Anfang Januar 1959 marschierte das "Ejercito rebelde" (die "Rebellenarmee") siegreich in Havanna ein. Der opferreiche Kampf des kubanischen Volkes gegen die Batista-Diktatur wurde durch seine Machtergreifung gekrönt und das Werk der Revolution mit der Inangriffnahme grundlegender ökonomischer und sozialer Aufgaben erfolgreich fortgesetzt. "Die kubanische Revolution hat die Kette der imperialistischen Unterdrückung in Lateinamerika gesprengt und zur Errichtung des ersten sozialistischen Staates auf dem amerikanischen Kontinent geführt. Das war eine historische Wende, der Beginn einer neuen Phase der revolutionären Bewegung in Lateinamerika." (1) Die Revolution in Kuba ist nicht zu trennen von den großen historischen Veränderungen im Weltmaßstab. Am 20. Jahrestag des Sturms auf Batistas Moncada-Kasern sagte Genosse Fidel Castro: "Unsere Revolution... ist das Ergebnis der revolutionären Weltanschauung der Arbeiterklasse, der internationalen revolutionären Bewegung, der Kämpfe der russischen Arbeiter und Bauern, die im ruhmreichen Oktober 1917, geführt von Lenin, die Ma ht der Zaren brachen und die erste sozialistische Revolution einleiteten, sowie der Schwächung der imperialistischen Macht und der gewaltigen Veränderungen des Kräfteverhältnisses, die sich in der Welt vollzogen haben." (2)
Bereits in den ersten Jahren der kubanischen Revolution wurden tiefgreifende, historische Umwälzungen vollzogen: Der alte proimperialistische Staatsapparat wurde zerschlagen und ein neuer Staat aufgebaut – eine spezifische Form der revolutionär-demokratischen Diktatur der Arbeiter und Bauern, aus dem sich die heutige sozialistische Staatsmacht herausbildete. Zwei Agrarreformen wurden durchgeführt, die die Beseitigung des einheimischen und ausländischen Großgrundbesitzes sowie der einheimischen Agrarbourgeoisie bewirkten. Die Unternehmen der ausländischen Imperialisten und die einheimischen kapitalistischen Unternehmen wurden nationalisiert, die entscheidenden volkswirtschaftlichen Schlüsselpositionen in die Hand der revolutionär-demokratischen Staatsmacht genommen und ein beherrschender staatlicher Sektor aufgebaut. Neue revolutionär-demokratische Massenorganisationen wurden gebildet, die die Mehrheit des Volkes erfassen. Das innere politische Kräfteverhältnis hat sich grundlegend zugunsten der Arbeiterklasse, der werktätigen Bauern und der revolutionären Intelligenz verändert. Etappenweise wurde eine einheitliche revolutionäre Partei geschaffen, die sich 1965 den Namen Kommunistische Partei Kubas gab. Partei und Regierung orientierten auf ein festes politisches, ökonomisches und militärisches Bündnis mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern.
Im Ergebnis dieser revolutionären Umwälzungen und in harter und kompromißloser Konfrontation mit dem USA-Imperialismus, mit der einheimischen und ausländischen Konterrevolution konnte Kuba zum Aufbau der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaft übergehen. Doch auch in Kuba bestätigte sich Lenins Hinweis, daß die Errichtung der neuen, sozialistischen Gesellschaft eine ungleich schwerere Aufgabe ist als der Sturz der alten Ausbeuterordnung.
Die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten leisteten und leisten Kuba vielseitige Hilfe und Unterstützung. Aber die geografische Entfernung von ihnen ist groß, und die Inselrepublik begann den sozialistischen Aufbau unter den Bedingungen der Wirtschaftsblockade, des politischen Drucks und ständiger unmittelbarer Bedrohung durch den USA-Imperialismus. Diese Situation bedingte umfangreiche Ausgaben für die Landesverteidigung. "Die Imperialisten zwangen unser Land, einen hohen Preis zu zahlen. In den ersten zehn Jahren konnte sich unser Volk fast gar nicht der Wirtschaft widmen, alles war darauf gerichtet, zu überleben", sagte Genosse Fidel Castro. (3) Das mußte natürlich den schnellen wirtschaftlichen Fortschritt des Landes erschweren. Zudem trat das kubanische Volk 1959 ein schweres Erbe an. Schwachentwickelte, deformierte Wirtschaft vom Typ der Monokultur, große Abhängigkeit vom Außenmarkt und in erster Linie von den Preisen auf dem internationalen Zuckermarkt, wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von den USA, chronische Arbeitslosigkeit, Not und Elend für die große Mehrheit des Volkes – das war Kuba vor der Revolution!
Die Revolution brachte dem Volk nicht nur politische, sondern auch soziale Befreiung. Die radikale Lösung der sozialen Probleme in Kuba ist beispielgebend für die anderen Länder Lateinamerikas. Das Analphabetentum wurde beseitigt. Die Bildung ist heute unentgeltlich. Hinsichtlich der medizinischen Betreuung steht Kuba an erster Stelle in Lateinamerika, ganz zu schweigen davon, daß Arbeitslosigkeit heutzutage in Kuba ein Fremdwort ist.
Trotz aller Schwierigkeiten ließ der aufopferungsvolle und heroische Kampf des kubanischen Volkes innerhalb historisch kurzer Zeit auch an der Produktionsfront die Überlegenheit der neuen sozialen Ordnung deutlich werden. Gegenüber 1958 wurden die Energieproduktion und die Zementproduktion bis 1973 verdreifacht; die Nickelproduktion hat sich verdoppelt. Es wurden viele neue Betriebe und andere Objekte der Schwer- und Leichtindustrie gebaut. Die Handelsflotte ist auf das Zehnfache gewachsen. In der Zeit von 1958 bis 1970 vergrößerte sich der Traktorenpark von 2.000 auf 50.000 Fahrzeuge. In der Landwirtschaft wurde 1970 eine Rekordproduktion von 8,5 Millionen Tonnen Zucker erreicht. Der Einsatz sowjetischer und kubanischer Kombines soll die jährliche Zuckerproduktion auf einem hohen Niveau halten und die Menschen in der Landwirtschaft mehr und mehr von der außerordentlich schweren körperlichen Arbeit befreien. Um den Witterungsunbilden zu trotzen und hohe Ernteerträge zu erzielen, wird ein ganzes Netz künstlicher Staubecken angelegt, die ihrem Volumen nach mehr als drei Milliarden Kubikmeter betragen. (Das ist mehr als das Hundertfache der Werte vor der Revolution!) Auch im Wohnungsbau wurden bedeutende Fortschritte erzielt. 1972 wurden erstmalig mehr als 15.000 Wohnungen gebaut, und 1973 waren es mehr als 25.000. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, was ein Volk zu leisten vermag, wenn es die Geschicke in die eigenen Hände nimmt und zum Aufbau der gerechtesten sozialen Ordnung, zum Sozialismus, übergeht.
Die politische Vorhut und die führende Kraft der Gesellschaft ist die Kommunistische Partei Kubas. Entstanden unter komplizierten Bedingungen (aus dem Zusammenschluß der drei revolutionären Organisationen - "Bewegung des 26. Juli‘, "Direktorium des 13. März", "Sozialistische Volkspartei" - über mehrere Etappen), ist die KP Kubas heute die Avantgarde des kubanischen Volkes, der politische Führer aller gesellschaftlichen Umgestaltungen im Lande. (4) Auch in Kuba bewahrheitete sich die These, daß der Aufbau des Sozialismus der Führung durch eine marxistisch-leninistische Partei bedarf. "Ohne eine eiserne und kampfgestählte Partei, ohne eine Partei, die das Vertrauen alles dessen genießt, was in der gegebenen Klasse ehrlich ist, ohne eine Partei, die es versteht, die Stimmung der Massen zu verfolgen und zu beeinflussen, ist es unmöglich, einen solchen Kampf erfolgreich zu führen." (5)
Heute zählt die Kommunistische Partei Kubas über 150.000 Mitglieder. Der Schwerpunkt der Arbeit der Partei und der Revolutionären Regierung verlagert sich in der Gegenwart immer mehr auf die Schaffung der materiell-technischen Basis des Sozialismus. "Politisch bedeutet unsere Revolution viel...", betonte der Präsident der Republik, Genosse Dorticós. Wir müssen erreichen, daß die Revolution auch wirtschaftlich die gleiche Bedeutung erlangt. Entsprechend den damit erwachsenden neuen Aufgaben beim sozialistischen Aufbau orientiert die Partei auf den weiteren politisch-ideologischen und organisatorischen Zusammenschluß ihrer Reihen und entwickelt die Formen und Methoden der Parteiarbeit weiter. Die Berücksichtigung und Auswertung der Erfahrungen der KpdSU und anderer Bruderparteien der sozialistischen Länder spielt dabei eine besondere Rolle. Genosse Fidel Castro erklärte am 26. Juli 1973: "Die Partei zu festigen, ihre Autorität und Disziplin zu heben, ihre Leitungsmethoden und ihren demokratischen Charakter zu vervollkommnen und das politische und Bildungsniveau ihrer Kader und Mitglieder anzuheben, ist unabdingbare Pflicht,aller Revolutionäre." (6)
Seit Anfang 1973 wurde eine neue Leitungsstruktur eingeführt. Beginnend mit dem ZK, werden auch in den Bezirks-, Kreis- und Stadtleitungen Abteilungen aufgebaut, die allen Bereichen der Tätigkeit der Partei entsprechen. Im März 1973 wurden in allen Provinzen des Landes Parteikonferenzen durchgeführt. Vertreter der Parteiführung erläuterten hier die neue Leitungsstruktur, mit deren Hilfe die politisch-ideologische und organisatorische Arbeit der Partei verbessert werden soll. Die Konferenzen standen unter der Losung: "Die Partei muß vor allem die Vorhut der Arbeiterklasse sein". Die neue Qualität der Parteiarbeit tritt darin zutage, daß die Leitungen auf den durchgeführten Konferenzen Rechenschaft über die Erfüllung der Aufgaben auf politischem und ökonomischem Gebiet ablegten, die Berichte diskutiert und Dokumente verabschiedet wurden, in denen ausgehend von der großen Bedeutung der Kommunistischen Partei beim Aufbau des Sozialismus neue Aufgaben der Partei für 1973 und die Folgezeit formuliert wurden. Als vorrangige Aufgaben werden genannt:
- Erhöhung des politischen Bewußtseins der Mitglieder der Partei und des gesamten Volkes; - Erhöhung der Rolle der Massenorganisationen, insbesondere der Gewerkschaften als Organisation der Arbeiterklasse;
- Erfüllung der Pläne in der Produktion und in den Dienstleistungen;
- Weiterführung des sozialistischen Wettbewerbs als Instrument der Erhöhung der Arbeitsmoral und der Stimulierung der Produktion;
- Kampf um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität.
- Kontrolle der Arbeit des Staatsapparates bei Anwendung des Kontroll- und Bilanzierungssystems.
Große Aufmerksamkeit widmet die Führung der KP Kubas der ideologischen Arbeit. Die kubanischen Genossen lassen sich davon leiten, daß ein tiefes Eindringen in den Marxismus-Leninismus für die Lösung der Aufgaben beim Aufbau des Sozialismus von entscheidender Bedeutung ist. Ab September 1972 wurde daher ein neues, für alle Parteimitglieder einheitliches und verbindliches Schulungssystem eingeführt. In einem Brief des Zentralkomitees an alle Parteimitglieder, der das neue Lehrjahr einleitete, wird der Übergang zum neuen Studiensystem als ein wichtiger Schritt bei der politisch-ideologischen Weiterbildung bezeichnet. Das Studium des Marxismus-Leninismus, so wird unterstrichen, ist für die Parteimitglieder keine Aufgabe unter vielen, sondern wichtigste und unabdingbare Pflicht jedes einzelnen. Ziel des Parteilehrjahres ist es, die Mitglieder der KP Kubas mit den Grundlagen unserer revolutionären Theorie auszurüsten und sie zum weiteren Studium des Marxismus-Leninismus anzuregen. Die Parteiführung lenkt gegenwärtig die Aufmerksamkeit der Parteiorganisationen und aller Mitglieder verstärkt auf die Notwendigkeit, ständig der bürgerlichen Ideologie, dem Revisionismus und Opportunismus entgegenzutreten, einen harten Kampf zur Verteidigung des Marxismus-Leninismus zu führen, entschlossen Front zu machen gegen auftauchende liberalistische Strömungen, auf die der Gegner seine Hoffnungen auf Untergrabung der Grundlagen des Sozialismus setzt, sowie ‚gegen alle kleinbürgerlichen Auffassungen.
Die Dokumente der Provinzparteikonferenzen vom März 1973 und die Rede des Genossen Fidel Castro vom 26. Juli 1973 geben Hinweise für die Verbesserung der Arbeit aller Parteiorgane. Schwergewicht wird dabei auf die effektivere Arbeit der Grundorganisationen der Partei gelegt.Sie sollen in die Lage versetzt werden, ihrer Führungsrolle im politischen und ökonomischen Bereich als Avantgarde der Arbeiterklasse immer besser gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang wird auf den weiteren Ausbau der innerparteilichen Demokratie Kurs genommen. Alle diese Fragen spielen eine besondere Rolle im Hinblick auf den für 1975 vorgesehenen I. Parteitag der KP Kubas, dessen Vorbereitung mehr und mehr die Arbeit .der ganzen Partei bestimmt.
Vom Reifeprozeß der KP Kubas zeugt auch die Trennung ihrer Aufgaben von denen der staatlichen Organe. Bis etwa Mitte 1970 waren die Parteisekretäre in den Betrieben zugleich deren Leiter. Diese Personalunion führte zu einer gewissen Vernachlässigung der Parteiarbeit, da die administrative Tätigkeit den Leiter sehr in Anspruch nahm. Entstanden aus Mangel an Leitungskadern für die Wirtschaft und andere Bereiche, wird dies heute Schritt für Schritt verändert. Die Partei geht dabei von einer klaren Orientierung aus, die Genosse Raul Castro in die Worte kleidete: "Die Partei leitet den Staat, kontrolliert seine Arbeit und die Erfüllung der Direktiven und Pläne; die Partei gibt Anregungen und neue Impulse und trägt damit zur Verbesserung der Arbeit des gesamten staatlichen Mechanismus bei, aber die Partei darf den Staatsapparat auf keinen Fall ersetzen." (7)
Große Bedeutung mißt die Kommunistische Partei Kubas gegenwärtig der weiteren Erhöhung der Rolle der gesellschaftlichen Organisationen bei. Die Formen und Methoden der Arbeit der Partei in den Massenorganisationen werden verbessert und vervollständigt. Genosse Fidel Castro wies darauf hin, daß in einer bestimmten Zeit der Entwicklung der Revolution den Massenorganisationen nicht die genügende Aufmerksamkeit von seiten der Partei gewidmet wurde und ihre Aktivität nachließ. Heute ist das weitreichende Netz gesellschaftlicher Organisationen fest in die Erfüllung der Aufgaben der Revolution einbezogen. Besonderes Gewicht legt die Partei dabei auf die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung als Organisation der Arbeiterklasse. Nachdem in den vergangenen eineinhalb Jahren die Gewerkschaften reorganisiert wurden, existieren jetzt in allen Zweigen der Volkswirtschaft und des Arbeitslebens Gewerkschaftsorganisationen. Sie spielen die Rolle der politischen Massenorganisation der Arbeiterklasse. Ihre Haupttätigkeit richtet sich auf die Brewußtseinsentwicklung der Arbeiterklasse und die planmäßige Lösung der ökonomischen Aufgaben. "Von heute an und in Zukunft muß die Frage der Arbeitsproduktivität die Hauptaufgabe der Gewerkschaften sein", sagte Genosse Fidel Castro, "sie muß den ersten Platz in der politischen und ökonomischen Erziehung der Arbeiter, in der Entwicklung ihres Bewußtseins einnehmen." (8)
Fragen der Arbeitsdisziplin, die volle Ausnutzung der Arbeitszeit, die fachliche Qualifizierung, die Verteilung von langlebigen Konsumgütern und von Ferienplätzen an die besten Werktätigen sind wichtige Anliegen der Gewerkschaftsarbeit. Durch Produktionskomitees in den Betrieben werden die Gewerkschaften in die Leitung und Planung einbezogen. Eine der Hauptaufgaben der Gewerkschaften ist es, den sozialistischen Wettbewerb zu organisieren. Ende 1973 fand der XIII. Kongreß der kubanischen Gewerkschaften (CTC) statt, an dem 2.200 gewählte Delegierte teilnahmen. Die Materialien zum Kongreß wurden zuvor von über 1,5 Millionen Werktätigen diskutiert, und es wurden über 20.000 Vorschläge für ihre Überarbeitung eingereicht. Die auf dem Kongreß angenommenen Beschlüsse sind auf die weitere Verwirklichung der führenden Rolle der Arbeiterklasse gerichtet. Sie machen sichtbar, daß die kubanische Arbeiterklasse große Anstrengungen unternimmt, um im Bündnis mit allen anderen Werktätigen den Sozialismus auf allen Gebieten zu stärken.
Die KP Kubas geht davon aus, daß zur schnellen Schaffung der materiell-technischen Basis der sozialistischen Gesellschaft die ideologische Mobilisierung des Volkes, die Erhöhung des Arbeitsenthusiasmus und des Bewußtseins der werktätigen Massen von größter Bedeutung sind. Wie die Parteiführung erklärte, wurden indes in den ersten Jahren der Revolution diese Faktoren einseitig betont, die Ware-Geld-Beziehungen hingegen, die Kategorien der wirtschaftlichen Rechnungsführung, die materiellen Stimuli zur Arbeit eingeschränkt. Die Praxis des sozialistischen Aufbaus zeigte jedoch, daß die Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins zugleich erfordert, die Methoden der sozialistischen Wirtschaftsführung weiterzuentwickeln, die ökonomischen Faktoren, die Kategorien der wirtschaftlichen Rechnungsführung und andere für die sozialistische Entwicklungsetappe typische Kategorien umfassender und gründlicher zu nutzen.In seiner Rede zum 20.Jahrestag des Sturmes auf die Moncada-Kaserne ging Genosse Fidel Castro auf diese Fragen ein. Er sagte: "In den kommenden Jahren wird es unsere Pflicht sein, die Effektivität beim Einsatz unserer ökonomischen Ressourcen und Arbeitskräfte maximal zu steigern. Wir müssen über Ausgaben und Kosten genau Rechnung führen und es verstehen, die aus Idealismus bei der Leitung der Wirtschaft begangenen Fehler kühn zu berichtigen." Er wandte sich gegen jegliche Form der Gleichmacherei und unterstrich: "Wir befinden uns in der sozialistischen Phase der Revolution, in der es die materiellen Realitäten, das kulturelle und Bewußtseinsniveau einer eben erst aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgegangenen Ordnung gebieten, daß die ihr entsprechende Form der Verteilung die ist, die von Marx in der ‚Kritik des Gothaer Programms’ formuliert wurde: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Leistungen! (9)
In den letzten drei Jahren zeichnen sich so in der Entwicklung des Landes deutlich neue Züge ab. Partei und Regierung legen mehr und mehr ihr Hauptaugenmerk auf die ökonomische Entwicklung, auf die Schaffung der materiell-technischen Basis der neuen Gesellschaft. Die Möglichkeiten und Vorzüge der sozialistischen Ordnung werden immer besser und-umfassender genutzt. Die inneren Reserven und Möglichkeiten der sozialistischen Produktion werden effektiver ausgeschöpft und die Leitung und Planung, die Erfassung und Kontrolle, die Organisation und Verteilung der Produktion verbessert.
Die neue Etappe des sozialistischen Aufbaus in Kuba wird insbesondere durch folgende Züge charakterisiert:
- Die Kampfkraft der Kommunistischen Partei wurde weiter gestärkt. Die KP Kubas spielt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens die führende Rolle, sie ist Inspirator und Organisator aller Veränderungen im Lande.
- Ausgehend von Lenins Hinweis, daß die höhere Arbeitsproduktivität in letzter Instanz das Entscheidende für den Sieg der neuen Ordnung ist, wurde der Kampf um die maximale Steigerung der Arbeitsproduktivität zur Aufgabe Nr. 1 in Kuba,
- Die reichen Erfahrungen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Bruderländer lassen erkennen, daß eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Wirtschaftsführung die richtige Anwendung der objektiven ökonomischen Gesetze des Sozialismus, die Nutzung der großen inneren Reserven und Möglichkeiten der sozialistischen Produktion sowie die systematische Verbesserung der Leitung, Abrechnung, Kontrolle, Arbeitsorganisation und Verteilung ist. Die Beachtung und Anwendung dieser Erfahrungen gehört zu den Merkmalen der neuen Etappe des sozialistischen Aufbaus in Kuba.
- Umfassender als bisher wird neben dem moralischen der materielle Ansporn wirksam. Bei der Verteilung von Wohnungen und langlebigen Konsumgütern werden Bestarbeiter bevorzugt berücksichtigt. Die kubanischen Genossen lassen sich dabei von Lenins Feststellung leiten, daß der Sozialismus nicht mit Enthusiasmus allein, sondern mit Hilfe des Enthusiasmus und durch eine harmonische Verknüpfung materieller und moralischer Stimuli sowie aller ökonomischen Kategorien des Sozialismus aufzubauen ist. Genosse Fidel Castro betonte: "Neben dem moralischen muß auch der materielle Anreiz angewendet werden, ohne weder den einen noch den anderen zu mißbrauchen, denn im ersten Falle kämen wir zum Idealismus und im zweiten zur Entwicklung eines individuellen Egoismus. Wir müssen so vorgehen, daß die ökonomischen Stimuli nicht zum ausschließlichen Beweggrund für den Menschen werden und die moralischen Stimuli nicht Vorschub dafür sind, daß die einen von der Arbeit der anderen leben.(10)
- Mit den neuen Orientierungen auf wirtschaftspolitischem Gebiet nimmt die Kommunistische Partei gleichzeitig die Lösung einer anderen, nicht minder wichtigen Aufgabe in Angriff. Es wurde für die Leitungskader sowie für die wissenschaftlich-technischen Kader ein ökonomisches Studium organisiert, damit feste Kenntnisse auf dem Gebiet der sozialistischen Wirtschaftsführung erworben werden. Arbeiter und Angestellte besuchen Produktionsschulen und Fachschulen im Lande, andere absolvieren ihre Fachausbildung in sozialistischen Bruderländern. In der täglichen Agitation und Propaganda wird immer wieder auf den Zusammenhang zwischen der Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung hingewiesen. Kurzum, das Studium der ökonomischen Fragen wird gegenwärtig zur Aufgabe nicht nur der Leiter, sondern aller Werktätigen
- In der Organisation der Arbeit vollziehen sich wesentliche Veränderungen. "Wir können uns nicht den Luxus erlauben, den Arbeitstag nicht voll auszunutzen", stellte Genosse Fidel Castro fest. (11) Der Kampf wird gegenwärtig dafür geführt, den rationellsten Einsatz der Arbeitskräfte in den Betrieben zu garantieren. Untersuchungen ergaben, daß bei Verbesserung der Arbeitsorganisation Produktionssteigerungen von 30 bis zu 70 Prozent, zum Teil sogar bis zu 100 Prozent zu erreichen sind. Damit wurden große Reserven für die Volkswirtschaft aufgedeckt. Hinzu kommt, daß im ganzen Land in Betrieben der Industrie und Landwirtschaft eine Kampagne zur Arbeitsnormung läuft. Das System des festgelegten Lohns wird durch ein neues abgelöst, das den individuellen Beitrag jedes Arbeiters zur Produktion, die Qualifikation des Arbeiters sowie die Intensität und Dauer seiner Arbeit exakter berücksichtigt. Eine große Rolle bei der Produktionssteigerung spielen heute die rationelle und effektive Ausnutzung aller Reserven, die Ausschaltung von Stillstandszeiten und Arbeitszeitverlusten, die schnelle Übernahme von Rationalisierungsmaßnahmen in die Produktion sowie das Sparsamkeitsprinzip. Ab Januar 1973 wurde ein neues System der wirtschaftlichen Rechnungsführung eingeführt, das Kennziffern wie Selbstkosten der Erzeugnisse, Aufwand an Material und Arbeitszeit usw. vorsieht.
- Große Arbeit wird gegenwärtig zur grundlegenden Verbesserung der Volkswirtschaftsplanung geleistet. Es wurde ein Dreijahresplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft ausgearbeitet, der die bisher gültigen Zweigpläne (für Zucker, Reis, Viehwirtschaft usw.) und die kurzfristigen Jahrespläne ablöst. Für den Zeitraum 1976 bis 1980 wird – wie auch in den anderen RGW-Ländern – ein Fünfjahrplan ausgearbeitet. Bei der Vorbereitung dieses Planes spielen solche Fragen wie Fertigstellung der begonnenen Objekte im Investitionsbau, Rekonstruktion der bestehenden Betriebe und die effektive Nutzung der installierten Anlagen eine besondere Rolle. Partei und Regierung des Landes stellen die Aufgabe, der Planung eine realere, wissenschaftlich fundierte Grundlage zu geben, sich stärker und umfassender auf die ökonomischen Gesetze des Sozialismus zu stützen und dabei die reichen Erfahrungen der sozialistische Bruderländer, vor allem der Sowjetunion, zu nutzen.
- Zur neuen Etappe des sozialistischen Aufbaus in Kuba gehört ebenfalls die weitere Stärkung des Partei- und des Staatsapparates und die Weiterentwicklung ihrer Arbeitsformen und Methoden. Neben der schon erwähnten neuen Struktur im Parteiapparat wurde im November 1972 eine Reorganisierung des Ministerrates durchgeführt. Die Schaffung eines neuen Organs, des Exekutivkomitees des Ministerrates (Ministerpräsident, Erster Stellvertreter, Präsident der Republik und siebenStellvertreter des Ministerpräsidenten, von denen jeder die Tätigkeit mehrerer Ministerien oder zentraler Institutionen koordiniert), ist Ausdruck einer weiteren Vervollkommnung der staatlichen Leitung.
Ein Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt, daß die von der Partei- und Staatsführung eingeleiteten Maßnahmen gute Ergebnisse zeitigen, obwohl ungünstige Witterungsbedingungen, darunter eine Dürre, sich negativ auf die landwirtschaftliche Produktion auswirkten. Wie Genosse Osvaldo Dorticós in seiner Rede zum 15. Jahrestag der siegreichen Revolution in Kuba feststellen konnte, wuchs das gesellschaftliche Gesamtprodukt 1972 gegenüber 1971 um 10 Prozent, die Produktion je Kopf der Bevölkerung um 8 Prozent. 1973 wuchs die Gesamtproduktion noch schneller - etwa um 12 Prozent. (12) Dieser Zuwachs ist in erster Linie auf eine erhebliche Steigerung der Arbeitsproduktivität zurückzuführen. Außer der Landwirtschaft (Auswirkungen der Dürre) konnten alle anderen Zweige der Wirtschaft 1972 einen Produktionszuwachs von 15 Prozent erbringen. Die Elektroenergieerzeugung stieg 1972 um 11 Prozent und die Produktion der Eisenhütten- und metallverarbeitenden Industrie um 36 Prozent im Vergleich zu 1971. Die gleiche positive Entwicklungist in der Baustoffindustrie zu verzeichnen. Dort konnte die Produktion um 50 Prozent gesteigert werden. Die Zementproduktion lag 1970 bei 742.000 t, 1971 bei 1,088 Mio. und 1972 bei 1,465 Mio. t. Auch das Aufkommen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen stieg 1972 mit Ausnahme des Zuckerrohrs beträchtlich. All diese Tatsachen lassen deutlich sichtbar werden, daß die von der Kommunistischen Partei und der Revolutionären Regierung eingeleiteten Maßnahmen günstige Bedingungen für den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung des Landes schaffen und die Entwicklung in Kuba "in eine neue, wichtige und entscheidende Phase eintritt", wie Genosse Fidel Castro feststellte. (13)
Für die nächsten Jahre wird die Aufgabe gestellt, ein jährliches Wirtschaftswachstum von 6 Prozent zu erreichen, die Leistungen des Gesundheitswesens weiter zu verbessern und das Bildungssystem optimal zu entwickeln. Eine sehr wichtige und unmittelbare Aufgabe ist es, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Schuhen zu verbessern. (14) Dafür gibt es gute Voraussetzungen. Im Bereich des Ministeriums für Lebensmittelindustrie z.B. wurde der Plan 1972 mit 102,5 Prozent erfüllt. Die Produktion erreichte 1.025,6 Mio. Peso, was eine Steigerung um 10 Prozent gegenüber 1971 bedeutet. Auch die Leichtindustrie hat 1972 gute Erfolge erzielt. Ihre Produktion von 538,3 Mio. Peso ist um 17 Prozent höher als im Jahre 1971. Der erfolgreiche Aufbau des Sozialismus in Kuba wäre, wie die führenden kubanischen Genossen immer wieder zum Ausdruck bringen, ohne die umfassende Unterstützung der sozialistischen Bruderländer,insbesondere der Sowjetunion, unmöglich gewesen. Genosse Osvaldo Dorticós erklärte auf dem XXIV. Parteitag der KpdSU: "Die Konsolidierung der kubanischen Revolution, die trotz der Aggression und der Blockade seitens der Imperialisten erreicht wurde, sowie die sozialistischen Errungenschaften Kubas waren nur in der von der Oktoberrevolution eingeleiteten historischen Epoche möglich. Wir haben dies in vielem der Unterstützung seitens der Sowjetunion und ihrer Hilfe bei der Entwicklung unserer Wirtschaft sowie bei der Stärkung unserer Verteidigungsbereitschaft zu verdanken." (15)
Die weitere Entwicklung Kubas ist mit einer stärkeren und vielfältigeren Eingliederung in die internationale sozialistische Arbeitsteilung und einer Festigung der Zusammenarbeit mit den sozialistischen Ländern verbunden. Das entspricht voll und ganz den nationalen Grundinteressen des kubanischen Volkes. Ausdruck dessen war der Beitritt Kubas zum Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe im Juli 1972. Seine Teilnahme an der Tätigkeit des RGW wird zur Lösung der Aufgaben des sozialistischen Aufbaus in Kuba und zur Festigung der sozialistischen Gemeinschaft beitragen. Auf die RGW-Länder entfallen etwa 80 Prozent des Außenhandelsumsatzes Kubas. Die Palette der Waren, die die RGW-Länder nach Kuba liefern, ist sehr groß. Sie reicht von Ausrüstungen und Maschinen für die Industrie(z.B. Zementwerke, Elektrizitätswerke) über Lastwagen und PKW bis zu Melkanlagen, Kombines für die Zuckerrohrernte, Ausrüstungen für die Zuckerzentralen und für die Bewässerung (Pumpen) sowie Erzeugnissen der chemischen und der Leichtindustrie. Kuba liefert den RGW-Ländern Erzeugnisse des Bergbaus (Nickel), Zucker, Zitrusfrüchte und andere tropische Früchte, Tabak, Kaffee.
Erfolgreich entwickeln sich die Beziehungen Kubas zur Deutschen Demokratischen Republik. Bewegender Ausdruck unserer brüderlichen Beziehungen war der Besuch der Partei- und Regierungsdelegation Kubas unter Leitung des Genossen Fidel Castro in der DDR im Juni 1972. In einer Atmosphäre aufrichtiger Freundschaft fand ein umfassender und gründlicher Meinungsaustausch über die Erfahrungen beider Parteien beim Aufbau des Sozialismus statt. Die führenden Repräsentanten unserer beiden Parteien und Staaten stellten aus diesem Anlaß fest, "daß sich die Beziehungen brüderlicher Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen... den Völkern beider Staaten auf der Basis der Prinzipien des Marxismus-Leninismus, des ‚sozialistischen Internationalismus und der Gemeinsamkeit der Ziele beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens vorteilhaft entwickeln. Ausdruck dafür sind die zahlreichen zwischenstaatlichen Verträge und Abkommen sowie zahlreiche Vereinbarungen zwischen gesellschaftlichen Institutionen und Massenorganisationen beider Staaten." (16)
Das sozialistische Kuba hat im ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat einen treuen Verbündeten, auf den es sich jederzeit verlassen kann. Genosse Erich Honecker äußerte die Gefühle und Gedanken unseres Volkes, als er feststellte: "Die Deutsche Demokratische Republik wird dem kubanischen Brudervolk – gemeinsam mit der UdSSR und den anderen Mitgliedern der sozialistischen Staatengemeinschaft – auch in Zukunft jede mögliche Unterstützung beim Aufbau des Sozialismus leisten. In der Klassenauseinandersetzung mit dem Imperialismus und bei der Verteidigung der kubanischen Revolution gegen alle Anschläge und Provokationen des USA-Imperialismus und seiner Komplicen stehen wir, liebe kubanische Genossen, stets an eurer Seite." (17)
1) Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien – Moskau 1969, Dokumente, Dietz Verlag, Berlin 1969, S. 39
2) Granma, 28. Juli 1973
3) Fidel Castro, Die Stärke der Revolution liegt in der Einheit, Moskau 1972, S. 117 (russ.)
4) Vgl. Friedel Treppen, Probleme der Entwicklung des Sozialismus in Kuba, in: Einheit, Heft 9, 1970, S. 1204
5) W. I. Lenin, Der "linke Radikslismus",die Kinderkrankheit im Kommunismus, Werke, Bd. 31, Dietz Verlag, Berlin 1959, S.29
6) Granma, 2.Mai 1973
7) El militante comunista, Juni 1973, S. 23
8) Granma, 2. Mai 1973
9) Granma, 27. Juli 1973
10) Granma, 28. Juli 1973
11) Granma, 2. Mai 1973
12) Prawda, 29. Dezember 1973
13) Granma, 2. Mai 1973
14) Granma, 28. Juli 1973
15) Presse der Sowjetunion, Nr.48, 1971, S. 292
16) Fidel Castro, Unsere Stärke liegt in der Einheit, Dietz Verlag, Berlin 1973, S. 94/95
17) Neues Deutschland, 20. Juni 1972
Henry März
Einheit 2-74
Informationsdienst Nr. 4-5 / 1975