Kommunalwahlen in Kuba

"Die Wahl war sauber. Die Auszählung war sauber. Die Leute wollen keinen Wechsel. Sie wollen noch immer die Revolution", diese Worte des kubanischen Konterrevolutionärs Hildebrando Chaviano werden mir wohl ewig in Erinnerung bleiben.

Vor genau zweieinhalb Jahren beschäftigte ich mich – damals auf Kuba studierend – das erste Mal intensiv mit dem sozialistischen Wahlsystem und den im April 2015 stattfindenden Kommunalwahlen. 88,3 Prozent der achteinhalb Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich 2015 an den Wahlen, Chaviano erhielt in seinem Viertel 19 Prozent der Stimmen und zog somit nicht als Vertreter seiner Nachbarschaft in eines der 168 Kommunalparlamente ein.

Selbst er musste nach diesen Wahlen einräumen, daß die Wahlen sauber gewesen sind. In Deutschland wurde und wird währenddessen immer noch von "Castros Diktatur" und dem "autoritären Einparteiensystem" geredet und geschrieben.

Für mich waren die Vorurteile gegenüber dem kubanischen Wahlsystem und die damals stattfindenden Wahlen der Grund, mich mit einem Abgeordneten des Kommunalparlaments zu treffen und mir das 1992 beschlossene Wahlgesetz genauer anzusehen.

Kuba ist eine Räterepublik, die Delegierten der Kommunalparlamente sind Vertreter der einzelnen Nachbarschaftskreise, ihren Wahlkreisen sind sie rechenschaftspflichtig und von diesen können sie jeder Zeit abgewählt werden(vgl. Wahlgesetz Art.11). Sie besitzen also kein "freies Mandat" und wären damit nur ihrem Gewissen verpflichtet, sondern haben ein "imperatives Mandat", sind demnach also ihren WählerInnen verpflichtet.

Dies macht sich schon im Vorfeld der Wahl bemerkbar. Die Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) sind für die Vorbereitungen der Wahlen verantwortlich. Sie bilden neben ihrer sozialen und kulturellen Rolle die unterste Ebene der politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse und organisieren Bildungsveranstaltungen, diskutieren Gesetzesentwürfe und sammeln Änderungsanträge an diese.

Vor der Wahl unterstützen sie bei der Aktualisierung der Wahlregister und der Suche nach geeigneten Wahllokalen, die für bis zu 700 Menschen zuständig sind. 24.361 wird es dieses Jahr in den 12.515 Wahlkreisen geben.

Als Hilfestellung für die CDRs wurde das Bulletin Nr. 48 herausgeben. In ihm wird erklärt, wie die Wahllisten aufzustellen, die Wahllokale einzurichten und die Biografien der KandidatInnen auszuhängen sind.

Schon 2015 wurde ich durch den kubanischen "Wahlkampf" positiv überrascht. In Kuba gibt es nur bunte Plakate, die dazu aufrufen zu wählen, aber nicht, wo das Kreuz zu machen ist. Diese Entscheidung ist jedem selbst überlassen. Für die einzelnen KandidatInnen werden Steckbriefe angefertigt, auf denen ein Passbild und ein Lebenslauf zu finden sind. Politische Losungen oder Versprechungen sucht man auf ihnen vergebens. (vgl. WG Art.84)

"Natürlich! Die sollen ja nicht ihre Politik machen! Die sollen unsere machen!", sagte eine Kubanerin 2015 auf Nachfrage.

Wahllokal mit Fidel

Wahllokal mit Fidel
Foto: Ricardo López Hevia

Wahlsystem Kubas

Grafik von Kubas Wahlsystem, erschienen in
»Kuba im Wandel». 16 Erfahrungsberichte,
hg. von Volker Hermsdorf, Paula Klattenhoff, Lena Kreymann und Tobias Salin.
Verlag Wiljo Heinen, Berlin/Böklund 2017, 10 Euro.


Kommerzieller Wahlkampf ist verboten, auch Parteien treten nicht zur Wahl an (vgl. WG Art.171). JedeR KubanerIn kann sich ab dem vollendeten 16. Lebensjahr zur Wahl aufstellen lassen und wählen (vgl. WG Art.10). Diejenigen, die in ihrer Nachbarschaft am meisten für die anderen Menschen getan haben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit gewählt – nicht die, die die tollsten Wahlbroschüren drucken oder die meiste Sendezeit im TV bekommen.

Die CDRs sollen im Vorfeld der Nominierungen – die am 4. September stattfinden werden – besonders Jugendliche und Frauen ermutigen, sich aufstellen zu lassen, auch dies geht aus dem Bulletin Nr. 48 hervor. 2015 lag der Anteil der weiblichen Delegierten bei 34,87 Prozent und der der jugendlichen bei 14,95 Prozent.

Am 26. November dieses Jahres hat die erste Runde der Kommunalwahlen stattgefunden, da die Parlamente auf lokaler Ebene für zweieinhalb Jahre gewählt werden (vgl. WG Art.100). Alle Wahlberechtigten hatten die Wahl zwischen zwei und acht KandidatInnen und konnten in der Wahlkabine hinter keiner, einer oder mehreren Personen ein Kreuz machen. Den Wahlzettel "weiß" zu lassen ist ein Symbol der Ablehnung des ganzen Wahlsystems, etwa vier Prozent geben einen weißen Wahlschein bei der Wahl ab. Hat ein/e KandidatIn mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, zieht sie oder er in das Kommunalparlament ein. Kann kein/e KandidatIn mehr als die Hälfte der WählerInnen im ersten Wahlgang von sich überzeugen, wird es zu einer Stichwahl der ersten beiden Plätze kommen.

Die neuen Delegierten üben ihre politische Tätigkeit meist ehrenamtlich aus, werden zeitweise oder komplett von der Arbeit freigestellt, erhalten weiterhin ihren alten Lohn. Politische Mandate sollen nicht durch finanzielle Anreize attraktiver gemacht werden und die Delegierten sollen weiterhin an der Basis arbeiten, um die Probleme der Bevölkerung zu kennen. Auf kommunaler Ebene arbeiten sie so immer direkt an den Problemen ihres Viertels, sorgen für bessere Straßen, den Ausbau der Schulen oder kümmern sich um die Verteilung von Baumaterialien, Elektrogeräten und Festnetzleitungen.

Dabei können sie jederzeit abgewählt werden und müssen auf regelmäßig stattfinden Nachbarschaftsversammlungen erklären, was sie in den letzten Wochen getan haben.

In den ersten Monaten des Jahres 2018 (genaue Termine stehen noch nicht fest) werden die Provinzparlamente und die Nationalversammlung gewählt. 50 Prozent der KandidatInnen werden von den Kommunalparlamenten, die andere Hälfte von der nationalen Wahlkommission vorgeschlagen. In der nationalen Wahlkommission sind Vertreter der Massenorganisationen. So wird gewährleistet, daß alle größeren Bevölkerungsschichten – also ArbeiterInnen, BäuerInnen, Studierende, Frauen usw. – in den Parlamenten gut vertreten sind und ihre Interessen und Erfahrungen bei der Gesetzgebung beachtet werden (vgl. WG Art.68).

Raúl Castro hat angekündigt, sein Amt als Präsident im Februar 2018 niederzulegen, denn auch der Präsident, Staats- und Ministerrat werden in diesem Zuge gewählt.

Dieser Wahlprozess ist laut Raúl Castro "ein Beispiel der wahren Ausübung von Demokratie (…), die auf der breiten Teilnahme des Volkes, der Legalität und Transparenz des Wahlprozesses basiert".

CUBA LIBRE Tobias Salin

CUBA LIBRE 4-2017