Im Bus durch Kuba

Während der ersten Wochen hatten wir bereits auf mehreren Ausflügen die Provinz La Habana kennengelernt, und am vierten Sonntag waren wir nach Pinar del Rio gefahren.

In den letzten zwei Wochen sollten wir nun die übrigen Provinzen kennenlernen. Von La Habana aus ging es in östlicher Richtung bis ans andere Ende der Insel. In jeder Provinz wurden wir in Campamentos in der Nähe der Provinzhauptstadt untergebracht, wo wir jeweils drei Tage blieben. Vom Campamento aus wurden Besichtigungsfahrten unternommen; an einem Abend des Aufenthalts fand eine "Actividad Cultural" statt und am anderen Abend konnten wir alleine oder in Gruppen die Provinzhauptstadt kennenlernen. In diesen Campamentos wurden sonst Lehrerseminare oder Arbeitsbrigaden untergebracht.

Bevor wir am Dienstag, 2. Oktober losfuhren, bekamen wir alle vom kubanischen Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) eine kleine Mappe, die eine Landkarte Kubas und das Programm unserer Reise enthielt. Unser "Treck" bestand aus sieben Bussen, für jede Subbrigade einer; außerdem begleiteten uns als ständige Eskorte ein Sanitätswagen und zwei Verkehrspolizisten auf Motorrädern.

Die Kubaner hatten bei der Aufstellung des Reiseplanes das Ziel, uns so viel wie möglich von den Fortschritten zu zeigen, die Kuba nach der Revolution gemacht hat. Allerdings wurden nicht die Schwierigkeiten verschwiegen, die im ganzen Land bei der Überwindung der Unterentwicklung bestehen. Um uns dieses zu verdeutlichen, wurde uns in jeder Provinz ein Einführungsvortrag gehalten, der uns die Probleme, Fortschritte und Planungen der jeweiligen Gebiete erklären sollte. Dann besichtigten wir Schulen, Universitäten, Fabriken, Viehzuchtbetriebe und neue Siedlungen, die nach der Revolution auf dem Lande entstanden sind. Mittags aßen wir oft in Restaurants, die in einer besonders reizvollen Gegend lagen und in denen wir uns bei Folkloremusik stärkten. Anschließend konnte jeder, der Lust dazu hatte, seine Kalorien wieder abtanzen.

In den letzten beiden Tagen konnten wir uns von den Strapazen der Arbeit und der Reise an einem der schönsten Orte Kubas, am Strand von Varadero, erholen. Für uns bedeutete der Aufenthalt in Varadero nur baden, essen, trinken, schlafen und faulenzen.

Von Varadero aus kehrten wir noch einmal in unser altes Campamento zurück, um unsere restlichen Sachen zusammenzupacken und uns auf den Rückflug vorzubereiten. Der Abschied auf dem Flughafen fiel uns allen schwer, denn wir hatten viele neue Freunde gewonnen. Im stillen hatten wir die Hoffnung, Kuba und unsere kubanischen Compañeros wiederzusehen - vielleicht bei einem neuen Arbeitseinsatz in Kuba, dem ersten freien Land Amerikas.

Oriente

Auf unserer Reise besuchten wir auch die Hafenstadt Santiago de Cuba in der Provinz Oriente. Diese Provinz wird von den Kubanern "Wiege der Revolution! Genannt. Hier, in dem sehr gebirgigen Teil der Insel, war der Ursprung aller Befreiungsbewegungen des kubanischen Volkes. Hier hatte José Martí, der große kubanische Dichter und Freiheitskämpfer, 1895 die erste Republik ausgerufen. Hier begann auch die demokratisch-sozialistische Bewegung der 30er Jahre; hier landete 1956 die Granma mit 82 Männern an Bord, unter ihnen Fidel Castro, sein Bruder Raul, Che Guevara und Camilo Cienfuegos; hier, in der Sierra Maestra begann der Kampf der Rebellenarmee, der am 1. Januar 1959 siegreich endete.

Auf Schritt und Tritt begegnet man Zeugnissen der Geschichte. Die Bewohner der Provinz sind stolz darauf. Sie haben die historischen Stätten erhalten, und durch ihre Museen wird heute den jungen Kubanern der lange und schwierige Weg bis zur Revolution bewußt gemacht; werden in Wort und Bild die Verhältnisse vor und nach der Revolution gegenübergestellt.

Am ersten Tag unseres Aufenthaltes in Santiago besuchten wir die Moncada-Kaserne, die am 26. Juli 1953 von einer Gruppe unter der Führung von Fidel Castro, Raúl Castro und Abel Santamaria gestürmt wurde. Der Angriff wurde zwar abgewehrt und viele der Angreifer gefoltert und ermordet, doch wird der 26. Juli heute als Anfangspunkt der endgültigen Befreiung überall in Kuba gefeiert. Nach der Revolution wurde die Kaserne in eine helle, geräumige Grundschule verwandelt, in der tausende von Kindern unterrichtet werden, Damit wurde der Traum der Revolutionäre wahr, nach dem Sieg der Revolution "die Kasernen der Unterdrücker in Schulen zu verwandeln".

Reise nach Cuba - 1973