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Die verschwiegene Geschichte der Cuban Five
Von Ricardo Alarcón de Quesada, Präsident der Kubanischen Nationalversammlung
1. Unerwünschte Helden
"It takes all the running you can do, to keep in the same place"
("Es erfordert deine ganze Sprintkraft, an derselben Stelle zu bleiben", Anm. d. Ü.)
Through the Looking Glass (Durch den Spiegel, bzw. dtsch. Ausgabe: Alice im Wunderland, Anm. d. Ü.), Lewis Caroll
Über den Fall Elian González, des sechsjährigen Jungen, der mit Gewalt von seinen ihm
unbekannten Großonkeln gegen den Willen seines Vaters und in eindeutiger Missachtung der
US-Gesetze und des Anstands festgehalten wurde, berichteten die Medien rund um die Welt. Miami, der Ort
der Entführung, wurde zu einer Art sezessionistischen Stadt in Nordamerika, als der
Bürgermeister, der Polizeichef, jede Zeitung, jeder Lokal- und Fernsehsender, einschließlich
religiöser Einrichtungen und Geschäfte, gegen die Anordnungen des Gerichts und der Regierung,
den Jungen zu befreien, gemeinsame Sache mit den berüchtigsten terroristischen und gewalttätigen
Gruppen machten.
Es bedurfte eines von Washington DC dort hingesandten Sonderkommandos, um eine verstohlene und eilige
Operation zur Besetzung etlicher Häuser einzuleiten, um die schwerbewaffneten darin versteckten
Personen zu entwaffnen, das Kind in deren Nachbarschaft zu retten und das Gesetz wiederherzustellen.
Jeder hat diese Geschichte tagein und tagaus verfolgen können.
Aber so gut wie niemand wusste, dass genau in dieser Zeit am genau demselben Ort - Miami - fünf
andere junge Kubaner willkürlich ihrer Freiheit beraubt und einem groben Rechtsmissbrauch
ausgesetzt waren.
Gerardo Hernández, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González und
René González wurden in den frühen Morgenstunden des Samstags am 12. September 1998
inhaftiert und für die nächsten 17 Monate in Strafzellen, Isolationshaft, eingesperrt. Die
Hauptanklage gegen sie - bestätigt von der Staatsanwaltschaft und der Richterin ausgehend von der
Anklageschrift bis zum letzten Verhandlungstag - lautete, dass sie friedlich und unbewaffnet mit der
Absicht in anti-kubanische Terrorgruppen eingedrungen waren, deren verbrecherische Pläne nach Kuba
zu übermitteln.
War es denkbar, dass irgendein revolutionärer Kubaner in Miami angesichts einer solchen Anklage
einen fairen Prozess erhielte? War das möglich, während in dieser Atmosphäre von Gewalt,
Hass und Furcht die Entführung von Elian noch in vollem Gange war?
Laut der Staatsanwaltschaft war es unbedingt möglich. Nach ihren Worten war Miami "eine sehr
große, facettenreiche und heterogene Gemeinde", die in der Lage sei, jede heikle
Angelegenheit, sogar eine die Kubanische Revolution betreffende, zu meistern. Die Staatsanwaltschaft
blieb bei dieser Linie, als sie über zehn der von der Verteidigung eingereichten Anträge auf
einen Gerichtsortswechsel noch vor Beginn der Verhandlungen ablehnte.
Die selbe Regierung, die sich verpflichtet gefühlt hatte, Miami als eine Art Rebellenstadt zu
behandeln und heimlich ihre Truppe zur Wiederherstellung des Rechts auszuschicken, log in Sachen des
Gerichtsorts wiederholt, indem sie den Angeklagten ein von Amerikanern so gepriesenes Recht verwehrte
und es ablehnte, die Verhandlungen in die eine halbe Stunde von Miami entfernte Nachbarstadt Fort
Lauderdale zu verlegen.
Paradoxerweise baten sie wenige Jahre später, im Jahr 2002, als die Regierung Gegenstand einer
zivilen Klage administrativer Art von weit geringerer Bedeutung war, die später durch ein
außergerichtliches Verfahren geklärt wurde und nur indirekt mit dem Fall von Elian in
Zusammenhang stand, um einen Gerichtsortswechsel nach Fort Lauderdale, wobei sie versicherten, dass es
bei "allem, was in Zusammenhang mit Kuba stehe" unmöglich sei, in Miami ein faires
Verfahren zu erhalten. (Ramírez vs. Ashcroft, 01-4835 Civ-Huck, June 25, 2002)
So ein flagranter Widerspruch, ein klarer Beweis für staatsanwaltschaftliches Fehlverhalten, eine
echte Tatsachenverdrehung, die einer der Hauptgründe für die einstimmige Entscheidung des
Gremiums des Berufungsgerichts 2005 war, die Urteile der Fünf aufzuheben und ein neues Verfahren
zu fordern (Court of Appeals for the Eleventh Circuit, No. 01-17176, 03-11087). Diese historische
Entscheidung wurde später unter dem Druck von Justizminister Alberto Gonzáles von der
Mehrheit des gesamten Gerichts wieder aufgehoben, eine Aktion, die im Widerspruch zur normalen
US-Rechtspraxis steht. Der erfolgreiche Schachzug von Mr. Gonzáles, eine Manifestation seiner
eigenartigen Rechtsphilosophie, verhinderte eine gerechte Lösung des Falles auf eine Weise, die
den Vereinigten Staaten zur Ehre gereicht hätte.
Die Begründung der Entscheidung des Gremiums, ein außergewöhnlich klingendes und 93
Seiten starkes Dokument, enthält unwiderlegbare Tatsachen des ein halbes Jahrhundert andauernden
Terrorkrieges gegen Kuba und ist ein hervorragendes Beispiel amerikanischer Tradition und bleibt ein
Text, der mit Respekt von Gelehrten und Jurastudenten analysiert werden sollte.
Aber das ist ein anderes Kapitel in der langen Saga der Cuban Five.
Elián González steht jetzt kurz vor dem Abschluss der Oberschule und erregt immer noch
die Aufmerksamkeit ausländischer Medien und Besucher, die weiterhin nach Cárdenas kommen,
der schönen Stadt, in der er lebt. Wenn sie in die Nähe von Eliáns Haus reisen, werden
sie über Plakate staunen, auf denen die Freiheit von fünf jungen Männern gefordert wird,
von denen sie noch nie gehört haben.
In Leonard Weinglass Worten:
"Das Verfahren wurde in den amerikanischen Medien verschwiegen. Es ist unfassbar, dass
über das längste Verfahren, das es bis dahin in den Vereinigten Staaten gegeben hatte, nur
in der Presse von Miami berichtet wurde, insbesondere wo Generäle, ein Admiral und ein Berater des
Weißen Hauses aufgerufen wurden, für die Verteidigung auszusagen. Wo waren die amerikanischen
Medien in den sechs Monaten? Es war nicht nur das längste Verfahren, sondern auch der einzige
Fall, in dem wichtige außenpolitische und den internationalen Terrorismus betreffende Belange
behandelt wurden. Die Frage sollte an die amerikanischen Medien gerichtet werden, die sich weiterhin
weigern, über einen Fall mit so groben Verletzungen der Grundrechte und sogar der Menschenrechte
von Gefangenen zu berichten." (www.antiterroristas.cu, 12. September 2003)
Elián wurde gerettet, weil die Amerikaner über seinen Fall bescheid wussten und einbezogen
wurden und so der Gerechtigkeit zum Sieg verhalfen. Die Fünf sind immer noch eingekerkert - im
September werden es 11 Jahre sein - Opfer einer grausamen Justiz, weil den Amerikanern nicht erlaubt
wird, etwas darüber zu erfahren.
Die Fünf werden grausam bestraft, weil sie den Terrorismus bekämpften. Sie sind Helden. Aber
unerwünschte Helden.
2. Rechtsprechung im Wunderland
Erst die Strafe - dann das Urteil
Alices Abenteuer im Wunderland, Lewis Carroll
Nach der Niederlage in Sachen Gerichtsort war der Ausgang des Prozesses der Cuban Five vorherbestimmt.
Er sollte sich genau an die Prophezeiung der Königin (in Alice im Wunderland) halten.
Die amerikanischen Medien spielten dabei eine wichtige und zwiespältige Rolle. Außerhalb von
Miami war und ist sie so, wie sie Anwalt Leonard Weinglass im scharfen Kontrast zu der Rolle innerhalb
von Dade County so treffend beschrieb, beide boten eine eindrucksvolle Show der Disziplin.
Die lokalen Medien berichteten nicht nur intensiv über den Fall, sondern griffen auch aktiv ein,
als seien sie Bestandteil der Strafverfolgung. Die Fünf waren seitens der Medien sogar schon
verurteilt, bevor sie angeklagt waren.
Sehr früh am Samstagmorgen des 12. Septembers 1998 sprach jede Medienausgabe in Miami atemlos von
der Gefangennahme einiger "schrecklicher" kubanischer Agenten "darauf aus, die
Vereinigten Staaten zu zerstören" (die Formulierung, die die Staatsanwälte so sehr
lieben und immer wieder während des gesamten Prozesses wiederholen werden). "Spione unter
uns" war die Schlagzeile an dem Morgen. Zu dieser Zeit traf sich übrigens der FBI-Chef von
Miami gerade mit Lincoln Diaz-Balart und Ileana Ross Lehtinen, den Repräsentanten der alten
Batista-Gang im Bundeskongress.
Eine beispiellose Propagandakampagne wurde gegen fünf Personen eingeleitet, die sich deswegen
nicht verteidigen konnten, weil sie von der Außenwelt für anderthalb Jahre Tag und Nacht
vollständig isoliert waren, in etwas, was im Gefängnisjargon sehr zutreffend als das
"Loch" beschrieben wird.
Seit sie inhaftiert worden waren, waren die Fünf von einem Medienzirkus umgeben und zwar andauernd
bis jetzt. Aber nur in Miami. Andernorts in den Vereinigten Staaten hat die harte Prüfung für
die Fünf nur Schweigen geerntet. Der Rest des Landes weiß nicht viel über diesen Fall
und wird im Dunkeln darüber gehalten, als ob jeder akzeptiert hätte, dass Miami - diese von
der Staatsanwaltschaft als "sehr facettenreiche, außerordentlich heterogene Gemeinde"
beschriebene Stadt - zu einem anderen Planeten gehörte.
Das könnte eine begründete Annahme gewesen sein, wenn nicht kürzlich einige sehr
beschämende Tatsachen aufgedeckt worden wären. Einige der an der Kampagne in Miami
beteiligten Medienvertreter - "Journalisten" und andere - wurden von der U.S.-Regierung
bezahlt, waren als Angestellte auf der Gehaltsliste der antikubanischen Propagandamaschinerie von
Radio- und Fernsehsendern, die den U.S.-Bürger viele Hunderte von Millionen Dollar kostet.
Ohne es zu wissen, wurden die Amerikaner gezwungen, wirklich sehr spendabel zu sein. Es gibt eine lange
Liste von "Journalisten" aus Miami, die über den gesamten Prozess der Fünf
berichteten und gleichzeitig saftige Bundesschecks erhielten (mehr über die "Arbeit"
dieser Journalisten, siehe www.freethefive.org)
Die Entscheidung des Berufungsgerichts von 2005 liefert auch eine gute Zusammenfassung der
Propagandakampagne vor und während des Verfahrens. Das war einer der Gründe für das
Gremium, "die Urteile aufzuheben und ein neues Verfahren anzuordnen". Miami war nicht der
Ort, an dem es auch nur den Anschein von Gerechtigkeit geben konnte. Wie die Richter sagten: "Die
Beweismittel zur Unterstützung des Antrags auf Verlegung des Gerichtsortes waren massiv."
(Court of Appeals for the Eleventh Circuit, No. 01-17176, 03-11087)
Lassen Sie uns etwas klarstellen. Wir reden hier nicht von Journalisten, wie Amerikaner sie sich
außerhalb Miamis vorstellen mögen. Wir reden von "Journalisten" in Miami, etwas
völlig anderem.
Ihre Aufgabe war es nicht, die Nachrichten zu melden, sondern ein Klima zu schaffen, das
Schuldsprüche garantiert. Sie riefen sogar zu Demonstrationen vor der Kanzlei der Verteidiger auf
und drangsalierten potentielle Geschworene während der Vorbereitungsphase des Verfahrens. Das
Gericht selbst formulierte seine Besorgnis über "die enorme Menge an Anträgen für
die Fragen an die potentiellen Geschworenen, bevor diese befragt wurden, anscheinend um die
Zuhörer einschließlich der Mitglieder des "venire" (Gremium, das über die
Zulassung der Geschworenen entscheidet) über diese Fragen zu informieren, bevor sie vom Gericht
gestellt wurden."
Wir reden über einem Haufen von Individuen, die Geschworene drangsalierten, ihnen mit Kameras
durch die Straßen folgten, ihre Autokennzeichen filmten und im Fernsehen zeigten, sie im
Gerichtsgebäude bis vor die Tür ihres Zimmers verfolgten, und zwar über die gesamten
sieben Monate des Verfahrens, vom ersten bis zum letzten Tag.
Richterin Lenard protestierte mehr als einmal und bat die Regierung, diese alberne Maskerade zu
beenden. Sie tat das aus mehreren Anlässen am Anfang, während und bis zum Ende des
Verfahrens. Ohne Erfolg. (Official transcripts of the trial, p. 22, 23, 111, 112, 625, 14644-14646).
Die Regierung war an einem fairen Verfahren nicht interessiert. Während der Auswahl der
Geschworenen war die Staatsanwaltschaft eifrig bemüht, die Mehrheit der afro-amerikanischen
Geschworenen auszuschließen. Sie schloss auch die drei Personen aus, die nicht starke
anti-castrische Gefühle bekundeten.
Zu der Zeit war Elián González bereits gerettet, aber noch sehr präsent im
Gedächtnis der Geschworenen. Wie einer von ihnen während des Zulassungs-Verfahren sagte:
"Ich war sehr besorgt über die Reaktion, die eintreten könnte ... Ich will keine Randale
und dieses Zeug, was beim Fall von Elián passierte." Oder mit den Worten eines anderen:
"Ich war ein Nervenwrack, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen ... Ich hatte tatsächlich Angst
um meine eigene Sicherheit, wenn ich mit einem Urteil zurück käme, das nicht in
Übereinstimmung mit der kubanischen Gemeinde ist."
In dieser Atmosphäre der Angst begann das bis dahin längste Verfahren der amerikanischen
Geschichte. Und das, was die großen Medien zu ignorieren "beschlossen".
3. Im Angesicht der Straffreiheit
Wie während des "voir dire" (U.S.-Jurorenauswahlverfahren, Anm. d. Ü., s.
http://en.wikipedia.org/wiki/Voir_dire) festgestellt wurde, war die Entführung von Elian
González und deren Konsequenzen für die Gemeinde bei denjenigen, die wenige Monate, nachdem
der sechsjährige Junge von den Bundesbeamten gerettet worden war, als Geschworene der Verhandlung
für die fünf Kubaner gewählt wurden, noch sehr im Bewusstein.
Wie jeder andere hatten sie die Elián betreffenden, die Nachrichten füllenden Ereignisse
verfolgt. Die Gesichter der Entführer, der Förderer und Unterstützer sowie die der
anderen in den Skandal verwickelten, waren den Mitgliedern der Jury ganz vertraut geworden - die
Gesichter und zwei Dokumentarsendungen über das einmalige Elián-Drama, einer direkten
Verbindung mit dem Prozess der fünf Kubaner.
Erstens das verblüffende Verhalten jedes öffentlichen Beamten in Miami, vom
Bundeskongress-Abgeordneten, dem Bürgermeister zum Stadtbeauftragten und zur Feuerwehr und den
Polizeikräften, die sich offen weigerten, dem Gesetz zu gehorchen und nichts taten, um den Fall
von Kindesmissbrauch zu beenden, der wie kein anderer je bekannt gemacht worden war. Und zweitens, aber
nicht weniger erstaunlich, dass der Gruppe von Personen, die mit der Entführung eines Kindes und
der Gewalt und dem des Aufruhrs, den sie in der Stadt anrichteten, als er von der Bundesregierung
gerettet worden war, so eindeutig gegen das Gesetz verstoßen hatten. Niemand wurde mit Strafe
verfolgt, verhaftet oder mit Bußgeld belegt. Keiner der Lokalbeamten wurde entlassen,
ausgetauscht oder zum Rücktritt aufgefordert. Der Fall Elian hatte gezeigt, wie in Miami die
Straffreiheit für "Anti-Castristas" herrscht.
Als die Geschworenen sich zur Erfüllung ihrer Bürgerpflicht zum ersten Mal im Gericht
niederließen, waren sie wahrscheinlich überrascht. Da waren die Prominenten von Miami, die
sie Tag und Nacht gewohnt waren, im Regionalfernsehen beobachten zu können "live". Und
sie waren zusammen, manchmal lächelten sie einander zu oder umarmten einander wie alte Kumpel.
Die Entführer und die "Strafverfolger" Hand in Hand mit den Staatsanwälten (diesen
tapferen Leuten, die nie auftauchten, als ein kleiner Junge vor den Kameras der Medien belästigt
wurde).
Die Geschworenen verbrachten sieben Monate in dem Raum damit, dieselben ihnen so wohlbekannten Leute
anzusehen und von ihnen beobachtet zu werden, die nun im Zeugenstand auftraten, in der
Öffentlichkeit oder in den Nachrichtenzentralen waren, dieselben Leute, die sie oft auf dem
Parkplatz, am Eingang des Gebäudes und auf den Korridoren trafen. Einige von ihnen trugen
gelegentlich stolz dieselbe Kleidung, die sie bei ihrem letzten militärischen Überfall auf
Kuba getragen hatten.
Die Geschworenen hörten sie die Einzelheiten ihrer kriminellen Großtaten darstellen und
immer wieder sagen, dass sie nicht über die Vergangenheit sprächen. Es war eine skurrile
Schaustellung und Wahrnehmung in einem Gerichtssaal von Personen und deren Gewalttaten gegen Kuba, wie
sie in ihrer eigenen Nachbarschaft geplant, vorbereitet und lanciert worden waren.
Sie schwangen dort Reden, forderten die härtesten Strafen, verleumdeten und bedrohten die
Verteidigungsanwälte.
Die Richterin tat, was sie konnte und versuchte Ruhe und Würde zu bewahren. Sie rief die
Geschworenen sicher mehrfach dazu auf, unangemessene Bemerkungen nicht in Betracht zu ziehen, aber
dadurch konnte der nachteilige und furchterregende Effekt in dem Bewusstsein der Geschworenen nicht
ausgemerzt werden.
Die Folgen waren offensichtlich. Das Urteil des Berufungsgremiums brachte klar zum Ausdruck:
"Die Beweisaufnahme vor Gericht enthüllte nicht nur die heimlichen Aktivitäten der
Angeklagten, sondern auch die der verschiedenen kubanischen Exilgruppen und deren Militärkamps,
die weiterhin in der Region von Miami agieren. Die Wahrnehmung, dass diese Gruppen Geschworene
beeinträchtigen könnten, die ein aus deren Sicht ungünstiges Urteil vorlegten, war mit
Händen zu greifen." (Eleventh Circuit Court of Appeal, No. 01-17176, 03-11087)
Aber es gab noch mehr. Nach der Anhörung und Sicht der reichlichen Beweise über
Terroranschläge, welche die Angeklagten versucht hatten zu verhindern, gelang es der Regierung,
zur Verteidigung der Terroristen die unerklärliche Zustimmung des Gerichts dafür zu erwirken,
der Jury das Recht zu nehmen, die Fünf aufgrund der Notlage zu entlasten, worauf deren
Verteidigung gegründet war. (Anm. d. Ü.: das entsprechende U.S.-Gesetz lautet
"defense of necessity", der Verteidigung des Notfalles, zwischen zwei Übeln wählen
zu müssen)
Der Kern der Angelegenheit in diesem Fall war die Notwendigkeit Kubas, seine Bevölkerung vor
kriminellen Anschlägen der Terroristen zu schützen, die auf U.S.-Territorium vollkommene
Straffreiheit genossen. Das Gesetz ist in den Vereinigten Staaten eindeutig: Wenn jemand zur
Verhinderung eines größeren Schadens handelt, auch wenn er/sie dabei gegen das Gesetz
verstößt, wird sie/er von jeder Anklage des Verbrechens befreit, weil die Gesellschaft, die
Notwendigkeit - sogar den Nutzen - einer solchen Handlung anerkennt.
Die Vereinigten Staaten haben als einzige Supermacht der Welt so ein allgemeingültiges Prinzip auf
eine Weise interpretiert, dass es im Namen des Kampfes gegen Terrorismus zu Kriegen in weit entlegenen
Länder führt. Aber gleichzeitig weigerte es sich, das bei fünf unbewaffneten,
friedlichen, nicht gewalttätigen Personen anzuerkennen, die im Namen eines kleinen Landes, ohne
irgend jemanden zu verletzen versuchten, die illegalen Aktionen Krimineller zu verhindern, die in den
USA Schutz und Unterstützung bekommen.
Die U.S.-Regierung ging über ihre Staatsanwälte in Miami sogar noch weiter, bis an die
äußerste Grenze, um diesen Terroristen zu helfen. Sie taten es sehr offen, indem sie
leidenschaftliche Reden schrieben, die merkwürdigerweise nicht als veröffentlichenswert
galten.
Das geschah 2001. Während die Staatsanwälte in Südflorida und das FBI vor Ort sehr damit
beschäftigt waren, die "Cuban Five" zu bestrafen und "ihre" Terroristen zu
beschützen, trainierten die Kriminellen über eine ganze Zeit lang unbehelligt in Miami
für ihren Anschlag am 11. September. Sie hatten sicher gute Gründe dafür, diese
Örtlichkeit zu bevorzugen.
4. Unschädlichmachung der Cuban Five
Nach ihren eigenen Worten
Die den fünf Kubanern - Gerardo Hernández Nordelo (zweimal lebenslänglich, plus 15
Jahre) Ramón Labañino Salazar (einmal lebenslänglich, plus 18 Jahre), Antonio
Guerrero Rodríguez (einmal lebenslänglich, plus 10 Jahre), Fernando González Llort
(19 Jahre) und René González Sehwerert (15 Jahre) - auferlegten
unverhältnismäßigen Gefängnisstrafen stehen in scharfem Kontrast zu den in den
letzten Jahren auf andere in den USA wegen wirklich begangener Spionage angeklagten Personen angewandte
Strafen, manchmal in einem ungewöhnlichen Ausmaß und selbst bei einigen, die mit bewaffneten
Handlungen gegen die Vereinigten Staaten in Verbindung standen. Keiner von ihnen wurde zu
Lebenslänglich verurteilt, alle erhielten geringere Strafen als die fünf Kubaner, einige von
ihnen haben ihre Strafen bereits verbüßt und sind frei, und bei anderen wegen Spionage
Verurteilten wurden die Anklagen von der Obama-Administration zurückgezogen, und sie wurden
freigelassen.
Die ausufernde Art dieser Strafen für die Fünf ist ein Hinweis für die rachsüchtige
politische Motivation des ganzen Prozesses wie auch für die ihrer Haftbedingungen. Dazu
gehören sehr gravierende Hinderungen an Familienbesuchen, die so weit ausufern, dass den Ehefrauen
von Gerardo und René die Einreisevisa ständig verweigert werden.
Aber es gibt noch einen entlarvenderen Aspekt, der die Absicht der U.S.-Regierung zeigt, den
antikubanischen Terroristen Schutz und Schirm geben zu wollen, um deren finstere Pläne vor der
Aufdeckung zu schützen und so zu Komplizen zu werden und deren zukünftige Gräueltaten
verschleiern zu können. Für die Bush-Administration war das so wichtig oder noch wichtiger
als die außergewöhnlich hohe Anzahl der Haftjahre. Das war es, was der Staatsanwalt sehr
vehement und in plastischen Worten ausdrückte, als er das Gericht um eine zusätzliche Strafe
bat, die der "Unschädlichmachung".
Was bedeutet das? Nach ihren eigenen Worten war es für die Regierung wesentlich sicherzustellen,
dass diese fünf Personen nach Abbüßung ihrer Gefängnisstrafen nie mehr wieder
irgend etwas tun könnten, was die Aktivitäten der Terroristen beeinträchtigen würde,
die in Miami unter dem Schutz der US-Regierung agieren. Um das zu garantieren, beantragten die
Staatsanwälte, und das Gericht gewährte es ihnen, gezielte Zusatzbestimmungen für jede
Strafe, die sicherstellen sollten, dass die Angeklagten nach Ablauf der gesamten Strafzeit, sogar nach
einer mehr als lebenslangen, daran gehindert würden, das zu versuchen zu tun, was ihre
Inhaftierung zur Folge hatte.
Gerardo, Ramón und Fernando sind in Kuba geboren, und als unerwünschte Ausländer
werden sie nach Beendigung ihrer Gefängniszeit unverzüglich des US-Territoriums verwiesen.
Das gehörte insbesondere zu jeder ihrer Strafverurteilungen, einschließlich zu der Gerardos,
der, nachdem er 15 Jahre nach seiner zweiten lebenslänglichen Strafe verbüßt hat,
sofort ausgewiesen werden wird. (Transkript der Anhörung des Strafurteils vor der "Honorable
Joan A. Lenard, December 12, 2001, page 93")
René und Antonio bereiteten ein besonderes Problem. Da sie in Chicago bzw. Florida geboren
wurden, sind sie beide US-Bürger von Geburt auf und können nicht gezwungen werden, das Land
zu verlassen. Das verlangt nach phantasievollerem Denken und begeisternder Rhetorik auf Seiten der
Staatsanwaltschaft. Und die zeigte eine Menge von beidem.
Eine präzisere und offenere Erklärung für "Unschädlichmachung" wurde
benötigt.
Zuerst kam René dran, der "nur" zu 15 Jahren verurteilt wurde. Die Staatsanwälte
drückten deutlich ihre tiefe Besorgnis aus, ein immer noch junger Mann könne frei gelassen
werden und zurückgehen, um das selbe zu tun, was er getan hatte.
Das Gericht berücksichtigte die Befürchtung der Regierung und fügte diese sonderbare
Auflage zu Renés Urteil hinzu: "Als weitere besondere Bedingung für eine
überwachte Entlassung ist es dem Angeklagten verboten, sich mit Personen in Verbindung zu setzen
oder bestimmte Orte aufzusuchen, von denen bekannt ist, dass sich dort Personen oder Gruppen, wie
Terroristen, Mitglieder von Organisationen befinden oder häufig aufhalten, die Gewaltakte
befürworten und für organisierte Verbrechen stehen." (Transcript of Sentencing Hearing
before the Honorable Joan A. Lenard, December 14, 2001, pages 45-46).
Und dann kam Antonio dran, der bereits lebenslänglich plus 10 Jahre im Gefängnis bekommen
hatte. Die Staatsanwälte mussten alle Ressourcen ihrer Eloquenz einsetzen. Für die Regierung
war die "Unschädlichmachung" von höchster Wichtigkeit. Sie konnte kein Risiko
eingehen, und als Antonio am 27. Dezember 2001 vor das Gericht trat, wurde Wort für Wort die selbe
"Sonderbedingung" wie zuvor bei René seinem Urteil hinzugefügt.
All das passierte im Dezember 2001, gerade einmal drei Monate nach dem Horror von 9/11. Seit diesem
schicksalhaften Tag wurde George W. Bush berühmt dafür, dass er zu einem absoluten Krieg
gegen Terroristen und jedem, der ihnen in irgend einer Weise half, aufrief. Nur ein Zitat aus seinem
sich wiederholenden Sprachgebrauch: "Jede Regierung die Terroristen unterstützt,
beschützt oder beherbergt ist mitschuldig am Mord der Unschuldigen und ebenso schuldig des
terroristischen Verbrechens."
Wir sollten George W. Bush beim Wort nehmen.
PS. Im Oktober 2011 wird René González seine Haft abgesessen haben, wenn es seiner
Verteidigung nicht gelingt, ihn vorher heraus zu bekommen. Auf jeden Fall wird er einer
überwachten Entlassung während der derzeitigen Administration unterliegen. Wird
Präsident Obama ihn "unschädlich machen"? Wird René weiter daran gehindert,
die Terroristen dort zu stören, wovon "bekannt ist, dass sie sich häufig dort
aufhalten".
5. Die Gerichtsverhandlungen der Cuban Five
Spione ohne Spionage
Die erste Anklage im September 1998 beschuldigte die fünf Kubaner als unregistrierte kubanische
Agenten und anderer geringerer Vergehen. Die Regierung beschuldigte drei von ihnen - Gerardo,
Ramón und Antonio - auch der "Verschwörung, Spionage begehen zu wollen" (Punkt
Zwei der Anklageschrift).
Die Staatsanwälte klagten aus sehr einfachen Gründen keinen von ihnen der eigentlichen
Spionage an: Es gab nichts dergleichen, und daher konnte es nie bewiesen werden. Die Staatsanwälte
gingen sogar noch weiter. Bei der Eröffnungsrede der Verhandlung warnten sie die Jury davor, von
ihnen zu erwarten, dass sie irgend welche Geheimnisse oder dergleichen vorlegen könnten. Das
einzige, was die Staatsanwaltschaft tun musste, war, die Geschworenen davon zu
"überzeugen", dass die Angeklagten wirklich schlechte Menschen seien und in der Lage,
sich einen Anschlag auszudenken, der die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten irgendwann in
einer hypothetischen Zukunft gefährden könnte. Und sie argumentierten, die Angeklagten
müssten die höchstmögliche Strafe erhalten, weil sie wirklich schlechte Kerle seien, die
den Frieden und die Ruhe in Miami störten. Erinnern sie sich an Elian?
Um dieses Ziel zu erreichen, gaben die Staatsanwälte, ungeachtet des Wortlauts ihrer eigenen
Anklage, vor dem Gericht höchst aufrührerische Erklärungen ab, welche die Fünf
wegen nichts Geringerem anklagten, als dass sie versuchten, "die Vereinigten Staaten zu
zerstören" und indem sie die verängstigten Geschworenen daran erinnerten, dass, wenn sie
bei deren Verurteilung versagten, sie "die Gemeinschaft betrügen" würden.
Die Medien erledigten den Rest. So haben sie die fünf Kubaner stets als "Spione"
dargestellt oder als der "Spionage" angeklagte Menschen. Die Medien gossen bei der
Ausführung ihrer Aufgabe noch Öl ins Feuer. - Sie bleiben sogar bei der Wiederholung der
selben Version, nachdem das Gremium des Appellationsgerichts im September 2008 einstimmig entschieden
hatte, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die Angeklagten "Geheiminformation gesammelt
oder weitergegeben" oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährdet
hätten und daher entschied, dass die Strafurteile wegen des Anklagepunktes 2 (Verschwörung,
Spionage zu begehen) auf Irrtum beruhten, denn es setzte sie aus und verwies Ramón und Antonio
für eine neue Strafbemessung an die untere Instanz zurück (Eleventh Circuit Appeals Court,
No. 01-17176, D.C Docket No. 98-00721-CR-JAL, pages 70-81). Dennoch, obwohl es anerkannte, dass auf
Gerardo das selbe Verfahren angewandt werden sollte, weigerte sich das Gericht in einem verblüffenden
Akt rechtlicher Diskriminierung, danach zu handeln, indem es anführte, dass ja schon eine
lebenslange Strafe auf ihm lastete.
Tatsächlich war es jedoch sehr leicht zu erkennen, dass in seinem Fall keine Geheim- oder
Militärinformation betroffen war und dass die nationale Sicherheit der USA nie beeinträchtigt
gewesen war. Das war es, was das Pentagon in klaren und einfachen Worten noch vor Beginn des Prozesses
aussagte. So lauteten die Zeugenaussagen unter Eid von Admiral Eugene Carroll (official transcripts
pages 8196-8301), Army General (R) Edward Breed Atkeson (Idem pages 11049-11199), General and former
Commander of Southern Command Charles Elliot Wilhelm (Idem pages 11491-11547), Air Force Lieutenant
General (R) James R. Clapper (Idem pages 13089-13235).
Ihre Zeugenaussagen waren nicht geheim, sondern freiwillig bei der öffentlichen Verhandlung vor
Gericht abgegeben. Wahrscheinlich hat es vor einem U.S.-Gericht zuvor noch nie eine solche Parade von
ausgezeichneten und dekorierten Militärs gegeben, die an der Unschuld einiger junger kubanischer
Revolutionäre festhielten. Das sorgte nicht für (entsprechende) Berichterstattung aus Miami,
aber die offiziellen Transkripte des Prozesses sind für jeden nachlesbar vorhanden.
Seit die fünf Kubaner verurteilt wurden, hat es andere Fälle gegeben, deren jeweiliger
Ausgang sich erheblich von diesem unterscheidet. Lassen sie uns einige von ihnen in Kürze
erwägen.
Khaled Abdel-Latif Dumeisi, angeklagt als Agent der Saddam Hussein-Regierung, wurde im April 2004,
mitten im US-Krieg gegen den Irak, zu 3 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt.
Leandro Aragoncillo wurde im Juli 2007 für schuldig befunden, geheime nationale
Verteidigungsinformation der Vereinigten Staaten (rund 800 Geheimdokumente) aus seinem Büro im
Weißen Haus weitergegeben zu haben, wo er als militärischer Assistent von Vizepräsident
Al Gore und Dick Cheney gearbeitet hatte. Herr Aragoncillo wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt,
während sein Mitverschwörer Michael Ray Aquino 6 Jahre und 4 Monate bekam.
Greg W. Bergersen, ein Analytiker des Verteidigungsministeriums wurde im Juli 2008 für schuldig
befunden, nationale Verteidigungsinformation an nicht autorisierte Personen im Austausch für Geld
und Geschenke geliefert zu haben und wurde zu 4 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt.
Lawrence Anthony Franklyn, ein im Verteidigungsministerium arbeitender Colonel der Luftwaffenreserve
wurde für schuldig befunden, geheime und nationale Verteidigungsinformation, einschließlich
militärischer Geheimnisse, an Repräsentanten einer ausländischen Regierung weitergegeben
zu haben und wurde zu 12 Jahren und 7 Monaten verurteilt. Doch er betrat nie ein Bundesgefängnis.
Während er Berufung einlegte, befand er sich in Freiheit, und im vergangenen Mai ließ das
Justizministerium die gegen ihn erhobenen Anklagen fallen.
Man muss es nicht erwähnen, dass keiner dieser oben genannten Fälle in Südflorida
verhandelt wurde oder irgendwelche Versuche betraf, kriminelle Pläne zu vereiteln.
Die fünf Kubaner bekamen insgesamt 4 lebenslange Strafen, plus 77 Jahre in Haft. Sie arbeiteten
nicht im Weißen Haus oder dem Pentagon oder dem Außenministerium. Sie hatten nie versucht,
Zugang zu Geheiminformation zu erlangen. Aber sie taten etwas unverzeihliches. Sie kämpften gegen
antikubanischen Terrorismus und das in Miami.
6. Anklage á la Carte
Mehr als sieben Monate nach der Verhaftung und Anklage der Cuban Five wurde von der US-Regierung eine
weitere Anklage präsentiert. Wieder war die Anklage eine der "Verschwörung", aber
diesmal, Mord ersten Grades zu begehen, und sie wurde nur gegen einen der Fünf, Gerardo
Hernández Nordelo, erhoben.
Die neue Anklage wurde nach einer öffentlichen Kampagne von "Journalisten" auf der
Gehaltsliste der US-Regierung erhoben. Die Kampagne enthielt Berichte von öffentlichen Treffen von
bekannten Führern des kubanischen Exils, US-Staatsanwälten und FBI-Agenten, auf denen die
Anschuldigungen gegen Gerardo offen diskutiert wurden. Sie (die Anklage) wurde zu einer eindeutigen
Forderung der gewalttätigsten Gruppierungen der Stadt und geriet in den Fokus der lokalen Medien.
Die Regierung fügte sich der Forderung und erhob die zweite ersetzende (superseding) Anklage,
deren essentiell neue Besonderheit dieses "Verbrechen" zu Gerardos Liste der Anklagen
hinzufügte.
Dies war eine politische Konzession an die anti-kubanischen Terroristen, die auf Rache sannen für
den Abschuss zweier Flugzeuge (des Models O2, das von der US Air Force zuerst in Vietnam und dann in El
Salvador eingesetzt wurde, wie diese beiden Flugzeuge auch), die von Mitgliedern einer
gewalttätigen anti-kubanischen Gruppierung geflogen wurden, am 24. Februar 1996 durch die
Kubanische Luftwaffe. Ein Ereignis, das zwei Jahre vor der Verhaftung der Cuban Five geschah, als diese
Flugzeuge sich im kubanischen Luftraum befanden.
Das Timing war tatsächlich sehr verdächtig. Laut Informationen, die von der Regierung dem
Gericht vorgelegt wurden, hatte das FBI schon einige Jahre vor dem Abschuss der Flugzeuge Gerardos
tatsächliche revolutionäre Mission herausgefunden und seine Kommunikation mit Havanna
kontrolliert. Wenn dieser Zwischenfall das Ergebnis einer "Verschwörung" war, in der
Gerardo eine Schlüsselrolle spielte, warum wurde er dann nicht 1996 verhaftet? Warum wurde dies
nicht einmal im September 1998 erwähnt, als Gerardo verhaftet und angeklagt wurde?
Die Flugzeuge gehörten einer von José Basulto geleiteten Gruppierung, einem CIA-Veteran,
der in viele paramilitärische Aktionen seit 1959 verwickelt war, darunter die Invasion in der
Schweinebucht und verschiedene Attentatsversuche auf Fidel Castro. In den zwanzig Monaten vor dem
Zwischenfall, drang die Gruppierung 25 Mal in den kubanischen Luftraum ein, jedes Mal von der
kubanischen Regierung angezeigt.
Nach so vielen diplomatischen Noten wollte die US-Regierung ansprechbar erscheinen. Sie initiierte eine
Untersuchung dieser Flüge, bat Kuba um Hilfe bei der Beschaffung von Details vorhergehender
Provokationen, bestätigte den Erhalt und bedankte sich dafür. Am 24. Februar waren diese
administrativen Verfahren noch nicht abgeschlossen, aber später wurde Mr. Basulto von der Federal
Aviation Administration (FAA) (Bundesflugverwaltung) der Pilotenschein entzogen und er flog nie wieder
(jedenfalls nicht legal).
Die Provokateure hatten marktschreierisch angekündigt, sie würden ihre Flüge in den
kubanischen Luftraum fortsetzen und erklärten sogar, die Insel, die damals unter der schlimmsten
Krise aller Zeiten litt - in wirtschaftlichem Sinne schlimmer als die Große Depression, laut
eines UN-Berichts - könne sich gegen die illegalen Einfälle nicht wehren. Im Januar (1996)
brachte Mr. Basulto ein Kamerateam von NBC TV aus Miami mit, das filmte, wie sie die Innenstadt von
Havanna überflogen und Propaganda- und anderes Material abwarfen. Kuba machte öffentlich,
dass solche Provokationen nicht mehr geduldet würden, sandte ordnungsgemäße
Benachrichtigungen an alle Betroffenen, einschließlich der US-Regierung, des State Departments
und der FAA, die ihrerseits Basulto ermahnte, von den Flügen abzusehen.
Die angebliche "Verschwörung" war in sich eine monumentale Dummheit, außerhalb
jeder Vernunft. Sie unterstellt, die kubanische Regierung habe entschieden, einen totalen Krieg mit den
Vereinigten Staaten zu provozieren, eine militärische Konfrontation, was offensichtlich in einem
fürchterlichen Schlag nicht nur für die kubanische Regierung, sondern für die gesamte
Nation und ihrem Volk geendet hätte. Bei jedem Motiv für ein Verbrechen gibt es einen
Schlüsselfaktor, einen entscheidenden Hinweis. Was könnte das Motiv für Kuba gewesen
sein, so etwas zu provozieren, genau zu einem Zeitpunkt wie 1996, wo das höchste Risiko für
das Überleben des Landes bestand, ohne Verbündete und Freunde in einer Welt und einer
Hemisphäre unter vollständiger Kontrolle der Vereinigten Staaten?
Kuba tat das genaue Gegenteil. Kuba zeigte jede einzelne Provokation der FAA und der International
Civil Aviation Organization (ICAO) (Internationale Zivilflug-Organisation), der Institution der
Vereinten Nationen, die sich mit solchen Angelegenheiten beschäftigt) an und schickte Dutzende von
diplomatischen Noten an das State Department. Aber Kuba ging noch weiter. Es tat sein Bestes, um die
höchste Ebene der US-Administration zu erreichen, das Weiße Haus, um weitere
Zwischenfälle zu verhindern.
Die Ausgabe des "The New Yorker" vom Januar 1998 über Kuba anlässlich des
Papstbesuches enthielt einen seriösen Artikel, in dem sich eine faire, objektive Darstellung
dieser kubanischen Bemühungen befindet. (Carl Naguin, Annals of Diplomacy Backfire (Historischer
Bericht eines diplomatischen Fehlschlags), The New Yorker, January 26, 1998,
http://www.newyorker.com/archive/1998)
Ja, es gab eine Verschwörung, die Tragödie vom 24. Februar 1996 zu provozieren. Aber es war
die vollständige und ausschließliche Arbeit der selben Gruppierungen in Miami, die eine ein
halbes Jahrhundert andauernde Terror-Kampagne gegen Kuba losgetreten haben, die selbe Bande, die
später Elián González entführen würde, einen sechs Jahre alten Jungen.
Vorkommnisse, aus denen sie jedes Mal straffrei wieder herauskamen.
7. Es geschah in Miami
Das Südbezirksgericht von Florida ist kein internationales Tribunal, noch ist es ein U.N.-Organ,
das zur Rechtsprechung in Angelegenheiten von Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern
berechtigt ist. Es hat eine sehr genau umrissene Aufgabe, die darin besteht festzustellen, ob ein
bestimmter Angeklagter in einem konkreten Fall schuldig ist oder nicht. Bei der Einweisung der
Geschworenen in den Fall von Gerardo Hernández rief das Gericht den Wortlaut der Anklageschrift
der Regierung in Erinnerung.
"Punkt 3 beklagt, dass der Angeklagte Gerardo Hernández sich gemeinsam mit anderen Personen
zur Begehung von Mord verschworen habe, das heißt, zur gesetzlosen Tötung von Menschen und
zwar mit böswilligem Vorbedacht und in vorsätzlicher Absicht auf dem Seegebiet und dem
Territorium der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten." (Transcript of Trial before the
Honorable Joan A. Lenard, June 4, 2001, pages 14587 - 14588)
Richterin Lenard betonte, dass Gerardo: "nur der Anklage für schuldig befunden werden kann,
wenn alle der folgenden Fakten zweifelsfrei erwiesen sind:
Erstens: Dass die genannten Opfer der Anklage tot sind.
Zweitens: Dass der Angeklagte den Tod der Opfer mit böswilliger Absicht verursachte.
Drittens: Dass der Angeklagte die Tat mit vorsätzlicher Absicht beging.
Viertens: Dass die Tötung innerhalb des maritimen oder territorialen Gebiets der Rechtsprechung
der Vereinigten Staaten geschah." (Idem pages 14598 - 14599).
Sie führte weiter aus:
"Tötung in böswilliger Absicht bedeutet, eine andere Person ganz bewusst und absichtlich
zu töten ... Bei der Tötung in vorsätzlicher Absicht ist es außerdem erforderlich,
die böswillige Absicht zu beweisen, um ein Vergehen des Mordes erster Ordnung zu begründen.
Der Vorsatz gehört typischerweise zu eiskalter Tötung und erfordert einen gewissen Zeitraum,
in dem der Angeklagte sich die Tat vornimmt oder über deren Ausführung nachdenkt.
Er muss für den Mörder nach der Tötungsabsicht lang genug sein, um sich der Absicht
vollkommen bewusst zu werden. Sie werden darauf hingewiesen, dass der Ort des angeblichen Mordes, wie
es in der Anklage beschrieben wird, innerhalb des genauen maritimen oder territorialen Gebietes der
Rechtsprechung der Vereinigten Staaten liegen würde, wenn Sie es außerhalb jeden Zweifels so
befinden, dass ein entsprechendes Vergehen dort geschah." (Idem pages 14599 - 14600).
Solch ein Verbrechen war nie geschehen. Während der sieben Monate der Verhandlung gelang es den
Staatsanwälten nicht, nur ein Beweisstück dafür zu liefern, dass Gerardo in das
tragische Ereignis vom 24. Februar 1996 verwickelt war, noch konnten sie den genauen Ort des
Zwischenfalls "außerhalb jeden Zweifels" zeigen - etwas, das auch den Experten der
ICAO schon nicht gelungen war festzulegen.
Es sollte jedoch angemerkt werden, dass das kubanische Radar-System den Abschuss eindeutig innerhalb
unseres Territoriums zeigen konnte, dass die einzigen Überreste sehr nahe an Havannas Hafengebiet
gefunden wurden und dass die U.S.-Küstenwache, nachdem sie in internationalem Gewässer nichts
gefunden hatte, am 25. Februar Kuba offiziell über das U.S.-Außenministerium um die
Erlaubnis bat, in unseren Gewässern suchen zu dürfen. Die örtlichen Medien - die selben
von der Regierung bezahlten "Journalisten", die den Anklagepunkt 3 fabriziert hatten - wurden
nervös und kündigten sogar eine bevorstehende Niederlage an.
Einige Tage zuvor, sobald die Richterin den Parteien ihre Instruktionen für die Jury bekannt
gegeben hatte, unternahmen die Staatsanwälte das, was sie als "Schritt der Bittstellung ohne
Präzedenz" beschrieben, nämlich das Appellationsgericht zu bitten "a writ
of prohibition" (Eine Anordnung zur Aussetzung dieses Anklagepunktes, Anm. d. Ü.)
auszustellen, "weil dies angesichts der dem Gericht vorliegenden Beweislage (die Instruktionen
für die Jury) in diesem Fall ein unüberwindliches Hindernis für die Vereinigten
Staaten darstellt und wahrscheinlich in einem Fehlschlag für die Staatsanwaltschaft in diesem
Punkt ausgeht." (Emergency Petition for Writ of Prohibition, May 30, 2001, pages 4 and 21).
Nach der nochmaligen Erkenntnis, dass die Instruktion "für diese Staatsanwaltschaft ein
unüberwindliches Hindernis darstellt" bat die Regierung das Appellationsgericht dringend um
die Entscheidung:
"Dass das Bezirksgericht angewiesen wird, die Jury darauf hinzuweisen, dass es nicht notwendig
sei, darüber zu befinden, ob der Angeklagte Hernández oder seine Mitverschwörer dem
zustimmten, dass die Morde in dem bestimmten maritimen und territorialen Gebiet der Rechtsprechung der
Vereinigten Staaten geschehen seien."
"Dass dem Bezirksgericht verboten wird, nach der Vorlage der Rechtsprechung für die Jury zum
Mord ersten Grades und der Anweisung für die Jury, darüber zu befinden, dass der Angeklagte
Hernandez sich verschworen habe, vorsätzlichen Mord zu begehen." (Idem, page 39)
Das Appellationsgericht lehnte diese Dringlichkeitspetition ab und dem entsprechend hielt die
Bezirksrichterin ihre oben zitierten Instruktionen aufrecht.
Einige der Verteidiger feierten jubelnd einen Sieg, der sogar auch von den Staatsanwälten so schon
vorhergesehen worden war.
Aber es kostete die Jury wenige Minuten, ohne irgend welche Fragen zu stellen, um Gerardo der
Verschwörung zum Mord ersten Grades in dem bestimmten maritimen und territorialen Gebiet der
Rechtsprechung der Vereinigten Staaten für schuldig zu befinden, eines Verbrechens, das er nicht
begangen hatte und das die Staatsanwälte verzweifelt versucht hatten zurückzuziehen.
Das geschah in Miami. In Miami ist es normal, einen sechsjährigen Jungen straffrei zu
entführen, also warum sollte es dort schwierig sein, einen jungen Mann für ein
"Verbrechen" zu verurteilen, das nicht begangen wurde?
8. Pryors Urteil
Als ein historisches, einstimmiges Urteil auf Drängen von George W. Bushs Justizminister
außer Kraft gesetzt wurde (Erinnern sie sich Elians? CounterPunch, 11. August 2009, s.o.),
musste das selbe Drei-Richter-Gremium die anderen noch verbleibenden Angelegenheiten anhören -
nach der Angelegenheit des Gerichtsortes, worauf hin es sein als Meilenstein zu betrachtendes Urteil
abgegeben hatte. Inzwischen war jedoch einer der Juristen, der älteste und liberalste von ihnen,
in den Ruhestand getreten und jemand anders zu seinem Nachfolger ernannt worden. Dieser andere wurde
von Bush während der Parlamentsferien für diese Rolle ausgesucht. Es war William H. Pryor,
dessen Ernennung als "eine der umstrittensten in jüngster Geschichte" bezeichnet wurde.
Sie war gegen den Widerstand von 45 Senatoren bestätigt worden. (Zur detaillierten Untersuchung
von Pryors Rechtskarriere, siehe Jeffrey St. Clair's Pryor Unrestraint, CounterPunch, June 14, 2003.)
Senator Kerry klagte, dass der neue Richter "ein ständiger Befürworter des Abbaus von
garantierten Verfassungsrechten gewesen ist" mit seiner "beständigen Verfolgung von
extremistischen und fehlerhaften Rechtsansichten ... infolgedessen wird unsere Bundesrechtsprechung
weniger dazu in der Lage sein, die Verfassungsrechte, die uns so teuer sind, zu schützen"
(Congressional record, Senate June 14, 2005).
Pryor wurde von einigen bedeutenderen Zeitungen kritisiert und als ein "nicht als Richter
geeigneter rechtsradikaler Fanatiker" bezeichnet. Bei der Rekapitulation seines Werdegangs
schreibt Jeffrey St. Clair: "Er geht viel, viel weiter als sogar viele der radikalsten Ideologen
seiner Partei", (s. "Pryor Unrestraint", CounterPunch, 14. Juni, 2003).
Herr Pryor schrieb die Urteilsbegründung für das Gericht bei der Zurückweisung der
anderen von der Verteidigung vorgelegten Angelegenheiten in einer Sprache, die zeitweilig einer
beleidigenden antikubanischen vulgären Schmährede näher kam als einem ausgewogenen
nüchternen Stil der Rechtsprechung (selbst einige bekannte Terroristen, die von dem vorherigen
Gremium zu Recht als solche bezeichnet wurden, mutierten bei ihm zu patriotischen
Freiheitskämpfern). Interessanterweise waren die "Spionage"-Anklagen so plump
verfasst und hatte das Verfahren in Miami noch andere so offensichtliche Fehler enthalten, dass sogar
Pryor darin mit den anderen beiden Richtern übereinstimmte, die Strafurteile von drei der
Angeklagten außer Kraft setzen zu müssen (s.o., Spione ohne Spionage, CounterPunch,
28.-30. August 2009).
Diesmal war das Gremium in einem sehr entscheidenden Punkt gespalten: Punkt 3, Verschwörung, Mord
zu begehen. Einer der Richter, Richter Birch, erkannte, während er gleichzeitig mit Pryors
Urteilsbegründung konform ging, an, dass "diese Angelegenheit einen sehr undurchsichtigen
Fall darstellt" und wiederholte, "dass dem Antrag auf Gerichtsortswechsel hätte
stattgegeben werden müssen", indem er hinzufügte, dass "die Angeklagten wegen des
durchgängigen Vorurteils innerhalb der Gemeinde gegen sie einen solchen Nachteil erlitten hatten,
dass der Fall an einem anderen Ort hätte wieder aufgenommen werden sollen." (s.: US Court of
Appeals for the Eleventh Circuit N. 01-17176, DC Docket No. 98- 00721 CR-JAL, Page 83).
Richterin Phyllis Kravitch zeigte in einem eindrucksvollen 15-seitigen Dissens die schreckliche an
Gerardo Hernández begangene Ungerechtigkeit ihrer Kollegen auf.
Sie hob hervor: "Ein Land hat kein Recht dazu, ein Flugzeug im internationalen Luftraum
abzuschießen, im Gegensatz zu einem Land, in dem der Flugzeugabschuss innerhalb seines eigenen
Gebietes geschieht, wenn es die Piloten der Maschinen wiederholt gemahnt hatte, seine Grenzen zu
respektieren, wenn diese Gegenstände über dem Gebiet abgeworfen hatten und wenn das Ziel der
Flüge ist, das politische System des Landes zu destabilisieren. Demzufolge geht die Frage, ob die
Regierung ausreichende Beweise zur Unterstützung der Verurteilung von Hernández geliefert
hat, dahin, ob sie ausreichendes Beweismaterial dafür vorgelegt hat, dass er ein Abkommen zum
Abschuss der Flugzeuge über internationalem Gewässer im Gegensatz zu kubanischem Luftraum,
eingegangen ist" (ebd. Seite 94-95) und in dieser Hinsicht "kann die Regierung keinen
einzigen Beweis erbringen" (ebd., Seite 98).
Aber über die Frage des Ortes des Zwischenfalls hinaus, "ist es der Regierung nicht gelungen,
zufriedenstellende Beweise dafür zu liefern, dass Hernández einer Vereinbarung zugestimmt
hat, die Flugzeuge überhaupt abzuschießen. Keine der von der Regierung beim Gericht
vorgelegten abgehörten Kommunikationen enthalten eine Vereinbarung, die Flugzeuge
abzuschießen. Die Beweismittel zeigen höchstens eine Vereinbarung, sich den Flugzeugen der
BTTR zu ‚entgegenzustellen' (to confront). Aber eine ‚Konfrontation' besagt nicht unbedingt einen
Abschuss."
Um ihren Standpunkt zu beweisen, verwies sie auf Zeugenaussagen und dem Gericht vorgelegte
Video-Bänder: "Die Beweismittel demonstrieren das Offensichtliche: es gibt viele Wege, wie
sich ein Land einem ausländischen Flugzeug ‚entgegenstellen' könnte. Aber die Regierung
lieferte keinen Beweis, dass Hernández zustimmte, dabei zu helfen, sich BTTR ‚entgegenzustellen',
dass er zustimmte, dass die Konfrontation ein Abschuss sein würde. Um zum Ende zu kommen, die
Beweismittel zeigen, dass dies von reiner Beeinflussung bis hin ins Reich der Spekulation reicht ...
Weil so viele Beweise auf eine ‚Konfrontation' im Gegensatz zu einem Abschuss hindeuten, kann ich nicht
sagen, dass eine vernünftige Jury - angesichts all' der Beweise - ohne begründbaren Zweifel
zu dem Schluss kommen könnte, Hernández habe dem Abschuss zugestimmt."
(ebenda Seiten 96-97)
Es war so offensichtlich, dass selbst die Regierung in einer "beispiellosen" Petition an eben
dieses Berufungsgericht diesen Standpunkt anerkannte: Gerardos Schuld an einem derart fabriziertem
Verbrechen zu demonstrieren, stelle ein "unüberwindbares Hindernis" für die
Staatsanwaltschaft dar.
Das wäre andernorts der Fall mit einer "vernünftigen Jury". Aber nicht in Miami,
wo die eingeschüchterten Geschworenen im Gerichtssaal von einem Haufen Individuen umzingelt waren,
die ihre terroristischen Heldentaten proklamierten und in der Lage waren, Elián zu
entführen, immer in absoluter Straffreiheit, und der Regierung darin zustimmten, für Gerardo
die schlimmste Strafe zu fordern. Das wird jeder vernünftige Jurist verstehen können. Aber
nicht ein "rechtsradikaler Fanatiker, der nicht in der Lage ist zu richten".
Jemand im Weißen Haus war glücklich. Der von ihm Ernannte hatte ihm gute Dienste erwiesen.
Gerardo bekam seine beiden lebenslangen Strafen mit der widerwilligen und paradoxen Zustimmung eines
Richters, Birtch, der darauf beharrte, dass alle Urteile der Fünf "revidiert werden
sollten" und einer würdigen Dame, die ihre abweichende Stimme aufrecht erhielt: "die
Regierung hat keinen Beweis vorgelegt, der ihre Beschuldigung stützt".
Nach Pryors beschämendem Urteil, legten die Fünf Berufung beim "En-Banc-Gericht"
ein. Diesmal fochten sie nicht eine einstimmige und gut begründete Entscheidung an - wie es die
Regierung 2005 tat - sondern eine offen unfaire und voreingenommene, die eine scharfe Trennung des
Gremiums in Punkt Drei bewirkte, den Kravitch mit makelloser Standhaftigkeit zurückwies und Birch
- nachdem er ihre Argumente eingeräumt, aber die Unschuldsvermutung und seine eigenen
"vernünftigen Zweifel" ignoriert hatte - sich merkwürdigerweise entschied, sich
Pryors Proregierungseinstellung und neokonservativer Logik anzuschließen.
Aber diesmal stimmte das Gericht der zweifelhaften Entscheidung des Gremiums zu. Die Richter von
Atlanta vergaßen sogar, dass sie es waren, denen die selbe Regierung einen "Notantrag"
gestellt hatte, in dem sie zugab, daran gescheitert zu sein, Gerardos Schuld zu beweisen.
9. Der ungehörte Ruf
Nachdem sich ihre Einspruchsbemühungen erschöpft hatten, richteten die Cuban Five eine
Petition an den Supreme Court, ihren Fall zu überprüfen. Sie erbaten damit nicht zu viel. Es
war ein Fall, der die Aufmerksamkeit der Obersten Richter aus einer Reihe von Gründen verdiente,
einige von ihnen waren wirklich außergewöhnlicher Natur.
Während der gesamten Dauer des Prozesses - einem der längsten der amerikanischen Geschichte
zu der Zeit - wurde gegen eine Reihe von Verfassungsrechten verstoßen sowie gegen die
Gerichtsentscheidungen in anderen Bezirken - was als die Hauptangelegenheit der Obersten Richter gilt,
wie so wichtige Angelegenheiten des Gerichtsortes, der rassistischen Diskriminierung bei der Auswahl
der Jury, der Strafurteile und der Angeklagten und deren Verteidigung.
Darüber hinaus war es ein Fall, der in unmittelbarer Verbindung mit terroristischen Gruppen und
deren Aktivitäten von U.S.-Territorium aus stand - zu einer Zeit, als Terrorismus als die
wichtigste Sache angesehen wurde - ein Fall mit eindeutigen Konsequenzen hinsichtlich internationaler
Beziehungen, ein Fall, in dem Generäle und höchste Militärs und sogar der Sonderberater
eines Präsidenten im Zeugenstand erschienen waren. Er zeichnete sich in etlicher Hinsicht als
einmalig aus.
Der ursprünglich einstimmige Beschluss des Gremiums des Berufungsgerichtes, nachdem es alle
Aspekte des Falles über mehrere Jahre untersucht hatte, die Verurteilungen außer Kraft zu
setzen und ein neues Verfahren anzuordnen, war seinerseits einmalig sowie es das 93-seitige Dokument
der Urteilsbegründung war. Sehr außergewöhnlich war die auf höchster Ebene
getroffene Entscheidung der U.S.-Regierung vom gesamten Gremium des Berufungsgerichts zu fordern, die
Entscheidung zu revidieren und ebenso selten war es, das Einverständnis des Berufungsgerichtes
für so eine ungewöhnliche Petition zu erlangen.
Andererseits entspricht es bei einem Berufungsrichter nicht der Regel, den Obersten Gerichtshof zu
bitten, einen Fall zu überprüfen, erst recht nicht zwei Mal so wie Richter Birch, der,
während er sich seltsamerweise dem beschämenden Urteil von Richter Pryor anschloss, diese
Forderung wiederholte.
Es war auch einmalig hinsichtlich der Sorge und des Interesses aus der ganzen Welt.
2005, noch vor dem Urteil des Berufungsgerichtes, wurde eine sehr wichtige und ebenfalls einmalige
einstimmige Entscheidung von der U.N. Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierung getroffen.
Diese ist ein vollständig unabhängiges Rechtsgebilde, kein zwischenstaatliches Organ,
bestehend aus fünf Richtern - aus jedem Kontinent einer - das keinen U.N.-Mitgliedstaat vertritt
und sich selbst ausschließlich nach seinen personellen Fähigkeiten, seinen persönlichen
Kompetenzen verantwortlich verhält. Die U.N.-Gruppe untersuchte die Situation der Fünf auf
einen Antrag von deren Ehefrauen und Müttern hin. Die Gruppe brauchte mehrere Jahre für die
Untersuchung des Falles in seiner Gesamtheit und über amtliche Korrespondenz im Austausch mit den
USA. Die kubanische Regierung wurde nie hinzugezogen, wie es auch nicht sein sollte, weil Kuba keine
Partei in dem Prozess war.
Es war eine geschichtemachende Entscheidung: Die U.N. - Gruppe kam zu dem Schluss, dass der
Freiheitsentzug für die Fünf willkürlich war und ein Verstoß gegen die
entsprechenden Menschenrechtsabkommen der UNO und rief die Regierung der Vereinigten Staaten dazu auf,
Abhilfe von dieser Situation zu schaffen.
Die Gruppe erklärte: "Das Verfahren fand nicht in dem erforderlichen Klima der
Objektivität und Unparteilichkeit statt (...). Die Regierung (der Vereinigten Staaten) hat nichts
gegen ein Klima von Befangenheit und Vorurteilen gegen die Angeklagten in Miami unternommen und
geholfen, die Angeklagten von Anfang an als schuldig hinzustellen. Es wurde von der Regierung nicht
bestritten, dass sie ein Jahr später zugegeben hat, das Miami ein ungeeigneter Ort für ein
Verfahren ist, wenn es in Zusammenhang mit Kuba steht, da es dort in diesem Fall nahezu unmöglich
ist, eine unabhängige Jury auszuwählen.
Die Regierung hat nichts dagegen unternommen, dass die Verteidigung nur begrenzten Zugang zu den
Beweismitteln hatte, weil die Regierung sie aus Gründen der nationalen Sicherheit für geheim
erklärt hatte, was die Gleichbehandlung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung untergrub und sich
negativ auf die Möglichkeit (der Verteidigung) auswirkte, Gegenbeweise vorzulegen."
Die UN-Experten betonten, dass die "Angeklagten 17 Monate in Isolationshaft gehalten wurden,"
und als Konsequenz daraus "die Kommunikation mit den Anwälten und der Zugriff auf die
Beweismittel und damit die Möglichkeit einer adäquaten Verteidigung geschwächt
wurden."
Als Schlussfolgerung stellten sie fest: "Diese drei Elemente kombiniert, sind von solchem Gewicht,
dass sie dem Freiheitsentzug dieser fünf Männer einen willkürlichen Charakter
verleihen." (Report of the UN Working Group on Arbitrary Detention E/CN.4/2006/7/Add.1 at p.
60, Opinion No. 19/2005 - United States of America)
Dies war das erste und einzige Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten und der Geschichte der
Vereinten Nationen, dass eine UN-Körperschaft einen Prozess in den USA als unfair und im
Widerspruch zu etablierten Standards der Menschenrechte und internationalem Gesetzen befunden hat.
Aber dieser Befund von fünf unabhängigen Richtern, keiner von ihnen, nebenbei bemerkt, ein
Linker oder Radikaler, war in den (US)-amerikanischen Medien leicht zu finden, und die meisten
(US)-Amerikaner haben wahrscheinlich noch nie davon gehört.
Viele (US)-Amerikaner wissen nicht wer die Cuban Five sind, weil es ihnen nicht erlaubt wird, es zu
wissen.
Nicht nur das lange Verfahren der Fünf wurde im Dunkeln gehalten, (US)-Amerikanern wurde nicht
einmal erlaubt zu wissen, dass dieser Fall sehr wohl vielen Millionen Menschen weltweit bewusst ist.
Die großen vereinten Medien, die nicht über den Rechtsstreit berichteten, breiteten
ebenfalls einen Mantel des Schweigens über die breite, ständig wachsende Bewegung der
Solidarität mit den Cuban Five aus, die es praktisch überall gibt, von Irland bis Tasmanien,
von Kanada bis Namibia. Kirchen, Parlamente, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften,
Schriftsteller, Juristen und Menschen aus allen Lebensbereichen haben ihre Besorgnis und ihr Interesse
in allen Sprachen, auch in Englisch, bekundet.
Aber der Supreme Court hat keine Lust hinzuhören.
10. Eine Beleidigung der Menschlichkeit
Am 6. März 2009 wurden dem Supreme Court zwölf "Amicus Briefs" (Anträge von
Freunden des Gerichts) zur Unterstützung der "Petition für Certiorari"
(Antrag auf Aktenanforderung) der Cuban Five vorgelegt, die größte Anzahl von
Amicus-Anträgen jemals, in denen der Supreme Court aufgefordert wird ein Strafurteil zu
überprüfen.
Acht Anträge wurden von Mitgliedern von in den Vereinigten Staaten ansässigen Institutionen
eingereicht: National Association of Criminal Defense Lawyers; Florida Association of Criminal Defense
Lawyers, Miami Chapter; National Jury Project; National Lawyers Guild und National Conference of Black
Lawyers; William C. Velazquez Institute und Mexican American Political Association; Civil Rights
Clinic at Howard University School of Law; Center for International Policy und Council on Hemispheric
Affairs; und ein "Amicus Brief" von den Professoren Nelson P. Valdés, Guillermo
Grenier, Félix Masud-Piloto, José A. Cobas, Lourdes Arguelles, Rubén G. Rumbaut
und Louis Pérez, angesehenen kubanisch-amerikanischen Gelehrten, Autoren von einigen der
wichtigsten Bücher über Kubaner, die in die Vereinigten Staaten emigrierten.
Die Unterstützung aus aller Welt ist wirklich beeindruckend.
Ein "Amicus Brief" wurde von zehn Nobelpreisträgern unterzeichnet: José
Ramos-Horta (Präsident der Republic East Timor), Wole Soyinka, Adolfo Pérez Esqivel,
Nadine Gordimer, Rigoberta Menchú, José Saramago, Zhores Alferov, Darío Fo,
Günter Grass and Máiread Corrigan Maguire.
Ein anderer Antrag wurde von einer Rekordzahl von Gesetzgebern aus jeder Ecke der Welt eingereicht,
einschließlich des gesamten Senats von Mexiko und der Nationalversammlung Panamas; beide hatten
darüber diskutiert und beschlossen, sich anzuschließen. Auch Mary Robinson, die frühere
Präsidentin von Irland und Hohe Kommissarin für Menschenrechte, Dutzende von Mitgliedern des
Europäischen Parlaments aller politischer Gruppierungen, einschließlich dreier derzeitiger
Vizepräsidenten und zweier früherer Präsidenten, und Hunderten von Gesetzgebern aus
Brasilien, Belgien, Chile, Deutschland, Irland, Japan, Mexiko, Schottland und dem Vereinigten
Königreich.
Dieses Dokument enthielt ähnliche Aufrufe von anderen Nobelpreisträgern, Erzbischof Desmond
Tutu und Harold Pinter, und vom Lateinamerikanischen Kirchenrat, der Ständigen Konferenz
Lateinamerikanischer und Karibischer Parteien, dem Lateinamerikanischen Parlament als auch von anderen
regionalen legislativen Körperschaften und besondere Unterstützungs-Resolutionen der
nationalen Parlamente von Namibia, Mali, Mexiko, Brasilien, Bolivien, Venezuela, Peru, Irland, der
Schweiz und Belgien, unter vielen anderen.
Zwei separate "Amicus" kamen aus einem breiten Spektrum von Juristenorganisationen und
Persönlichkeiten: Einer wurde vom Ibero-Amerikanischen Bund für Ombudsleute, dem Orden der
Anwälte von Brasilien (mit 700.000 Mitgliedern), der belgischen Bar-Gesellschaft, der Berliner und
anderer deutscher Bars, der Internationalen Vereinigung für Menschenrechte und einer Anzahl von
religiösen und rechtlichen Organisationen, Menschenrechtsorganisationen, Juraprofessoren und
Juristen aus Argentinien, Chile, Kolombien, Ecuador, Deutschland, Japan, Mexiko, Panama, Portugal,
Spanien and dem Vereinigten Königreich eingereicht. Unter den Persönlichkeiten, die ihn
unterschrieben, waren Federico Mayor Zaragoza, der frühere Generaldirektor der UNESCO, und Richter
Juan Guzmán Tapia aus Chile.
Die anderen "Amicus" von der Internationalen Gesellschaft Demokratischer Juristen, der
Amerikanischen Gesellschaft für Juristen, der Indischen Gesellschaft für Juristen, Droit
Solidarité, der Haldane Gesellschaft und anderer juristischer Organisationen aus Italien,
Japan, den Philippinen, Portugal und Belgien vorgelegt.
Eine Anzahl von (US)-amerikanischen Anwälten setzte die Papiere auf (wie vom Gesetz verlangt),
nahm Verbindung zu den vielen betroffenen Personen auf, koordinierte sie und reichte die Anträge
rechtzeitig mir dem gebührenden Respekt vor den technischen und anderen Vorgaben des Gerichts ein.
Jede Person oder Institution, die einen "Amicus Brief" einreicht muss sich identifizieren,
persönlich unterschreiben und eine Antragsgebühr bezahlen. Gemäß Richtlinie 37.6
des Gerichts "ist kein Ratgeber einer der Parteien Autor des Antrags oder von Teilen davon. Keine
Person oder Dienststelle außer der ‚Amicus Curiae' oder dessen Ratgeber hat irgendeinen
finanziellen Beitrag bei der Vorbereitung und Übergabe des Antrags geleistet." Es war eine
Heidenarbeit, wofür viele Menschen Anerkennung verdienen. Alle "Amicus Briefs"
können im SCOTUS Blog (www.scotusblog.com) und bei www.antiterroristas.cu nachgelesen werden.
Wir werden nie erfahren, was die Hohen Richter oder ihre Büroangestellten über diese
Dokumente dachten, wenn überhaupt. Niemand weiß, ob sie auch nur einen Blick darauf geworfen
haben. Die "Amici" bekamen keine Antwort oder gar einen einzigen Kommentar - nicht einmal die
Empfangsbestätigung eines Angestellten.
Keiner weiß, wie sich die Hohen Richter angesichts der Anträge auf "Certiorari"
äußerten. Wir haben nur erfahren, dass die Richter am 14. Juni entschieden, den Antrag der
Cuban Five zu verwerfen, und ihn sich, wie andere Anträge auch, nicht anzuhören.
Ein berühmter mexikanischer Dichter definierte die imperialistische Einstellung der USA mit zwei
Worten, Arroganz und Ignoranz. Es scheint, dass das Gericht beides zutiefst verkörpert.
11. "Mission Impossible"
Als der Oberste U.S.-Gerichtshof beschloss, das Bittgesuch der Cuban Five nicht anzuhören,
handelten die Obersten Richter genau so, wie es Obamas Generalstaatsanwalt forderte und zeigten
gleichzeitig an, dass es in dieser Sache keinen Wandel gegeben habe und sicher keinen, dem wir Glauben
schenken könnten.
Das Oberste Gericht schloss sich am vergangenen 14. Juni einfach den anderen beiden
Regierungsabteilungen an und demonstrierte damit ihre Feindseligkeit gegenüber dem kubanischen
Volk. Während der 1990er Jahre fand diese offizielle feindliche Einstellung ihren wesentlichen
Ausdruck in der Duldung einer terroristischen Kampagne, die Leben kostete, menschliches Leid und
materiellen Schaden verursachte, die, statt sie zu verhüten - wie es ihre Pflicht gewesen
wäre - geduldet oder gefördert wurde.
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion trat Kuba in eine ernste wirtschaftliche Krise ein,
in eine für uns schlimmere als die Große Depression von 1929. Dies war gleichzeitig genau
die Zeit, in der die USA beschlossen, ihre Wirtschaftsblockade zu verschärfen, wie es sich im
Torricelli Amendment (Toricelli-Act Gesetzesanhang, Anm. d. Ü.) (1992) und dem
Helms-Burton Act (Helms-Burton-Gesetz, Anm. d. Ü.) (1996) widerspiegelt. Das Trio, Torricelli, Helms
und Burton, versicherte in Reaktion auf die Kollegen, die Einwände gegen die illegale
extraterritoriale Gesetzgebung vorbrachten, dass es das letzte Jahr der von Fidel Castro geführten
Regierung sei.
Andere machten in jenen Tagen schnelles Geld mit der Veröffentlichung billiger Texte, die mit
genauen Datenangaben das unvermeidliche Ende der Kubanischen Revolution ankündigten. Es wurde zum
unangefochtenen Dogma für viele Wissenschaftler, Politiker und Journalisten und zur Quelle der
Ermutigung für diejenigen, die schon seit Jahrzehnten in Sachen Rache aktiv waren.
Einige versuchten aus Unzufriedenheit über die nach ihrer Auffassung unzureichende
Aggressivität Washingtons einen letzten Anschlag auf die bereits aufgegebene Insel. Paradoxerweise
konnten Kuba und die USA im September 1994 und Mai 1995 in Ausübung einer stillen privaten
Diplomatie neue Migrationsabkommen aushandeln, zu denen die Verpflichtung gehörte, sich in
Richtung der Aufhebung des Embargos zu bewegen und ein Versprechen, den Terroranschlägen auf Kuba
Einhalt zu gebieten.
Es war damals, als Herr Basulto und seine Kohorten ihre Einfälle aus der Luft verstärkten.
Basulto erklärte ganz offen seine Absichten. Der angebliche "humanitäre" Charakter
ihrer bisherigen Flüge, um unregistrierten Kubanern zu helfen, die USA zu betreten, waren mit der
neuen U.S.-Politik seit dem 2. Mai 1995, sie auf die Insel zurückzuschicken, verschwunden. Von
diesem Tage an würden, wie Basulto zugab, die Flüge fortgesetzt und in subversiver Absicht
vervielfältigt. Nahezu täglich erschien er in den Medien, kündigte die nächste
Provokation an und behauptete, dass Kuba von der Wirtschaftskrise so geschwächt sei, dass es seine
Grenzen nicht schützen und ihn nicht einmal davon abhalten könne, die Innenstadt von Havanna
zu überfliegen, was er schon mehr als einmal getan habe. Die US-Behörden wussten, was er und
seine Gruppe taten, so wie es jeder wusste, der einen Fernsehapparat besaß, da die Provokationen
gefilmt und von lokalen Sendern der staatlichen Fernsehanstalten ausgestrahlt wurden.
1995 und Anfang 1996 taten wir unser Äußerstes, um Washington dazu zu bewegen, diese absolut
illegalen Provokationen zu verhindern. Wir baten lediglich die US-Behörden, internationales Recht
zu respektieren und ihre eigenen Gesetze und Regeln einzuhalten.
Es fand eine ziemlich intensive Welle von offiziellen Kommunikationen statt, und die US-Seite
räumte den illegalen Charakter der Flüge ein und begann unter kubanischer Kooperation
behördliche Schritte gegen die Grenzverletzer einzuleiten. Und immer wieder wurden diplomatische
Noten geschickt.
Neben den offenen Kanälen warnten wir immer wieder, auf höchstem Niveau, sowohl die zivilen
als auch die militärischen Behörden der USA.
Fidel Castro war persönlich an diesen Bemühungen beteiligt. Er hat viele Stunden
Gespräche mit mehr als einem wichtigen Besucher aus den USA geführt, einige davon kamen mit
klarer Billigung des Weißen Hauses. Und wir erreichten eine eindeutige Verpflichtung
Präsident Clintons, dass solche Provokationen nicht wieder vorkämen. (Indictment À la
Carte, Counterpunch, September 3, 2009; Annals of Diplomacy, Backfire, The New Yorker, January 26,
1998).
Auf dem Weg von Washington nach Miami geschah etwas ziemlich Merkwürdiges. Es scheint, dass
Präsident Clinton genaue Instruktionen gab, seiner Verpflichtung nachzukommen. Aber in dieser
eigentümlichen Stadt (erinnern Sie sich an Elián?) werden Anordnungen des
US-Chefkommandeurs nicht immer befolgt. Sobald die Mafia von Miami von den Instruktionen des
Präsidenten erfuhr, organisierte sie ihre letzte Verletzung (des kubanischen Luftraums Anm. d.
Ü.). Das war die wirkliche Verschwörung, die einzige, die zu den tragischen Ereignissen
vom 24. Februar 1996 führte.
Präsident Clinton reagierte erstaunlicherweise so, als hätte er nie irgend etwas gewusst und
beeilte sich, in einer bedauerlichen Zeremonie im Weißen Haus das Helms-Burton-Gesetz zu
unterschreiben, umgeben von einigen der wahren, frohlockenden Schuldigen, genau jenen Leuten, die sich
ihm widersetzten. Es war das Jahr der Präsidentschaftswahlen, und Clinton gewann Miami leicht.
Diese Erfahrung sollte für jeden mehr als genug sein, um sich ein Bild zu machen über die
Möglichkeit, mit derart frivolen Partnern ernsthafte Gespräche zu führen und Abkommen
zu schließen, eine Art "Mission Impossible".
Aber wir haben es wieder versucht. Wir hatten keine Wahl.
12. Kirschblüte
Mitte bis Ende der Neunziger war die Ankurbelung des Tourismus' eine der wenigen Möglichkeiten, an
harte Währung zu kommen. In Kenntnis dessen verschärfte Washington wieder seine Sanktionen
und Drohungen gegenüber ausländischen Firmen, die in Kuba investieren oder irgendwelche
Transaktionen mit der Insel ausführen könnten. Zufälligerweise erklärten die so
genannte Cuban American National Foundation (CANF) und andere antikubanische Terrorgruppen solche
Besucher gleichzeitig offen als "Feinde" und rechtfertigten damit gewalttätige
Anschläge auf sie.
Als die Touristen in größeren Mengen auf der Insel eintrafen, explodierten 1997 und 1998
eine Reihe von Bomben, andere wurden in unseren Hotels und am Strand in Badeorten aufgefunden.
Von April bis September 1997 hatten solche Anschläge die City von Havanna zum Hauptziel.
Infolgedessen wurden vier Menschen in den Hotels Nacional und Capri am 12. Juli durch Bombenexplosionen
verwundet. Am 4. September traten fast gleichzeitig 4 Explosionen in den Hotels Copacabana, Chateau
und Triton und in einem Restaurant von Havanna auf. Im Copacabana wurde dabei Fabio di Celmo, ein
22-jähriger italienischer Tourist, getötet.
Am 11. August 1997, inmitten der Terrorkampagne, gab die CANF eine öffentliche Erklärung ab,
in der sie diese "Vorfälle interner Rebellion, die in Kuba über die vergangenen Wochen
stattfanden" beschrieb und kundtat, dass "die Cuban American National Foundation diese ohne
Zögern oder Vorbehalte unterstützt".
Diese Vorfälle waren keine "interne" Angelegenheit und noch weniger eine
"Rebellion". Einige in Havanna verhaftete mittelamerikanische Söldner hatten zugegeben,
dass sie im Auftrag von Luis Posada Carriles handelten, einem Gesetzesflüchtigen, der dem Gericht
entkommen war, nachdem er 1976 die erste Zerstörung eines Zivilflugzeuges mitten im Flug
verantwortlich organisiert hatte. Posada genießt nun völlige Straffreiheit in Miami. Am 12.
Juli 1998 gab Posada Carriles in einem Interview auf der Titelseite der New York Times seine volle
Verantwortung für neue Terroranschläge zu und dass er von der CANF dafür bezahlt worden
sei, und zynischerweise bezog er sich auf Fabio di Celmo als eine Person, die "am falschen Ort
zur falschen Zeit" gewesen sei, deren Tod ihn nicht beunruhige. Posada sagte, er könne
"wie ein Baby schlafen". Er wiederholte ähnliche Worte vor einer Fernsehkamera innerhalb
einer Sendung, die in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt wurde.
Zwischen März und April 1998 kamen das U.S.-Außenministerium und dessen Vertreter in Havanna
mehrfach auf Kuba zu, um uns einige heikle Informationen, die sie erhalten hatten, mitzuteilen, die
gewichtigsten von allen bezogen sich auf mögliche Anschläge auf Zivilflugzeuge auf dem Weg
zur Insel. Wir verbrachten Stunden bei der Untersuchung von Geheiminformation mit einander, die die
Amerikaner für so glaubwürdig hielten, dass die Federal Aviation Administration (FAA)
(Bundesluftfahrtbehörde, Anm. d. Ü.) eine Sonderwarnung an Luftfahrtunternehmen
herausgab.
In Anbetracht dieses positiven Austausches ergriff Fidel eine sehr wichtige Initiative. Gabriel Garcia
Márquez, ein anerkannter Freund Kubas und des Revolutionsführers, wollte bald zu einer
Konferenz nach Princeton reisen und erwartete, Präsident Clinton zu treffen, einen seiner Leser
und einer der vielen Millionen Bewunderer des Nobelpreisträgers für Literatur.
Am 18. April entwarf Fidel eine persönliche Nachricht an Clinton und gab sie dem kolumbianischen
Schriftsteller, der am 1. Mai in der U.S.-Hauptstadt eintraf. Garcia Márquez wartete mehrere
Tage "in meinem unpersönlichen Raum im Hotel in Washington, wo ich bis zu täglich 10
Stunden mit Schreiben verbrachte. Aber auch wenn ich mich weigerte, es zuzugeben, der wahre Grund
für meine Isolation war die Bewachung der Nachricht im Safe... während ich weiter schrieb,
widmete ich mich seiner Bewachung, nahm meine Mahlzeiten im Hotelzimmer ein und empfing meine Besucher
dort."
Da er nicht in der Lage war, Gabo persönlich zu treffen, arrangierte Präsident Clinton am 6.
Mai ein Treffen mit seinen engsten Mitarbeitern im Weißen Haus. Laut Gabos Bericht nahm man
Fidels Botschaft sehr ernst.
Einer nach dem anderen las sie mit wachem Interesse. Richard Clarke, ein höherer Beamter des
nationalen Sicherheitsrates sagte, "dass sie unverzügliche Schritte für einen
gemeinsamen U.S.-Kuba-Plan zum Terrorismus unternehmen wollten." James Dobbins, auch ein
höherer Beamter des NSC, "beschloss, dass sie sich mit ihrer Botschaft (sic, wie er es
ausdrückte) in Kuba austauschen wollten, um ein Projekt zu erarbeiten." Mack McLarty
"drückte seine Wertschätzung für die große Bedeutung dieser Nachricht aus,
die es wert sei, die volle Aufmerksamkeit seiner Regierung zu erhalten, der sie sich dringend annehmen
müssten." Am Schluss des Treffens im Weißen Haus sagte McLarty: "Ihre Mission war
tatsächlich von allerhöchster Wichtigkeit, und Sie haben sie sehr gut ausgeführt."
Sowohl Fidels Botschaft als auch Garcia Márquez' vollständige und faszinierende
Beschreibung der Mission wurden unredigiert von Fidel Castro bei einer
öffentlichen Ansprache am 20. Mai 2005 veröffentlicht (s.: Fidel Castro Ruz: "Die andersartige Haltung")
Nach der Erledigung einer solch heiklen Aufgabe war Gabo glücklich, beinahe vollkommen
glücklich:
"Meine einzige Frustration auf dem Rückweg ins Hotel bestand darin, bis dahin das Wunder der
Kirschblüte dieses prächtigen Frühlings nicht entdeckt und genossen zu haben.
Ich hatte kaum Zeit, meine Sachen zu packen und den Flug nachmittags um Fünf zu erwischen. Das
Flugzeug, das mich vor vierzehn Tagen von Mexiko hergeflogen hatte, hatte mit einer beschädigten
Turbine zum Fliegerhorst zurück fliegen müssen, und wir warteten vier Stunden auf dem
Flughafen, bis ein anderer Flug zur Verfügung stand. Der, den ich nach dem Treffen im Weißen
Haus nach Mexiko nahm, hatte wegen einer Reparatur an der Funkmesstechnik, die sie vornahmen,
während die Passagiere schon an Bord waren, in Washington anderthalb Stunden Verspätung.
Vor der Landung in Mexiko, fünf Stunden später, kreiste das Flugzeug fast zwei Stunden lang
über der Stadt, weil eine der Landebahnen außer Betrieb war. Seit ich vor
zweiundfünfzig Jahren immer wieder geflogen war, hatte ich dergleichen nie durchgemacht. Aber
danach konnte es nichts anderes mehr sein als ein friedliches Abenteuer, das für immer einen
bevorzugten Platz in meinen Erinnerungen einnehmen wird."
13. Die Geschichte wiederholt sich
Nur ein paar Tage nach dem Treffen im Weißen Haus mit Garcia Márquez nahmen
U.S.-Diplomaten Kontakt mit den kubanischen Behörden auf. Wir hatten eine Reihe von Diskussionen,
die sich insbesondere auf das konzentrierten, was die USA über die Terroranschläge auf die
zivile Luftfahrt herausgefunden hatten und darauf, dass sich die FAA verpflichtet fühlte, eine
entsprechende Warnung herauszugeben. Im Laufe dieses Austausches fragten die USA formell an, ob eine
hochrangige FBI-Delegation nach Havanna kommen dürfe, um unsere Geheiminformation über die
weiter laufenden Terrorkampagnen von ihren dortigen Amtskollegen in Empfang nehmen zu können. In
Vorbereitung auf diesen Besuch teilte uns der Vize-Außenminister John Hamilton mit, dass
"sie dieses Mail die Ernsthaftigkeit der Vereinigten Staaten bei dem Angebot betonen möchten,
den Hinweisen, die (Kuba) haben könnte, nachzugehen."
Die Treffen fanden vom 16. - 17. Juni 1998 in Havanna statt. Das U.S.-Team erhielt ausgiebige
Information, sowohl Dokumente als auch Zeugenaussagen. Das überreichte Material enthielt
Ermittlungen über 31 Terroranschläge, die zwischen 1990 und 1998 stattgefunden hatten,
einschließlich detaillierter Information über die Finanzierung der gefährlichsten von
Luis Posada Carriles' Netzwerk ausgeführten Aktionen. Die Information enthielt Listen, Fotos von
Waffen, Sprengstoff und anderen Materialien, die in jedem der Fälle beschlagnahmt worden waren,
außerdem 51 Seiten mit Hinweisen über den Weg des Geldes an die verschiedenen Gruppen
für Terroranschläge auf der Insel. Das FBI erhielt auch Tonbänder mit Aufnahmen von 14
Telefongesprächen, in denen Posada Carriles sich auf gewalttätige Anschläge auf Kuba
bezog. Es wurden spezielle Angaben darüber zur Verfügung gestellt, wie man den
berüchtigten Mörder auffinden könne, welches seine Privatadressen waren, die Orte
genannt, an denen er sich häufig aufhielt und seine Autonummernschilder in El Salvador, Honduras,
Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Guatemala und Panama.
Das FBI übernahm Akten von Terroristen kubanischer Herkunft, die meisten von ihnen in Miami
ansässig und die Anhaltspunkte dafür, wie man jede Person finden könne. Die
U.S.-Delegation brachte drei 2-Gramm-Muster des Sprengstoffes von Bomben mit, vor der Explosion am 30.
April 1997 im Hotel Cohiba-Media und am 19. Oktober 1997 in einem Touristenbus entschärft worden
waren, sowie die Sprengstoffbauteile, die wir am 4. März 1998 von zwei Guatemalteken beschlagnahmt
hatten.
Das FBI erhielt auch 5 Video- und 8 Audiokassetten und deren Transkripte mit den Aussagen der
Mittelamerikaner, die wegen der Bombenlegungen in Hotels verhaftet worden waren. Darin sprachen sie
über ihre Verbindungen zu den kubanischen Banden und insbesondere zu Posada Carriles.
Die US-Seite erkannte den Wert der Information an und verpflichtete sich, sobald wie möglich zu
antworten.
Wir haben nie wieder ein Wort gehört. Niemand weiß mit Sicherheit, was das FBI mit den
Beweisen und den sorgfältig recherchierten Informationen gemacht hat, die es in Havanna bekommen
hatte. Sicher nutzten sie sie nicht, um irgendjemanden zu verhaften oder Ermittlungen einzuleiten.
War das State Department nicht mehr besorgt über die Informationen, die es über
Terroranschläge auf kommerzielle Fluglinien gesammelt hatte? Was passierte mit seinen
Maßnahmen zum Schutz der Passagiere, einschließlich (US)-amerikanischer?
Ist das die Art, "augenblicklich Schritte zu unternehmen" gegen ein Problem, "das die
volle Aufmerksamkeit der Regierung verdient und mit dem man sich vordringlich befassen wird", wie
das Weiße Haus feierlich versprochen hatte? Oder "die Ernsthaftigkeit der Vereinigten
Staaten zu betonen"?
Es darf angenommen werden, dass das FBI seine so gewonnenen Informationen seinen Kumpeln in Miami
mitteilte.
Wenn Tatsachen irgendeine Bedeutung haben, muss das der Fall gewesen sein. Am 12. September 1998,
ungefähr drei Monate nach dem Besuch in Havanna, erfuhren wir durch die Medien von der Verhaftung
von Gerardo, Ramón, Antonio, Fernando und René und dass Mr. Pesquera, FBI-Chef von Miami,
an jenem Samstag Morgen Ileana Ros Lehtinen und Lincoln Diaz-Balart - die Kongressabgeordneten von
Batista-Miami - besuchte, um sie von der Verhaftung der fünf Kubaner zu unterrichten.
Die Geschichte wiederholt sich. 1996 gab Präsident Clinton die Anweisung, die Provokationen der
"Brothers to the Rescue" zu beenden, aber als seine Anordnung Miami erreichte, verschwor sich
der lokale Mob, genau das Gegenteil zu tun. 1998 schien genau der selbe Präsident gewillt, die
Terroranschläge gegen Kuba - und auch gegen (US)-Amerikaner - abzustellen, aber als seine
Absichten in Miami bekannt wurden, ließ das FBI vor Ort sie verpuffen.
Mr. Pesquera hat in einem Zeitungsinterview eingeräumt, dass seine Hauptschwierigkeit darin
bestand, von Washington die Erlaubnis zu bekommen, die Fünf festzunehmen. Es muss in der Tat sehr
schwierig gewesen sein. Sollte nicht Washington beim Kampf gegen den Terrorismus auf der anderen Seite
des Gartenzauns stehen?
Aber Mr. Pesquera und seine Spießgesellen gewannen. Sie bewiesen, dass sie in der Lage sind,
Gesetz und Anstand zu ignorieren und sich über den US-Chefkommandanten lustig zu machen. Erinnern
Sie sich an Elián?
14. Auf welcher Seite stehst Du?
FBI-Beamte erhielten eine große Menge konkreter, detaillierter Informationen über die
anti-kubanischen Terrorgruppen, einschließlich der Angaben über deren genaue Aufenthaltsorte
mit Adressen, Telefonnummern, Fotos und Tonbändern, auf denen die finsteren Pläne mit den
Originalstimmen aufgezeichnet waren und viele andere Sachverhalte. Zu keinem Zeitpunkt hatten sie
protestiert oder ihre Sorge über Kubas Fähigkeit oder angewandte Methoden zur Erlangung der
genauen Hinweise zum Ausdruck gebracht.
Sie dankten uns nur und baten mit dem Argument um etwas Zeit, dass sie mehr Hinweise, ja, vielmehr
erhalten hätten, als sie erwarten konnten.
Als Gabriel Garcia Márquez am 6. Mai 1998 Präsident Clintons engste Berater im
Weißen Haus traf, fragte niemand danach, wie Kuba diese schrecklichen Anschläge aufgedeckt
hatte. Einer der amerikanischen Gentlemen sagte nur: "Wir haben gemeinsame Feinde."
Es war bei jeder anderen Gelegenheit, wenn wir uns in Havanna, Washington oder andernorts trafen, um
mit den amerikanischen Beamten unsere Informationen über die Terroranschläge zu
erörtern, genau das Gleiche. Sie beklagten sich nie über irgend etwas, weder direkt noch
indirekt - nicht einmal im Flüsterton.
U.S.-Beamte wandten aus einigen sehr offensichtlichen Gründen nie etwas gegen unsere
Ermittlungsbemühungen ein. Die Geschichte von Gewalt und Terror gegen Kuba ist ziemlich lang - bis
jetzt dauert sie seit einem halben Jahrhundert an - und sie ist in einer umfangreichen Bibliographie
sehr gut dokumentiert, die teilweise auch in freigegebenen oder noch nicht freigegebenen
U.S.-Kongress-Akten registriert ist. Es sind offizielle Dokumente, von denen wir annehmen können
sollten, dass unsere amerikanischen Amtskollegen damit sehr vertraut seien.
Vor einem solchen Hintergrund hat Kuba das Recht (ja, sogar die unausweichliche Pflicht) sich und seine
Bevölkerung zu schützen und herauszufinden, was gerade bei denen in Vorbereitung ist, die
versuchen, materiellen Schaden und menschliches Leid zu verursachen. Dies ist das universell anerkannte
Prinzip der Selbstverteidigung.
Die Amerikaner sind sich dessen sehr wohl bewusst. Wie sie sich sicher auch daran erinnerten, dass wir,
als wir über den Mordanschlag auf Präsident Reagan erfuhren, ihnen umgehend unsere
Informationen mitgeteilt hatten, ungeachtet der Antipathie der Großen Kommunikatoren
gegenüber Kuba. Washington beklagte sich damals nicht, sondern drückte seine Dankbarkeit aus.
Sie wissen auch, dass Kuba nur eine kleine Insel in der Karibik mit einer Bevölkerung von etwas
über 11 Millionen ist. Kuba hat keine Satelliten, um aus dem Weltraum an Daten zu kommen, noch
besitzt es irgendwelche extrem komplizierten Geräte, wie sie von den Geheimdiensten der
US-Amerikaner und anderer großer Mächte genutzt werden.
Kuba hat nur menschliche Intelligenz. Etwas Unentbehrliches, wie jetzt auch in den Vereinigten Staaten
zugegeben wird, etwas, das das Leben vieler Amerikaner hätte retten können, wenn es in den
USA vor den schrecklichen Ereignissen, die 2001 Amerika erschütterten, auf geeignete Weise
eingesetzt worden wäre.
Und unsere ist keine bezahlte Intelligenz. Wir haben niemals Geld dafür ausgegeben, wie es andere
mit Milliarden tun, um Informationen zu kaufen oder Verträge mit teuren Agenten in aller Welt
abzuschließen. Wir hängen von der großherzigen Opferbereitschaft junger Männer
wie Gerardo, Ramón, Antonio, Fernando und René ab.
Lange vor den abscheulichen Angriffen vom 11.9. sagte Gerardo Hernández Nordelo die folgende
simple Wahrheit zu einem amerikanischen Gericht, das bedauerlicherweise nicht Willens war
zuzuhören.
"Kuba hat das Recht sich gegen Terrorakte zu verteidigen, die völlig unbehelligt in Florida
vorbereitet werden, obwohl sie ununterbrochen von den kubanischen Behörden angeprangert wurden.
Das ist das selbe Recht, das die Vereinigten Staaten haben, um die Pläne der Organisation des
Terroristen Osama Bin Laden zu durchkreuzen, die so viel Schaden an diesem Land angerichtet hat und
droht damit fortzufahren, wobei das Ziel der USA nicht ist, die nationale Sicherheit der Länder zu
bedrohen, in denen diese Leute Unterschlupf finden."
Als Gerardo diese Worte schrieb, beendeten gerade viele der Personen, die später zivile Flugzeuge
als tödliche Waffen gegen US-Amerikaner einsetzen sollten, ihre Ausbildung in Miami. Aber das FBI
vor Ort tat nichts, um deren abscheuliches Vorhaben zu vereiteln. Es hatte keine Zeit dazu. Seine Zeit
galt ausschließlich dem Schutz seiner eigenen Terroristen, indem es Gerardo und seine Kameraden
verhaftete und bestrafte.
Das FBI, zumindest in Miami, bekämpfte den Terrorismus nicht. Noch verhinderte es kriminelle
Attacken gegen US-Amerikaner oder Kuba. Es stand auf der anderen Seite des Gartenzauns.
15. Ein sehr wichtiger Lügner
Luis Posada Carriles ist eine echte VIP (Very Important Person = sehr wichtige Person), die die
Zuvorkommenheit und Privilegien genießt, die anderen Honoratioren und Prominenten vorenthalten
werden. Aber er ist auch ein bekennender und ordnungsgemäß beglaubigter internationaler
Terrorist.
- Posada startete seine lange Karriere mit ersten Aktionen gegen die Kubanische Revolution,
einschließlich des Schweinebucht-Fiaskos und etlicher Jahre als CIA-Mann bei der venezolanischen
politischen Polizei, wo er zum Leiter einiger herausragender Folterknechte wurde.
- Posada wurde, seit er 1985 aus einem venezolanischen Gefängnis entkam, von Interpol gesucht -
Hugo Chávez war damals noch ein unbekannter junger Mann - während er wegen der Organisation
der ersten Zerstörung eines Zivilflugzeuges mitten im Flug und des eiskalten Mordes an 73 Menschen
vor Gericht stand.
- Posada tauchte unmittelbar danach in Mittelamerika als Schlüsselfigur des Iran-Contra-Skandals
auf und wurde etliche Male während der Ermittlungen des U.S.-Senats und in dem Notizbuch von
Oliver North erwähnt.
- Posada veröffentlichte seine Biographie - ein Bestseller in Miami - und trat viele Male in den
regionalen und den U.S.-Medien auf.
- Posada landete zwei Mal mit aufeinander folgenden Themen auf der Titelseite der New York Times, in
denen er seine Verantwortung für die Bombenattentatskampagne in den 1990ern in Kuba beschrieb.
- Posada wurde von einem panamaischen Gericht wegen Verbrechen für schuldig befunden, die in
Verbindung mit einem Komplott für ein Bombenattentat in der Universität zur Tötung von
Fidel Castro und Hunderten von Studenten und Professoren standen, worauf er von der Präsidentin
von Panama am Vorabend ihres letzten Amtstages illegal begnadigt wurde, nachdem sie die noch eilig
geschickten Sondergesandten von George W. Bush empfangen hatte.
- Posada ging wieder irgendwo in Mittelamerika in "Deckung", aber hielt die ständige
Kommunikation mit seinen Kumpeln in der Cuban American National Foundation und anderen Terrorgruppen
aufrecht und sammelte aus regelmäßig und gut propagierten Spendenaktionen Geld.
Ja, es ist eine lange Karriere von Ehrlosigkeit, immer im Namen von U.S.-Zielen und -Interessen, wie
sein Anwalt in Miami stolz verkündet.
Wenn wir seinen Worten glauben sollen, so hat Posada während dieser Zeit etliche Male, obwohl
unbemerkt, die USA besucht. Eines Tages beschloss er, sich dort für immer niederzulassen. Immerhin
wohnte seine Familie seit Jahrzehnten in Miami.
Und dann ging er nach Hause zurück.
Posada kam im März 2005 nach Florida, heimlich, ohne US-Visum, wie es viele Millionen Latinos
immer wieder vergeblich versuchen. Aber er wurde nicht verhaftet, geschweige denn deportiert. Die
Geschichte, wie er es mit Hilfe seines Terrornetzwerks in Miami an Bord der Sandrina schaffte, wurde in
der Zeitung aus Yucatan "Por Esto" beschrieben, eine Geschichte, die über den gesamten
Kontinent verbreitet wurde. Jeder wusste es, nur nicht die Bush-Administration, die zwei Monate lang
behauptete, sie wisse nichts über seinen Verbleib - bis Posada im Mai eine Pressekonferenz
anberaumte, um seine Absicht zu verkünden, seinen totalen Krieg gegen die Kubanische Revolution
von Miami aus zu führen.
Da sie keine andere Wahl hatte, verhaftete die Bush-Administration Posada und nahm ihn mit in eine
Einrichtung der Einwanderungsbehörde in El Paso, wo man für ihn eine VIP-Lounge vorbereitet
hatte, vollkommen getrennt von den anderen Insassen, mit besonderer Verpflegung und Annehmlichkeiten
aller Art, sogar die Möglichkeit, Freunde und Journalisten zu treffen. Posada motzte nur, das das
US-Protokoll nicht vorsah, ihn mit Guavegebäck zu versorgen.
Laut offizieller Dokumente, die die US-Regierung dem Einwanderungsgericht unterbreitete, bemühte
sich Washington angestrengt auf diplomatischem Weg, andere Länder davon zu überzeugen, Posada
Aufenthalt und Schutz zu bewilligen. US-amerikanische Diplomaten gingen auf Regierungen in Mittel- und
Südamerika und sogar in Europa zu, und baten sie, die berüchtigte VIP in Empfang zu nehmen.
Ohne Ausnahme war die Antwort jedes Mal: "Nein, danke."
Ironischerweise hat Washington immer noch nicht eine Note Venezuelas vom 15. Juni 2005 beantwortet, in
der Venezuela, gemäß des Auslieferungsabkommens zwischen den beiden Ländern, die
Verhaftung und anschließende Auslieferung Posadas verlangt.
Die Bush-Administration, und bisher auch ihre Nachfolgerin, bezeichnete ihn lieber als Lügner und
begann absichtlich einen konfusen Rechtsstreit mit Mr. Posada, weil er angeblich nicht ehrlich zu
Einwanderungsbeamten darüber gewesen sei, auf welchem Weg er das Land betreten habe. Als Ergebnis
schickte ein Verwaltungsgericht Posada aus Bequemlichkeit nach Hause, was seine förmliche
Anerkennung einer Behörde gegenüber herausfordert, die eine solch beispiellose Geduld und
solch beispielloses Verständnis gezeigt hatte.
Wie viele nichtgenannte arme Latinos hatten so eine Gelegenheit? Wie viele von ihnen wurden inzwischen
freigelassen und ihnen erlaubt, unbehelligt davonzugehen und hinzugehen, wo immer sie wollen?
Posada beschwert sich nicht mehr. Er ist ein freier Mann in Miami und isst jede Menge Guavegebäck.
16. Ohne Ausnahme, welche auch immer?
Venezuelas formeller Antrag um die Auslieferung von Luis Posada Carriles war gut begründet. Es
gibt ein Auslieferungsabkommen zwischen Venezuela und den Vereinigten Staaten, das von beiden 1922
ratifiziert und für die Dauer eines Jahrhunderts eingeführt wurde.
Venezuela folgte einem Brief des Gesetzes seines Obersten Gerichtshofes, der eine Haftbefugnis für
den Flüchtigen herausgab, der 1985 aus einem venezolanischen Gefängnis verschwand. Die
venezolanische Regierung übermittelte ihren Auslieferungsantrag am 15. Juni 2005 der Regierung der
Vereinigten Staaten.
Laut dem Abkommen hätte Washington Posada unverzüglich verhaften und seinen Fall an ein
Bundesgericht für einen Auslieferungsprozess übergeben sollen, bei dem der
Außenminister das letzte Wort gehabt haben sollte. So funktioniert angeblich in Amerika die Idee
Montesquieus von der "Gewaltenteilung".
Aber nichts von allem geschah. Die U.S.-Regierung hat stattdessen beschlossen, Posada nicht zu
inhaftieren oder den Fall einem Bundesgericht für Auslieferung zu übergeben.
Die USA hätten Posada auch nach ihrem eigenen "Patriot Act" festnehmen können, was
den Justizminister dazu befugt, einen Terroristen bis zu seiner endgültigen Ausweisung aus den
Vereinigten Staaten festzunehmen. Der "Patriot Act" schließt die Notwendigkeit aus,
sich mit Gerichten zu beraten, um jemanden inhaftieren zu können, den die Bundesregierung als
Terroristen betrachtet. Der Justizminister braucht die Person nur als Terroristen zu erklären
(siehe Abschnitt 1226 (A), Rechtstitel 8 des Gesetzbuches der Vereinigten Staaten). Mit der
Entscheidung, Posada nicht als einen Terroristen zu erklären und ihm zu erlauben, sich frei zu
bewegen, verstoßen die Vereinigten Staaten eindeutig gegen ihren eigenen "Patriot Act".
Und indem es das Auslieferungsabkommen mit Venezuela und verschiedene Abkommen zu Terrorismus
missachtet, verstößt Washington in grober Weise gegen die U.S.-Verfassung, insbesondere
gegen Artikel VI, der festlegt, dass solche internationalen Abkommen´"das oberste Gesetz des
Landes sein sollten."
Bush beschloss, dass Posadas Verlogenheit gegenüber einem Beamten eine größere Straftat
sei als 73 Anklagen wegen Mordes ersten Grades. Und statt die U.S.-Verfassung und
Abkommensverpflichtungen aufrechtzuerhalten, bevorzugte es Bush zu versuchen und andere Regierungen
davon zu überzeugen, ihm dabei zu helfen, Posada zu beherbergen und zu schützen. Keine andere
Regierung war jedoch dazu bereit.
Die Bush-Administration ignorierte rundweg die Hauptsäulen im Kampf gegen den internationalen
Terrorismus in bestimmten internationalen Abkommen: das Montreal-Abkommen zur Unterdrückung
gesetzwidriger Akte gegen die Zivile Luftfahrt und für den Schutz von Passagieren und das
internationale Abkommen gegen Terroranschläge durch Bombenattentate.
Beide Konventionen führen eine ganz besondere Bestimmung ein, um es unmöglich zu machen, dass
irgendein Verdächtiger eines solchen Verbrechens der Anklage entgehen kann. Eine Ausnahme für
die Auslieferung wurde etabliert, und nur eine. Wenn irgendein Staat einem Auslieferungsantrag nicht
zustimmt, ist er verpflichtet, augenblicklich den Verdächtigen anzuklagen und vor Gericht zu
stellen, so als hätte er das selbe Verbrechen auf dem Territorium des betreffenden Staates
begangen. Das muss laut beider Konventionen "ohne Ausnahme, welche auch immer" so geschehen.
Im September 2001, wenige Tage nach 9/11, forderte die Bush-Administration den UN-Sicherheitsrat auf,
obligatorische und konkrete Maßnahmen zu beschließen, die jedes Land unter Androhung von
Gewalt bei Nichtbefolgung zu ergreifen habe. Die Resolution 1373 des Sicherheitsrates, beantragt von
der US-Delegation und einstimmig angenommen, erklärt es für eine einklagbare Verpflichtung
aller Mitgliedsstaaten, bei der Anklage flüchtiger Verdächtiger zu kooperieren, ihnen
Unterschlupf zu verweigern, politische Entschuldigungen für die Nichtauslieferung zu verurteilen
und die volle Anwendung der internationalen Übereinkünfte gegen den Terrorismus zu fordern,
einschließlich der beiden oben zitierten Konventionen.
Um die Durchsetzung von Resolution 1373 zu garantieren, wurde ein besonderes permanentes Komitee des
UN-Sicherheitsrates eingesetzt. Es trifft sich regelmäßig in seinem Hauptquartier in New
York. Bei jedem Treffen werden die Vereinigten Staaten beschuldigt, Resolution 1373 mit ihrer
Doppelmoral bezüglich des Terrorismus' klar zu verletzen, in dem sie Luís Posada Carriles
beschützen und die Cuban Five einkerkern.
Die nächste Runde im Affentheater um Posadas "Verfahren" ist für den 1. März
2010 angesetzt. Gegen Posada wird wegen des Vorwurfs des Meineids "verhandelt". Dann sind
fünf Jahre unerbittlicher Bemühungen, einen Terroristen zu beschützen und zu verhindern,
dass er wegen seiner eigentlichen Verbrechen vor Gericht gestellt wird, vergangen. Die fünf
anti-terroristischen Helden werden dann in der Mitte des zwölften Jahres ihrer ungerechten,
grausamen Strafe sein.
Dadurch, dass Washington seine internationalen vertraglichen Verpflichtungen nicht respektiert,
unterminiert es die wichtigsten Instrumente, die konzipiert wurden, um den Kampf gegen den Terrorismus
zu stützen, der angeblich die höchste Priorität der Vereinigten Staaten besitzt. Der
Schaden an der Glaubwürdigkeit der USA mag von vielen Amerikanern nicht erkannt werden, weil die
vereinigten Medien ihnen nicht erlauben, ihn zu erkennen. Sie dürfen nicht erfahren, wie die
Scheinheiligkeit und Arroganz der US-Politik überall abgelehnt wird. Sich die Möglichkeit
vorzustellen, die USA spielten irgendeine führende Rolle in der Welt, ganz abgesehen davon, dass
sie respektiert würden, hieße sich irrationaler, unbegründeter Tagträume hinzugeben.
Ricardo Alarcón de Quesada
Übersetzung: Komitee Basta Ya
Counterpunch, 11.08.–25.10.2009
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