Thesen des XII. Gewerkschaftskongresses

Thesen des XIII. Kongresses der Zentrale der kubanischen Arbeiter (Central de los Trabajadores Cubanos = CTC) (Auszüge aus Granma, Weekly Review vom 2.9.1973, aus dem Englischen übersetzt)

These I

Jeder nach seiner Fähigkeit, jedem nach seiner Leistung

...Jeder muß nach der Quantität und Qualität seiner Arbeit entlohnt werden. Wer mehr und bessere Arbeit leistet, muß mehr bekommen. Wer in seinem normalen Beruf mehr zum Nutzen der Gesellschaft beiträgt, soll mehr bekommen, in gerechtem Verhältnis zu seinem Beitrag.

Die Anerkennung der moralischen Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Effektivität des Prinzips der sozialistischen Gesellschaft, daß die Löhne, Gehälter oder die Bezahlung eines jeden der Quantität oder Qualität der geleisteten Arbeit entsprechen, ist der erste entscheidende Schritt in der Durchführung dieser Politik, die nicht über Nacht durchgesetzt werden kann. Es erfordert Zeit und vorsichtige, langwierige und harte Arbeit, bei der unsere CTC, die einzelnen Gewerkschaften und die lokalen Gewerkschaftssektionen eine aktive und wichtige Rolle zu spielen haben.

1.2

Normen setzen die Arbeitsleistung fest, die der Arbeiter in jeder Arbeitsperiode erbringen soll. Was getan oder produziert wird, sollte das erforderliche Qualitätsniveau erreichen. Löhne sind – entsprechend dem Prinzip der Entlohnung nach Quantität und Qualität der geleisteten Arbeit - notwendig an die Erfüllung, Untererfüllung oder Übererfüllung der Normen gebunden. Wenn der Arbeiter die Norm erfüllt, wird er seinen ganzen festgelegten Lohn erhalten. Wenn der Arbeiter die Norm nicht erfüllt, soll sein Lohn entsprechend reduziert werden. Wenn er also nur 99 % seiner Norm erfüllt hat, wird er 99 % seines Lohnes bekommen. Wenn der Arbeiter die Norm übererfüllt, soll sein Lohn sich entsprechend erhöhen, Wenn er also 5 oder 10 % mehr als seine Norm produziert, soll sein Lohn um 5 oder 10 % anwachsen.

These II

Unbezahlte freiwillige Arbeit zum Nutzen der Gesellschaft

Unbezahlte freiwillige Arbeit zum Nutzen der Gesellschaft, Arbeit von kommunistischem Charakter, zeigt bei denen, die an ihr teilnehmen, einen hohen Grad von revolutionärem Bewußtsein, und sie hilft bei der Entwicklung dieses Bewußtseins.

Jedoch haben der Mißbrauch, dem freiwillige Arbeit manchmal unterlag, und die organisatorischen Mängel bei der Mobilisierung, die sich bisweilen zeigten, den Sinn der Arbeit verkehrt und die Arbeiter entmutigt, die an ihrer Durchführung interessiert sind und die den Niederschlag ihrer Arbeit in nützlichen Ergebnissen für die Gesellschaft als Ganzes oder für die Gemeinde oder das Arbeitszentrum sehen wollen.

Damit der große Enthusiasmus, die Hingabe und das Interesse, mit dem die Arbeiter an unbezahlter freiwilliger Arbeit teilnehmen, die besten Früchte tragen, muß sie gut organisiert sein und nur für Aufgaben durchgeführt werden, die für Produktion, Dienstleistungen, Projekte im Interesse der Gesellschaft oder der Gemeinde nötig sind; oder um einen Ausgleich zu schaffen für die Arbeit derer, die bei der Zuckerrohrernte sind oder an anderen landwirtschaftlichen Aufgaben teilnehmen oder in Mikrobrigaden arbeiten. Die zusätzliche, unbezahlte und freiwillige Arbeit derer, die in ihren Berufen einen Ausgleich schaffen für die Mobilisierten und damit das notwendige Tempo .zur. Erfüllung der Pläne aufrechterhalten, ist lobenswert, effektiv und sehr nützlich für die Gesellschaft.

These IV

Pflichten und Rechte gehen Hand in Hand

Die lokale Gewerkschaftssektion und die Gewerkschaft haben Rechte und Pflichten, die ausgeübt und erfüllt werden müssen. Beispielsweise gibt es Leute, die der Ansicht sind, der revolutionärste Gewerkschaftsführer sei der, der sich am wenigsten um die kollektiven und persönlichen Rechte der Arbeiter kümmert und sich am meisten mit den Verpflichtungen und Auflagen befaßt, die von der Verwaltung kommen. Das ist ganz klar falsch. Es verkehrt die Rolle der Gewerkschaftsorganisationen und verursacht, daß die Arbeitsmassen sie mit Gleichgültigkeit betrachten. Die Gewerkschaft muß mit gleichem Eifer versuchen, die Arbeiter für die freiwillige und bewußte Erfüllung ihrer Arbeitspflichten zu gewinnen und zur selben Zeit deren Rechte als Eigentümer schützen, die an der Effektivität und am Fortschritt ihres Unternehmens interessiert sind.

Die lokale Gewerkschaftssektion, die Gewerkschaft und die Zentrale haben die Aufgabe - die sie dank der Revolution vollständig erfüllen können - die Interessen ihrer Mitglieder bei der Arbeit zu schützen und darauf zu achten, daß gesetzliche Maßnahmen und Beschlüsse der revolutionären Macht durchgesetzt werden.

Sie erfüllen diese Aufgaben in einem institutionellen Rahmen, weil der sozialistische Staat ihr Staat ist, der Staat der Arbeiter und Bauern, und weil die Regierung, das Unternehmen und die Verwaltung Repräsentanten der Arbeiter sind, die zum Nutzen der gesamten Gesellschaft arbeiten.

These V

Formen der Teilnahme der Gewerkschaftsbewegung an der Verwaltung und staatlichen Leitung

5.1

Regelmäßige Produktionsversammlungen in den Produktions- und Dienstleistungseinheiten

Die Produktionsversammlungen, die abgehalten wurden, haben ihren Nutzen und ihre Effektivität gezeigt trotz der Mängel, die in ihrer Vorbereitung und Entwicklung noch zu beobachten sind.

Der Nutzen und die Effektivität der Produktionsversammlungen kommt daher, daß sie eine gute Methode darstellen, die Arbeit der Verwaltung von unten und von seiten der Arbeiter zu kontrollieren und eine vernünftige Art und Weise, die Reserven aufzudecken, die zur Lösung von Produktionsproblemen angezapft werden können, und nützliche Erfahrungen und Anregungen zu sammeln.

5.2

Teilnahme am Verwaltungsrat Die Vertretung der Gewerkschaften im Verwaltungsrat sollte und darf nicht verkehrt werden zu einer Vertretung des Verwaltungsrats in den Gewerkschaften. Im Gegenteil, sie sollte als Vertretung der Arbeiter im Verwaltungsrat handeln. Ohne die Zustimmung der Arbeiter kann die Gewerkschaft weder verpflichtet werden, noch sich selbst verpflichten, Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, die vom Verwaltungsrat beschlossen werden, besonders wenn diese die eigentlichen Interessen der Gewerkschaftsmitglieder oder die Funktionen und Beschlüsse der Gewerkschaften berühren.

5.5

Andere Formen der Teilnahme

Die Praxis, die Entwürfe bedeutender Gesetze öffentlich zu diskutieren, bevor sie angenommen werden, hat ihren Wert gezeigt. Sie sollte daher fortgeführt werden. Es gibt jedoch Möglichkeiten zur Verbesserung der Methoden bei der Diskussion der Entwürfe, so daß die Ergebnisse solcher Diskussionen greifbarer und einträglicher werden.

a) Die Massen sollten bei allen Aspekten der in den Entwürfen niedergelegten Maßnahmen ein breiteres und tieferes Verständnis der ihnen zugrundeliegenden Ideen, ihres Gehaltes und ihrer Konsequenzen gewinnen.

b) Alle in den Versammlungen geäußerten Meinungen – ob gegen, für oder zur Modifikation eines Entwurfes - sollten weitergegeben werden.

c) Es sollten die Abstimmungsergebnisse bezüglich Annahme, Modifikation oder Ablehnung des Entwurfes festgehalten werden, nicht in der Absicht, diesen öffentlichen Diskussionen den Charakter eines Referendums zu verleihen, sondern nur, weil auf diese Art und Weise eine geschlossenere Vorstellung vom Grad des Verständnisses der Massen und der Befürwortung des Entwurfes zu erlangen ist.

These VI

Arbeit von Frauen und Jugendlichen

Obwohl in unserem Land der Durchschnittsgrad von Erziehung und Bildung der männlichen Arbeiter niedrig ist, ist er immer noch höher als der der weiblichen. Das benachteiligt diese bei den Arbeitsnormen, in den Aufstiegsmöglichkeiten, bei der Einsparung von Personal und anderen Maßnahmen, die für das Wachstum des Ertrags sozialistischer Arbeit lebenswichtig sind und ohne die wir die wachsenden materiellen und geistigen Bedürfnisse der männlichen und weiblichen Arbeiter und der ganzen Bevölkerung nicht befriedigen können.

Beiden Geschlechtern müssen gleiche Möglichkeiten der Ausbildung gegeben werden. Wir schlagen vor, daß der Kongreß seine Unterstützung gewährt zur Zulassung einer bestimmten genehmigten Anzahl von Frauen als Lehrlinge in allen Arbeitszentren, wo Frauen arbeiten können....Das würde es manchen Frauen, besonders jungen Mädchen, ermöglichen den ersten Schritt zu einer Ausbildung in dem Beruf zu tun, den sie ergreifen wollen.

Lehrlingen beiderlei Geschlechts soll ein angemessenes Anfangsgehalt gegeben werden, das der Komplexität der Arbeit und dem Bedarf an Arbeitskräften auf kürzere und längere Frist in der jeweiligen Branche entsprechen solle. Diese anfängliche Entlohnung soll erhöht werden in dem Maße, wie sich ihr praktisches und theoretisches Wissen dem bei der Arbeit üblichen Niveau nähert.

These VII

Sozialistischer Wettbewerb und kollektive und individuelle Verdienste

Weit davon Routine zu entfernt, bloße rechtfertigen, sollte der Wettbewerb die Initiative der Arbeiter anspornen und unaufhörlich herausfordern und dazu beitragen, die Gewerkschaftsaktivitäten und den Verwaltungsapparat zu verbessern, bis man sicher sein kann, daß alles so läuft, wie es soll und bis wir mehr und besser produzieren bei geringeren Kosten.

Enge, selbstsüchtige, konkurrenzhafte Streiterei ist dem sozialistischem Wettbewerb fremd. Der Wettbewerb basiert auf der Diskussion positiver Erfahrungen und auf der Zusammenarbeit unter den Genossen, weil es das gemeinsame Ziel ist, die Produktion zu verbessern, den Arbeitsertrag zu erhöhen im Interesse des Aufbaus des Sozialismus. So hilft der sozialistische Wettbewerb bei der Schaffung neuer menschlicher Beziehungen, die dem Menschen in der neuen Gesellschaft, die wir aufbauen, angemessen sind; und er hilft dem Arbeiter, der von dem Wunsch erfüllt ist, sich selbst technisch, von der Bildung her, moralisch und politisch zu verbessern...

These XI

Charakter der Gewerkschaftsorganisation

a) Zuerst wollen wir erklären, daß die Gewerkschaft kein Teil des Staatsapparats und keine staatliche Organisation ist. Sie ist nicht von irgendeinem Ministerium abhängig.

b) Die Gewerkschaften sind keine Parteiorganisationen. Arbeiter, die Parteimitglieder oder Mitglieder des kommunistischen Jugendverbandes (UJC) sind und Arbeiter, die nicht Mitglieder in einer dieser Organisationen sind, haben dieselben Rechte und Pflichten in den Gewerkschaften.

Jedoch führt und leitet die Partei die Gewerkschaften politisch, ebenso wie sie alle anderen Organisationen und Institutionen führt. Die CTC, die Einzelgewerkschaften und die lokalen Gewerkschaftssektionen erkennen mit der Billigung aller ihrer Mitglieder offen und bewußt die Partei als Vorhut und führende Organisation der Arbeiterklasse an, und sie werden die Politik und die Losungen der Partei anerkennen.

c) Die Gewerkschaften sind Massenorganisationen, von den Massen geformt. Aufgrund ihres Charakters als nichtstaatliche und Nicht-Parteiorganisationen sind die Gewerkschaften autonome Organisationen. Ihre Mitglieder müssen ihre einzelnen Regeln und Statuten billigen, sie diskutieren und demokratisch beschließen, periodische Wahlen für die leitenden Ämter durchführen und, wenn nötig, die vergebenen Mandate zurücknehmen.

Die Gewerkschaften erziehen ausgehend von Klassenpositionen - ihre Mitglieder in revolutionärem sozialistischem Geist; im Geist der Liebe und der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes; im Geist der Achtung und des Vertrauens gegenüber der Kommunistischen Partei und im Geist des proletarischen Internationalismus.

Diskussion der Thesen

Die folgenden Ausschnitte aus Artikeln der Granma vom 26.9.73 (tägliche Kubanische Ausgabe) sollen illustrieren, in welcher Art und Weise die Kubanischen Arbeiter die Thesen in ihren Fabriken diskutierten und wie über die Presse versucht wird, die Meinungen und Diskussionen allgemein zugänglich zu machen.

"Holzarbeiter der 'Cienaga de Zapata' diskutieren die Thesen des XIII. Gewerkschaftskongresses".

... Während der Diskussion der Thesen billigten die Holzarbeiter zwei Vorschläge von Israel Pérez und Carmelo González, letzterer Arbeiter in der Sägemühle von Cayo Ramona. Carmelo schlug vor, daß die Bezahlung für Übererfüllung oder der Abzug für mangelnde Erfüllung der Normen kollektiv durchgeführt werden solle an Arbeitsplätzen wie dem seinigen, wo die Arbeitsergebnisse vom Kollektiv in seiner Gesamtheit abhingen. Das hieße, wenn die Sägemühle die Norm übererfülle, werde die zusätzliche Zahlung proportional auf die Gruppe der Arbeiter verteilt, und wenn sie sie nicht erfülle, gäbe es einen kollektiven Abzug. …

"Die arbeitende Frau" (aus der Diskussion der Thesen unter den im Außenministerium Arbeitenden)

Ein anderes der ausführlich diskutierten Themen war das der arbeitenden Frau und der Schwierigkeiten,der sie sich gegenübersieht. Zoila Rosales plädierte für die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten innerhalb der Arbeitszentren zur Wartung der Kinder während des Samstagmorgens (am Samstag wird in Cuba 4 Stunden gearbeitet) und während der Zeiträume, in denen die Primarschulen nicht in Betrieb sind, wohingegen Angela Grao sich für die Verbesserung bestimmter Dienstleistungen aussprach, z.B. der Wäschereien, damit die arbeitende Frau über mehr Möglichkeiten verfüge.

Die Aufmerksamkeit, die die Väter ihren Kindern widmen sollten, war auch Gegenstand der Diskussion. Man bestand auf der Notwendigkeit eines möglichst engen Kontaktes zwischen Vätern und Kindern als Teil der Erziehung.

Verschiedene Werktätige des Außenministeriums stimmten darin überein, daß die Pflicht zur Erziehung der Kinder "eine Verantwortung ist, an der Vater und Mutter teilnehmen müssen".

Mercedes Garrudo beharrte auf der Notwendigkeit, daß die Frau mit ausreichendem Verständnis und Bereitschaft zur Zusammenarbeit rechne, um die Möglichkeit zu dauernder Arbeit zu garantieren. Sie sprach über die Haltung der Zusammenarbeit, die der Mann auch zu Hause zeigen müsse und erinnerte daran, daß Engels gewarnt habe vor "der Gefahr, daß einige Männer, die bei der Arbeit wahre Proletarier seien, sich zu Hause ganz im Gegenteil wie Bourgeois benähmen, und zwar auf Kosten der Frau."

Reise nach Cuba - 1973