Vorwort

Diese Broschüre wurde von den Mitgliedern der "Brigade 20. Jahrestag" aus der BRD und Westberlin geschrieben, die im September/Oktober '73 insgesamt sechs Wochen in Kuba war. (1) Die Aufstellung einer Brigade aus der BRD und Westberlin erfolgte im Hinblick auf die Gründung einer deutsch-kubanischen Freundschaftsgesellschaft. Wir haben versucht, unsere unmittelbaren Erfahrungen und Eindrücke zu verbinden mit Informationen, die dem Leser hier wahrscheinlich zum großen Teil neu sind, wobei wir nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit erheben können und wollen.

Kuba ist nach einem "Boom!" Ende der sechziger Jahre für Publizisten ziemlich uninteressant geworden. So kam es, daß ein Artikel, wie ihn Günter Maschke im Kursbuch schrieb, trotz seiner Unterstellungen und Unwahrheiten auf breites Interesse stieß: Er hatte offenbar genau in eine Informationslücke getroffen. Unsere Aufgabe kann es nicht sein, im einzelnen die Behauptungen solcher Artikel zu widerlegen, Vielmehr wollen wir beim Leser Interesse für das erste sozialistische Land auf dem amerikanischen Kontinent wecken, für die Probleme eines Entwicklungslandes, das, Meilen von der nordamerikanischen Küste entfernt, es wagte, die koloniale Abhängigkeit zu durchbrechen und seinen eigenen Weg zu gehen.

Wir haben bewußt darauf verzichtet, eine Broschüre nach dem gängigen Muster zu verfassen (Geographie- Geschichte-Wirtschaft-Kultur usw.) und uns auf die Punkte konzentriert, die für den Leser hier von unmittelbarem Interesse sein könnten (z.B. Arbeit/Arbeitsbedingungen, Gewerkschaft, Wohnen, Lebensbedingungen etc.). Deswegen braucht man die Broschüre auch nicht wie ein Buch von vorne bis hinten zu lesen, sondern kann, nach einer allgemeinen Orientierung durch die ersten Artikel, ruhig da anfangen, wo man besondere Interessen hat.

Sicherlich wollen wir Kuba nicht als ein Beispiel darstellen, daß wir hier kopieren können - vielleicht gelingt es uns aber, durch dieses Beispiel Phantasie und Anregung für die Lösung gesellschaftlicher Probleme bei uns zu vermitteln.

Von unseren Berichten und Vorträgen her. sind wir es gewohnt, daß man uns vorwirft: "Ihr stellt alles so rosig dar, was da in Kuba los ist, das kann gar nicht wahr sein." Wir haben uns deshalb bemüht, offene Fragen und Probleme auch als solche zu benennen. Wenn man allerdings von uns verlangt, "neutral" "distanziert"zu berichten, so fühlen wir uns überfordert - dazu waren unsere Erfahrungen zu beeindruckend.

Daß die Broschüre so spät herauskommt, liegt an unserer Arbeitsweise. Die Artikel wurden jeweils von zwei bis drei Mitgliedern der Brigade geschrieben, dann von der Gesamtgruppe besprochen, anschließend vom Redaktionskollektiv überarbeitet. Da wir über das ganze Bundesgebiet und Westberlin verstreut wohnen, wurde unsere Zusammenarbeit erheblich erschwert. Wir wollten aber auch nicht, daß nur zwei oder drei Teilnehmer berichten, sondern einen Querschnitt der Meinungen und Eindrücke von allen vermitteln. Daher erklärt sich auch die Verschiedenheit der Beiträge, was ihren Stil und teilweise auch ihre Sicht der Probleme betrifft, Die Informationen sind auf jeden Fall aktuell und auf dem neuesten Stand.

Abschließend noch etwas zur Sprache: Das Wort "Brigade" klingt für deutsche Ohren wahrscheinlich recht militärisch, Im kubanischen Sprachgebrauch hat es eher die Bedeutung von "Gruppe" oder "Kollektiv". Auch das Wort "Genosse" kommt häufig vor. Es handelt sich dabei um die unzulängliche übersetzung des kubanischen Wortes "Compañero", mit dem sich die Kubaner anreden und das sinngemäß etwa zwischen "Freund" und "Genosse" liegt.

1) Der Name "20. Jahrestag" erinnert daran, daß sich am 26. Juli '73 zum 20. Male das die Kubaner als den Beginn ihrer vierten und endlich siegreichen Befreiungsrevolution feiern. An diesem Tag stürmte Fidel Castro mit 200 jungen Leuten die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Das Ziel war, hier Waffen zu erbeuten und einen Volksaufstand gegen die damalige korrupte Diktatur auszulösen. Der Angriff schlug fehl. Achtzig Männer wurden ermordet, Hunderte Kubaner wurden im Zuge der Verfolgungswelle verhaftet, gefoltert, ermordet. Jedoch begann an diesem Tag, dem 26. Juli 1953, der kubanische Befreiungskampf, der schließlich am 1.1.59 siegreich endete.

- Die Redaktion -

Reise nach Cuba - 1973