Erfundene Gefangene

Contra-Organisation verbreitet Liste von angeblichen politischen Inhaftierten in Kuba. spanischer Seefahrer Dionisio Alcalá Galiano
Laut kubanischer Contras ein politischer Gefangener in Kuba: Der 1805 gestorbene, spanische Seefahrer Dionisio Alcalá Galiano
Foto: [Public domain or CC0], via Wikimedia Commons


Die Organisation »Kubanische Beobachtungsstelle für Menschenrechte« (OCDH) veröffentlicht monatlich die Namen von Personen, die in Kuba angeblich Opfer staatlicher Repression wurden. Obwohl die Gruppe 2009 in Madrid gegründet wurde, ist deren Vorsitzender Alejandro González Raga, ein gern gesehener Kronzeuge in deutschen Medien. Auch im Europäischen Parlament durfte er der Regierung in Havanna Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Peinlich dabei ist nur, dass in den von der OCDH präsentierten Listen Personen aufgeführt werden, die nicht in Kuba leben, nie existierten oder verstorben sind.

Am 3. Juli behauptete die OCDH auf ihrer Homepage, dass im Juni 410 Bürger, darunter 237 Frauen und 173 Männer, willkürlich verhaftet worden seien. Wie der in Kuba lebende guatemaltekische Journalist Percy Francisco Alvarado Godoy daraufhin in seinem Blog »Descubriendo Verdades« aufdeckte, waren davon jedoch 370 Fälle nicht belegbar oder sogar frei erfunden. Seine Recherchen hatten ergeben, dass von den angeblich 237 in der Liste aufgeführten Frauen 105 in keinem inländischen Melderegister verzeichnet sind, 16 Namen in Kuba gar nicht existieren, drei der Frauen seit längerer Zeit in den USA leben und 98 noch nie verhaftet wurden. Bei den Männern verhält es sich ähnlich. 40 sind in keinem Melderegister zu finden und 108 der angeblich verhafteten wurden noch nie festgenommen.

Von den 410 Personen, die laut OCDH im Juni 2017 Opfer »willkürlicher Verhaftungen« waren, wurden nach Alvarados Informationen lediglich 40, davon 15 Frauen und 25 Männer, tatsächlich inhaftiert. Der Journalist wies darauf hin, dass die OCDH auch drei gewöhnliche Kriminelle, die bereits seit einigen Monaten ihre Strafen verbüßten, als »Neuzugänge« im Juni anführt. Ebenso unkorrekt sei es, den wegen des Diebstahls von Klimaanlagen aus einem Lagerhaus angeklagten Carlos Esteban Chirino Díaz als »politischen Häftling« zu präsentieren. Auch der Name des Systemgegners Yriades Hernández Aguilera tauchte in der Liste auf, obwohl dieser sich nachprüfbar seit dem 31. Mai in den USA aufhält. Selbst vor Toten, kritisiert Percy Francisco Alvarado Godoy, habe die OCDH keinen Respekt, da sie auch den Namen Javier Arano Pérez auf ihre Liste setzte. Der Mann ist bereits im November 2008 verstorben.

Verwunderlich ist der blinde Eifer indes nicht, der den OCDH-Chef zu so leicht zu entlarvenden Falschmeldungen treibt. Raga ist einer von 75 im Jahr 2003 verhafteten Konterrevolutionären und war in Kuba zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde 2008 aus dem Gefängnis entlassen und emigrierte nach Madrid. Gegenüber der in Miami erscheinenden Tageszeitung Nuevo Herald klagte er damals, trotz Unterstützung durch den spanischen Staat, über finanzielle Probleme. Wie der US-amerikanische Journalist Tracey Eaton im September 2016 in seinem Blog »Along the Malecón« berichtete, zahlte die staatlich finanzierte US-Stiftung NED im Jahr 2015 insgesamt 115.000 US-Dollar an die OCDH.

Die Verbreitung gefälschter Informationen über angebliche politische Gefangene in Kuba ist kein neues Phänomen. Die »Kubanische Kommission für Menschenrechte und Versöhnung« (CCDHRN) hatte 2011 bereits eine Liste präsentiert auf der die Namen von Fußballspielern aus Chile und Bolivien, von Mitgliedern des peruanischen Volleyballteams, von Malern des 18. und 19. Jahrhunderts und sogar der 1805 gefallene Seefahrer Dionisio Alcalá Galiano standen. Das alternative spanische Onlineportal Cubainformación berichtete 2015, dass auf einer weiteren, von der CCDHRN veröffentlichten Liste politischer Gefangener, auch Raúl Ernesto Cruz León und Otto René Rodríguez Llerena aufgeführt wurden, zwei Söldner aus El Salvador, die 1997 an der Ermordung eines Italieners in Havanna beteiligt waren.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 26.08.2017