Früher den Reichen - heute dem Volk

EIGENTUM IN KUBA

"Erinnerst Du Dich, als Varadero den Reichen gehörte, und sonst niemand?
Und der Strand, als auf diesem schönen Strand das Volk nicht einmal spazieren gehen durfte?
Er gehörte den "misters", und man sprach fast nur englisch, bis eines Tages diese Spielchen beendet wurden, und seitdem gehört Varadero dem Volk.
Jetzt ja, jetzt ja – jetzt gehört Varadero Dir und mir.
Jetzt ist Varadero nicht mehr der Ort, wo man nur englisch spricht.
Der große Palast des großen Herrn - jetzt gefällt er dem Arbeiter.
Jetzt ja, jetzt ja – jetzt gehört Varadero Dir und mir.
Da, wo früher Mr. DuPont wohnte,wohnt jetzt der Zuckerrohrschneider José Ramon.
Jetzt ja, jetzt ja – jetzt gehört Varadero Dir und mir!"

Dies ist nicht nur ein populäres kubanisches Lied - es ist die heutige kubanische Realität, nicht nur in Varadero. Wir sind dort gewesen: Ein 14 km langestreckter, weißer Sandstrand, das Meer völlig klar, direkt am Strand Villen- das war vor der Revolution nicht nur der schönste, sondern auch der exklusivste Strand Kubas, wo "Herren" wie DuPont oder der Diktator Batista wohnten, aber die einfachen Kubaner natürlich keinen Zutritt hatten. Nach der Revolution flüchteten die Besitzer der Villen oder kehrten nicht mehr von Reisen zurück, die sie gerade machten. So gehört heute dieser Strand, mitsamt den Villen, den kubanischen Arbeitern, - neben 50 weiteren Stränden, zu denen die Revolution Zugang verschaffte, oder die sie neu anlegte. Im Sommer sind in Varadero alle Häuser und Hotels von den Gewerkschaften gemietet, dann können die Arbeiter, die in ihren Betrieben als die besten gewählt wurden, fast umsonst hier Urlaub machen. Selbstverständlich können auch die anderen Arbeiter außerhalb der Saison hier Urlaub machen, allerdings etwas teurer. Aber für Varadero ist die Nachfrage natürlich größer als für die anderen Badeorte, weil dies zweifellos der schönste Ort ist.- Der früher ebenfalls exklusive "Havana Yacht- und County Club" ist heute umbenannt in "Kubanischer Arbeiterclub", zu dem jeder Arbeiter und Bauer Zutritt hat.- Das Haus, in dem wir aßen, hatte früher dem Diktator Batista gehört.

Jetzt ja, jetzt ja – jetzt gehört Varadero Dir und mir. - nicht nur Varadero, sondern die Villen, die wir in Miramar gesehen haben. Ebenso die Nachtclubs, wie etwa "Tropicana". Die früheren Regierungsgebäude und privaten Prachtvillen in Habana, die gleich nach der Revolution in Schulen und Kindergärten umgewandelt wurden (weil die Kinder, von denen Fidel Castro einmal sagte, daß sie die einzigen Privilegierten in Kuba seien, in den schönsten und stabilsten Häusern lernen sollten), ebenso wie die ehemalige Kaserne "Moncada", die heute eine helle, geräumige Grundschule ist.

Dem Volk gehört auch der "Lenin-Park", ein riesiger Freizeitpark außerhalb von Havana. Hier allerdings gibt es nicht den aus unseren Freizeitparks wohlbekannten "Nepp", durch den nach einem Sonntagnachmittag im Freizeitpark eine Familie um einen Fünfzigmarkschein ärmer ist - hier ist alles, vom Eintritt bis zur Benutzung der Bummelbahn, kostenlos (außer, wenn man sich ein Eis oder Kuchen kaufen will).

Früher den Reichen, heute dem Volk das heißt nicht, daß etwa ein Haus nur von einem Besitzer zum anderen überwechselt. Abgesehen davon, daß es selbstverständlich persönliches Eigentum gibt, was etwa Möbel, Kleidung usw. betrifft, also Gegenstände des persönlichen Bedarfs, hat sich in Kuba eine gänzlich andere Eigentumsform herausgebildet, als wir sie hier kennen, nämlich das Staatseigentum in der Form des kollektiven Eigentums. Das haben viele aus unserer Brigade erst nicht verstanden, und folgendes Gespräch soll das Problem verdeutlichen:

GEHÖRT EUCH JETZT DIE WOHNUNG ODER NICHT?

Auf der Rückfahrt von Alamar ins Campamento gibt es eine erregte Diskussion zwischen einigen europäischen Brigademitgliedern und zwei Kubanern. Einer der Kubaner wohnt in einem Haus, einem Einfamilienhaus, seinem Arbeitszentrum zugeteilt worden ist. Er spricht von "seinem" Haus.

Die Brigadisten: "Du sprichst immer von 'Deinem' Haus, aber es gehört Dir ja nicht, es gehört dem Staat, und Du darfst es nur benutzen, weil es dem Arbeitszentrum zur Verfügung steht. Aber 'Dein' Haus ist es nicht." Der Kubaner läßt sich diese Meinung noch einmal erklären, und versucht, offensichtlich mit einiger Mühe, zu verstehen, was diese Mitteleuropäer meinen, wovon sie eigentlich sprechen.

"Ja, das Haus gehört mir, ich wohne darin mit meinen Kindern. Ich habe es so lange, wie ich es brauche."

"Aber Du bezahlst doch Miete dafür."

"Nein, keine Miete, nur 6 % meines Einkommens für die laufenden Ausgaben, Wasser, Strom, Reparaturen."

"Aber Dein Eigentum ist es nicht. Wenn Du z.B. ein Zimmer übrig hättest, dürftest Du das vermieten?"

"Aber ich habe kein Zimmer übrig, das Haus reicht gerade für meine Familie. Wenn ich nicht allen Wohnraum brauche, dann tausche ich mein Haus gegen ein kleineres. Und - natürlich - wir vermieten keinen Wohnraum, weil bei uns nicht einer auf Kosten des anderen zu Geld kommen kann, ohne zu arbeiten."

"Also gut, private Vermietung gibt es bei Euch nicht. Aber kannst Du das Haus denn verkaufen?"

"Nein, Häuser kaufen und verkaufen, und Geld damit machen, das ist vorbei, das wißt Ihr doch."

"Na ja, ich wollte Dir ja auch nur beweisen, daß das Haus Dir eben doch nicht gehört. Wenn Du das Haus nicht verkaufen kannst, dann gehört es Dir auch nicht, das ist doch klar."

"Sieh mal, bei uns ist das so: Ich habe das Haus von meinem Arbeitszentrum, Ich kann darin wohnen und meine Kinder auch, Ich kann darin bleiben, bis ich alt bin. Und sogar mein Sohn kann weiter darin wohnen, wenn er in den Betrieb geht. Es ist mein Haus. Ich benutze es und niemand kann mich rauswerfen. Was willst Du mehr? Das Haus steht mir vollkommen zur Verfügung."

"Aber es gehört Dir nicht, denn Du kannst es nicht verkaufen."

Das ist die Konsequenz unseres vom Kapitalismus geprägten Denkens: Ware muß man zu Geld machen können, sonst ist sie uninteressant, Daß die produzierten Güter einfach der Bedürfnisbefriedigung dienen – hier also dem Bedürfnis, mit seiner Familie ein Dach über dem Kopf zu haben, ein festes Dach und auf Dauer - und daß man damit vollkommen zufrieden ist, ist eine ganz einfache Sache. Aber unser verdrehtes Denken muß sich erst langsam wieder an solche logischen Zusammenhänge gewöhnen.

Zu dem "kollektiven Eigentum" gehört in Kuba auch das Schulwesen, das jedem offensteht, ebenso wie das kostenlose Gesundheitswesen.

An diesen Beispielen sehen wir: Der Sozialismus kann nicht dadurch "verkündet" werden, daß man den Privatbesitz verstaatlicht – die Arbeiter und übrigen Werktätigen müssen auch tatsächlich über die Verwendung des Besitzes bestimmen können. (Wie das im Betrieb aussieht, wird an anderer Stelle dieser Broschüre geschildert).

Auf jeden Fall können wir sagen, daß die Kubaner täglich, aufgrund ihrer eigenen sinnlichen Erfahrungen, sich bewußt sind, daß dies ihr Land ist, und nicht mehr den "misters" und den kubanischen Ausbeutern gehört. Vielleicht kamen uns deshalb die kubanischen Arbeiter so selbstbewußt vor. Adonis, der mit uns zusammenarbeitete, sagte das so: "Ich wurde in einem kleinen Zuckerdorf geboren. Als die Revolution siegte, war ich 45 und Analphabet. Ich hätte nicht gedacht, daß die Revolution unser Leben so verändern würde."

NOCH IMMER GIBT ES PRIVATUNTERNEHMEN

Am 26. März 1968 wurden die letzten Privatunternehmen verstaatlicht, mit Ausnahme der Lastwagen- und Taxibesitzer - aber deren Status als Privatunternehmer dauert genau so lange, wie ihre Fahrzeuge halten, und die sind noch von vor der Revolution.

Es gibt aber noch etwa 200.000 Kleinbauern mit Privatbesitz an Grund und Boden. Allerdings haben die meisten von ihnen ihr Land erst nach der Revolution erhalten, gemäß der Forderung: "Den Boden dem, der ihn bebaut." Nach dem ersten Agrargesetz (17. Mai 1959) durfte der Privatbesitz bis zu 400 ha betragen. Die Folge war, daß die schon früher privilegierten Grundbesitzer begannen, die Wirtschaft zu sabotieren, z.B. bestellten sie ihre Felder nicht, oder sie handelten mit ihren Produkten auf dem Schwarzmarkt, der besonders in den 60er Jahren ein ertragreiches Geschäft war. Daraufhin wurde das zweite Agrargesetz verabschiedet (3. Oktober 1963), das den Privatbesitz auf 67 ha beschränkt. Das erscheint uns noch immer sehr viel, allerdings wird diese Größe in den seltensten Fällen erreicht. - Die Kleinbauern bewirtschaften etwa 30 % des Landes, sie erzeugen 1/3 der Agrarproduktion.

"Das ist unvereinbar mit dem Sozialismus", meinten einige von uns, "das ist eine große Gefahr, daß wieder kapitalistische Verhältnisse eingeführt werden", "das verstehe ich überhaupt nicht, wieso werden die nicht einfach enteignet", meinten andere. Diese Fragen stellten wir häufig, z.B. als wir einmal zu Gast in einem Büro der ANAP waren (das ist der kubanische Kleinbauernverband). Ein Genosse der ANAP erklärte uns, daß die heutigen Kleinbauern vor der Revolution sehr arm und ausgebeutet waren,und daß die meisten von ihnen auf der Seite der Revolution gekämpft und ihr Land nach der Revolution erhalten haben. Die Revolution hat ihnen die Sorge um das Überleben genommen, hat ihnen menschenwürdige Bedingungen verschafft, und deshalb sind sie für den Sozialismus. Fidel Castro hat nach der zweiten Agrarreform erklärt, das sei die zweite und letzte Agrarreform gewesen, und die Revolution halte ihr Wort.

"Und wie vermeidet die Revolution, daß die Kleinbauern durch geschicktes Geschäftemachen, z.B. über den Schwarzmarkt, wieder zu einer privilegierten Schicht werden?"

"Außer dem Eigenbedarf dürfen die Kleinbauern ihre Produkte nur an den Staat verkaufen, Außerdem bekommen sie, wenn sie in der ANAP organisiert sind, Auflagen, was die vom Staat gewünschten Produkte betrifft. Als Gegenleistung können sie die staatlichen Maschinenparks benutzen, erhalten kostenlos Saatgut und zinslose Kredite. Bei Bedarf, z.B. während der Erntezeit, werden ihnen Hilfskräfte zugeteilt."

Aber viel wichtiger ist die Überzeugungsarbeit und die Teilnahme der Kleinbauern an den Entscheidungen. Hier hat die ANAP eine wichtige Funktion, erklärte uns der Genosse. In ihr diskutieren die Kleinbauern gemeinsam die Produktionspläne, beteiligen sich an ihrer Erstellung, helfen sich mit Material aus, diskutieren die politischen Ereignisse. Das hat auch praktische Konsequenzen, z.B. Sammlungen für Vietnam und Chile, usw.. Ein weiteres Beispiel dieser Überzeugungsarbeit war für uns das Projekt "La Yaya", das an anderer Stelle besprochen wird, und die Theatergruppe dort. Diese Überzeugungsarbeit hatte z.B. 1968 das Ergebnis, daß 12.000 Kleinbauern ihren Besitz an den Staat verkauften. - Außerdem kommen die Kinder der Kleinbauern bevorzugt in die "Escuelas en el campo" (Landschulen), wo sie sich von den Vorteilen des gemeinschaftlichen Lebens überzeugen können.

Die Kleinbauern verabschiedeten sich von uns mit Musik. Sie spielten uns ihre traditionellen Lieder vor. Einige allerdings waren umgedichtet. Eines dieser Lieder handelte davon, daß das Volk von Chile trotz der faschistischen Verbrechen weiterkämpft.

Noch immer also gibt es Privatunternehmen. Trotz der überzeugenden Beispiele, die uns die sozialistische Umgestaltung auf dem Lande vor Augen führte, meinen wir, daß das Problem der Kleinbauern und die Gefahr einer Privilegierung dieser Schicht,die Kubaner noch einige Zeit beschäftigen wird.

GIBT ES IM HEUTIGEN KUBA KEINE PRIVILEGIERTEN MEHR,

keine DuPonts und Bacardis? Wie ist es mit den führenden Parteimitgliedern und Betriebsleitern?

Sechs Wochen sind zu kurz, um diese Frage gründlich zu untersuchen. Die Kubaner jedenfalls, mit denen wir sprachen, versicherten uns, daß in Kuba niemand aufgrund eines Amtes privilegiert sei. Die "berühmten" Alfa Romeos, die wir sahen, waren Rot-Kreuz-Wagen, öffentliche Taxen oder Dienstwagen. Wir sahen keine "Intershops" oder "Tuzex-Läden", Kubaner mit fremder Währung in denen begüterte einkaufen können. Es gibt "Privilegierte" in Kuba - das sind (neben den Kindern) vor allem die Arbeiter, die aufgrund ihrer guten Leistungen in Varadero Urlaub machen können, und die etwa bei der Verteilung von dauerhaften Gütern, wie Fernsehgeräten und Kühlschränken, bevorzugt werden. Diese "Privilegien" allerdings sind durch Arbeit erworben, nicht durch Eigentumstitel. Sie bedeuten nicht, daß man Menschen für sich arbeiten lassen kann oder Strände privatisiert.

Reise nach Cuba - 1973