Professor Norman Paech über die Internationale Anhörung am 7. und 8. März 2014 in London
Der emeritierte Professor für Völkerrecht an der Universität Hamburg Norman Paech gehört zu den Unterstützern der »Internationalen Anhörung zum Fall der Cuban 5« in London. Im Interview mit CUBA LIBRE erklärt der frühere Bundestagsabgeordnete (DIE LINKE) warum das Tribunal wichtig für die Kampagne zur Freilassung der in den USA noch inhaftierten Kubaner ist.
Warum rufen Sie zu der Anhörung in London auf ?
Prof. Norman Paech bei der Solidaritätsveranstaltung »Ernesto Che Guevara und die Cuban Five am 6. Oktober 2007 |
Ich setze mich seit vielen Jahren für die Revision der skandalösen Urteile gegen die in den USA festgehaltenen Kubaner, bzw. für deren Begnadigung ein. Nach Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit im Jahr 2005 habe ich mit viele Kolleginnen und Kollegen der LINKEN und einigen der SPD eine Petition für ihre Freilassung verabschiedet. Im August 2007 war ich als Prozessbeobachter bei einer Berufung in Atlanta. Der Fall der Cuban 5 ist ein Musterbeispiel für politische Justiz und den willkürlichen Umgang mit den eigenen Gesetzen. Doch in den westlichen Ländern gibt es eine nahezu totale Medienblockade darüber. Mit der Anhörung in London wollen wir versuchen, in die Mauer des Schweigens ein Loch zu brechen.
Sie beschäftigen sich also seit Jahren mit dem Fall. Was ist Ihre Hauptkritik?
Die Cuban 5 haben nicht gegen die USA spioniert, sondern sich in terroristische Gruppen eingeschleust, um Anschläge zu verhindern. Das haben sie bei der Einreise in die USA nicht angegeben und damit gegen Gesetze verstoßen. Im Verfahren sind sie aber außer für dieses Einreisevergehen für zahlreiche schwere Gesetzesverstöße verurteilt worden, die sie nie begangen haben. Besonders schwer wiegt, dass sie am Prozessort Miami kein faires Verfahren bekommen haben. Die Geschworenen kamen aus dem Umfeld der ultrarechten Exilkubanergruppen und in den Medien – das ist mittlerweile bewiesen – wurden Journalisten dafür bezahlt, eine aggressive Stimmung gegen die Fünf zu erzeugen. Mit vielen anderen Juristen aus den USA und anderen Ländern bin ich überzeugt, dass der Prozess und die Strafen rechtsstaatlichen Kriterien nicht standhalten.
Gibt es noch eine juristische Möglichkeit, die verbleibenden Inhaftierten frei zu bekommen?
Juristisch sind zwar alle üblichen Wege ausgeschöpft, doch in US-Strafprozessen gibt es den »Amicus Curiae«. Dieser »Helfer« kann dem Gericht einen Freundschaftsdienst erweisen, indem er mit vertieften Informationen und Sachkenntnissen fachliche Aspekte und Entscheidungen beleuchtet. Das kann auch eine Stellungnahme von bekannten, nicht am Verfahren beteiligter Persönlichkeiten sein, die sich zum Prozess äußern. Die Anhörung in London könnte dazu ein Schritt sein. Ich denke allerdings, dass die Freilassung der vier noch inhaftierten Cuban 5 nur über eine politische Lösung erreicht werden kann. Formal ginge das über eine Amnestie durch Präsident Obama. Dazu wird er nur bereit sein, wenn die Aufrechterhaltung der Haft den USA politisch mehr schadet als nützt.
Die Anhörung in London knüpft an die Tradition der Russel-Tribunale an. Haben die denn etwas bewirkt?
Ja, ganz sicher. Das erste Russell-Tribunal zur Untersuchung und Dokumentation US-amerikanischer Kriegsverbrechen in Vietnam fand 1966 in London, Stockholm und Roskilde statt und wurde von prominenten Vertretern aus 18 Ländern unterstützt, unter anderem von Jean-Paul Sartre, James Baldwin, Simone de Beauvoir, Wolfgang Abendroth und Peter Weiss. Es fand international viel Beachtung und hat den Druck in den USA zur Beendigung des Krieges enorm verstärkt. Vor allem aber hat es die bis dahin unzureichende und einseitige Informationspolitik westlicher Medien verändert.
Warum wurde London als Ort der Anhörung gewählt?
London ist der Ort in Europa, der in den USA die größte Beachtung findet und dort wird letzten Endes über die Freilassung der noch Inhaftierten entschieden. Auch die Sprache ist wichtig. Was in Englisch erscheint, wird international wahrgenommen. Außerdem sind das Ansehen der Organisationen demokratischer Juristen und die Solidarität mit Kuba in Großbritannien sehr ausgeprägt.
Welcher Ablauf ist geplant?
Am Freitag, den 7. März sollen Zeugen gehört werden, die etwas über die Aktivitäten terroristischer Gruppen in Miami und deren Beobachtung durch kubanische Aufklärer aussagen können. Es ist notwendig, das Umfeld zu kennen, um zu verstehen, dass die Fünf nicht gegen die Interessen oder die Sicherheit der USA spioniert haben, sondern kriminelle Anschläge verhindern wollten, die in jedem System der Welt illegal sind. Das ist für die Beurteilung wichtig. Im Fall von Edward Snowden wird ja weltweit zu Recht darüber diskutiert, dass nicht der Enthüller illegaler Tätigkeiten kriminell ist, sondern diejenigen, die die Verbrechen begehen, anordnen oder dulden.
Am zweiten Tag stehen Prozess, Verurteilung, Strafmaß und Haftbedingungen im Mittelpunkt. Dort werden die Positionen der Angeklagten, ihrer Familien und Anwälte auf der einen und die der US-Justiz auf der anderen Seite dargestellt und bewertet. Anders als bei Snowden wird der Fall der Cuban 5 in den westlichen Medien totgeschwiegen. In den USA geschieht das bewusst, in Florida wurden sogar Medien gekauft, um die Wahrheit zu unterdrücken. Auch in Europa haben die Konzerne, denen die meisten Medien gehören, kein Interesse an diesem Thema. Hinzu kommt, dass viele Redaktionen personell so ausgedünnt sind, dass die Journalisten keine Kapazitäten für eigene Recherchen haben und das übernehmen, was die Agenturen ihnen anbieten.
Erwarten Sie eine weitere Aktion wie viele oder kann London eine entscheidende Veränderung bewirken?
Die Anhörung in London ist schon etwas Besonderes. Auf jeden Fall wird es den großen Medien schwer fallen, das Tribunal und seine Ergebnisse zu verschweigen. Ich hoffe, dass dadurch auch der Druck für eine politische Lösung zunimmt. In den USA wird die Forderung nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Kuba immer lauter. Normale Beziehungen sind aber nur möglich, wenn vorher die Fälle der Cuban 5 und des in Kuba inhaftierten US-Spions Alan Gross gelöst werden. Kuba hat damit vermutlich kein Problem. Der Schlüssel zur Lösung liegt in Washington. Dort muss der Eindruck vermittelt werden, dass die Inhaftierung der Cuban 5 in der Welt als weiterer Schandfleck der US-Politik gesehen wird.
Letzte Frage: Fahren Sie hin?
Selbstverständlich, wenn nicht irgendetwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Allein der Erkenntniswert eines solchen Tribunals ist wie eine Geschichtslektion. Angesichts der Wichtigkeit des Anliegens und der Reputation der Teilnehmer halte ich es für eine große Ehre dabei zu sein. In Deutschland hat das Netzwerk Cuba ein Spendenkonto für die Kosten des Hearings eingerichtet:
Netzwerk Cuba e.V.,
Konto Nr.: 32 33 31 00,
BLZ: 100 100 10, Postbank Berlin,
Verwendungszweck:
Cuban 5/Hearing
Volker Hermsdorf
CUBA LIBRE 1-2014