeitern.
Ein weiterer Höhepunkt war die Abschlußveranstaltung, an der sich das ganze Wohngebiet beteiligte und auf der uns die Kubaner noch einmal ausdrücklich für die geleistete Arbeit dankten, die wir im Geiste des proletarischen Internationalismus erbracht haben. Eine Kulturveranstaltung beendete unseren Aufenthalt auf der Baustelle.
Brigade-Info / Ein Reisebericht aus Kuba - 1976